Schamkapsel

Schamkapsel
König Heinrich VIII. von England in Prunkgewand mit Schamkapsel. Gemälde von Hans Holbein d. Jüngeren, um 1540
Gliedschirme als Rüstungsbauteil nach Wendelin Boeheim[1]

Schamkapsel (auch Braguette, Bragetto, Brayette, Latz oder Gliedschirm) ist der Name für den auffällig gestalteten Hosenlatz, der im 15. und 16. Jahrhundert bei Männern Mode war.

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

Im 14. Jahrhundert änderte sich die Herrenmode. Die knie- oder bodenlangen Röcke wurden kürzer und zur Jacke reduziert. Die bis dahin einzeln getragenen Strümpfe wurden mit der Unterhose zur Strumpfhose kombiniert. Der Hosenlatz der Strumpfhose wurde im Laufe der Zeit immer mehr betont und entwickelte sich zur Schamkapsel. Sie war oft farblich von der Hose abgehoben und ausgepolstert sowie mit Bändern und Schleifen geschmückt. Manchmal enthielt sie auch noch kleine Taschen. Die Form des Polsters variierte je nach dem Geschmack des Trägers. So gab es runde Polster, aber auch solche in Bananen- oder Gurkenform. Die darin enthaltene sexuelle Anspielung war offensichtlich.

Abnehmbare Genitalkapsel an einer Rüstung Heinrich VIII.

Auch bei der ritterlichen Rüstung insbesondere des Plattenpanzers war die Brayette eine in der Regel aus einer runden, ovalförmig ausgebeulten Metallplatte bestehender Genitalschutz. Da bei Plattenpanzern Wert auf eine größtmögliche Bewegungsfreiheit gelegt wurde, blieb der Genitalbereich zunächst so gut wie ungeschützt – nur ein unter dem Harnisch getragenes, langes Kettenhemd sorgte für einen gewissen Schutz. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam die so genannte Braguette oder auch Brayette in der Schweiz auf, welche sich zum Urinieren oder zum Reiten leicht abnehmen ließ. In der Mitte des 16. Jahrhunderts kam es in Mode, als Symbol männlicher Potenz einen Harnisch mit einer möglichst großen Brayette zu besitzen. Der „Gliedschirm“ wurde um 1520 als Gegenmaßnahme gegen die Sitte der deutschen Pikeniere, in die ungeschützten Genitalien zu stechen, entwickelt. Diese Variante der Schamkapseln, dienten vorwiegend dem Schutz des Penis. Daraus entwickelte sich der sogenannte „Latz“ der etwa in der Zeit von 1550 bis 1570 nicht immer aus Eisenblech sondern auch aus verstärkten Textilien zur gewöhnlichen Alltagskleidung getragen wurde.[1]

Diese Betonung des Genitalbereichs wurde insbesondere von der Kirche scharf kritisiert. Andreas Musculus beschrieb 1555 ausführlich die Sünden der Mode jener Zeit in seinem Werk “Hosen-Teuffel”[2]. Die Schamkapsel symbolisierte männliche Potenz und ständige sexuelle Bereitschaft. Doch auch nach der Gegenreformation blieb sie Teil der Hosenmode. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts verschwand die Schamkapsel weitgehend von der Bildfläche.

In der bürgerlichen Mode seit der Französischen Revolution war es nur noch den Damen erlaubt, ihre erotischen Reize demonstrativ zur Schau zu stellen (siehe z. B. Korsett, Büstenhalter etc.), oder es wurde sogar von ihnen erwartet.

Betonung der Geschlechtsteile in der heutigen Zeit

Im Jahre 1975 versuchte der Aktivist der Black Panthers Eldridge Cleaver, die Schamkapsel bei Jeanshosen als Modetrend vergeblich zu reaktivieren.[3] Zurzeit wird die Betonung des Geschlechtsteils vor allem durch entsprechende Unterwäsche vorgenommen, welche die Genitalien hervor- bzw. anheben. Aber auch Einlagen, welche eine optische Vergrößerung vornehmen, sind wieder in Verwendung.[4]

Einzelnachweise

  1. a b Wendelin Boeheim, Handbuch der Waffenkunde, Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1890, Fourier Verlag, Wiesbaden 1985, Seite 100-101, ISBN 978-3-201-00257-8
  2. Andreas Musculus, Vom Hosen-Teuffel, Gedruckt von Johann Eichhorn, M.D.L.VI (1556),Frankfurt/Oder
  3. "Schamkapselhose" von Eldrige Cleaver
  4. "Shock Jock" Unterhose mit Einlage, Fa. Andrew Christan

Literatur

  • Gundula Wolter: "Die Verpackung des männlichen Geschlechts", Berlin 2001, ISBN 3-7466-8060-3

Weblinks

 Commons: Schamkapseln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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