BRSD

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Der Bund der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands e.V. (BRSD, anfangs: Bund religiöser Sozialisten Deutschlands) ist eine Organisation von vor allem evangelischen Christen, die für eine sozialistische Gesellschaftsordnung eintreten. Er wurde 1926 gegründet, in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 verboten und 1946 in Westdeutschland neu gegründet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Hauptartikel: Religiöser Sozialismus

Seit 1919 und 1920 begannen sich religiös – meist christlich – orientierte Sozialisten in verschiedenen Gruppen zunächst unabhängig voneinander zu organisieren. Sowohl ihre Zielsetzungen wie auch die Zusammensetzung waren vielfältig. Dominant waren Angehörige akademischer Berufe (Lehrer, Hochschullehrer, Pfarrer). Ein Ursprung war zunächst das Ziel der Umwandlung der alten obrigkeitlichen Kirchenorganisation durch eine Volkskirche (Volkskirchenbewegung). Im Laufe der Entwicklung gewannen daneben sozialistische Ideen mehr an Gewicht. Der Pfarrer Erwin Eckert formulierte etwa:[1]

Die evangelische Kirche darf den aus der kapitalistischen Wirtschaftsform immer wieder genährten Egoismus und die kalte Gleichgültigkeit gegen das von der kapitalistischen Wirtschaftsform verursachte Elend nicht dulden, sondern muss laut dafür eintreten, dass eine bessere, dem Brudersinn Jesu entsprechende Gestaltung unseres Wirtschaftslebens eintritt.

Organisation

In den folgenden Jahren begannen die Gruppen sich zu vernetzen und allmählich zusammenzuschließen. Im Jahr 1924 entstand auf der so genannten ersten Merseburger Tagung eine Arbeitsgemeinschaft. Auf der zweiten Merseburger Tagung vom 31. Juli bis 5. August wurde der Bund der religiösen Sozialisten in Deutschland gegründet. Führender Kopf war Erwin Eckert. Dieser wurde auch Chefredakteur des vom Bund herausgegebenen Sonntagsblatt des arbeitenden Volkes 1924–1930 (vormals: Christliches Volk. Halbmonatsblatt des Badischen Volkskirchenbundes 1919, Christliches Volksblatt 1920–1924, Neuer Obertitel: Der Religiöse Sozialist 1930–1933). Neben dem Bund bestanden der so genannte Neuwerk-Kreis (Zeitschrift: Neuwerk. Ein Dienst am Werden, bis September 1919: Der Christliche Demokrat, bis Juni 1921: Das Neue Werk. Der Christ im Volksstaat) und der Tillich-Kreis (Zeitschrift: Blätter für Religiösen Sozialismus 1920–1927, Neue Blätter für den Sozialismus. Zeitschrift für geistige und politische Gestaltung 1930–1933). Diese teilten die grundsätzlichen Zielsetzungen des Bundes, verstanden sich aber mehr als Diskussionsforum oder als akademische Gemeinschaft. Wie die Religiösen Sozialisten waren die Bruderhöfer, ein Kreis um Eberhard Arnold, der eine urchristliche Gütergemeinschaft praktizierte und pazifistisch gesinnt war, vom Lebenszeugnis Christoph Blumhardts beeinflusst. Die seit 1928/1929 entstehenden Katholischen Sozialisten (Zeitschrift: Das Rote Blatt der Katholischen Sozialisten 1929–1930) und der 1929 gebildete 'Bund jüdischer Sozialisten' blieben organisatorisch selbstständig und waren als Arbeitsgemeinschaften im BRSD nur lose mit dem Bund verknüpft. Beiträge beider Organisationen finden sich in der Zeitschrift für Religion und Sozialismus 1929–1933.

Der Schwerpunkt des Bundes waren Baden, Württemberg, die Pfalz und Thüringen. Anhänger waren Pfarrer, Lehrer und Arbeiter vornehmlich aus Klein- und Mittelstädten. Viele der Arbeiter hatten einen landwirtschaftlichen Hintergrund und besaßen häufig selbst noch ein Stück Land. Die Mitgliederzahlen lagen mit starken Schwankungen bei 10.000 bis 25.000. Politisch standen die Anhänger überwiegend der SPD nahe. Auf dem vierten Kongress des Bundes waren 79% der Delegierten Mitglied der SPD. Obwohl der Bund keinerlei politische Präferenzen erkennen ließ, gab es praktisch keine Verbindung mit den bürgerlichen Parteien. In der SPD und dem sozialdemokratischen Milieu herrschte gegenüber den religiösen Sozialisten entweder Gleichgültigkeit oder etwa von Seiten der proletarischen Freidenkerverbände scharfe Ablehnung vor. Der Einfluss des Bundes auf die protestantischen Kirchen blieb minimal. Nur etwa 200 von 16.000 Pfarrern gehörten der zum Bund gehörenden „Bruderschaft sozialistischer Theologen“ an.

Ziele und Programmatik

Ziele des Bundes waren die radikale Trennung von Kirche und Staat, die Demokratisierung der Kirche, die parteipolitische Neutralität der Kirche, konfessionslose Schulen, ein Ende der Militärseelsorge und ein Wirken der Kirche für Frieden und Völkerverständigung. Diese Forderungen führten dazu, dass der Bund in der bürgerlich geprägten Kirchenhierarchie auf starken Widerstand stieß. Gleichwohl beteiligte sich der Bund mit wenig Erfolg an den innerkirchlichen Wahlen in den Gemeinden und Synoden. Immerhin gelang es ihm in Baden, Württemberg und Thüringen Vertreter in die Landessynoden zu entsenden. Allerdings standen sie auch dort einer Mehrheit konservativer Delegierter gegenüber.

Über den engeren kirchlichen Bereich hinaus engagierte sich der Bund auch für allgemeinpolitische Fragen. Im Jahr 1926 befürwortete er die Volksbefragung zur Fürstenenteignung und 1928 kritisierte er den von der Regierung Müller beschlossenen Bau des Panzerkreuzers A. In der Frage der Militärpolitik war der Bund tief gespalten. Einige forderten die Wehrhaftigkeit der demokratischen Republik, andere wie der Vorsitzende Eckert wollte nur einer sozialistischen Regierung eine bewaffnete Macht zugestehen, daneben gab es einen Flügel radikaler Pazifisten. Der Bund gehörte dem deutschen Friedenskartell, dem 1921 gegründeten Dachverband pazifistischer Organisationen, an und wurde durch Hans Francke vertreten. Die Konflikte innerhalb der Arbeiterbewegung erreichten den Bund 1931, als der Vorsitzende Eckert, enttäuscht von der Tolerierungspolitik der SPD gegenüber der Regierung Brüning, zur KPD übertrat. Der Bund positionierte sich klar gegen den Nationalsozialismus. Diesen bezeichnete er deutlich als „vorchristlich-heidnische Destruktionskräfte“ und kritisierte die gewaltverherrlichende Ideologie der NSDAP.

Nach 1933

Wie die übrigen sozialistischen Organisationen wurde der Bund nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft verboten, Widerstandsstrukturen aus dem BRSD gab es beispielsweise in Berlin um Erich Kürschner. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer Wiedergründung. Die Gruppen im Gebiet der SBZ zerfielen nach 1946, die Strukturen des BRSD in der Bundesrepublik wurden währendes des Kalten Krieges marginalisiert, konnten sich aber nach 1968 revitalisieren. Die Organisation nennt sich heute „Bund der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands e.V.“ und ist Teil des Netzwerkes Initiative Kirche von unten (IKvu), des Attac- Netzwerks, von Oikocredit, von Kairos Europa und der International League of Religious Socialists.

Einzelnachweise

  1. zit. nach Kandel, S. 458

Literatur

  • CuS. Christ und Sozialist. Christin und Sozialistin. Kreuz und Rose. Blätter des Bundes der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands e.V., seit (1948) 1977
  • Renate Breipohl (Hrsg.): Dokumente zum religiösen Sozialismus in Deutschland, Theologische Bücherei 46, München 1972
  • Günter Ewald (Hrsg.): Religiöser Sozialismus, Urban T 632, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1977
  • Wolfgang Deresch: Der Glaube der religiösen Sozialisten, Hamburg 1972
  • Reinhard Gaede: Kirchenkampf um Weimar. Dokumente des Kampfes der religiösen Sozialisten gegen den Faschismus 1926–1933, in: Macht des Evangeliums in Herrschaftszusammenhängen. Festschrift für Wolfgang Schweitzer, Beiheft zu Heft 6/1976 Junge Kirche – Eine Zeitschrift europäischer Christen, S. 22-27
  • Johannes Kandel: Theorien der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik – Religiöser Sozialismus. In: Thomas Meyer, Susanne Miller, Joachim Rohlfes (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Teil 2 (A15-A39). Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 1984, ISBN 3-923423-11-X S. 455-483
  • Siegfried Katterle und Arthur Rich (Hrsg.): Religiöser Sozialismus und Wirtschaftsordnung, GTB Siebenstern 374, Gütersloh 1980
  • Karlheinz Lipp: Religiöser Sozialismus und Pazifismus.Der Friedenskampf des Bundes der Religiösen Sozialisten Deutschlands in der Weimarer Republik, Pfaffenweiler 1995
  • Arnold Pfeiffer (Hrsg.): Religiöse Sozialisten. Dokumente der Weltrevolution, Olten und Freiburg i. B. 1976
  • Ulrich Peter: Christuskreuz und rote Fahne. Der Bund der religiösen Sozialisten in Westfalen und Lippe während der Weimarer Republik, Beiträge zur westfälischen Kirchengeschichte 24, Bielefeld 2002
  • Ulrich Peter: Der ‚Bund der religiösen Sozialisten‘ in Berlin von 1919–1933. Geschichte-Struktur-Theologie und Politik, Europäische Hochschulschriften 532,Frankfurt/M, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1995

Weblinks


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