Savonius-Rotor

Savonius-Rotor
Originalzeichnung von Sigurd Savonius zur Potentialströmung des stillstehenden Rotors
Kombination aus Darrieus-Rotor (Außenbereich) und Savonius-Rotor (Nahe der Achse)

Savonius-Rotoren, erfunden von Sigurd Savonius, sind Windturbinen mit zwei oder mehr schaufelförmigen, einander überlappenden Flügeln, die entlang der Drehachse gestreckt zwischen kreisförmigen Endscheiben montiert sind. Mit vertikaler Achse (VAWT, vertical axis wind turbine) funktioniert er unabhängig von der Windrichtung. In seiner verbreitetsten Anwendung dient der Rotor als Antrieb von Lüftern auf Fahrzeugen und Kaminen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anton Flettner reichte 1922 die Idee zum Patent ein, dass der damals in der Aerodynamischen Versuchsanstalt in Göttingen untersuchte Magnus-Effekt an rotierenden Zylindern für den Antrieb von Schiffen zu nutzen sei, um die Mannschaft zur Bedienung der herkömmlichen Besegelung einzusparen, und ließ Dreimastschoner ein Segelschiff umbauen, die Buckau. Ihre beiden sogenannten Flettner-Rotoren wurden dieselelektrisch angetrieben. Savonius' Idee war es nun, die zylindrischen Rotoren so abzuwandeln, dass sie vom Wind selbst in Drehung versetzt würden. Er teilte den Zylinder längs und verschob die Hälften gegeneinander. In seinem Windkanal, dem ersten in Finnland, ermittelte er für verschiedene Anordnungen, Flügelzahlen und Profile jeweils die Verläufe des Drehmoments und der (Magnus-)Querkraft über die Schnelllaufzahl. Er stellte fest, dass die Stärke seines Rotors eher in der Verrichtung von Arbeit an der Welle, denn freilaufend in der Nutzung des Magnus-Effekts lag, und meldete ab Dezember 1924 diverse Anwendungsmöglichkeiten zum Patent an, darunter auch bereits eine Pumpanlage, deren Rotor im (manuell) abgeschalteten Zustand von einer Windfahne in einer günstigen, widerstandsarmen Stellung zum Wind gehalten wurde, und eine (elektr.) “Kraftstation” mit zwei um 90° verdreht übereinander angeordneten Rotorstufen und einer Drehzahlregelung durch Fliehkraftwirkung auf schwenkbare Flügel. Auch der Rotor für das Boot brauchte schwenkbare Flügel, um beim Kreuzen den Drehsinn zu ändern.[1] Unter den ersten Varianten befand Savonius die halbzylindrische Form als die geeignetste, später favorisierte er J-förmige Flügel, die im Überlappungsbereich parallel verlaufen.[2]

1931 starb Savonius an Typhus und Flettner erwarb das deutsche Patent. Seitdem stellt seine Firma Lüfter her, die von Savonius-Rotoren angetrieben werden bzw. aus mehrflügeligen Savonius-Rotoren bestehen.

Eigenschaften

Das Drehmoment ist vergleichsweise hoch, wobei das Maximum bei Schnelllaufzahlen im Bereich 0,3 bis 0,6 erreicht wird. Ungebremst liegt der Wert nur um 1,5. Das bietet im Betrieb ohne Last, z. B. beim Versagen der Bremse, einen gewissen Schutz vor Zerstörung durch überhöhte Fliehkräfte. Die Angaben für den Leistungsbeiwert variieren von 0,15 bis 0,26 bei Schnelllaufzahlen nahe 1.[3][4][5] Das Leistungsniveau ist damit deutlich geringer als das, welches von Darrieus-Rotoren oder von Bauformen mit horizontaler Rotordrehachse erreicht werden kann.

Vorteile

  • hohes mittleres Drehmoment aus dem Stand;
  • unabhängig von der Windrichtung, keine Windrichtungsnachführung erforderlich;
  • Einsatz schon bei niedrigen Windgeschwindigkeiten (ab 2–3 m/s);
  • hohe Toleranz gegen Turbulenz: Weder stören abrupte Änderungen der Anströmungsrichtung, noch sinkt der Leistungsbeiwert drastisch in Böen (bis etwa +50% Windgeschwindigkeit), die der Savonius-Rotor durch seine Massenträgheit ausgleicht;
  • hohe Toleranz gegen Abweichungen von der Idealform, daher einfach zu bauen;

Nachteile

Aus der großen Schaufelfläche (insgesamt größer als die projizierte Rotorfläche) resultieren ein hohes Gewicht (großer Materialaufwand gemessen an der geringen Leistung) und eine hohe Belastung im Sturm.[6] Nicht nur die Schaufeln selbst unterliegen großen Wechsellasten durch die ständig wechselnde Anströmung, sondern auch die Luftkraft auf den Rotor insgesamt schwankt stark, sowohl in Windrichtung als auch quer dazu (die mittlere Querkraft durch den Magnus-Effekt liegt in der gleichen Größenordnung wie der Strömungswiderstand des Rotors). Die Belastung der Gesamtkonstruktion kann reduziert werden, indem mehrere verdrehte Stufen verwendet werden oder wenn das gesamte Profil helixförmig gedreht ist.[7][8][9][10] Das erhöht jedoch Komplexität und Bauaufwand der Konstruktion.

Unwucht kann auch bei starker Strömung durch Verformung entstehen, wenn die Konstruktion nicht ausreichend stabil gehalten ist. Das ist schon bei Rotoren ab etwa 25 m² praktisch nicht mehr machbar.

Anwendungen

Savonius-Windspiel[11] vor dem UDX-Hochhaus in Akihabara. Je nach Windstärke leuchten verschieden viele LEDs an den Flügelkanten der drei gegenläufigen, dreiflügeligen Rotoren.
Savonius-Rotoren am Abluftkamin.
  • Anfänglich im Schiffbau zur Belüftung der Mannschafts- und Laderäume, später auch bei Transportfahrzeugen (Eisenbahnwaggons, Lieferwagen, Omnibussen usw.);
  • Werbeträger;
  • Wasserpumpen,[12] Tiefbrunnen, Bewässerung, Schwimmbadfilter;
  • Anfahrhilfe für Darrieus-Rotoren. Der Leistungsbeiwert sinkt allerdings erheblich, wenn, wie in der Abbildung, eine geschachtelte Anordnung gewählt wird.[13]
  • Spielzeug: Dass der Savonius-Rotor mit seinem Magnus-Effekt auch für Flugobjekte als auftrieberzeugende Anwendung geeignet sein kann, wurde anhand der Nutzung beim Drachenbau in der Praxis bereits unter Beweis gestellt.[14][15] Für ähnliche dem Spiel, Sport oder Modellbau dienende Verwendung wird der Savonius-Rotor auch in Fahrzeugen, die frontal gegen die Windrichtung fahren können, eingesetzt. Hier bisher jedoch nicht - oder zumindest nicht in erster Linie - unter Nutzung des Magnus-Effektes, sondern durch mechanische Übersetzung des Drehmomentes des Rotors auf Räder oder Schiffsschrauben.[16][17]

Literatur

  • Sigurd Savonius: The wing-rotor in theory and practice. [Nachdruck der Ausgabe] Helsingfors, 1926. [Omnia-Mikrofilm-Technik], [München] [ca. 1981]
  • Felix von König: Windenergie in praktischer Nutzung – Räder, Rotoren, Mühlen und Windkraftwerke. Pfriemer, München 1976, ISBN 978-3790600629
  • Heinz Schulz: Der Savonius-Rotor. Ökobuch, Staufen 2002, ISBN 3-922964-48-6

Weblinks

 Commons: Savonius-Rotor – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sigurd Savonius: Rotor, Österreichisches Patent, eingereicht 1925.
  2. Sigurd Savonius: Windrad mit zwei Hohlfluegeln, deren Innenkanten einen zentralen Winddurchlassspalt freigeben und sich uebergreifen, Deutsches Patent, eingereicht 1927.
  3. R.E. Sheldahl, B.F. Blackwell, L.V. Feltz: Wind Tunnel Performance Data for Two- and Three-Bucket Savonius Rotors. J. Energy (United States), Vol. 2, 1978, S. 160-164; Preprint: Sandia Report SAN D76-0131
  4. M. A. Kamoji et al.: Experimental investigations on single stage modified Savonius rotor. Applied Energy, Vol. 86, 2009, S. 1064-1073 doi:10.1016/j.apenergy.2008.09.019, weblink
  5. M.A. Kamoji et al.: Performance tests on helical Savonius rotors. Renewable Energy, Vol. 34, 2009, S. 521-529, doi:10.1016/j.renene.2008.06.002.
  6. James F. Manwell et al.: Wind Energy Explained – Theory, Design and Application. Wiley, 2009, ISBN 978-0-470-01500-1.
  7. Tsutomu Hayashi, Yan Li, Yutaka Hara and Katsuya Suzuki: "Wind Tunnel Tests on a Three-stage Out-phase Savonius Rotor", JSME International Journal, Vol. 48, 2005, S. 9-16, (pdf)
  8. Sezai Taskin, Bahtiyar Dursun, Bora Alboyaci: "Performance Assessment Of A Combined Solar And Wind System", The Arabian Journal for Science and Engineering, Vol. 34, 2009 (pdf)
  9. Md. Nahidul Islam Khan, M. Tariq Iqbal, Michael Hinchey: "Submerged Water Current Turbines", OCEANS 2008, S. 1-6, IEEE, 2008
  10. U.K. Saha, M. Jaya Rajkumar: "On the performance analysis of Savonius rotor with twisted blades", Renewable Energy, Vol. 31, 2006, S. 1776-1788, (pdf)
  11. Video des Windspiels in Akihabara
  12. John A. C. Kentfield: The Fundamentals of Wind-Driven Water Pumpers. Overseas Publishers, Amsterdam, 1996, ISBN 2-88449-239-9, Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche.
  13. Yusaku Kyozuka: An Experimental Study on the Darrieus-Savonius Turbine for the Tidal Current Power Generation. J. Fluid Sci. Tech. 3 (2008) S. 439-449, doi:10.1299/jfst.3.439
  14. Fotos und Beschreibungen Drachen, die den Magnus-Effekt nutzen
  15. Fotos und Beschreibungen Drachen, die den Magnus-Effekt nutzen
  16. Amateurvideo eines Modellschiffes mit Savonius-Rotor
  17. Foto eines sogenannten Gegenwindfahrzeugs mit Savonius-Rotor

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