Schreibschrift

Schreibschrift
Deutsche Kurrentschrift, Musterblatt von 1866
Deutsche Sütterlinschriftbuchstaben, ab 1924
Deutsche Normalschrift, ab 1941
Lateinische Ausgangsschrift, seit 1953
Alphabet der Vereinfachten Ausgangsschrift (BRD, seit 1972)
Alphabet der Schulausgangsschrift (DDR, seit 1968)
Textbeispiel der Schulausgangsschrift,
deutscher Duktus, stark verbunden
Beispiel für deutsche Kurrentschrift des 18. Jahrhunderts
Zwei angelsächsische (britische) Versionen, wenig verbunden

Schreibschrift, Kurrentschrift (von lateinisch currere = laufen), Kursive oder Laufschrift ist Handschrift im Unterschied zu Druckschrift. Heute gibt es auch Schriftarten, mit denen man Handschrift nachahmt.

Kurrentschriften sind handgeschriebene Schriften, die dazu neigen, Buchstaben zu verbinden, und bei denen die Schnelligkeit des Schreibens oft zu Lasten der Schönheit bzw. Genauigkeit der Buchstaben erhöht wird. Oft kommt es dabei zur Verschlaufung von Ober- und Unterlängen, die die Lesbarkeit wieder erhöhen soll.

Bekannte Vertreter dieser Schriftform sind die deutsche Kurrentschrift und die arabische Schrift. Auch die griechische Schrift und das Kyrillische verfügen über eine Kurrentschrift. In der hebräischen Schrift gibt es zwar auch eine Kurrentschrift, jedoch ist die Verbindung der einzelnen Buchstaben noch nicht sehr weit fortgeschritten. Die neuzeitlichen Formen der arabischen Schrift sind sämtlich Kurrentschriften, wobei es in der gedruckten Form eine Entwicklung weg von zu sehr verbundenen Formen und Ligaturen gibt.

In der Paläografie werden diese Schriften als „Kursive“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Kursive

Kursivschriften sind in der Geschichte der Schrift nicht immer üblich gewesen. Während die römische Antike Schrift umfangreich im Alltag einsetzte und dafür eine flüssige, verbundene Schrift entwickelte (ältere römische Kursive, jüngere römische Kursive), kannte das hohe Mittelalter keine auf dem Prinzip der Buchstabenverbindung beruhende Schrift. Erst seit dem 13. Jahrhundert hatte sich Schriftlichkeit durch Universitäten, Kaufleute und zentralistische Verwaltung wieder so weit verbreitet, dass eine neue Kursivschrift, die gotische Kursive, entstand.

Mit dem Buchdruck wurde es auch weniger Begüterten, Schulen und öffentlichen Büchereien möglich, Bücher zu erwerben. Die schreibende Hand stand im 15. Jahrhundert in direkter, harter Konkurrenz zu der druckenden Maschine. Die Drucker erkannten bald, dass sie Bücher von gleicher Art und Güte in großer Zahl rasch und billig unter die Leute bringen konnten. Die Drucker hielten sich zunächst im Schnitt ihrer Typen und des schmückenden Beiwerks an das Vorbild handgeschriebener Bücher.

Der Fortgang der Entwicklung und die raschen Erfolge der Druckkunst zwangen indes die bisher hochgeachteten und gutverdienenden Buchschreiber, den Fortbestand ihrer Kunst vor der stetig wachsenden Konkurrenz zu verteidigen. Sie gründeten Schreibschulen, nahmen Schüler aus den bürgerlichen Ständen an und bauten die seither bewährten Schriften weiter aus. Sie beeinflussten die Weiterentwicklung der Schreib-, aber auch der Buchschriften und förderten damit die Verbreitung des Handschreibens im Allgemeinen.

Nach dem Aufkommen der Druckkunst gab es eine große Anzahl von Schreibern in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, der Schweiz und anderen Ländern. Von 1500 bis 1800 entstanden allein in Deutschland etwa 800 gedruckte Schreibvorlagen.

Als bedeutendster Nürnberger Schreibmeister gilt Johann Neudörffer, ein Zeitgenosse Albrecht Dürers. Er schuf mit Hieronymus Andreä die Neudörffer-Andreä-Fraktur. Mit dieser Druckschrift legte er zugleich die Basis für alle weiteren Frakturschriften, die auch die in den Kanzleien verwendete Schreibschrift beeinflusste (Kanzleikurrent, Deutsche Kurrentschrift). In seiner Schule ging er gegen die Vielfalt und Verworrenheit der damals benutzen Verkehrsschriften an.

In den Kanzleien und im wirtschaftlichen Alltag waren in Deutschland die Formen der gotischen Kursive Ausgangspunkt der Entwicklung zur sogenannten deutschen Schrift oder deutschen Kurrentschrift. Im 16. Jahrhundert setzte sich für lateinische und nichtdeutsche Texte die von dem Humanisten Niccolo Niccoli entwickelte humanistische Kursive als Schreibschrift durch, so dass ein gebildeter Bewohner Deutschlands bis ins 20. Jahrhundert mindestens zwei Schriftarten flüssig lesen und schreiben lernte. In Briefen wurde nicht selten der normale Text in deutscher Kurrentschrift geschrieben, Eigennamen dagegen in humanistischer Kursivschrift.

Christian Friedrich Geßner schreibt 1740 über den von Francesco Griffo (hier fälschlicherweise Aldus Manutius zugeschrieben) entwickelten Kursivschnitt in lateinischen Lettern: „Cursiv-Schriften heißt man diejenige Art Lateinischer Buchstaben, welche denen geschriebenen geschobenen Buchstaben gleich kommet, deren sich die Schreiber ehedessen bedienet, wenn sie geschwind geschrieben haben. Die Züge dieser Schrift sind nicht gerade, sondern schief. Aldus Manutius hat selbige zu erst erfunden. Eben deswegen hat er von der Republic Venedig ein Privilegium erhalten, daß Niemand innerhalb 10 Jahren damit drucken dürfte. Von dem Ort der Erfindung heißt diese Schrift auch venetica oder italique. [franz. italique, engl. italic] Heut zu Tage hat man diesen Schnitt bey nahe in alle Schriften und Schriftproben.“

Reformen und Abschaffung der sogenannten Deutschen Schrift

Im Jahre 1830 fand die spitze Stahlfeder von England ausgehend immer größere Verbreitung. Sie erwies sich zwar schwieriger in der Handhabung als die Kielfeder, konnte sich aber bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland durchsetzen.

Mit der Einführung der Schulpflicht und Schreiben als Grundlehrfach wurden bald die verschiedenen Meisterschulen überflüssig. Durch ihren Wegfall und die weitere Durchsetzung des englischen Stils mitsamt der englischen Spitzfeder setzten sich neue Gebrauchsschriften durch.

Im Jahre 1907 entwickelte R. Blankertz eine neue, stählerne Breitfeder nach dem Vorbild der breitkantigen Kielfeder. Mit seiner Entwicklung versuchte er, die alte Schreibschrift wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Doch erst S. Wagner gelang dies 1912 mit einer Weiterentwicklung: Er glich die drei Zeilenräume aneinander an, wodurch die Schrift harmonisch ausgeglichen wirkt und gut leserlich wird. Die zuvor nach rechts kippenden Schriften bekommen somit eine aufrechte Haltung.

Der Grafiker Ludwig Sütterlin ging bei seiner Schreibschriftreform im Jahre 1914 andere Wege: Er gestaltete eine neue Schrift mit dem Verhältnis 1:1:1 für die Lineaturräume, mit Steilschriftformen, und als völlig neues Gerät nutzte er die Gleichzug- oder Schnurzugfeder. Diese wurde von Blankertz als „Redisfeder“ hergestellt. Die kugelige Spitze der Feder stellt keine großen Ansprüche bezüglich der Haltung und Führung der Feder bzw. des Füllhalters. Aus diesem Grunde erschien sie Sütterlin auch als das passende Schreibgerät für Kinder zum Erlernen des Schreibens. Seine Schrift ist eine ausbaufähige Ausgangsschrift. Der Federspur entsprechen die Rundzüge und Kringel vieler Buchstaben. Sütterlin sprach sich aber sehr klar für den Gebrauch der rechtsschrägen Breitfeder aus und wies auf den Formgewinn hin, den diese Feder den Schriften verleiht. In Hessen entwickelte Rudolf Koch eine ausdrucksvolle Breitschrift, welche er 1927 vorstellte. Mit der Einführung von Sütterlins Schrift in Hessen 1930 blieb die „Offenbacher Schrift“ jedoch unbenutzt.

1941 wurde das vorläufige Ende der deutschen Schreibschrift mit einem Erlass der nationalsozialistischen Regierung besiegelt. Die lateinische Schreibschrift wurde als „Normalschrift“ festgelegt.

Durch eine Verordnung von 1954 erhielten Schulen in der Bundesrepublik Deutschland wieder die Möglichkeit, neben der zur Hauptschrift deklarierten lateinischen Ausgangsschrift vom 4. Schuljahr an wieder die deutsche Schreibschrift zu lehren. Als Vorlage dient hierbei die Offenbacher Schrift mit dem dazugehörigen Breitfederalphabet. Diese Verordnung wurde aber nur selten zur Anwendung gebracht.

Die deutschen Schulverwaltungen haben seit den 1980er Jahren verschiedene Varianten einer Vereinfachten Ausgangsschrift bzw. der Schulausgangsschrift eingeführt, die insbesondere Schnörkel zur Verbindung der Striche auslassen und sich mehr an den Vorbildern der Druckschrift orientieren. Diese greifen zur Vereinfachung des Schreibvorgangs auch auf Formen zurück, die aus der Tradition der deutschen Kurrentschrift stammen.

Situation in anderen Ländern

Vereinigte Staaten

In den Vereinigten Staaten erlernen Grundschulkinder zunächst das Schreiben von Druckbuchstaben. Erst von der Klassenstufe 3 an wird auch die Schreibschrift (cursive) gelehrt.[1]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bericht einer Lehrerin

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