Schichtarbeit

Schichtarbeit

Mit Schichtarbeit oder Schichtdienst wird diejenige Arbeitsform bezeichnet, die notwendig ist, um einen Betrieb länger als für die übliche Tagesarbeitszeit der Mitarbeiter oder gar rund um die Uhr in Gang zu halten, wobei der Begriff Schichtarbeit eher in der Privatwirtschaft verwendet wird, Schichtdienst eher im öffentlichen Bereich.

Dazu werden die Arbeitenden in unterschiedliche „Schichten“ (auch „Dienste“ genannt) eingeteilt, beispielsweise im Dreischichtbetrieb in eine Frühschicht von 6 bis 14 Uhr, eine Spätschicht von 14 bis 22 Uhr und eine Nachtschicht von 22 bis 6 Uhr. Auf größeren Schiffen werden sowohl die Schichten als auch der zugehörige Teil der Besatzung seit altersher als Wache bezeichnet.

Umgangssprachlich spricht man von Schichtarbeit, wenn der Arbeitsplatz 24 h besetzt ist (kontinuierliche Schichtarbeit). Teilkontinuierlich ist sie, wenn die Schichtarbeit Montag bis Freitag liegt, vollkontinuierlich, wenn auch die Wochenenden einbezogen sind. Wird abwechselnd gearbeitet, aber nicht 24 h/Tag, so spricht man auch von versetzter Arbeitszeit.

Inhaltsverzeichnis

Übliche Schichtsysteme

Im Industriebereich sind folgende Systeme weit verbreitet:

  • Zweischichtbetrieb, der als Faustregel zwei nacheinander liegende 8-Stunden-Schichten und damit eine Kapazitätsnutzung von 16 Stunden pro Tag ermöglicht.
  • Dreischichtbetrieb, der wie oben beschrieben einen Rundum-Betrieb in der Woche ermöglicht.
  • Vierschichtbetrieb oder Fünfschichtbetrieb, der einen kontinuierlichen Arbeitsbetrieb 7 Tage und 24 Stunden ermöglicht.

Je nach tariflicher Arbeitszeit der Mitarbeiter nutzt man bei „Vollkonti“ vier oder fünf Schichtgruppen. Beim Vierschichtbetrieb ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 42 Stunden für den Mitarbeiter. Liegt die Arbeitszeit darunter - was die Regel ist - gleicht man das durch zusätzlich gewährte Freischichten aus. Betragen die tariflichen Arbeitszeiten unter 38 Stunden pro Woche, wird das Arbeitszeitmanagement der Freischichten (es sind ja auch noch Urlaub und Feiertage und Zusatzfreischichten für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen vorzusehen und Krankheit auszugleichen) sehr aufwendig, und es entstehen tendenziell arbeitswissenschaftlich ungünstige Arbeitsprofile für den Beschäftigten. Dann bietet sich Fünfschichtbetrieb an. Die Arbeitszeit beträgt in diesem Fall 33,6 Stunden pro Woche. Eine höhere tarifliche Arbeitszeit führt dann zu so genannten Verfügungsschichten, die zum Krankheitsausgleich oder zur Weiterbildung eingesetzt werden können. Gerade Fünfschichtmodelle erlauben arbeitswissenschaftlich verhältnismäßig günstige Modelle.

Je nach Art des Betriebs können auch andere Schichtsysteme oder überlappende Zeiten zur Arbeitsübergabe eingeplant werden. Die genauen Regelungen zu Arbeitszeiten und Zuschlägen werden im allgemeinen in den Tarifverträgen grundsätzlich festgelegt und in Betriebsvereinbarungen für das jeweilige Unternehmen oder den Standort detailliert.

Üblicherweise wird die Schicht des einzelnen Beschäftigten turnusmäßig gewechselt; es gibt aber auch Modelle (in Deutschland wenig verbreitet), in denen nur für eine bestimmte Schicht eingestellt wird (Dauernachtdienst beispielsweise). Schichtarbeit und „Flexible Arbeitszeit“ gehen fast nahtlos ineinander über.

Wechselschicht

Wechselschicht ist ein Arbeitszeitmodell, das auf der Schichtarbeit basiert. Bei Wechselschicht ändert sich die Arbeitszeit in einem regelmäßigen Rhythmus, um alle eingebundenen Mitarbeiter gleichmäßig zu belasten. Nach einer Nachtschicht führen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu einer Freischicht, um eine ausreichende Erholung zu gewährleisten. In Tarifverträgen kann eine Mindestzahl von Schichtwechseln in einer Periode vorgeschrieben sein, damit Vergünstigungen aus dieser Form der Arbeit für die betroffenen Mitarbeiter über die Perioden verstetigt werden.

Gesundheitliche Risiken

Schichtarbeit birgt ein gegenüber der Arbeit zu regelmäßigen Arbeitszeiten erhöhtes gesundheitliches Risiko, insbesondere dann, wenn Nachtarbeit eingeschlossen ist. In vielen Ländern sind bei Nachtarbeitern deshalb ärztliche Kontrollen vorgeschrieben. Häufige mit (Nacht-)Schichtarbeit verbundene Erkrankungen sind Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Depressionen, Magengeschwüre, Bluthochdruck, Herz- und Kreislauferkrankungen. Kontinuierliche Schichtarbeit ist physisch belastend und behindert soziale Aktivitäten (Sport, Familie etc.). Oft werden die Ruhezeiten beeinträchtigt. So ist zum Beispiel der Schlaf nach einer Nachtschicht meist kürzer und schlechter als geregelter Nachtschlaf.

Die Bedeutung der psycho-sozialen Belastungen für die Gesundheit wird oft unterschätzt. Jüngere Forschungsergebnisse zeigen Hinweise auf eine positive Korrelation von Schichtarbeit und Krebserkrankungen. Größere Bedeutung wird dabei insbesondere den bei Nacht- und Schichtarbeit veränderten Melatoninspiegeln beigemessen. Die Störung der physiologischen circadianen Rhythmik führt unter anderem zu einer eingeschränkten Melatoninproduktion und folglich erniedrigten Spiegeln. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) führt Schichtarbeit seit dem 5. Dezember 2007 in der offiziellen Liste wahrscheinlich krebserregender Agenzien („probably carcinogenic to humans“).[1]

Eine zusätzliche Arbeitsbelastung ergibt sich bei Schichtarbeit durch die laufenden (Teil-)Anpassungen des Circadianrhythmus. Um diese zu vermindern wird insbesondere empfohlen, mit eingestreuten Nachtschichten, also nicht mehr als drei Nachtschichten hintereinander, zu arbeiten[2].

Längere Schichten (beispielsweise 12-Stunden-Schichten) sind oft beliebt, weil sie mehr freie Tage oder mehr Geld bringen. Sie bergen aber auch erheblich höhere Belastungen wegen des über eine Zeit der Beanspruchung exponentiell steigenden Belastungsverlaufes und damit ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko. 12-Stunden-Schichten sind nach dem Arbeitszeitgesetz deswegen nur unter besonderen, belastungsarmen Arbeitsbedingungen oder nur ausnahmsweise gestattet.

Sehr frühe Beginnzeiten womöglich noch verbunden mit langen Anreisewegen bringen eine ähnliche Belastung wie Nachtschichten. Dauernachtschichtsysteme verringern zwar die Belastungen aus sonst stattfindenden Teilanpassungsleistungen des Circadianrhythmus, bringen dafür aber häufig erhebliche andere Probleme wie zum Beispiel Desozialisierungstendenzen, Alkoholmissbrauch und Drogenabhängigkeit.

Gesundheitliche Risiken im Zusammenhang mit Schichtarbeit sind für Betroffene oft schwer direkt abschätzbar. Erstens scheiden diejenigen, die nicht mehr wollen oder können, aus und sind so nicht mehr da - nur die anderen sind noch da („healthy worker effect“). Zweitens handelt es sich meistens um sich sehr langsam und im Aufbau nicht oder nur schwer wahrnehmbare Schädigungen, die dann „überraschend sichtbar“ werden.

Branchen

Schichtarbeit kommt in allen Unternehmen und Organisationen vor, bei denen an jedem Tag und zu jeder Stunde gearbeitet werden muss oder bei denen die Betriebszeit die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit erheblich überschreitet. Sie ergeben sich aus der Notwendigkeit, entsprechende Servicezeiten zu bieten (Krankenhaus, Verkehr) oder aus den hohen Kosten, Anlagen still zu setzen (Hochofen, Kraftwerk) oder generell aus der Notwendigkeit, hohe Anlageninvestitionen durch entsprechende Betriebszeiten zu amortisieren (Flugzeug, Supercomputer).

Belege

  1. IARC Press Release 180 (5. Dezember 2007)
  2. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.): Positive Gestaltungsbeispiele der softwaregestützten Arbeitszeitgestaltungf. Dortmund: baua, 2008. - ISBN 978-3-88261-604-0. S. 11.

Weblinks


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