Schlafentzugstherapie

Schlafentzugstherapie

Schlafentzug ist der willentlich oder unwillentlich herbeigeführte Entzug von Schlaf.

Schlafentzug wird in der Psychiatrie als Schlafentzugsbehandlung oder Wachtherapie als Behandlungsverfahren bei Depressionen eingesetzt. Darüber hinaus ist der erzwungene Schlafentzug als eine Foltermethode bekannt.

Der Weltrekord im Schlafentzug wurde 2007 vom Briten Tony Wright aufgestellt. Er schlief 266 Stunden nicht. Damit hat er den Rekord von Randy Gardner gebrochen, der 264 Stunden ohne Schlaf verbrachte. Allerdings ging es Wright nicht wie dem Amerikaner Gardner um einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde, sondern er wollte zeigen, dass ein Mensch trotz Schlafentzugs mit der richtigen Ernährung leistungsfähig bleiben kann.

Schlafentzug bei Ratten führte bei einem Experiment zum Tod innerhalb von etwa 28 Tagen. Der Tod tritt später ein, wenn nur REM- oder nur NREM-Phasen unterbunden werden.[1]

Bei Menschen führt Schlafentzug über einen längeren Zeitraum zu einer Häufung von Sekundenschlaf. Monatelanger Schlafentzug, wie in dem Fall einer genetisch bedingten Schlafstörung, führt zum Tod, Symptome wie Demenz und Persönlichkeitsstörungen entwickeln sich bereits in den ersten Wochen.

Inhaltsverzeichnis

Schlafentzug als Therapieform

Man unterscheidet einen partiellen (teilweisen) Schlafentzug, bei dem nur in der zweiten Nachthälfte nicht geschlafen wird, von einem vollständigen Schlafentzug. Nach einem Schlafentzug kommt es in etwa der Hälfte der Fälle zu einer messbaren Verbesserung der Stimmung am Folgetag. Um den Effekt des Schlafentzugs über einige Tage zu erhalten, kann an den Schlafentzug eine Schlafphasenvorverlagerung anschließen.[2]

Wachtherapie mit Schlafphasenvorverlagerung zählt zu den Standardbehandlungsmethoden in der stationären Depressionsbehandlung und wird zusätzlich zur medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlung angewandt. Oft geht eine Wachtherapie auch mit einer gleichzeitigen Lichttherapie einher, welche zusätzlich den circadianen Rhythmus beeinflusst. Ein großer Vorzug des Schlafentzugs als Behandlungsmethode bei Depressionen ist das Fehlen von Nebenwirkungen.

Vermutlich funktioniert die Methode des Schlafentzugs durch eine Ausgleichswirkung von Neurotransmitterungleichgewichten im Gehirn (beispielsweise Acetylcholin und Serotonin), weswegen die Therapie am besten bei Depressionen anschlägt, die tageszeitabhängig unterschiedlich stark auftreten (diese sind häufiger morgens nach dem Aufwachen stärker, dagegen schwächer am Abend, "Abendhoch").

Schlafentzug als Folter

Dauerhafter Schlafmangel führt zu körperlichen Beschwerden (beispielsweise erhöhte Infektanfälligkeit, Kopfschmerzen) und zu psychischen Problemen (beispielsweise Denkstörungen, Müdigkeit, Halluzinationen, Reizbarkeit). Dauerhafter methodischer Schlafentzug wird daher auch als Methode der Folter unter anderem dazu eingesetzt, um klares Denken des Opfers zu unterbinden und um den Willen sowie die Widerstandskraft des Opfers zu brechen und so beispielsweise Aussagen zu erpressen.

Im alten Kaiserreich China diente der Schlafentzug über Tage und Wochen dazu, Schwerverbrecher hinzurichten. Durch Schlagen, Schmerzreize und Kitzeln wurden diese wach gehalten. Nach einigen Tagen bekamen sie Wahnvorstellungen und bald darauf starben sie.

Schlafentzug war beispielsweise in der Sowjetunion oder der DDR eine gängige Praxis bei den Verhören von Verdächtigen, die teilweise wie am Fließband von verschiedenen Personen abwechselnd befragt wurden (diese Folter wird auch in Solschenizyns Archipel Gulag geschildert). Kombiniert mit Einschüchterungen, Drohungen, Entzug von Nahrung und Wasser sowie qualvollen Körperhaltungen war es ein weit verbreitetes Druckmittel.

In dem von den USA in Guantánamo betriebenen Gefangenenlager wurde häufig versucht, Häftlinge durch Schlafentzug bei Verhören zu Kooperation zu bewegen. Es kamen verschiedene Methoden zum Einsatz[3][4]:

  • Verändern der Wach- und Schlafzeiten, z. B. Verlegung der Schlafzeit auf den Tag
  • Verkürzung der Schlafzeit auf 4 bis 6 Stunden pro Tag über einen mehrwöchigen Zeitraum
  • Zellenverlegungen alle paar Stunden, Tag und Nacht über ein bis zwei Wochen ("frequent flyer program" genannt)

Schlafentzug wird auch heutzutage noch oft als Foltermethode angewandt, unter anderem weil er keine nachweisbaren körperlichen Spuren beim Opfer hinterlässt und auch psychische Schäden als Folgeschäden schwer nachweisbar sind (so genannte Weiße Folter).

Schlafentzug zu militärischen Übungszwecken

Beim Militär werden die Ruhephasen der Soldaten während mancher Übungen absichtlich verkürzt oder vorübergehend ganz ausgesetzt, um die Soldaten einem (gemäßigten) Schlafentzug auszusetzen. Dies dient weniger der Gewöhnung (da man sich kaum an Schlafentzug gewöhnen kann) als vielmehr der Situationserfahrung: die eintretende Erschöpfung und Apathie macht den Menschen unfähig zu gewohnten Leistungen, so dass die Soldaten nur durch große Selbstdisziplin und Gruppenzusammenhalt noch ihre Aufgaben erfüllen können. Der geplante Schlafentzug wird dem Soldaten nicht mitgeteilt oder direkt befohlen, sondern ergibt sich meist aus simulierten Ereignissen bei einer Übung.

Schlafentzug zu Zwecken der Bestrafung ist verboten und wird als Misshandlung Untergebener geahndet.

Einzelnachweise

  1. Guidelines for the Care and Use of Mammals in Neuroscience and Behavioral Research, Institute for Laboratory Animal Research (ILAR), National Research Council, S. pg 121, The National Academies Press 2003, ISBN 978-0-309-08903-6 „Sleep deprivation of over 7 days with the disk-over-water system results in the development of ulcerative skin lesions, hyperphagia, loss of body mass, hypothermia, and eventually septicemia and death in rats (Everson, 1995; Rechtschaffen et al., 1983).“
  2. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list_uids=10459393&dopt=Abstract.
  3. FBI: A Review of the FBI's Involvement in and Observations of Detainee Interrogations in Guantanamo Bay, Afghanistan, and Iraq S. 182 ff.
  4. U.S. Department of Defense: Army Regulation 15-6: Final Report S. 17 f.

Weblinks

Siehe auch


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