Sabiha Gökçen

Sabiha Gökçen
Sabiha Gökçen 1939/40

Sabiha Gökçen (* 21. März 1913 in Bursa; † 22. März 2001 in Ankara) war die erste türkische Pilotin und die erste Kampfpilotin der Welt. Sie war eines der acht Adoptivkinder von Mustafa Kemal Atatürk.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gökçen wurde als Tochter des Vilayet-Hauptschreibers Hafız Mustafa İzzet geboren, der von Sultan Abdülhamid II. ins Exil geschickt worden war. Sabiha verlor ihren Vater während der Grundschulzeit, konnte jedoch aufgrund einer Unterstützung durch ihre Geschwister die Ausbildung fortführen.

Im Alter von zwölf Jahren traf sie in Bursa erstmals auf Atatürk.[1] Sie erzählte ihm, dass sie eine höhere Schule besuchen wolle. Nachdem Atatürk von ihren elenden Lebensumständen erfahren hatte, adoptierte er sie und ermöglichte ihr den Besuch der Çankaya-Grundschule in Ankara und später des Üsküdar-Mädchenkollegiums in Istanbul.

Atatürk gab ihr am 19. Dezember 1934 den Nachnamen „Gökçen“, was auf türkisch „himmelsbezogen“ bedeutet.[1] Sie war kurze Zeit mit einem Luftwaffenmajor verheiratet, der 1943 starb.[1]

Wirken

Pilotinnenkarriere

1935 begann ihre Pilotenausbildung an der türkischen Zivilflugschule in Ankara. Am Ende ihre Flugausbildung wurde sie zusammen mit sieben männlichen Flugzeugführern zur Weiterbildung in die Sowjetunion beordert.[1] 1936 absolvierte sie ihren ersten Soloflug.[1] 1936 trat sie der türkischen Luftwaffe in der Militärflugschule Eskişehir bei, wo sie zur Militärpilotin ausgebildet wurde.

Ihre ersten Einsätze flog Gökçen im Sommer 1937 und Frühjahr 1938 während der Niederschlagung des Dersim-Aufstandes. Dabei unterstützte sie den Vormarsch der türkischen Bodentruppen, indem sie die Stellungen der Kurden bombardierte.[2] [3] [4]

Im Juli 1938 besuchte sie mit einem werbewirksamen Flug die Hauptstädte der Balkanstaaten.[5]

Doch war sie nicht nur Bomberpilotin, sondern lernte im Rahmen ihrer militärischen fliegerischen Ausbildung auch das Fallschirmspringen. Ihr Einsatz als Fallschirmjägerin war nicht vorgesehen, doch war zur damaligen Zeit, in der Flugzeuge noch keine Schleudersitze hatten, der Absprung mit dem Fallschirm die einzige Möglichkeit, sich aus abstürzenden Maschinen zu retten.

In Atatürks handschriftlichem Testament von 1938 erhielt Sabiha Gökçen 600 türkische Lira aus den Dividenden der von Atatürk gehaltenen Aktien im Gesamtwert von 2800 türkischen Lira. Zusätzlich bekam sie soviel Geld zugeteilt, dass sie sich ein Haus kaufen konnte.

Im Jahre 1951 nahm sie auch am Korea-Krieg teil. Sie war Mitglied des 1. Luftwaffenregiments in Eskişehir. Für besondere Tapferkeit vor dem Feinde, die sie bei ihren zahlreichen Einsätzen immer wieder unter Beweis stellte, wurde ihr der höchste Fliegerorden verliehen, und sie wurde in den Rang eines Majors befördert.

Gökçen hatte die Leitung der Kampfpilotenausbildung der türkischen Luftwaffe inne. Sie beendete ihren aktiven Militärflugdienst 1955 und widmete sich danach ganz der Pilotenausbildung in ihrem Beruf. Danach flog sie bis 1964 in einer Kunstflugstaffel, in der sie ihre außergewöhnlichen fliegerischen Fähigkeiten demonstrierte. Insgesamt 22 verschiedene Flugzeugtypen, sowohl Propellermaschinen als auch Jets, flog Sabiha Gökçen im Laufe ihrer Fliegerkarriere.

Politisches Wirken

Ihr gesamtes Erwachsenenleben wirkte Gökçen für den Kemalismus.[1] Nach Atatürks Tod schrieb sie Gedichte zu seinen Ehren und verfasste eine Autobiographie.[1] Noch am Ende ihres Lebens sprach sie sich gegen den politischen Islam aus.[1]

Rezeption

Sabiha Gökçen Airport

Noch zu ihren Lebzeiten im Januar 2001 wurde der zweite Istanbuler Flughafen im kleinasiatischen Teil der Stadt nach ihr benannt.[1]

Sabiha Gökçen mit Mustafa Kemal Atatürk

Die Ausbildung von Gökçen zur Militärpilotin diente mehreren Symbolfunktionen. Einerseits repräsentiert sie das Lehrmuster einer modernen türkischen Frau, der jede Berufswahl offenstand.[6] Andererseits wurde sie in ihrer Fortschrittlichkeit besonders für ethnisch-türkische Frauen zur Integrationsfigur in der noch jungen türkischen Republik.[7] Als Vertreterin der Mehrheitsethnie und der wohlhabenden Oberschicht wird in der Forschung heute aber auch ihre Rolle als Instrument der Unterdrückung von Minderheiten, insbesondere Kurden, erwähnt.[6] Hans-Lukas Kieser hebt daher die Fragwürdigkeit des "Mythos Sabiha Gökçen" hervor. Als „moderne“ Türkin hat Sabiha Gökçen Bomben auf alevitische Kurden abgeworfen und die türkische Frau im allgemeinen als Tochter einer soldatischen Nation verstanden. Tatsächlich könnten Frauen in der Türkei jedoch erst seit den 1990er Jahren eine militärisch Karriere anstreben.[8]

Weblinks

  • Sabiha Gokcen biography Sabiha Gökçens Biografie, Hargrave Pioneers of Aviation (englisch)
  • Eagle Biography Sabiha Gökçen Sabiha Gökçens Biografie, US Air University, Maxwell-Gunter Air Force Base Montgomery, Alabama (englisch)
  • NTV Atatürk’ün manevi kızı yaşamını yitirdi (Atatürks Adoptivtochter ist tot), Sabiha Gökçens Biografie und Stellungnahme einiger türkischer Politiker anlässlich ihres Todes (türkisch)

Literatur

Videographie

  • Ali Akyüz: Sabiha Gökçen - Göklerin Efsanevi Kızı / The Legendary Girl Of The Skies. Cinema Guild, New York, NY [2005] 2003, ISBN 0-7815-1084-8 (DVD/VHS).

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Pelin Turgut: Sabiha Gokcen. In: The Independent. 24. März 2001, S. 7 (online, abgerufen am 19. August 2008).
  2. Chris Kutschera: Le Mouvement National Kurde. Flammarion, Paris 1979, S. 125.
  3. http://www.hvkk.tsk.tr/PageSub/Kurumumuz/Tarihce/TarihtenYan
  4. Hans-Lukas Kieser:Verlierer der postosmanischen Ordnung. S. 400, in: Dominik J. Schaller, Rupen Boyadjian, Vivianne Berg, Hanno Schultz (Hg.): Enteignet. Vertrieben. Ermordet. Beiträge zur Genozidforschung. Chronos Verlag, Zürich 2004 ISBN 3-0340-0642-X
  5. Gary Leiser: The Turkish Air Force, 1939-45: The Rise of a Minor Power. In: Middle Eastern Studies. 26, Nr. 3, Juli 1990, S. 383–395, S. 383 (online auf jstor.org).
  6. a b Robert Olson: The Kurdish Rebellions of Sheikh Said (1925), Mt. Ararat (1930), and Dersim (1937–38): Their Impact on the Development of the Turkish Air Force and on Kurdish and Turkish Nationalism. In: Die Welt des Islams, New Series. 40, Nr. 1, März 2000, S. 67–94, S. 90 (online auf jstor.org).
  7. Robert Olson: The Kurdish Rebellions of Sheikh Said (1925), Mt. Ararat (1930), and Dersim (1937-8): Their Impact on the Development of the Turkish Air Force and on Kurdish and Turkish Nationalism. In: Die Welt des Islams, New Series. 40, Nr. 1, März 2000, S. 67-94, S. 91 (online auf jstor.org).
  8. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=6038&type=rezbuecher&sort=datum&order=down&search=gökçen

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