Scheibenwischer (Kabarett)

Scheibenwischer (Kabarett)
Seriendaten
Originaltitel Scheibenwischer
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Produktionsjahr 1980-2008
Produktions-
unternehmen
SFB (1980-2003)
RBB und BR (2003-2008)
Genre politisches Kabarett
Erstausstrahlung 12. Juni 1980 auf Deutsches Fernsehen
Besetzung
Nebenfiguren

verschiedene Kabarettisten

Der Scheibenwischer war eine von Dieter Hildebrandt begründete deutsche Kabarettsendung, die von der ARD im ersten deutschen Fernsehen (Das Erste) ausgestrahlt wurde. Zum letzten Ensemble gehörten die Kabarettisten Bruno Jonas und Mathias Richling.

Produziert wurde die Sendung von 1980 bis in das Jahr 2003 vom Sender Freies Berlin. Danach war das Format bis zu seinem Ende im Jahr 2009 eine Koproduktion der beiden ARD-Anstalten Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und Bayerischer Rundfunk, hergestellt im halbjährlichen Wechsel in Berlin und München.

Inhaltsverzeichnis

Form der Sendung

Der Scheibenwischer praktizierte eine Annäherung an das Theater, die wegführte von der klassischen, der Stand-up-Comedy nicht unähnlichen Auftrittsform im deutschen politischen Kabarett. In ähnlicher Form entstanden im Umfeld der Mitwirkenden Bühnenstücke wie München Leuchtet und Diridari, die in den Münchner Kammerspielen aufgeführt wurden.

Aufgrund der politischen „Stoßrichtung“ sorgte der Scheibenwischer – insbesondere unter konservativen Politikern – mehrfach für Ärger und Skandale.

Zum Konzept der Sendung gehörten auch Gastauftritte anderer Kabarettisten, wie beispielsweise von Gerhard Polt, Wolfgang Stumph, Andreas Rebers, Hagen Rether, Philipp Weber oder der Musikgruppe Biermösl Blosn und des Liedermachers Konstantin Wecker. Dabei entstanden einige herausragende Sendungen wie Kriegerdenkmal, Rhein-Main-Donau-Kanal oder Der Verstrahlte Großvater. Ein regelmäßiger Gast im Scheibenwischer war außerdem der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke, der seit 2004 in jeder zweiten Sendung vertreten war.

Für den Literaturwissenschaftler Hans Mayer war bereits der Name der Sendung ein idealistisches Programm: „[W]enn Sie das Wort Scheibenwischer genau untersuchen, so ist also doch da ein Bemühen spürbar, dass der Dreck weggewischt wird, dass man klare Sicht bekommt, dass man Licht bekommt, das Licht der Aufklärung, und dass der Dreck der Klischees […] weggewischt wird.“[1]

Auftretende Kabarettisten

Mit der Sendung Scheibenwischer aufs engste verbunden ist der Name des Kabarettisten Dieter Hildebrandt, unter dessen Federführung zwischen 1980 und 2003 insgesamt 144 Sendungen ausgestrahlt wurden. Ab dem Jahr 1985 wurde Bruno Jonas regelmäßiger Gast der Sendung, ab 2000 fester Partner neben Hildebrandt. Nachdem dieser im Oktober 2003 aus Altersgründen aus dem Scheibenwischer ausschied, wurde die Sendung von Bruno Jonas, Mathias Richling und Georg Schramm weitergeführt, wobei sie jedoch ins Spätprogramm verlegt und die Sendezeit auf 30 Minuten gekürzt wurde. In den Sendungen vom Oktober 2004 sowie am 1. September und 29. Dezember 2005 hatte Dieter Hildebrandt noch einmal Gastauftritte im Scheibenwischer.

Am 24. April 2006 gab Schramm bekannt, dass er seinen letzten Auftritt in der Sendung vom 25. Mai 2006 haben werde und das Ensemble auf eigenen Wunsch verlässt. Als Grund wurden unterschiedliche Vorstellungen von der zukünftigen konzeptionellen Ausrichtung des Sendeformats, das ab Herbst 2006 wieder auf 45 Minuten verlängert wurde, zwischen Schramm und seinen Kollegen genannt[2]. Ab dem 29. Juni 2006 nahm Richard Rogler Schramms Platz ein. Schramm wechselte für die nächsten vier Jahre zur Kabarettsendung Neues aus der Anstalt im ZDF, bevor er sich aus dem Fernsehen zurückzog.

Im Februar 2008 verließ Richard Rogler das Ensemble. Als Grund nannte der RBB, Rogler wolle sich auf seine Bühnenauftritte konzentrieren[3]. In der darauffolgenden Sendung am 21. Februar 2008 standen Bruno Jonas und Mathias Richling vorerst in einer Zweierkonstellation auf der Bühne.

Am 9. April 2008 gab Bruno Jonas seinen Ausstieg aus der Sendung bekannt. Seinen letzten Scheibenwischer-Auftritt absolvierte er am 30. Dezember 2008. Danach übernahm Mathias Richling die Leitung der Nachfolgesendung und wurde von verschiedenen Gästen unterstützt. Durch den Abgang von Richard Rogler und Bruno Jonas war eine Fortsetzung lange nicht als sicher anzusehen.

Das Ende der Sendung

Nachdem Mathias Richling ankündigte, zukünftig auch Comedians in die Sendung zu holen, untersagte Dieter Hildebrandt im März 2009 die weitere Verwendung des Namens Scheibenwischer. Der Kabarettist hatte sich die Namensrechte bereits in den Anfangstagen 1980 sichern lassen. Die zuständigen Sendeanstalten Rundfunk Berlin Brandenburg und der Bayerische Rundfunk akzeptierten dieses Verbot und beschlossen, die Sendung zukünftig Satire Gipfel zu nennen. Diese wurde am 19. März 2009 erstmals ausgestrahlt. Richling reagierte empört, bezeichnete Hildebrandt als „SPD-Wahlkämpfer“[4] und warf ihm vor, in erster Linie parteipolitisch motivierte Satire betrieben zu haben: „Das Problem ist auch, dass Altgenosse Dieter Hildebrandt kein politisches Kabarett kann, sondern immer nur parteipolitisches. Sein Scheibenwischer wurde von der SPD immer angesehen als parteieigene Sendung. Deshalb geht Hildebrandt leider jede Form von Objektivität ab, auch in der Beurteilung von Kollegen.“[5]

Nachdem einige namhafte Kabarettisten den Scheibenwischer und weitere namhafte den Satire Gipfel verlassen hatten (z.T. mit einem neuen Wirkungsfeld in der ZDF-Sendung Neues aus der Anstalt), legte Richling die Leitung der Sendung zum Jahresende 2010 nieder. 2011 übernahm Dieter Nuhr trotz seines parallelen Engagements bei RTL die Aufgabe.

Politische Skandale

Im Laufe der Jahre sorgte der Scheibenwischer mehrfach für politische Kontroversen:

  • Als unter Franz Josef Strauß begonnen wurde, die zentralen Abschnitte des Rhein-Main-Donau-Kanals zu errichten, nahm Hildebrandt dies 1982 zum Anlass, die Ereignisse in der Sendung zu karikieren. Dabei bezog er sich explizit darauf, dass Millionen von Quadratmetern Naturschutzgebiet in Form von Feuchtwiesen dem Vorhaben zum Opfer fallen würden, während zugleich eine große Zahl bayerischer Regierungsmitglieder in der Chefetage der entsprechenden Betreibergesellschaften säßen. In einem Sketch dazu wedelte Gerhard Polt mit Geldscheinbündeln und Gisela Schneeberger verteilte Schecks an Politiker. Die bayerische Staatsregierung protestierte beim SFB wegen Unterstellungen und eines angeblich „bayernfeindlichen Programms“.[6]
  • 1986 blendete sich der Bayerische Rundfunk für die Dauer der Ausstrahlung einer Folge aus dem gemeinsamen Fernsehprogramm der ARD aus.[7] Am 22. Mai 1986, wenige Wochen nach der Katastrophe von Tschernobyl, nahm Helmut Oeller, damaliger Fernsehdirektor des BR, an einigen Passagen des Manuskriptes für die Sendung am nächsten Tag Anstoß – unter anderem an einer von Werner Koczwara geschriebenen Nummer mit dem Titel Der verstrahlte Großvater, die von Lisa Fitz vorgetragen werden sollte. Da er kein Gehör für seine Forderung nach ARD-weiter Absetzung der Folge fand, kam es zu der denkwürdigen Entscheidung der Ausblendung, so dass dieser Scheibenwischer in Bayern nicht zu empfangen war. Dies rief sowohl in Bayern als auch deutschlandweit Proteste hervor und wurde als Akt der Zensur gebrandmarkt. Teilweise wurde diese Folge des Scheibenwischers dann in SPD-Ortsvereinen und den Münchner Kammerspielen[8] auf Video gezeigt. Die Münchner Abendzeitung druckte Auszüge aus dem Manuskript ab.[9]

Gäste der Sendung (Auszug)

Datum Gäste
21. Februar 2008 Bruno Jonas, Mathias Richling, Frank Lüdecke und Matthias Egersdörfer
21. Februar 2008 Bruno Jonas, Mathias Richling, Arnulf Rating und Andreas Rebers
22. November 2007 Bruno Jonas, Mathias Richling, Richard Rogler, Frank Lüdecke und Andreas Rebers
13. September 2007 Bruno Jonas, Mathias Richling, Richard Rogler und Frank Lüdecke
15. Februar 2007 Bruno Jonas, Mathias Richling, Richard Rogler, Arnulf Rating und Claus von Wagner
25. Mai 2006 Georg Schramm, Bruno Jonas, Mathias Richling und Richard Rogler
8. Januar 2004 Georg Schramm, Bruno Jonas, Mathias Richling und Frank Lüdecke
2. Oktober 2003 Dieter Hildebrandt, Georg Schramm, Bruno Jonas, Mathias Richling, Richard Rogler, Volker Pispers und Konstantin Wecker

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Elke Reinhard: Warum heißt Kabarett heute Comedy? Metamorphosen in der deutschen Fernsehunterhaltung. LIT-Verlag, Berlin 2006. ISBN 3-8258-9231-X, S. 98.
  2. Georg Schramm: Interview mit der SZ zum Ausscheiden beim Scheibenwischer
  3. DWDL.de: Rogler verlässt den Scheibenwischer wieder
  4. Richling wirft Hildebrandt Humor-Fundamentalismus vor in: Der Spiegel, 14. März 2009
  5. „Hildebrandt kann nur parteipolitisch“ in: Focus Nr. 12, 16. März 2009
  6. Wahre Fülle. In: Der Spiegel. Nr. 4, 1982 (online).
  7. Darstellung auf der Homepage des Bayerischen Rundfunks in der Würdigung Dieter Hildebrandts zum 80.Geburtstag
  8. http://br-online.de/content/cms/Universalseite/2008/04/03/cumulus/BR-online-Publikation--107588-20080402133029.pdf
  9. Deutschlandradio Kultur: Kalenderblatt: Maulkorb für Hildebrandt. 22. Mai 2006

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