Satz von Pontrjagin

Satz von Pontrjagin

Die Pontrjagin-Dualität (nach Lew Semjonowitsch Pontrjagin) ist ein mathematischer Begriff aus der harmonischen Analyse. Einer lokalkompakten abelschen Gruppe wird eine weitere lokalkompakte abelsche Gruppe als Dualgrupe zugeordnet, derart dass die Dualgruppe zur Dualgruppe wieder die Ausgangsgruppe ist. Diese Konstruktion spielt eine wichtige Rolle in der abstrakten Fourier-Transformation und der Struktur-Theorie der lokalkompakten abelschen Gruppen.

Inhaltsverzeichnis

Pontrjagin-Dualität

Die Kreislinie {\mathbb T} = \{z\in{\mathbb C}; |z|=1\} ist mit der Multiplikation als Gruppenverknüpfung eine kompakte Gruppe.

Ist G eine lokalkompakte abelsche Gruppe, so heißt ein stetiger Gruppenhomomorphismus \chi:G\rightarrow{\mathbb T} ein Charakter von G. Die Dualgruppe \hat{G} von G ist die Menge aller Charaktere von G. Mit der Multiplikation (\chi\cdot\psi)(a) := \chi(a)\psi(a) wird \hat{G} zu einer abelschen Gruppe, und die Topologie der kompakten Konvergenz macht \hat{G} zu einer lokalkompakten Gruppe, d.h. zu einer topologischen Gruppe, deren Topologie lokalkompakt ist.

Ist \varphi :G\rightarrow H ein stetiger Homomorphismus, so ist \hat{\varphi}:\hat{H} \rightarrow \hat{G},\, \hat{\varphi}(\chi) := \chi\circ\varphi ebenfalls ein stetiger Homomorphismus, der zu \varphi duale Homomorphismus.

Beispiele

  • Die Charaktere der Restklassengruppe {\mathbb Z}/n{\mathbb Z} haben die Form \chi_m: {\mathbb Z}/n{\mathbb Z}\rightarrow {\mathbb T},\, \chi_m([k])=e^{2\pi i k m/n}, wobei m\in {\mathbb Z}. Leicht sieht man \chi_{m_1} = \chi_{m_2}, falls  m_1 + n{\mathbb Z} = m_2 + n{\mathbb Z}, und damit \widehat{{\mathbb Z}/n{\mathbb Z}} \cong {\mathbb Z}/n{\mathbb Z}.
  • Jeder Charakter von {\mathbb T} hat die Form χn(z) = zn für ein n\in {\mathbb Z}. Identifiziert man χn mit n, so sieht man leicht \hat{\mathbb T} \cong {\mathbb Z}.
  • Die Gruppe {\mathbb Z} hat die Charaktere \chi_z:{\mathbb Z}\rightarrow {\mathbb T}, χz(n) = zn, wobei z\in{\mathbb T}. Die Zuordnung \chi_z \mapsto z liefert \hat{\mathbb Z} \cong {\mathbb T}.
  • \mathbb R mit der Addition als Verknüpfung und der euklidischen Topologie ist eine lokalkompakte abelsche Gruppe. Jeder Charakter \chi:{\mathbb R}\rightarrow {\mathbb T} hat die Gestalt χz(x) = eixz für ein z\in {\mathbb R}. Identifiziert man χz mit z, so hat man also \hat{\mathbb R} \cong {\mathbb R} zunächst als Mengen. Dabei gilt (\chi_z\cdot \chi_w)(x)= \chi_{z+w}(x) für alle x\in {\mathbb R} und die Abbildung z\mapsto\chi_z ist ein Homöomorphismus, also hat man {\mathbb R} \cong \hat{\mathbb R} auch als lokalkompakte abelsche Gruppen.

Produkte von Gruppen

Sind G und H lokalkompakte abelsche Gruppen, so auch deren kartesisches Produkt  G \times H . Dann definiert (\chi, \psi)\in\hat{G}\times \hat{H} einen Charakter auf G \times H, wenn man (\chi, \psi)(x,y) = \chi(x)\cdot\psi(y) setzt. Auf diese Weise erhält man einen Gruppenhomöomorphismus \widehat{G\times H} \cong \hat{G}\times \hat{H}.

Damit hat man viele weitere Beispiele:

Dualitätssatz von Pontrjagin

Man hat eine natürliche Abbildung \Phi: G\rightarrow \hat{\hat{G}},\, (\Phi(x))(\chi) := \chi(x) . Der Satz von Pontrjagin besagt, dass diese Abbildung stets ein topologischer Gruppenisomorphismus ist. Das rechtfertigt die Bezeichnung Dualgruppe von G, denn nach obigem Satz kann man G aus \hat{G} durch erneute Dualgruppenbildung zurückgewinnen.

Beziehungen zwischen Gruppe und Dualgruppe

Auf Grund der Pontrjagin-Dualität erwartet man eine Reihe von Beziehungen zwischen einer lokalkompakten abelschen Gruppe G und ihrer Dualgruppe \hat{G}. Dabei findet man Beziehungen zwischen algebraischen und topologischen Eigenschaften. Exemplarisch gilt:

Für eine kompakte Gruppe sind folgende Aussagen äquivalent:

Eine weitere Zusammenhangseigenschaft führt zu folgender Äquivalenz:

Ein stetiger Homomorphismus \varphi: G\rightarrow H heißt strikt, wenn \varphi als Abbildung G\rightarrow \varphi(G) offen ist, d.h. das Bild jeder offenen Menge ist relativ offen im Bild von \varphi. Eine Folge \ldots \rightarrow G \rightarrow H \rightarrow\ldots von Homomorphismen heißt strikt, wenn jeder Homomorphismus strikt ist. Bezeichnet man schließlich die einelementige Gruppe mit 1 und beachtet \hat{1}\cong 1, so gilt folgender Satz:

  • Sei 1 \rightarrow U \rightarrow G \rightarrow H \rightarrow 1 eine Folge stetiger Homomorphismen zwischen lokalkompakten abelschen Gruppen. Dann sind folgende Aussage äquivalent:

Daraus zieht man weitere Folgerungen:

  • Ein stetiger Homomorphismus \varphi: G\rightarrow H ist genau dann strikt, wenn \hat{\varphi}: \hat{H}\rightarrow \hat{G} strikt ist.
  • Ist U\subset G eine abgeschlossene Untergruppe, so ist \widehat{G/U} \cong \ker(\hat{G}\rightarrow \hat{U}) = \{\chi\in \hat{G}; \chi|_U = 1\}. Dabei ist \hat{G}\rightarrow \hat{U} die zur Inklusion U\subset G duale Abbildung.

Kompakt erzeugte Gruppen

Die Pontrjagin-Dualität ist ein wichtiges Hilfsmittel in der Struktur-Theorie für lokalkompakte abelsche Gruppen. Eine lokalkompakte Gruppe heißt kompakt erzeugt, wenn es eine kompakte Teilmenge von G gibt, die G als Gruppe erzeugt. Eine diskrete Gruppe ist genau dann kompakt erzeugt, wenn sie endlich erzeugt ist.

Für eine lokalkompakte abelsche Gruppe sind äquivalent:

  • G ist kompakt erzeugt.
  • G\cong {\mathbb R}^m\times {\mathbb Z}^n \times K, wobei m, n\in {\mathbb N}_0 und K eine kompakte Gruppe ist.
  • \hat{G}\cong {\mathbb R}^m\times {\mathbb T}^n \times D, wobei m, n\in {\mathbb N}_0 und D eine diskrete Gruppe ist.

Zusatz: Dabei sind die Zahlen m und n eindeutig durch G bestimmt und K ist die größte kompakte Untergruppe von G.

Gelfand-Transformation

Wie im Artikel Harmonische Analyse erläutert, tritt die Dualgruppe einer lokalkompakten abelschen Gruppe G in der Gelfand-Transformation der Faltungsalgebra über G auf.

Pontrjagin-Dualität als Funktor

Die Pontrjagin-Dualität, d.h. die oben beschriebenen Zuordnungen G\mapsto\hat{G} und \varphi\mapsto\hat{\varphi} von lokalkompakten abelschen Gruppen und stetigen Homomorphismen, ist offenbar ein kontravarianter Funktor. Die zweifache Hintereinanderausführung dieses Funktors führt zum identischen Funktor (genauer: zu einer natürlichen Transformation zum identischen Funktor).

Literatur

  • Lynn H. Loomis, An Introduction to Abstract Harmonic Analysis, D. van Nostrand Co, 1953
  • Walter Rudin, Fourier Analysis on Groups, 1962
  • E. Hewitt, K. Ross, Abstract Harmonic Analysis I, II, Springer (1963), (1970).

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