Schopenhauer

Schopenhauer
Arthur Schopenhauer 1859

Arthur Schopenhauer (* 22. Februar 1788 in Danzig; † 21. September 1860 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Philosoph, Autor und Hochschullehrer. Er vertrat als einer der ersten Philosophen des 19. Jahrhunderts die Überzeugung, dass der Welt ein unvernünftiges Prinzip zugrundeliege.


Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Danzig, ul. Św. Ducha (ehem. Heiligegeistgasse) – Arthur Schopenhauers Geburtshaus

Arthur Schopenhauer wurde in der Freien Hansestadt Danzig geboren. Seine Eltern waren Heinrich Floris Schopenhauer, der einer angesehenen Danziger Kaufmannsdynastie entstammte, und Johanna Schopenhauer, die später eine bekannte Schriftstellerin wurde.

Der jugendliche Arthur Schopenhauer

Die Familie Schopenhauer verließ Danzig 1793, weil die Stadt infolge der Zweiten Polnischen Teilung zu Preußen kam und dadurch die bis dahin bestehende (eingeschränkte) Autonomie verlor. Heinrich Schopenhauer gründete sein Handelshaus in der Freien Hansestadt Hamburg neu. Seinen Sohn Arthur hatte er für den in seiner Familie traditionellen Kaufmannsberuf bestimmt und deshalb auf die dafür bestens vorbereitende Hamburger Rungesche Privatschule geschickt. Arthur jedoch wuchs schnell über das dort Erlernbare hinaus und bat den Vater eindringlich, ihn auf ein Gymnasium zu schicken. Der Vater hielt dies indes für überflüssig, bot ihm stattdessen eine längere Bildungsreise durch Europa an, nach deren Abschluss er entscheiden möge. Schopenhauer nahm das Angebot an und bereiste, nachdem er mehrere Wochen zum Erlernen der englischen Sprache in Wimbledon verbracht hatte, von 1803 bis 1804 Holland, England, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Schlesien und Preußen.

1805 kehrte er nach Hamburg zurück. Er folgte nun dem Wunsch des Vaters und trat eine Kaufmannslehre in dem Unternehmen Jenisch an. Am 20. April des Jahres erlag der Vater unter ungeklärten Umständen einem tödlichen Unfall. Nach Auflösung des väterlichen Geschäfts im September 1806 zog seine Mutter mit seiner jüngeren Schwester Adele nach Weimar. Arthur Schopenhauer blieb zunächst allein zurück und war frei zu entscheiden, ob er pflichtgemäß seine Kaufmannslehre fortsetzen oder seiner Neigung zu einem geistigen Lebensberuf nachgeben soll.

Im Juni 1807 wurde Schopenhauer auf Ratschlag Carl Ludwig Fernows Schüler des Gymnasialdirektors Doering in Gotha. 1807 folgte die Übersiedlung ins nahe Weimar, sein wichtigster Lehrer wurde Franz Passow. Er pflegte Umgang mit Johannes Daniel Falk und Zacharias Werner und entwickelte leidenschaftliche Neigungen zu Karoline Jagemann. Die erotischen Wirrnisse führten bei Schopenhauer zu heftigen seelischen Krisen.

Arthur Schopenhauer als junger Mann, porträtiert 1815 von L. S. Ruhl

Volljährig geworden bekam Schopenhauer seinen Anteil am väterlichen Erbe ausgezahlt. Durch dieses ansehnliche Erbe war Schopenhauer vermögend und frei von finanziellen Sorgen. 1809 begann er an der Universität Göttingen ein Studium der Medizin, das er jedoch bald zugunsten der Philosophie aufgab. Den Doktortitel der Philosophie an der Universität Jena erhielt Schopenhauer am 18. Oktober 1813 für die Schrift Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, zu deren ersten Lesern Johann Wolfgang Goethe gehörte. Goethe war bereits vorher über seinen Kontakt zur Mutter Schopenhauers, die in Weimar einen literarischen Salon unterhielt, auf ihn aufmerksam geworden. Häufigere Begegnungen mit Goethe folgten, der in dieser Zeit seine Farbenlehre ausformulierte. Schopenhauer bewunderte Goethe, äußerte aber bald Zweifel an der den Aussagen Newtons widersprechenden Theorie, wodurch sich das gute Verhältnis allmählich löste. Durch Friedrich Majer wurde Schopenhauer mit der altindischen Philosophie, dem Brahmanismus, bekannt gemacht. 1814 überwarf er sich mit seiner Mutter und ging nach Dresden, wo er in Literatenkreisen verkehrte und Studien in den reichen Sammlungen und Bibliotheken der Stadt trieb.

1815 veröffentlichte Schopenhauer eine eigene Farbenlehre mit dem Titel Ueber das Sehen und die Farben. Diese entstand in Korrespondenz mit Goethe und erschien 1816 im Druck.

Er entwarf sein Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung, das Anfang 1819 bei Friedrich Arnold Brockhaus erschien und später von ihm noch erheblich erweitert werden sollte. Schopenhauer war sich über die geistesgeschichtliche Bedeutung seines Werkes völlig im Klaren, obwohl es geschäftlich gesehen kein Erfolg war.

1819 unternahm Schopenhauer eine Reise nach Italien, die ihn über Venedig, Rom, Neapel, Paestum, Rom und Venedig nach Mailand führte. Dort erreichte ihn im Juni 1819 die Nachricht vom Zusammenbruch des Danziger Bankhauses L. A. Muhl, bei dem er einen Teil seines Vermögens deponiert hatte. Er brach die Reise sofort ab, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu regeln, wobei es erneut zu Spannungen zwischen ihm und seiner Mutter kam. Seine momentan prekäre Situation veranlasste Schopenhauer, sich um eine Dozentur an der Universität Berlin zu bewerben.

1820 begann Schopenhauer an der noch jungen Berliner Universität zu lehren. Dabei kam es zu dem berühmten Streit mit Hegel. Schopenhauer setzte seine Vorlesungen gleichzeitig mit denen Hegels an, hatte dann aber nur wenige Zuhörer, da diese Hegel bevorzugten. Bald begann er, die Universitätsphilosophie zu verachten. Als das Bankhaus 1821 seine Forderungen auszahlte, verließ er die Universität und setzte seine Italienreise fort. Nach längeren, zum Teil krankheitsbedingten Aufenthalten in München, Bad Gastein und Dresden kehrte er erst im April 1825 nach Berlin zurück und unternahm, ohne große Erwartungen, einen erneuten Versuch, eine universitäre Laufbahn einzuschlagen.

Trotz einer rühmenden Besprechung der Welt als Wille und Vorstellung von Jean Paul erzeugten seine Ideen noch keine Resonanz.

Bei Ausbruch einer Choleraepidemie in Berlin floh Schopenhauer 1831 – anders als Hegel, der ihr zum Opfer fiel – nach Frankfurt am Main, wo er den Winter verbrachte.

Nach einem Aufenthalt in Mannheim vom Juli 1832 bis Juni 1833 kommt es zur endgültigen Niederlassung in Frankfurt.

„Gesundes Klima. Schöne Gegend. Annehmlichkeiten großer Städte. Besseres Lesezimmer. Das Naturhistorische Museum. Besseres Schauspiel, Oper und Concerte. Mehr Engländer. Bessere Kaffeehäuser. Kein schlechtes Wasser. Die Senckenbergische Bibliothek. Keine Überschwemmungen. Weniger beobachtet. Die Freundlichkeit des Platzes und seiner ganzen Umgebung […] Ein geschickter Zahnarzt und weniger schlechte Ärzte. Keine so unerträgliche Hitze im Sommer.“

Schopenhauer[1]

Arthur Schopenhauer war ein Einzelgänger, in Frankfurt galt er nach Einschätzung von Chronisten als „verkannter Niemand“. Wie er gestikulierend im Selbstgespräch mit seinem Pudel am Mainufer spazierte, hat unter anderem der Lokaldichter Friedrich Stoltze bespöttelt. Der Tagesablauf des Philosophen, der sich hier 1836 nach langem Schweigen mit seinem Werk „Über den Willen in der Natur“ wieder zu Wort meldete, war streng geregelt: morgens die Arbeit am Schreibtisch, Flöte spielen regelmäßig vor dem Mittagessen. Die Mahlzeiten hat Arthur Schopenhauer nach der Überlieferung seiner Biographen stets in Gasthäusern eingenommen. Aus dem „Englischen Hof“ am Roßmarkt hält sich bis heute die Anekdote, sein außerordentlicher Appetit habe manches Mal Aufmerksamkeit erregt. „Herr Doktor, Sie essen ja wirklich für zehn“, soll ein Tischnachbar zu ihm gesagt haben. „Ja freilich“, habe er entgegnet, „aber ich denke auch für zehn!“ Mit 55 Jahren bezog der Philosoph, der bis dahin meist zur Untermiete gewohnt hatte, am Mainufer, an der Schönen Aussicht Nummer 17, eine eigene Wohnung, die er 16 Jahre lang behielt. Als das „Schopenhauer-Haus“ aber ist die Nachbaradresse in die Geschichte eingegangen, das riesige Palais Schöne Aussicht Nummer 16, sein Sterbehaus.

1837 griff Schopenhauer in die Gestaltung der Gesamtausgabe der Schriften Immanuel Kants ein, indem er erfolgreich für die Aufnahme der ersten Fassung der Kritik der reinen Vernunft anstatt der zweiten Fassung plädierte.

1838 starb Schopenhauers Mutter, im folgenden Jahr krönte die Königlich Norwegische Societät der Wissenschaften seine Preisschrift Ueber die Freiheit des menschlichen Willens. 1841 erschien sie, zusammen mit einer anderen, nicht gekrönten Preisschrift, Ueber das Fundament der Moral, unter dem zusammenfassenden Titel Die beiden Grundprobleme der Ethik.

1840 war Julius Frauenstädt als erster einer Reihe von „Aposteln und Evangelisten“ Schopenhauers aufgetreten. Ein zweiter, Friedrich Dorguth, nannte 1843 in seiner Schrift Die falsche Wurzel des Idealrealismus den noch wenig bekannten Schopenhauer einen Denker von weltgeschichtlicher Bedeutung. 1844 vollendete Schopenhauer den zweiten Teil der Welt als Wille und Vorstellung, so dass die ergänzte und überarbeitete 2. Auflage des Hauptwerks erscheinen konnte.

1851 erschienen die Parerga und Paralipomena (2 Bände) mit dem Hauptstück Aphorismen zur Lebensweisheit.

Grabstein auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main
Grabstelle

Richard Wagner ließ dem von ihm verehrten Schopenhauer seine Dichtung Der Ring des Nibelungen überreichen. Julius Frauenstädts Brief über die Schopenhauer’sche Philosophie erschien. Eine Serie von Schopenhauer-Porträts von Jules Lunteschütz und anderen Künstlern entstand. Im Mai 1857 besuchte Friedrich Hebbel Schopenhauer in Gesellschaft Wilhelm Jordans.

Am 9. September 1860 brach bei Schopenhauer eine Lungenentzündung aus. Nach monatelangen „Atmungsbeschwerden mit starkem Herzklopfen im Gehen" starb Schopenhauer am 21. September 1860 in der Schönen Aussicht Nummer 16 in Frankfurt am Main auf seinem Sofa. Am 26. September wurde er auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.

Philosophie

Unter dem Einfluss Platons und Immanuel Kants vertrat Schopenhauer in seiner Erkenntnistheorie die Position des Idealismus, beschritt jedoch innerhalb dieser Grundauffassung einen eigenen, subjektivistischen Weg („subjektiver Idealismus“) und lehnte die Philosophie Hegels ab. Er verfasste drastische Polemiken gegen Hegel, Schelling und Fichte und den zunächst von ihm verehrten Schleiermacher.

Die Welt als Vorstellung

Schopenhauer vertrat, ähnlich wie George Berkeley, die Auffassung, dass sich die Frage nach einer von ihrer Wahrnehmung unabhängig gegebenen Außenwelt nicht stelle. Er argumentiert bezüglich der Existenz einer Außenwelt sowohl gegen den Dogmatismus, der seiner Darstellung nach in Realismus und Idealismus zerfällt, als auch gegen skeptizistische Argumente, da sich die Welt dem Subjekt gegenüber ohnehin nur als Vorstellung zeige − die jedoch nicht als Imagination zu verstehen ist − und als unser einziger subjektiver Zugang zur objektiven Welt beachtet werden solle. Gegen den philosophischen Skeptizismus bringt er vor, jener bedürfe eher einer „Therapie“ oder „Kur“ als einer ernsthaften Diskussion. Nach seiner Konzeption ist uns als Subjekt also die objektive Welt immer nur im Modus der Vorstellung gegeben, d.h. dass Objekte nur als eine Seite der vorstellenden Relation von Subjekt und Objekt ihre Existenz besitzen. Trotzdem kommt bei Schopenhauer der Welt eine Wirklichkeit zu, die über die der Vorstellung hinausgeht und sich nicht dem menschlichen Zugang entzieht. Die Welt erschöpft sich nicht in ihrer Vorstellung. Insofern kann also nicht behauptet werden, dass die Welt nach Schopenhauer lediglich als Erscheinung Existenz besitze oder nicht mehr als eine Imagination des menschlichen Bewusstseins sei. Wesentlich in der Terminologie Schopenhauers ist vielmehr die Unterscheidung zwischen der in Subjekt und Objekt zerfallenden Vorstellung und bloßer Imagination oder Fantasie, die damit nicht in Verbindung steht.

Schopenhauer widersprach der Überzeugung Kants, dass das „Ding an sich“ jenseits aller Erfahrung liege und deshalb nicht erkannt werden könne. Kants Ding an sich war für ihn zwar auch unerkennbar (wir sehen immer nur das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen), jedoch nicht unerfahrbar. Durch eine Selbstbeobachtung unserer Person können wir uns dessen gewiss werden, was wir letzten Endes sind: Wir erfahren in uns den Willen, er ist das Ding an sich. Dieser sei nicht nur die Triebfeder allen Handelns von Mensch und Tier, sondern auch die selbst grundlose Ursache hinter den Naturgesetzen, z.B. den physikalischen Gesetzen. Die Welt sei letztlich blinder, vernunftloser Wille (vgl. Triebtheorie). Schopenhauer ist der klassische Philosoph und Hauptvertreter des metaphysischen Voluntarismus.

Doch die Welt ist nicht nur Wille, sondern erscheint auch als Vorstellung. Sie ist die durch Raum und Zeit sowie Kausalität, die den a priori gegebenen Erkenntnismodus von uns Verstandeswesen bilden, individuierte und verknüpfte Erscheinung des einen Willens. Die Welt ist meine Vorstellung ist der erste Hauptsatz seiner Philosophie. Was uns als Welt erscheine, sei nur für uns, nicht an sich. Es gibt für Schopenhauer nichts Beobachtetes ohne Beobachter, kein Objekt ohne ein Subjekt. Die Welt, als Vorstellung betrachtet, zerfalle in Subjekte und Objekte, die sowohl untrennbar als auch radikal voneinander verschieden, jedoch letzten Endes beide nur Erscheinungen des Willens seien. Dieser ist nach Schopenhauer das Wesen der Welt, das sich, in Subjekt und Objekt erscheinend, gleichsam selbst betrachtet.

Die Welt als Wille

Der Vorstellungswelt liegt der Wille zu Grunde, den Schopenhauer als grund- und ziellosen blinden Drang versteht. Als solchen stuft Schopenhauer den Willen nach den Gegebenheiten seines Wirkens ab, spricht von Ursachen, wenn die Wirkung ihnen gemäß ist, wie z. B. beim elastischen Stoß, von Reizen, wenn die Wirkung ein Energiepotential entlädt, und von Motiven, wenn die Wirkung als Umsetzung bestimmter Absichten berechnet wurde.

„Ich nenne nämlich Ursach, im engsten Sinne des Worts, denjenigen Zustand der Materie, der, indem er einen andern mit Nothwendigkeit herbeiführt, selbst eine ebenso große Veränderung erleidet, wie die ist, welche er verursacht […] Ich nenne dagegen Reiz diejenige Ursach, die selbst keine ihr angemessene Gegenwirkung erleidet […] Der Reiz hält das Mittel, macht den Uebergang zwischen dem Motiv, welches die durch das Erkennen hindurchgegangene Kausalität ist, und der Ursach im engsten Sinn.“

Schopenhauer[2]

In diesen Formen also bestimmt der Wille alle Vorgänge der organischen und anorganischen Natur. Er objektiviert sich in der Erscheinungswelt als Wille zum Leben und zur Fortpflanzung. Diese Lehre vom „Primat des Willens“ bildet die zentrale Idee der schopenhauerschen Philosophie, sie hatte weitreichenden Einfluss und begründet die Aktualität von Schopenhauers Werk.

Willensfreiheit kennt Schopenhauer nur gemäß dem berühmt gewordenen Ausspruch: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“, welcher sich so auch schon bei Augustinus findet. Jeglichem Handeln liegt immer und stets der Wille, das heißt das Wollen zu Grunde. In der streng kausal geordneten empirischen Welt, der Welt der Vorstellung, ist kein Platz für einen ohne rein-empirische Ursache handelnden Menschen, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass dies unserer Denkweise widerspräche, sondern in dem tieferen Sinne, dass der Wille sich in allen seinen Teilen gemäß dem Gesetz der Kausalität manifestiert. Im Gegensatz zu Berkeley sieht Schopenhauer in der Kausalität nämlich kein bloßes gedankliches Konzept, sondern den Willen selbst, welchen zu deuten das Werk des Verstandes ist. Nichts anderes ist der Sinn der Aussage, dass die Welt Wille sei. Frei ist der Wille nur insofern, als ihm nichts vorschreibt zu sein, was er ist (also, um es verständlicher zu sagen, dass die Naturgesetze zwar alles bestimmen, was passiert, selbst aber durch kein Gesetz so sind, wie sie sind). Diese Freiheit hat er aber nur vor seiner Manifestation, welche selbst nichts weiter als sein wirksam gewordener Ausdruck ist. Im Falle des Menschen ist dessen wirkendes Wollen durch seinen Charakter bestimmt, welcher selbst willkürlich ist, also aus keinem tieferen Grunde existiert. Nur diesem Charakter gemäß kann einer somit wollen. Andererseits spricht Schopenhauer von einer intelligiblen Willensfreiheit: Wenn das erkennende Subjekt den zugrunde liegenden Willen erkenne, könne es diesen in bestimmten Momenten der Kontemplation, beispielsweise durch intensiven Kunstgenuss, verneinen. Dies bezeichne dann einen Zustand der Melancholie. Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man einem Charakter bescheinigt, für Einsicht empfänglich zu sein.

Epistemologie

Schopenhauer unterscheidet zwei intellektuelle Vermögen, den Verstand und die Vernunft. Die Vernunft ist dabei die Fähigkeit, begrifflich zu denken, also Anschauungen unter Begriffe zu bringen, sich Begriffe anschaulich vorzustellen, den Umfang von Begriffen miteinander zu vergleichen usw.. Der Verstand hingegen äußert sich in unmittelbaren Urteilen über das Angeschaute, also wie stark oder schnell jemand etwa ist zu erkennen, welche Ursache ein Geräusch hatte oder in welchem Winkel und mit welcher Kraft ein Speer geworfen werden muss, um sein Ziel zu treffen. Während der Verstand allen Tieren gemein ist, ist die Vernunft das herausragende Kriterium des Menschen.

Pessimismus

Schopenhauer begründete ein System des empirischen und metaphysischen Pessimismus. Der blinde, vernunftlose Weltwille ist für ihn die absolute Urkraft und somit das Wesen der Welt. Die Vernunft nur Dienerin dieses irrationalen Weltwillens. Die Welt ist für ihn − als Erzeugnis dieses blinden, grundlosen Willens − durch und durch etwas Schlechtes, etwas, was nicht sein sollte, eine Schuld (WWV I. § 56). Eine schlechtere Welt könne es überhaupt nicht geben. „Nun ist diese Welt so eingerichtet, wie sie sein mußte, um mit genauer Not bestehen zu können. Wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte sie schon nicht mehr bestehen“ (WWV II. Kap.46). Die Welt ist ein „Jammertal“, voller Leiden, alles Glück ist Illusion, alle Lust (s. d.) nur negativ, der rastlos strebende Wille wird durch nichts endgültig befriedigt (WWV I. § 59). „Denn alles Streben entspringt aus Mangel, aus Unzufriedenheit mit seinem Zustande, ist also Leiden, solange es nicht befriedigt ist. Keine Befriedigung aber ist dauernd, vielmehr ist sie stets nur der Anfangspunkt eines neuen Strebens. Das Streben sehen wir überall vielfach gehemmt, überall kämpfend. Solange also immer als Leiden: kein letztes Ziel des Strebens, also kein Maß und Ziel des Leidens“ (l. c. § 56). Die Basis alles Wollens ist Bedürftigkeit, Mangel, also Schmerz (l. c. § 57). Das Leben „schwingt also, gleich einem Pendel, hin und her zwischen dem Schmerz und der Langeweile“ (ib.). Schon seiner Anlage nach ist das Menschenleben keiner wahren Glückseligkeit fähig (l. c. 59). Jede Lebensgeschichte ist eine Leidensgeschichte, eine fortgesetzte Reihe großer und kleiner Unfälle (ib.).

Mächtigster Ausdruck des Willens ist der nicht dauerhaft zu befriedigende Geschlechtstrieb. Schopenhauer wies jedoch Wege auf − über die Kunst (hier vor allem die Musik), die Moral und Askese - das frustrierende und schmerzvolle Dasein zu überwinden. Nicht zuletzt deshalb beriefen sich in der Folge zahlreiche Künstler auf die Lehre Schopenhauers.

Ethik

In der Ethik vertritt Schopenhauer im Unterschied zu Kant eine Mitleidsethik. Der einzige Grund, uneigennützig zu handeln, ist nach ihm die Erkenntnis des Eigenen im Anderen – das ist Mitleid. So bemerke der vom blinden Willen getriebene Mensch, dass in allen anderen Lebewesen derselbe blinde Wille haust und sie ebenso leiden lässt wie ihn. Durch das Mitleid wird der Egoismus überwunden, der Mensch identifiziert sich mit dem Anderen durch die Einsicht in das Leiden der Welt.

Es folgt hieraus ein im Vergleich zu Kant radikal anderer „Imperativ“.

„Neminem laede, immo omnes, quantum potes, iuva. [Verletze niemanden, vielmehr hilf allen, soweit du kannst]“

Schopenhauer: das Prinzip aller Moral

Schopenhauer schließt in seine Ethik eindeutig den Schutz der Tiere ein (Tierschutz).

„Mitleid mit den Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, daß man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Tiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein.“

Schopenhauer[3]

Soziologie

Im Zusammenhang mit der Revolution 1848 äußerte sich Schopenhauer zur Rolle des Staates: In der Natur herrsche Gewalt, auch zwischen den Menschen, was die „Masse“ in Vorteil bringt; aber da das Volk ein „ewig unmündiger Souverain“ sei, „unwissend, dumm und unrechtlich“, so müsse dessen „physische Gewalt der Intelligenz, der geistigen Überlegenheit“ unterworfen werden. Zweck des Staates sei es, dass „möglichst wenig Unrecht im Gemeinwesen“ herrsche, zugunsten des Gemeinwohls dürfe der Staat auch Unrechtes tun. Schopenhauer bevorzugte einen aufgeklärten monarchischen Absolutismus, weil sich nur so die Menschen zügeln und regieren ließen, er sprach gar von einem monarchischen Instinkt im Menschen. Republiken hingegen seien „widernatürlich, künstlich gemacht und aus der Reflexion entsprungen‘“ – „überall muß Ein Wille der leitende seyn.“

Ästhetik

Nach Schopenhauers Ästhetik wirkt die Kunst als „Quietiv des Willens“. Diese Ästhetik erreicht in der Weltverneinung ihren Höhepunkt. Dem Menschen, als höchster Form des sich in der Erscheinungswelt objektivierenden Willens, sei die Möglichkeit gegeben, den Willen und das Leiden aufzuheben und so in einen Zustand des Nichtseins (eine Art Nirwana) zu gelangen. Das wahre Kunstwerk hilft ihm dabei, indem es das innere Wesen einer Sache, seine Idee, bewusst macht und dem Betrachter auf diese Weise zu einer objektiven Sichtweise verhilft, die ihn aus seiner Subjektivität, seinem „Wollen“, emporhebt. Unter der Gewahrung einer Idee versteht Schopenhauer dabei die Antizipation eines Anschaulichen, seine Ahnung, welche durch das Kunstwerk gereizt wird.

„Daß wir Alle die menschliche Schönheit erkennen […], im ächten Künstler aber dies mit solcher Klarheit geschieht, daß er sie zeigt, wie er sie nie gesehen hat […]; dies ist nur dadurch möglich, daß der Wille, dessen adäquate Objektivation, auf ihrer höchsten Stufe, hier beurtheilt und gefunden werden soll, ja wir selbst sind. Dadurch allein haben wir in der Tat eine Anticipation Dessen, was die Natur […] darzustellen sich bemüht; welche Anticipation im ächten Genius von dem Grade der Besonnenheit begleitet ist, daß er, indem er im einzelnen Dinge dessen Idee erkennt, gleichsam die Natur auf halbem Worte versteht und nun rein ausspricht, was sie nur stammelt.“

Schopenhauer[4]

Der Musik kommt eine besondere Stellung zu, da sie nach Schopenhauer ein objektives Abbild allen Wollens dieser Welt zu geben vermag, wobei der Tonlage die Schlüsselrolle für die Unterscheidung der unterschiedlichen Willensformen zukommt − je tiefer, desto näher an den Gesetzen der Materie, je höher, desto näher an den Beweggründen des Menschen:

„Ich erkenne in den tiefsten Tönen der Harmonie, im Grundbaß, die niedrigsten Stufen der Objektivation des Willens wieder, die unorganische Natur, die Masse des Planeten. Alle die hohen Töne, leicht beweglich und schneller verklingend, sind bekanntlich anzusehen als entstanden durch die Nebenschwingungen des tiefen Grundtones […] Dieses ist nun dem analog, daß die gesammten Körper und Organisationen der Natur angesehen werden müssen als entstanden durch die stufenweise Entwickelung aus der Masse des Planeten: diese ist, wie ihr Träger, so ihre Quelle: und das selbe Verhältniß haben die höheren Töne zum Grundbaß. […] Nun ferner in den gesammten die Harmonie hervorbringenden Ripienstimmen, zwischen dem Basse und der leitenden, die Melodie singenden Stimme, erkenne ich die gesammte Stufenfolge der Ideen wieder, in denen der Wille sich objektivirt. Die dem Baß näher stehenden sind die niedrigeren jener Stufen, die noch unorganisch, aber schon mehrfach sich äußernden Körper: die höher liegenden repräsentieren mir die Pflanzen- und die Thierwelt. […] Endlich in der Melodie, in der hohen, singenden, das Ganze leitenden und mit ungebundener Willkür in ununterbrochenem, bedeutungsvollem Zusammenhange eines Gedankens von Anfang bis zum Ende fortschreitenden, ein Ganzes darstellenden Hauptstimme, erkenne ich die höchste Stufe der Objektivation des Willens wieder, das besonnene Leben und Streben des Menschen.“

Schopenhauer[5]

Erlösung

Im „Jammertal“ des Diesseits hält Schopenhauer den Tod für besser als das Leben. Es ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum und ein Missverständnis der gesamten Lehre, daraus eine Aufforderung zur Selbsttötung abzuleiten. Im Gegenteil, der Suizid stellt Schopenhauer zufolge keine Lösung dar, weil der metaphysische Wille umgehend eine neue Form finde und so das Lebensrad aufs Neue in Gang bringt. Der Mensch sei jedoch als höchstes irdisches Wesen in der Lage, den Willen für sich zu negieren. Dies eröffne den Weg ins Nirvana:

„Erkenntnis der Einheit aller Wesen und Askese, Verneinung des Willens zum Leben allein kann uns erlösen, nicht der Selbstmord, der nur die individuelle Erscheinung des Allwillens vernichtet“ [6].

Wirkung und Rezeption

Kaum ein deutscher Philosoph der Neuzeit hat sowohl breite Leserschichten als auch zahlreiche Berühmtheiten aus Kunst und Wissenschaft so unmittelbar erreicht wie Schopenhauer, gerade in seiner postumen Wirkung. Er beeinflusste maßgeblich Friedrich Nietzsche [7] und wurde verehrt von Richard Wagner, Leo Tolstoi, Samuel Beckett, Albert Einstein, Kurt Tucholsky, Thomas Mann, Hermann Hesse, Wilhelm Busch und vielen anderen. Sein Einfluss auf die moderne Deutsche Literatur ist schwerlich zu überschätzen. Dies manifestiert sich nicht nur in den überaus zahlreichen Anhängern unter den Literaten, er gehört mit Goethe auch zu den Erneuerern der Deutschen Schriftsprache.

Die Verbreitung des Buddhismus in Deutschland lässt sich auf sein Wirken zurückführen. Er sah in dieser Religion einen Gegenentwurf zur abendländischen Metaphysik und deutete deren Erkenntnisstreben als Mittel, um die geistige Isolierung des Individuums zu durchbrechen. Schopenhauer fand zahlreiche Verbindungen zwischen seiner eigenen Philosophie und der buddhistischen Lehre, etwa den Atheismus. Die Indien-Begeisterung vieler damaliger Intellektueller wie auch die ersten Übersetzungen asiatischer Texte wurden durch seine Schriften angeregt.

Der Philosoph Eduard von Hartmann dagegen kritisierte schon sehr früh an Schopenhauers Lehre die „Verneinung der Welt“ als „feige persönliche Entsagung“.

Hermann Graf Keyserling verhöhnte das Artistentum Schopenhauers, dem es innerlich wie äußerlich stets um bloße Darstellung gegangen sei.[8]

Schopenhauer kann als Auslöser ebenjener wissenschaftlichen Lebensphilosophie angesehen werden:

„[Er ist] Vorgänger des Pragmatismus - nicht als Philosophie, sondern als Methodologie der Wissenschaft […] insofern er den Intellekt als eine bloße Waffe des blinden Lebenswillens im Kampf ums Dasein ansieht […] ist er der Vorgänger Bergsons.“

Max Scheler[9]

Ferdinand Tönnies' Willenstheorie als Axiomatik der Soziologie in Gemeinschaft und Gesellschaft (1887) weist starke Einflüsse Schopenhauers auf.

Auch die Psychoanalyse Sigmund Freuds setzt unmittelbar bei Schopenhauers Lehre vom Willen und seiner Negierung an, indem sie die Schäden untersucht, die durch (willentliche oder unfreiwillige) Triebunterdrückung entstehen. Freuds Ansatz kann als Versuch der Re-Rationalisierung des menschlichen Lebens eingeordnet werden, da er eine Methode zur Analyse des Schopenhauerschen Begriffs des Willens erarbeitet, mit dem Ziel, ebendiesen kontrollierbar zu machen („Wo ES war, soll ICH werden.“). Der Begründer der Individualpsychologie Adler deutet den schopenhauerschen Ansatz der Leidensüberwindung als fundamental positiven Aspekt in der menschlichen Entwicklung auf dem Weg von seiner Unmündigkeit bei der Geburt zur individuellen Vollkommenheit. Der bei Schopenhauer auf einen Weltwillen zielende Entwurf wird als schöpferisches Element in jedem Lebewesen interpretiert[10].

1911 gründete Paul Deussen die Schopenhauergesellschaft, wurde ihr erster Präsident und gab eine kritische Schopenhauer-Ausgabe in 14 Bänden heraus.

Sonstiges

Schopenhauer und die Frauen

Schopenhauer äußerte sich vielfach herablassend über „die Frauen“, was als Abwehrreaktion gegenüber seiner dominanten Mutter interpretiert werden kann.

„Sie sind sexus sequior, das in jedem Betracht zurückstehende, zweite Geschlecht, dessen Schwäche man demnach schonen soll, aber welchem Ehrfurcht zu bezeugen über die Maßen lächerlich ist und uns in ihren eigenen Augen herabsetzt. […] Mit mehr Fug, als das schöne, könnte man das weibliche Geschlecht das unästhetische nennen. Weder für Musik, noch Poesie, noch bildende Künste haben sie wirklich und wahrhaftig Sinn und Empfänglichkeit; sondern bloße Aefferei, zum Behuf ihrer Gefallsucht, ist es, wenn sie solche affektiren und vorgeben.“

Essay „Über die Weiber“ (1851)

Schopenhauer folgert daraus:

„Alle Verliebtheit, wie ätherisch sie sich auch gebärden mag, wurzelt allein im Geschlechtstriebe.“

Schopenhauer

Dabei sprach er wie zumeist aus eigener – in diesem Falle unerfüllter – Erfahrung: nachdem er 1809 für die Schauspielerin und Opernsängerin Karoline Jagemann unglücklich entflammt war, verliebte er sich 1821 in die 19-jährige Opernsängerin Caroline Medon, mit der er über mehrere Jahre ein Verhältnis hatte. Aber Heiratspläne verwirft er stets – auch gegründet in ihn tief verunsichernden Erfahrungen im Elternhaus:

„Heiraten heißt das Mögliche thun, einander zum Ekel zu werden. […] seine Rechte zu halbieren und seine Pflichten zu verdoppeln [noch etwas drastischer] Heiraten heißt, mit verbundenen Augen in einen Sack greifen und hoffen, dass man einen Aal aus einem Haufen Schlangen herausfinde.“

Schopenhauer

Im Alter von 43 Jahren interessierte er sich nochmals für ein junges Mädchen, nämlich die 17-jährige Flora Weiss, die den wesentlich älteren Verehrer jedoch abwies. Schopenhauers Philosophie und besonders seine Haltung zur Sexualität fanden später auch in der Literatur ihren Niederschlag. Ein Beispiel dafür ist der Roman von Édouard Rod „Wettlauf zum Tod“ aus dem Jahr 1885. Alfred Adler sieht Schopenhauers Ansatz zur Verneinung des Lebens vorbereitet in einer feindlichen Beziehung zur Mutter.[11]

Schopenhauer und des Pudels Kern

Arthur Schopenhauer von Wilhelm Busch

Schopenhauer hielt sich zeitlebens einen Pudel. Dessen Name war immer Atman, was auf Sanskrit Lebenshauch, Atem bedeutet, in der Tradition der Upanishaden die Essenz des Selbst, bzw. die Einzelseele als Teil des Brahman, der „Weltseele“. Meistens rief er die Hunde bei ihrem Spitznamen „Butz“. Wenn ein Hund starb, was etwa alle 10 Jahre vorkam, erwarb er jeweils einen ähnlich aussehenden Pudel und nannte ihn ebenfalls Butz. Schopenhauer war der philosophischen Auffassung, dass jeder Hund gleichzeitig jeden anderen Hund enthalte. Für Menschen galt ihm sinngemäß das Gleiche.

Schopenhauer und sein Verleger

Der Briefwechsel zwischen Schopenhauer und dem Verlag F.A Brockhaus ist selbst ein aufschlussreiches Zeitdokument. Modern war an Schopenhauer seine Auffassung eines Philosophen als Schriftsteller. Sein langer Kampf gegen Setzfehler passt nicht nur zu seiner väterlichen Prägung vom penibel kalkulierenden Kaufmann und zum Bewusstsein über eine bedeutende Schrift und selbstbewusst auftretenden bedeutenden Autor, in ihm erweist sich Schopenhauer auch als Bewahrer und Kämpfer von Werten wie der Sprache und des Stils: im sprichwörtlich wahrsten Sinne des Wortes.

Schopenhauer verbot sämtliche Änderungen des Manuskripts, gar Anpassungen an den zeitgenössischen Sprachgebrauch, den er wenig schätzte. Dadurch verzögerte sich etwa die Herstellung seines Hauptwerkes „Die Welt als Wille und Vorstellung“ derart, dass es nicht pünktlich zur Leipziger Buchmesse im September 1818 erscheinen konnte. War er anfangs noch ganz geschmeidig und überhöflich („…Euer Wohlgeboren…“) mit Brockhaus umgegangen, änderte sich dies schnell, nachdem der Kontrakt unterzeichnet war und erste Abweichungen auftauchten. Er behandelte den Verleger als Dienstleister, der von der Genialität des Werkes in Zukunft noch viel profitieren werde.

So schimpfte Schopenhauer

„Es liegt am Tage, dass bei Ihnen Wort und That, Versprechen und Halten, zwei sehr verschiedene Dinge sind. […] Ich habe nicht des Honorars wegen geschrieben, wie die Unbedeutsamkeit des Selben von selbst beweißt; Sondern um ein lange durchdachtes und mühsam ausgearbeitetes Werk, die Frucht vieler Jahre, ja eigentlich meines ganzen Lebens, durch den Druck zur Aufbewahrung und Mitteilung zu bringen. Woraus folgt, daß Sie nicht etwa mich anzusehen und zu behandeln haben wie Ihre Konversationslexikons=Autoren und ähnliche schlechte Skribler, mit denen ich gar nichts gemein habe als den zufälligen Gebrauch von Tinte und Feder.“

Schopenhauer

Brockhaus ließ sich in seiner Erwiderung ebenfalls nicht lumpen. Er spricht Schopenhauer ab, ein Ehrenmann zu sein, und weigert sich, „etwanige Briefe“ seines Autors anzunehmen.

„[…] die ohnehin in ihrer göttlichen Grobheit und Rusticität eher auf einen Vetturino [einen Lohnkutscher], als einen Philosophen schliessen lassen möchten […] Ich hoffe nur, daß meine Befürchtung, an Ihrem Werke bloß Makulatur zu drucken, nicht in Erfüllung gehen werde.“

Brockhaus

1843 wendet sich Schopenhauer erneut an F.A. Brockhaus,

„[…] um Ihnen den Verlag des zweiten Bandes der Welt als Wille und Vorstellung anzutragen.“

Schopenhauer an Brockhaus

Nach einigen hin- und herwechselnden Briefen, die als ein Zeugnis höchsten gegenseitigen Respekts angesehen werden dürfen, erscheint 1844 die 2. Auflage unter dem Verleger Heinrich Brockhaus. Die Tatsache, dass die erste Auflage des derartige Umstände fordernden Hauptwerkes erst nach über 30 Jahren vergriffen sein sollte, dürfte Brockhaus allerdings wenig erfreut haben.

Vermischtes

  • Ende August 1869 bringt Leo Tolstoj einen regelrechten Schopenhauer-Panegyrikus zu Papier: „Wissen Sie, was der diesjährige Sommer für mich bedeutet hat? Ununterbrochene Begeisterung für Schopenhauer und eine Reihe geistiger Genüsse, die ich niemals zuvor erfahren habe. […] Ich weiß nicht, ob ich meine Meinung einmal ändern werde, jetzt jedenfalls bin ich überzeugt, dass Schopenhauer der genialste aller Menschen ist […] Wenn ich ihn lese, ist mir unbegreiflich, weshalb sein Name unbekannt bleiben konnte. Es gibt höchstens eine Erklärung, eben jene, die er selber so oft wiederholt, nämlich dass es auf dieser Welt fast nur Idioten gibt“ (XVII, 330f.).
  • Jede Subjektphilosophie muss sich mit dem Solipsismus auseinandersetzen. Nach Schopenhauer ist der Solipsist ein „in ein uneinnehmbares Blockhaus verschanzter Irrer.“ Was Schopenhauer von den Solipsisten trennt, ist sein Beharren auf ein alle verbindendes und bedingendes Etwas, nämlich den Willen. „Tat twam asi.“ – Das bist du, alles was du da siehst. Diese Grundidee übernahm der Begründer der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jung mit dem Ansatz des kollektiven Unbewussten.
  • Schopenhauer lehnte die ihm spät angetragene Mitgliedschaft in der Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin ab.
  • Schopenhauer antwortete auf die Frage, wo er bestattet zu werden wünsche: „Es ist einerlei. Sie werden mich finden“ (Salaquarda 1985, 73; nach W. Gwinner).

Quellen

Werke

Arthur Schopenhauers sämtliche Werke (maßgebliche Editionen sind von Ludger Lütkehaus und Arthur Hübscher, weiterhin gibt es eine Edition von Wolfgang Freiherr von Löhneysen):

  • Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde (1813, Dissertation Schopenhauers; zweite, sehr verbesserte Auflage 1847)
  • Ueber das Sehen und die Farben (1816; zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1854)
  • Die Welt als Wille und Vorstellung, erster Band (1819; zweite, vermehrte Auflage 1844; dritte, verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage 1859)
  • Theoria colorum (1830, lateinische Fassung der überarbeiteten Farbenlehre)
  • Ueber den Willen in der Natur (1836; zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1854)
  • Die beiden Grundprobleme der Ethik: Ueber die Freiheit des menschlichen Willens, Ueber das Fundament der Moral (1841; zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1860)
  • Die Welt als Wille und Vorstellung, zweiter Band (1844)
Erstausgabe von „Parerga und Paralipomena“
  • Parerga und Paralipomena, zwei Bände (1851, enthalten die Aphorismen zur Lebensweisheit, Ueber die Universitäts-Philosophie, Ueber Schriftstellerei und Stil u. v. a. m.)
  • Über Schriftstellerei und Stil. Einzelausgabe, herausgegeben von Ludger Lütkehaus, Alexander Verlag Berlin 2003.

Darüber hinaus wurde Schopenhauers handschriftlicher Nachlass herausgegeben von Arthur Hübscher und Volker Spierling:

  • Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden. Vollständige Ausgabe in sechs Teilbänden. Hrsg. von Arthur Hübscher. München: DTV 1985; unveränderter Nachdruck der historisch-kritischen Edition, Frankfurt a. M.: Waldemar Kramer 1966–75. (Im Einzelnen: Frühe Manuskripte 1804–11, Kritische Auseinandersetzungen 1809–18, Berliner Manuskripte 1818–30 (inkl. Eristische Dialektik und Kunstgriffe der eristischen Dialektik), Die Manuskriptbücher der Jahre 1830–52, Letzte Manuskripte/ Gracians Handorakel (inkl. Ueber die, seit einigen Jahren, methodisch betriebene Verhunzung der deutschen Sprache), Randschriften zu Büchern)
  • Philosophische Vorlesungen, 4 Bde. Aus dem handschriftlichen Nachlaß. Hrsg. und eingel. von Volker Spierling. München: Piper 1987–90. (Im Einzelnen: Theorie des gesammten Vorstellens, Denkens und Erkennens, Metaphysik der Natur, Metaphysik des Schönen, Metaphysik der Sitten)

Des Weiteren wurden Briefe und Reisetagebücher Schopenhauers herausgegeben (zu ergänzen):

Literatur

  • Sabine Appel: Arthur Schopenhauer, Leben und Philosophie, Artemis&Winkler, Düsseldorf 2007, ISBN 3-538-07241-8
  • Alfred Estermann: Schopenhauers Kampf um sein Werk. Der Philosoph und seine Verleger. Insel, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3458172521
  • Margot Fleischer: Schopenhauer. Herder, Freiburg 2001, ISBN 3-451-04931-7
  • Margot Fleischer: Schopenhauer als Kritiker der Kantischen Ethik. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, ISBN 3826024702
  • Wilhelm Gwinner: Arthur Schopenhauer aus persönlichem Umgang dargestellt 2. Auflage. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt 1987, ISBN 3-7829-0349-8 (Diese Biographie wurde kurz nach Schopenhauers Tod verfasst.)
  • Arthur Hübscher: Arthur Schopenhauer, ein Lebensbild. 3. Auflage. Brockhaus, Mannheim 1988, ISBN 3-7653-0418-2
  • Raphael Koeber: Schopenhauers Erlösungslehre. Duncker, Berlin 1882.
  • Ferdinand Laban: Die Schopenhauer-Literatur. Versuch einer chronologischen Übersicht derselben. Reprint der Ausgabe von 1880. Franklin, New York, NY 1970.
  • Hugo Liepmann: Schopenhauer, Arthur. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 32, Duncker & Humblot, Leipzig 1891, S. 333–346.
  • Bryan Magee: The Philosophy of Schopenhauer. Oxford University Press, Oxford 1997, ISBN 0198237227
  • Rüdiger Safranski: Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie. Hanser, München 1987, ISBN 3-446-14490-0
  • Georg Simmel: Schopenhauer und Nietzsche. Ein Vortragszyklus. Mit einem Nachwort von Klaus H. Fischer „Über Simmel, Schopenhauer und Nietzsche“, Schutterwald/Baden 2001, ISBN 978-3-928640-14-5
  • Walther Schneider: Schopenhauer. Werner Dausien, Hanau 1985, ISBN 3-7684-4552-6
  • Raymund Schmidt: Schopenhauer-Brevier. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1938. Sammlung Dieterich Bd.37.
  • Volker Spierling: Arthur Schopenhauer zur Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Junius, Hamburg 2006, ISBN 3885063670
  • Walter Abendroth: „Schopenhauer“ Rowohlt Taschenbuch Verlag, ISBN 3-499-501-333

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auf dem Deckel eines Rechnungsbuchs hat der damals 45 Jahre alte Privatgelehrte seine Gedanken fest gehalten
  2. Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Köln 1997, Erster Band, §. 23.
  3. Grundlage der Moral, §19
  4. Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Köln 1997, Erster Band, §. 45.
  5. Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Köln 1997, Erster Band, §. 52.
  6. Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Köln 1997, Zweiter Band, §. 68.
  7. Nietzsche, der seine 3. Unzeitgemäße Betrachtung unter dem Titel "Schopenhauer als Erzieher" veröffentlichte, verwarf freilich später Schopenhauers Philosophie und kehrte dessen Pessimismus in einen radikal-optimistischen Vitalismus um. Dabei bleibt Schopenhauer offensichtlich eine Referenz.
  8. Keyserlings Aufsatz Schopenhauer als Verbilder anno 1910 ist bis heute eines der bemerkenswertesten kritischen Dokumente zu Schopenhauer, zumal sich Keyserling selbst noch im vormodernen lebensweltlichen Horizont befindet.
  9. Max Scheler: Die Wissensformen und die Gesellschaft. München 1960, S.223.
  10. Alfred Adler: Der Sinn des Lebens. Frankfurt am Main 1933
  11. Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. Frankfurt am Main 1928

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