Schweizerdeutsch

Schweizerdeutsch
Schweizerdeutsch (Schwizerdütsch)

Gesprochen in

Schweiz
Sprecher Geschätzte 4'450'000 Sprecher
Linguistische
Klassifikation

Indogermanische Sprachfamilie Germanische Sprachen

Westgermanische Sprachen
Deutsche Sprache
Oberdeutsche Sprache
Alemannisch
  • Schweizerdeutsch
Offizieller Status
Amtssprache von de jure nirgendwo

de facto im mündlichen Amtsverkehr: SchweizSchweiz Schweiz

Sprachcodes
ISO 639-1:

ISO 639-2:

gsw

ISO 639-3:

gsw

Der geografische Sprachraum des Schweizerdeutschen

Schweizerdeutsch (schweizerdt. Schwizerdütsch, Schwiizertüütsch und ähnlich) ist eine Sammelbezeichnung für die in der Deutschschweiz gesprochenen alemannischen Dialekte.

Die schweizerische Variante des Standarddeutschen wird Schweizer Hochdeutsch (in der Schweiz: Schweizerhochdeutsch) oder Schriftdeutsch genannt und darf nicht mit Schweizerdeutsch verwechselt werden.

Inhaltsverzeichnis

Sprachwissenschaftliche Präzisierung des Begriffs

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht gibt es keine Sprachgrenzen zwischen den alemannischen Dialekten des Schweizerdeutschen und den übrigen alemannischen (Elsass, Baden-Württemberg, das bayerische Schwaben, Vorarlberg, Liechtenstein, Walsersiedlungen) beziehungsweise sonstigen deutschen Dialekten, sondern nur ein Dialektkontinuum. Zwischen den deutsch-alemannischen Dialekten in der Schweiz und den übrigen alemannischen Dialekten besteht der pragmatische Unterschied, dass die schweizerdeutschen Dialekte in fast allen Gesprächssituationen vorrangig benutzt werden, während im übrigen alemannischen Sprachraum die deutsche Standardsprache (bzw. im Elsass das Französische) die Ortsdialekte inzwischen vielfach als vorrangige Sprache verdrängt hat.

Das deutsch-alemannische Dialektkontinuum in der Schweiz besteht aus hunderten von Deutschschweizer Mundarten. Die starke topografische Kammerung der Schweiz und die relativ geringe Mobilität bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass sich die Ortsdialekte zum Teil sehr stark voneinander unterscheiden, so dass sogar die Deutschschweizer untereinander Verständigungsprobleme haben können. So haben Schweizer aus dem „Unterland“ oft Mühe, höchstalemannische Dialekte – etwa Walliserdeutsch – zu verstehen. Neben den unterschiedlichen Aussprachen sind insbesondere Flurnamen oder Benennungen von Pflanzen, Werkzeugen, landwirtschaftliche Geräten und Ähnlichem stark regional geprägt.

Gliederung der schweizerdeutschen Dialekte

Die Gliederung der schweizerdeutschen Mundartkennzeichen erfolgt analog zu der der alemannischen (westoberdeutschen) Dialektmerkmale.

Das traditionelle Verbreitungsgebiet westoberdeutscher (= alemannischer) Dialektmerkmale im 19. und 20. Jahrhundert. Die Deutschschweiz hat – mit Ausnahme von Samnaun – einen wesentlichen Anteil daran.

Niederalemannisch

Zur Dialektgruppe des Niederalemannischen gehört in der Schweiz der Dialekt von Basel-Stadt, das Baseldeutsch. Kennzeichen dieses Niederalemannischen ist ein anlautendes k [] statt des hochalemannischen ch [x] oder [χ], beispielsweise Kina statt China. Das Niederalemannische wird zugleich nördlich des Bodensees und in jenem Teil des ehemaligen Landes Baden (im heutigen Baden-Württemberg) gesprochen, der südlich der Oos, des Flusses durch Baden-Baden, liegt. Auch viele elsässische Dialekte zählen zum Niederalemannischen.

Hochalemannisch

Die meisten hochalemannischen Dialekte werden in der Schweiz gesprochen. Zum Hochalemannischen gehören sodann die Dialekte des äussersten Südwestens Baden-Württembergs und des elsässischen Sundgaus. Ob die Dialekte des südlichen Vorarlbergs und des Fürstentums Liechtenstein zum Hochalemannischen oder zum Mittelalemannischen (Bodenseealemannischen) gehören, hängt von den jeweiligen Dialektgliederungskriterien ab.

Höchstalemannisch

Die Mundarten des Wallis und der Walsersiedlungen (im Piemont, im Tessin und in Graubünden, ferner in Liechtenstein und Vorarlberg), des Berner Oberlands, des freiburgischen Senselands, der südlichen Innerschweiz (Uri, Unterwalden und mehrheitlich Schwyz) und des Kantons Glarus gehören zum Höchstalemannischen, dessen Kennzeichen Formen wie schnyyä, nüü(w)/nyyw, buu(w)e/büü(w)ä statt hochalemannischem schneie/schnäie, neu, boue/baue sind. Die Dialekte des Wallis und der von den Wallisern (Walsern) gegründeten Tochtersiedlungen in Norditalien und im Tessin bilden eine besonders konservative Untergruppe.

Die Mundart von Samnaun im Unterengadin gehört nicht zum Alemannischen, sondern zum Tirolerischen, also zum Bairisch-Österreichischen.

Schweizer Hochdeutsch und Schweizerdeutsch

Der Sprachgebrauch in der Schweiz unterscheidet sich dadurch von dem in Deutschland oder Österreich, dass ein deutlicher Gegensatz zwischen Dialekt und Standardsprache besteht: Dialekt und Standardsprache bilden also kein Kontinuum, in dem ein gleitender Übergang möglich wäre. Eine sprachliche Äusserung kann nicht auf mehr oder weniger dialektale oder standardsprachliche Art erfolgen; man spricht entweder Dialekt oder Standardsprache und wechselt zwischen beiden.

Die Dialekte werden in der Schweiz von allen sozialen Schichten im mündlichen Bereich als normale Umgangs- und Verkehrssprache verwendet; Dialekt zu sprechen ist also nicht sozial geächtet. Auch mit sozial höhergestellten Leuten und im Umgang mit Behörden ist das Sprechen des Dialekts in jeder Situation üblich.

Schweizer Hochdeutsch wird in der Schweiz hauptsächlich für schriftliche Äusserungen verwendet und wird deshalb auch oft «Schriftdeutsch» genannt.

In den letzten Jahrzehnten sind verstärkt Gebrauchsausweitungen des Dialekts zu Lasten des (Schweizer) Hochdeutschen festzustellen (wobei im Weiteren unter «Hochdeutsch» stets die deutsche Standardsprache (teilweise mit deutlichem Schweizer Akzent) zu verstehen ist):

  • Im mündlichen Bereich sollte das Hochdeutsche zwar offizielle Sprache des Schulunterrichts sein, doch beschränken sich die Lehrer aller Stufen oftmals darauf, nur den eigentlichen Unterrichtsgegenstand in Hochdeutsch zu erteilen; zwischendurch gemachte Bemerkungen und Anweisungen (beispielsweise Stefan, gang bis so guet s Fäischter go zuemache «Stefan, sei so gut und mach das Fenster zu!») erfolgen dagegen in der Mundart. Das Hochdeutsche wird damit zur Sprache der Distanz («Sprache des Verstandes»), der Dialekt zur Sprachform der Nähe («Sprache des Herzens»). Auch Zwischenfragen und ähnliche Interventionen von Schülern und Studenten erfolgen immer mehr im Dialekt. Diesen Zustand bestätigen auch indirekt die wiederholten Ermahnungen der Schulbehörden, das Hochdeutsche im Unterricht mehr zu pflegen.
  • Vor allem in den privaten Radio- und Fernsehkanälen wird praktisch nur Dialekt gesprochen. Da es viele Mitarbeiter aber gewohnt sind, ihre Sprechtexte auf Hochdeutsch niederzuschreiben, entsteht beim Ablesen oft eine stark hochdeutsch geprägte Sprachform mit den Lautformen des Dialekts, aber der Syntax und dem Wortschatz des Hochdeutschen: Me befürchtet, das d Zaal der Verletzte, die i Chrankehüser ygliferet worde sy, no beträchtlech aaschtyge chönnt statt me befürchtet, das d Zaal vo de Verletzte, wo i Schpitäler sy ygliferet worde, no beträchtlech chönnt aaschtyge (Berndeutsch). In den öffentlichrechtlichen Medien gilt es zu differenzieren:
    • Im Radio (private Stationen und Schweizer Radio DRS) werden fast nur noch Nachrichten und politische Informationssendungen (z. B. Echo der Zeit) sowie das gesamte Programm des Kulturkanals (DRS 2) auf Hochdeutsch ausgestrahlt.
    • Im privaten und im Schweizer Fernsehen (SF) ist der Dialekt üblich in Unterhaltungsshows, in Seifenopern und Serien (wobei hochdeutsche und hochdeutsch synchronisierte Serien nicht noch extra schweizerdeutsch synchronisiert werden), im Kinderprogramm, in allen Sendungen mit ausgesprochenem Schweizbezug (Volksmusik, Regionalnachrichten), in analysierenden Sportsendungen, in allen Interviews und Diskussionen mit Deutschschweizern ausserhalb der Hauptnachrichten.
  • In Gemeinde- und Kantonsparlamenten ist es meist üblich, die Voten im Dialekt abzugeben. Gleiches gilt im mündlichen Verkehr mit Behörden und Gerichten.
  • Im eidgenössischen Parlament wird jedoch, aus Rücksicht auf die französisch, italienisch und rätoromanisch Sprechenden, (Schweizer) Hochdeutsch gesprochen.
  • Auch in schriftlicher Verwendung ist das Hochdeutsche auf dem Rückzug, wo es sich um die Privatsphäre handelt:
    • E-Mails und SMS vor allem der jüngeren Generation
    • Sprache der Chatrooms
    • Kontaktanzeigen und Annoncen in Zeitungen.
  • Überdies werden in den hochdeutsch geschriebenen Zeitungen (zum Teil sogar im Weltblatt «NZZ») in lokalem Zusammenhang immer öfter spezielle schweizerdeutsche Vokabeln verwendet (beispielsweise Töff für «Motorrad», Büsi für «Katze», Güsel (Zürich)/Ghüder (Bern) für «Abfall»)

Die Deutschschweizer haben also mangelnde Übung im mündlichen Gebrauch des Hochdeutschen; weit verbreitet ist die Ansicht, diese offizielle Nationalsprache sei eigentlich eine Fremdsprache. Dies hat zur Folge, dass ein Aussterben des Dialekts nicht mehr zu befürchten ist. Hochdeutsch wird seit dem Ersten Weltkrieg wenig geschätzt und als fremd empfunden. Andererseits klingt Schweizer Hochdeutsch auch für viele Schweizer selbst schwerfällig und ungelenk. Hinzu kommen auch aufgrund geschichtlicher Ereignisse vorhandene Vorbehalte und Vorurteile gegenüber den Deutschen und den Österreichern und damit verbunden oft auch eine ablehnende Haltung gegen das Hochdeutsche. Dialektsprache wird somit auch bewusst als Abgrenzung benutzt, wobei es nach einer Eingewöhnungszeit des guten Zuhörens auch von anderen deutschsprachigen Menschen, von ausserhalb der Schweiz, einigermassen gut zu verstehen ist.

Schweizerdeutsch ist durch die vorgenannten Faktoren zwar eher auf dem Vormarsch, andererseits durchläuft es seit einigen Jahrzehnten markante Veränderungen. Einerseits führen die massiven Migrationsbewegungen innerhalb des Landes zu einer Nivellierung hin zu Grossagglomerationsdialekten, andererseits hat der Konsum deutscher Medien zu einem Eindringen vieler hochdeutscher Elemente geführt. Durch diese Entwicklungen ergibt sich ein immer stärkeres Auseinanderdriften von passiver und aktiver Sprachkompetenz der Schweizer bezüglich der hochdeutschen Sprache. Während das Sprachverständnis (schriftlicher und gesprochener Hochsprache) schicht- und ausbildungsspezifisch demjenigen durchschnittlicher Einwohner Deutschlands in nichts nachsteht, wird die Ausdrucksfähigkeit und Gewandtheit beim eigenen Gebrauch zunehmend schwächer. Gleichzeitig wird das Schweizerdeutsche immer mehr mit hochdeutschen Vokabeln und Ausdrücken gesprochen. Doch auch das Englische wird immer mehr in der Alltagssprache der Jugend verwendet. So verwendet man oftmals z. B. «dä tescht isch easy gsi!» anstatt des üblichen dä tescht isch eifach gsi! ( {{lang|de|dieser Test war einfach!).

Merkmale

Im Folgenden sind verschiedene Eigenheiten der schweizerdeutschen Dialekte genannt, die im Vergleich mit der Standardsprache auffallen. Die meisten dieser Eigenheiten treten nicht bei allen schweizerdeutschen Dialekten auf, sind dafür aber auch bei Dialekten ausserhalb der Schweiz zu finden.

Vokalismus

Die meisten Schweizer Dialekte weisen die Merkmale der neuhochdeutschen Monophthongierung und Diphthongierung nicht auf. Diesbezüglich gleichen sie dem Mittelhochdeutschen.

Bewahrung der mittelhochdeutschen Monophthonge

Wie im Mittelhochdeutschen gilt: Huus [huːz̊] ist «Haus», Züüg [t͡syːɡ̊] ist «Zeug», wiit [ʋiːt] ist «weit» etc. Ausnahmen gibt es im Bündner Schanfigg (Hous [houz̊], wejt [ʋeit]), in Unterwalden (Huis [huiz̊], wejt [ʋeit]) und im Aostataler Issime (Hous [houz̊], wejt [ʋeit]), wo die alten Längen alle diphthongiert sind. Eine weitere Ausnahme betrifft die Hiat-Diphthongierung der Langvokale vor Vokal, die in den nieder- und hochalemannischen Dialekten auftritt, nicht jedoch im höchstalemannischen (Beispiele: Mhd./höchstal. frii [v̊riː] «frei» – hoch-/niederal. frei [v̊rei]; mhd./höchstal. Suu [z̊uː] «Sau» – hoch-/niederal. Sou [z̊ou]; mhd./höchstal. nüü [nyː] «neu» – hoch-/niederal. nöi [nœi]). In weiten Teilen des östlichen Schweizerdeutsch werden die alten Diphthonge von den neuen lautlich unterschieden. So heisst es in Zürich: Bäi (Bai) [b̥æi] mit altem Diphthong, aber frei (frej) [v̥rei] mit sekundärem Diphthong, wo es standardsprachlich gleich lautend «Bein, frei» heisst, oder aber Baum [b̥aum] mit altem Diphthong, aber boue [b̥ouə] mit sekundärem Diphthong für standardsprachlich gleich lautende «Baum, bauen».

Bewahrung der mittelhochdeutschen öffnenden Diphthonge

Während den mittelhochdeutschen öffnenden Diphthongen ie, ue, üe in der Standardsprache Monophthonge entsprechen (vergleiche Liebe, wo ie noch in der Schrift erhalten ist aber [] gesprochen wird), sind diese Diphthonge in den schweizerdeutschen Mundarten erhalten geblieben: lieb wird somit [liəb̥] ausgesprochen. Desgleichen gilt: Ein geschriebenes ue wird nicht ü, sondern ú-e [uə] ausgesprochen (mit Betonung auf dem -ú-), der Schweizer «Rudolf» ist also Ru-edi [ˈruəd̥i], nicht Rüdi. Achtung: Muus [muːz̥] ist «Maus», aber Mues (oder Muos) [muəz̥] ist «Mus» – zum Frühstück gibt es also Müesli und nicht Müsli.

Weitere Merkmale der Vokale

  • Das lange a ist in vielen Mundarten sehr dunkel und tendiert gegen o, mit dem es in gewissen Mundarten (besonders der Nordwestschweiz) auch zusammenfallen kann.
  • Dem standarddeutschen kurzen e entspricht in vielen Wörtern das als ä geschriebene überoffene [æ] (z. B. ässe [æsːə] «essen»). Historisch gesehen ist dies dann der Fall, wenn Sekundärumlaut (z. B. [sægə] «sagen») oder germanisch ë (z. B. [æsːə] «essen») vorliegt, wogegen Primärumlaut fast überall als geschlossenes [e] realisiert wird (z. B. [lekːə] «legen»). In Teilen der Ostschweiz (Schaffhausen, teilweise Graubünden, St. Gallen, Thurgau) fehlt überoffenes [æ], und es tritt wie in der Standardsprache [ɛ] ein (z. B. [ɛsːə] «essen»). Andere Teile der Ostschweiz (etwa das Toggenburg) haben eine vollständige Übereinstimmung mit dem mittelhochdeutschen dreistufigen System, indem sie für den Sekundärumlaut [æ] (z. B. [sægə] «sagen»), für das germanische ë [ɛ] (z. B. [ɛsːə] «essen») und für den Primärumlaut [e] (z. B. [lekːə] «legen») kennen. Ein anderes dreistufiges System kennt das Zürichdeutsche: Grundsätzlich hat es wie die westlichen und innerschweizerischen Mundarten germanisches ë von [ɛ] zu [æ] gesenkt, nicht aber vor /r/, z. B. ässe [æsːə] «essen», aber stèèrbe [ʃtɛːrbə] «sterben», und Umlaut von ahd. /a:/ ist ebenfalls [ɛː], z. B. lèèr [lɛːr] «leer».

Konsonantismus

  • Viele schweizerdeutsche Dialekte haben die hochdeutsche Lautverschiebung vollständig durchgeführt; einem germanischen /k/ im Silbenanlaut entspricht ein [x] (wie in Chind, chalt), einem /kk/ im Silbeninlaut die Affrikate [k͡x] (wie in Stock [ʃtok͡x], Sack [z̥ak͡x]). Die Affrikate [k͡x] wird ebenfalls verwendet für ein /k/ in Lehnwörtern (wie in Karibik [k͡xaˈrib̥ik͡x], Kunst [k͡xʊnʃt]). Dies sind allerdings keine Merkmale aller schweizerdeutschen Dialekte, sondern der hochalemannischen; sie gelten nicht bei schweizerdeutschen Dialekten, die nicht hochalemannisch sind, dafür aber auch bei hochalemannischen Dialekten ausserhalb der Schweiz.
  • ch wird in der Mehrheit der Dialekte stets velar, in manchen stets uvular ausgesprochen, und zwar auch nach vorderen Vokalen («wichtig» [ˈʋɪxtiɡ̊]). Palates ch findet sich im Wallis und lokal weiterhin.
  • Das r wird in den meisten Dialekten alveolar ausgesprochen (Zungenspitzen-R), im Baseldeutschen und in Teilen der Ostschweiz jedoch uvular (Zäpfchen-R).
  • /p t k/ werden nicht aspiriert; aspirierte [pʰ tʰ] kommen nur als Cluster /ph th/ vor (ebenso [] ausser in Chur und Basel); /b d g/ sind immer stimmlos. Es ist nicht geklärt, worin der Unterschied zwischen /p t k/ und /b d g/ liegt. Traditionell wird er als ein Unterschied zwischen Fortes und Lenes verstanden (daher auch die Schreibweisen [p t k] – [b̥ d̥ ɡ̊]). Daneben gibt es jedoch auch die Meinung, dass es sich um einen Unterschied in der Quantität handle (konsequent notiert als [pp tt kk] – [p t k]).[1]
  • In vielen Westschweizer Dialekten mit dem Emmental als Zentrum wird der Konsonant l am Silbenende oder in Gemination zu u (IPA: w) vokalisiert; dieses Phänomen ist relativ jung und breitet sich derzeit weiter aus: alle > [ˈawːi], viel > [ˈv̥ɪw].

Siehe auch: Chuchichäschtli

Betonung

Die Betonung ist häufiger als im Standarddeutschen auf der ersten Silbe (oder sogar, wenn man so will, auf der nullten – Namen mit vorausgehendem «von» wie von Arx werden auf dem von betont). Bei Wörtern aus dem Französischen wie Fondue oder Bellevue und ebenso bei Akronymen wie WC oder USA liegt die Betonung auf der ersten Silbe, also Fóndü (phonetisch: [ˈv̥õd̥y]) und Béllvü ([ˈb̥elʋy]), Wéé-zee und Ú-äss-aa.

Endungen

  • Die meisten Dialekte unterscheiden zwei Nebensilbenvokale: -i und -ə, beispielsweise in i(ch) machə («ich mache», Indikativ) – i(ch) machi («ich mache», Konjunktiv). Höchstalemannische Dialekte wie das Walliserdeutsche haben teilweise einen noch erheblich differenzierteren Nebensilbenvokalismus, indem sie zusätzlich auch -a, -o und -u sowie geschlossenes -e unterscheiden: lauten der Singular und der Plural von «Zunge» in den meisten schweizerdeutschen Dialekten identisch Zunge, so heisst es in manchen Walliser Dialekten im Nominativ Singular Zunga (wie althochdeutsch zunga), im Dativ Singular Zungu (vgl. althochdeutsch zungûn) und im Nominativ Plural Zunge (hier ist das geschlossene /e/ unklarer Herkunft).
  • Ein abschliessendes -n entfällt in den meisten Mundarten(«n-Apokope»), vor allem in der Endung -en (chouffe – kaufen, Haagge – Haken), aber auch nach betontem Stammvokal wie in Wörtern wie Wy – «Wein» oder Maa – «Mann». Dafür taucht meistens ein Verbindungs-n zwischen Endvokalen und Anfangsvokalen wieder auf, z. B. I ha-n es Buech «ich habe ein Buch»). Dieses Phänomen hat keine grammatikalische Bedeutung, sondern dient dazu, einen Hiatus zu vermeiden. Das passiert nicht nur bei Verben, sondern auch bei anderen Wortarten. (Bsp. I ha-n es Buech, wo-n är mir ggää het «ich habe ein Buch, das er mir gegeben hat»). Gewisse alpine Mundarten (bes. östliches Berner Oberland, oberes Prättigau und Lötschental) haben die n-Apokope nicht durchgeführt.
  • Die Endung -ung wird in den meisten Dialekten als -ig gesprochen (nicht jedoch im Wallis, in traditionellem Stadtbernischen sowie im Schaffhauserdeutschen und nur teilweise im Senslerdeutschen). «Kreuzung» entspricht somit normalschweizerdeutschem Chrüüzig (aber senslerisch Chrüzùng, älter stadtberndeutsch Chrüzung, schaffhauserdeutsch Chrüüzing). Eine Ausnahme bilden die Typen auf -igung (z. B. «Kreuzigung»), wo es aus phonetischen Gründen bei «Chrüüzigung» bleibt. Ein Grenzfall ist auch das Wort «Achtung». In manchen Regionen wird das Wort als Achtig ausgesprochen, wenn es in einem Satz als Tugend/Wert ausgesprochen wird, hingegen verwendet man manchmal Achtung!, wenn es sich um den Ausruf «Vorsicht!» handelt. Dies liegt daran, dass es sich um ein Lehnwort aus der Standardsprache handelt, das das einheimische Obacht! verdrängt.
  • Den Verb-Endungen -eln und -ern entsprechen in der Regel -(e)le und -(e)re (Bsp. zügle, bügle, tafle, ruedere, muure «umziehen, bügeln, tafeln, rudern, mauern»).
  • Bei Substantiven entfällt auslautendes -e in vielen Fällen (Brügg/Brugg «Brücke», oder Pluralendung Böim «Bäume»). Konservative alpine Mundarten kennen diese Apokope allerdings nicht.

Grammatik

Siehe alemannische Grammatik

Wortbildung

Das Schweizerdeutsche hat einige typische Eigenheiten der Wortbildung, die in anderen deutschen Dialekten kaum vorkommen.[2]

  • Bekannt sind die sehr häufig gebrauchten Verkleinerungsformen auf -li, von denen es oft noch Varianten mit unterschiedlichem Gefühlswert gibt, z.B. Hündli, Hündeli und Hundeli. Einige dieser Verkleinerungsformen wurden zu eigenständigen Begriffen, z.B. wird Müesli nicht als Verkleinerung von Mues und Rüebli nicht als Verkleinerung von Rüebe verstanden.
  • Es gibt im Schweizerdeutschen auch Verben in Verkleinerungsform, die mit -ele enden. Diese können eine niedliche kindliche Art ausdrücken, wie schlääfele für schlaafe (schlafen), aber auch eine Abwertung bei schäffele statt schaffe (arbeiten) oder eine gemütliche, ausgedehnte Art der Tätigkeit wie bei käfele (von Kaffee trinken) oder zmörgele (von Zmorge, Frühstück).
  • Typisch für das Schweizerdeutsche sind aus dem Verb gebildete Täterbezeichnungen auf -i, wie Laferi von lafere (weitschweifig reden) oder Plagööri von plagiere (prahlen).
  • Um einen Vorgang auszudrücken, wird die Endung -ete verwendet, z.B. Truckete (Gedränge) von trucke (drängeln) oder Züglete (Umzug) von zügle (umziehen). Einige dieser Begriffe haben sich konkretisiert, z.B. Lismete (Strickzeug) von lisme (stricken) oder Metzgete (Schlachtplatte) von metzge (schlachten).

Wortschatz

Im Schweizerdeutschen gibt es sehr viele französische und italienische Lehnwörter. Eine Auswahl von typischen Wörtern sowie von Ausdrücken, die bei nichtschweizerischen Zuhörern deutscher Sprache zu Missverständnissen führen können, ist in der folgenden Liste zu finden. (Es steht jeweils zuerst das schweizerdeutsche Wort bzw. der schweizerdeutsche Ausdruck, teilweise mit regionalen Varianten.)

  • abverheit – misslungen, missglückt, missraten
  • allwäg, äuäModalpartikel «wohl»; in der Verwendung als satzwertige Partikel hat sich die ursprünglich ironische Bedeutung 'wohl kaum' durchgesetzt.
  • amel, amig(s), ame, aube – «jeweils» (von «allweil» und «allweg»)
  • Anke (m!) – «Butter»
  • äxgü´si, éxgüsee – «Entschuldigung!» (von französisch «excusez»)
  • Böögg – «Popel»
  • briegge, greine, gränne, brüele, hüüle – «weinen»
  • brüele, bäägge – «schreien», «laut weinen»
  • Büsi, Büüssi, Busle – «Katze»
  • Chaschte, Schaft – «Schrank», aber auch «muskulöse(r), sportliche(r) Mann/Frau»
  • cheere – «drehen», «wenden»
  • Cheib – «Kerl» (grob oder kumpelhaft, bedeutete ursprünglich «Aas»)
  • cheibe – Verstärkung ähnlich wie «sehr» («cheibeguät» = sehr gut, «cheibegross» = sehr gross, etc.)
  • Chlapf – «Knall, Schlag», auch «Ohrfeige», «Auto» oder auch «(Alkohol-)Rausch»
  • chrampfe, chnorze – «hart arbeiten» (Chrampf – «harte Arbeit», aber auch Krampf oder Verkrampfung)
  • Gonfi, Gumfi – «Konfitüre», «Marmelade»
  • eis ga/go zieh – «einen trinken gehen»
  • es fägt – «es macht Spass»
  • Gröibschi, Gigetschi, Gürbschi, Bitzgi, Bütschgi, Butze, Bützgi – «Kerngehäuse»
  • grüezi – «(Gott) grüsse Euch», Grussformel für Leute, die man siezt bzw. früher ihrzte
  • grüessech ([ˈɡ̊ryə̯sːəx]) – «(Gott) grüsse Euch» (in Bern/Solothurn/Freiburg üblich, wo geihrzt statt gesiezt wird)
  • glette – «bügeln» (mit dem Bügeleisen, eigentlich «glätten»)
  • Goof (m, n) – «Balg», «Bube», «Gör» (meist als Schimpfwort empfunden; in einigen Gegenden aber auch die gewöhnliche Bezeichnung für ein Kind)
  • Grind – «Kopf» (salopp)
  • gumpe – «springen, hüpfen»
  • Gutsch – «Schluck» oder auch eine überschwappende Menge Flüssigkeit, zum Beispiel aus einem Eimer
  • hoi (daneben auch sali, salü, sälü, von französisch «salut») – Grussformel für Leute, die man duzt, als Ursprung ist «ahoi» anzunehmen
  • huere – zeigt als Adjektiv/Adverb Intensivierung an, kann je nach Dialekt und Kontext als üblicher umgangssprachlicher Ausdruck (insbesondere in der Jugendsprache) oder als derber Fluch verstanden werden.
  • Ich mag mi nümm bsinne/erinnere – «Ich kann mich nicht mehr erinnern»
  • Ich mag nümme – «Ich kann nicht mehr/bin fix und fertig» oder aber: «Ich kann nicht mehr [essen]», d. h.: «Ich bin satt»
  • in Uusgang gaa – «ausgehen» (hat nichts mit dem Flur zu tun), ursprünglich militärsprachlich
  • gheie – «fallen, stürzen; (hinab-)werfen»
  • Kolleeg – «Kumpel, Freund»
  • lauffe, louffe – «gehen»
  • lehre – bei vielen Dialekten sowohl «lehren» als auch «lernen»
  • lisme – «stricken»
  • lose – «zuhören, horchen», auch «gehorchen» (aber: (g)hööre – «hören»)
  • luege – «schauen, lugen» (aber: (g)seh – «sehen»)
  • öppe – «etwa, ungefähr»
  • öpper – «jemand»
  • öppis – «etwas»
  • poschte – «einkaufen» (bei Spontankäufen sagt man: chröömle, chröömerle, gänggele)
  • Puff – «Unordnung» (aber auch «Bordell»)
  • merssi – «Dankeschön» (von französisch «merci»)
  • rüere – «rühren», aber auch «werfen»
  • Sack – «Tüte», auch abgekürzt für Hosesack – «Hosentasche»
  • schmöcke – «riechen», jünger unter hochdeutschem Einfluss auch «schmecken»
  • Stäge – «Treppe», «Stiege»
  • Siech – «Typ» (grob, meist in Verbindung mit «geile» (um Respekt auszudrücken), «blööde» (um Verachtung auszudrücken) oder «huere» (als allgemeiner Fluch, wie z. B. «verdammt!»), bedeutete ursprünglich «Kranker», siehe Siechtum.
  • springe, weniger schön auch seckle – «rennen, laufen»
  • studiere – «nachdenken, überlegen» (aber auch studieren an einer Universität)
  • Stutz – sowohl ein «Ein-Franken-Stück» (z. B. «Hesch mer en Stutz?» – Hast du mir einen Franken/etwas Geld?) als auch eine «Erhebung» oder eine steile Stelle im Gelände, eine steil aufwärts führende Strasse
  • tönt guet – «klingt gut»
  • tschuute, schutte – «Fussball spielen» (von englisch «to shoot»)
  • ufem sprung sii - «es eilig haben»
  • vis-à-vis - «gegenüber» (z.B. auf der anderen Strassenseite)
  • voorig, vöörig, vüürig – «genügend; übrig» (’s hät no voorig, das isch no voorigplibe; aber auch «zur Genüge»: das langet voorig)

Einige Ausdrücke des schweizerdeutschen Wortschatzes haben ihren Eingang ins allgemein verbreitete Hochdeutsch gefunden, so z. B. Müesli oder Putsch, andere als sog. Helvetismen in die regionale Hochsprache (Schweizer Hochdeutsch). Bei Schweizer Schriftstellern erscheinen schweizerische Wörter in unterschiedlichem Mass.

Schreibweise

Alle Mundarten beziehungsweise Dialekte im deutschsprachigen Raum haben eines gemeinsam: Es gibt für sie keine standardisierte Rechtschreibung. Genauso verhält es sich mit den schweizerdeutschen Dialektformen.

In der Dialektliteratur lassen sich grob gesehen zwei verschiedene Schreibsysteme unterscheiden: Entweder eine weitgehend phonologische Schreibung, beispielsweise in Eugen Dieths Vorschlag Schwyzertütschi Dialäktschrift, oder eine weitergehende Orientierung an der standarddeutschen Schreibung in der Tradition der älteren Dialektliteratur, beispielsweise in Werner Martis Vorschlag Bärndütschi Schrybwys.

Der Alltagsgebrauch, beispielsweise in SMS, Chat, E-Mail oder persönlichen Briefen, ist weitgehend unbeeinflusst von den Schreibungen der Dialektliteratur. Vielmehr ist die Einstellung verbreitet, man schreibe den Dialekt «nach Gefühl» oder «so, wie man es sagt», eine Einstellung, derzufolge die Rechtschreibung zur Domäne des Standarddeutschen gehört, nicht aber zum Dialekt.

Eine Sonderstellung hat das Baseldeutsche, und zwar insbesondere die Schnitzelbänke an der Basler Fasnacht, insofern als sich die Schreibung dieser traditionellen Literaturform stark am baseldeutschen Wörterbuch orientiert.

Im Grossen und Ganzen richten sich alle Verschriftungen des Schweizerdeutschen nach den Laut-Buchstaben-Zuordnungen der Standardsprache. Es gibt allerdings einige Abweichungen:

  • k und ck bezeichnen die Affrikate [k͡x].
  • gg bezeichnet einen anderen Laut als g, nämlich die (unaspirierte) Fortis [k].
  • y bezeichnet in einheimischen Wörtern und Namen immer [] oder [i]. Diese Verwendung geht auf eine spätmittelalterliche Ligatur aus ij zurück.
  • ä wird oft für das Schwa verwendet; diese Schreibung ist eine Besonderheit des Alltagsgebrauchs, während sie in der Dialektliteratur nur sehr selten anzutreffen ist.

Anteil der Schweizerdeutschsprachigen

Bei der Volkszählung von 2000 betrug der Anteil der deutschsprachigen Schweizer 63,6 % der Gesamtbevölkerung. Von diesen gaben 93,3 % an, im Alltag Dialekt zu sprechen. 66,4 % davon gaben sogar an, nur Dialekt und kein Standarddeutsch zu sprechen.

So wird die Hochsprache zwar in der Verfassung als eine der vier offiziellen Landessprachen definiert, bleibt aber für den Grossteil der Bevölkerung praktisch eine Fremdsprache (siehe auch Diglossie).

In der deutschsprachigen Schweiz gibt es eine Anzahl verschiedener Dialekte. Üblicherweise werden diese nach den Kantonen unterteilt. Dies ist jedoch linguistisch nicht gerechtfertigt, da innerhalb einiger Kantone grosse Unterschiede im Dialekt vorkommen, andererseits aber in einigen kantonsübergreifenden Regionen praktisch der gleiche Dialekt gesprochen wird.

Einsprachige Kantone, in denen von der einheimischen Bevölkerung nur Schweizerdeutsch gesprochen wird, sind: St. Gallen, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden, Thurgau, Glarus, Schaffhausen, Zürich, Zug, Schwyz, Luzern, Uri, Nidwalden und Obwalden, Aargau, Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie Solothurn. Eine deutschsprachige Mehrheit haben Graubünden (neben Rätoromanisch und Italienisch) und Bern (neben Französisch). Eine deutschsprachige Minderheit neben einer französischen Mehrheit haben das Wallis und Freiburg. Im Kanton Jura gibt es eine deutschsprachige Gemeinde, Ederswiler, ebenso im Tessin die Walsersiedlung Bosco/Gurin.

Mittlerweile sind auch die meisten Rätoromanen des Schweizerdeutschen mächtig, abgesehen von einigen älteren Rätoromanen in abgelegenen Regionen. Gerade in den Hochburgen des Rätoromanischen, das heisst in der oberen Surselva sowie im Unterengadin, wird das Schweizerdeutsche aber nicht als die eigene Sprache angesehen.

Historische Entwicklung des Schweizerdeutschen

Bis zum Ersten Weltkrieg ähnelte die Situation des Schweizerdeutschen im Grossen und Ganzen derjenigen der anderen deutschen Dialekte: Im öffentlichen Leben wurde es mehr und mehr durch die Standardsprache verdrängt. Eine schweizerische Besonderheit war immerhin, dass die gehobenen Klassen (Patrizier) und die Familien der Grossbourgeoisie einiger Städte wie Bern und Basel Französisch «präferierten» und dieses auch im Alltag «parlierten». Viele französische Lehnwörter zeugen heute noch davon. – Unter anderem aufgrund der zwei Weltkriege und der Zwischenkriegszeit wurde das Schweizerdeutsche jedoch für die deutschschweizerische Identität bestimmend und damit ein Mittel, sich von Deutschland abzugrenzen. Sprachlich äussert sich diese Abgrenzung darin, dass die oftmals mit Deutschland assoziierte Standardsprache kaum mehr als gesprochene Sprache verwendet wird.

Seit den späten 1960er Jahren kann man in der Schweiz eine richtiggehende Mundartwelle (Mundart = Schweizerdialekt) beobachten. Das Schweizerdeutsche dringt in viele Bereiche vor, in welchen vorher ausschliesslich Schriftdeutsch verwendet wurde, und geniesst als Zeichen der schweizerischen und regionalen Identität eine hohe Wertschätzung. Breitenwirksam verstärkt wurde diese Entwicklung vor allem durch den vermehrten Gebrauch des Dialekts in den Massenmedien Radio und Fernsehen. Vorreiter waren hierbei die privaten Radiostationen, die sich in den 1980er Jahren etablierten. Von ihnen schwappte die Mundartwelle dann sozusagen auch auf die Bildschirme und staatlichen Sendeanstalten über. So waren je länger je mehr auch auf nationaler Ebene die verschiedensten regionalen Dialekte zu hören. Sehr prägend dürfte parallel dazu auch der grosse Erfolg von in Mundart singenden Musikern gewesen sein. Schon die berndeutschen Lieder Mani Matters waren sehr populär und mit u.a. Polo Hofer, Züri West, Patent Ochsner in Berndeutsch und mit dem Trio Eugster, Jimmy Muff, den Schlieremer Chind, Toni Vescoli und den Minstrels in Zürichdeutsch kam die Dialektwelle dann in den 1980er Jahren so richtig in Schwung, auch in der Rockszene. In den 1990er Jahren und bis heute hielt dieser Trend z.B. mit Schtärneföifi, Big Zis, Bligg und Adrian Stern an und breitete sich der Gebrauch der Mundart in den elektronischen Medien und der einheimischen Popmusik noch weiter aus. Durch die Etablierung neuer Techniken, namentlich SMS und (private) E-Mails, die im eigentlichen Verwendungszweck der mündlichen oder quasimündlichen Kommunikation dienen, sich jedoch als Kommunikationsmittel der geschriebenen Sprache bedienen („geschriebene Gespräche“) stiess das vorwiegend nur gesprochene Schweizerdeutsch auch in den schriftlichen Ausdruck vor und verstärkte dadurch die Mundartwelle. Mangels verbreiteter Standards bedient sich dabei jeder seiner eigenen Orthographie, in SMS sind dabei zwecks Zeicheneinsparung häufig auch Abkürzungen, Anglizismen oder das in der Schweiz völlig unübliche ß anzutreffen.

Durch die Entwicklung der audiovisuellen Medien und durch die erhöhte Mobilität der Bevölkerung werden die Dialekte ausgehend von den städtischen Gebieten immer mehr von Ausdrücken der standarddeutschen Schriftsprache und auch des Englischen durchzogen. Dazu kommt, dass praktisch der gesamte Wortschatz des modernen Lebens über jeweils einheitliche hochdeutsche Formen ins Schweizerdeutsche gelangt. So gelten die meisten Anglizismen aus der deutschen Sprache auch für Schweizerdeutsch, z. B. sori (von engl. «sorry») statt Äxgüsi, schoppe (von engl. «to shop») oder iichauffe“ (von dt. «einkaufen») statt Komissioone mache oder (übrigens auch erst jüngerem) poschte. Der hochdeutsche Einfluss beschränkt sich dabei keineswegs auf den Wortschatz, sondern macht sich auch in der Grammatik und sogar in der Aussprache bemerkbar.

Soziologische Aspekte

Die sozialen Funktionen von Schweizerdeutsch sind vielfältig. Es kann sowohl als Umgangssprache als auch als Fachsprache verwendet werden. Schweizerdeutsch ist weder nur Trendsprache noch eine technische Sprache. Es wird von allen Gesellschaftsschichten gleichermassen verwendet und ist also nicht mehr wie manche Dialekte als Sprachform einer «Unterschicht» diskreditiert.

Wie überall beinhalten die Varietäten verschiedener Sprechergruppen (Secondos, Forstarbeiter usw.) zusätzliche spezielle Abkürzungen und Ausdrücke.

Schweizerdeutsch gibt den Deutschschweizern starken emotionalen Halt und trägt wesentlich zu einem Gemeinschafts- und Heimatgefühl bei.[3] Ein Beispiel dafür ist der Boom der Mundartmusik seit 1990.

In den grösseren Städten, besonders in Basel und Bern, gab es jedoch noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ausgeprägte soziale Dialektunterschiede (Soziolekte). Zwar sprachen alle Schichten Dialekt, aber der Dialekt der Oberschicht unterschied sich deutlich von demjenigen der Mittelschicht, der sich wiederum sowohl vom Dialekt der Unterschicht als auch vom Dialekt der Landbevölkerung abhob.

Innere Unterschiede

Die schweizerdeutschen Dialekte unterscheiden sich zum Teil relativ stark voneinander. Überspitzt gesagt, hat beinahe jede Region, teilweise sogar jede Gemeinde, lokalspezifische Eigenheiten in ihrem Dialekt. Deutschschweizer kann man zum Teil alleine nach ihrem Dialekt recht genau einer Heimatgegend zuordnen.

Volkstümlich werden die Dialekte nach den jeweiligen Kantonen gegliedert; man unterscheidet so unter anderem Baseldeutsch, Berndeutsch, Zürichdeutsch, Solothurnerdeutsch, Senslerisch, Urnerdeutsch, Glarnerdeutsch, Walliserdeutsch, Bündnerdeutsch, Appenzellerdeutsch oder St.-Galler-Deutsch. Dialektologisch gesehen treffen diese Charakterisierungen nur in Einzelfällen wirklich zu; so bilden etwa Berndeutsch, St.-Galler-Deutsch oder Bündnerdeutsch keineswegs Einheiten, und umgekehrt sind die Unterschiede zwischen z. B. nördlichem St.-Galler-Deutsch, Thurgauerdeutsch und Schaffhauserdeutsch sehr gering. Ohnehin findet sich nur in wenigen Fällen ein Merkmal, das nur in einer bestimmten Region vorkommt und sie von allen anderen abgrenzen würde.

Dialektologisch unterscheidet man primär zwischen östlichem Schweizerdeutsch (geschlossene Aussprache des Primärumlauts: fel[l]e 'fällen' sowie einförmiger Verbplural: mir/ir/si mached) und westlichem Schweizerdeutsch (sog. neutrale [also leicht geöffnete] Aussprache des Primärumlauts: fèlle/fèue 'fällen' sowie zwei- bis dreiförmiger Verbplural: mir mache, dir mached, si mache; ausgenommen Basel-Stadt: mir/ir/si mache) sowie nördlichem Schweizerdeutsch (durchgezogene Hiatdiphthongierung: Iis 'Eis', aber schneie 'schneien') und südlichem Schweizerdeutsch (fehlende Hiatdiphthongierung: Iis 'Eis', schniie 'schneien'). Derart erhält man somit die übergeordneten Dialekträume des Nordwestschweizerdeutschen (zusätzlich typisch etwa die Dehnung der Hinterzungenvokale in offener Silbe: saage/sääge 'sagen'), des Südwestschweizerdeutschen (zusätzlich typisch etwa fehlende Apokope auslautender Vokale: Wääge/Wäga 'Wege' [Pl.]), des Nordostschweizerdeutschen (zusätzlich typisch etwa die Monophthongierungen: Laatere/Läätere 'Leiter', Bomm 'Baum') und des Südostschweizerdeutschen (zusätzlich typisch etwa guu 'gehen'). Das Bündner Walserdeutsche gehört trotz seiner geographischen Lage nicht zum Südost-, sondern zum Südwestschweizerdeutschen, da diese Dialekte auf das südwestschweizerdeutsche Walliserdeutsch zurückgehen. Alles in allem sind aber auch diese vier Grossräume vielfach untergliedert, und umgekehrt lassen sich die Dialekte in den Kantonen Aargau, Luzern, Zürich sowie im Churer Rheintal, die zwischen den genannten Polen liegen, diesen nur bedingt zuordnen. So gehört z. B. Zürichdeutsch zwar in Hinsicht der Schnittmenge «Primärumlaut bzw. verbaler Einheitsplural» und «Hiatdiphthongierung» zum Nordostschweizerdeutschen, nicht aber in Hinsicht der Entwicklung der mittelhochdeutschen Diphthonge und des sog. germanischen ë, die wie in den weiter westlich gesprochenen Mundarten als [äi], [au], [æ] realisiert werden.

Innerhalb der grösseren Mundarträume, ja sogar zwischen den grösseren Mundarträumen verwischen sich diese Unterschiede durch die wachsende Mobilität der Bevölkerung und die Verwendung des Dialektes in den Medien zusehends. Der durch dieses Zusammenwachsen der Bevölkerung entstehende Dialekt wird umgangssprachlich als «Bahnhofbuffet-Olten-Dialekt» bezeichnet, wobei die jeweilige regionale Verankerung weiterhin hörbar bleibt. Die stärkste Tendenz zu einem Ausgleich zeigen die Einzugsgebiete der Grossagglomerationen Zürich, Basel und Bern. Aber auch ländliche Mundarten stehen unter grossem Druck der neu entstehenden Grossraumdialekte. Hier zeigt es sich insbesondere, dass kleinräumige Mundartmerkmale (nicht nur Wörter, sondern auch Lautungen und Endungen) durch die grossräumig geltenden verdrängt werden.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe zu diesen Fragen: Urs Willi: Die segmentale Dauer als phonetischer Parameter von “fortis” und “lenis” bei Plosiven im Zürichdeutschen. Eine akustische und perzeptorische Untersuchung. Steiner, Stuttgart 1996. ISBN 3-515-06913-5 – und: Astrid Krähenmann: Quantity and prosodic asymmetries in Alemannic. Synchronic and diachronic perspectives. de Gruyter, Berlin 2003. ISBN 3-11-017680-7
  2. Christen, Kleiner Sprachatlas der deutschen Schweiz S27f
  3. Schwyzerdütsch von klein auf: Gespräch mit dem Auslandskorrespondenten Pascal Lechler in DRadio Wissen im Mai 2011
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