Schweregradient

Schweregradient

Als Vertikaler Schweregradient wird die Änderung der Schwerebeschleunigung mit der Höhe bezeichnet. Letztere bezieht sich – je nach Rechenmodell – auf das Geoid bzw. auf die Referenzfläche einer Landesvermessung oder das mittlere Erdellipsoid.

Im Flachland beträgt der Vertikalgradient durchschnittlich 0,3086 mGal pro Meter (3,086 µm/s²m) und wird Freiluftgradient genannt. Im Hügelland variiert er um einige Prozent, im Hochgebirge jedoch 10-mal mehr, weil er stark von der Geländeform beeinflusst wird. In einem sehr steilen, engen Tal kann er fast jenen Wert annehmen, der in einem Bohrloch herrscht (etwa 0,1 mGal/m). Im Erdinneren beträgt der Prey- oder "innere Gradient" etwa 0,085 mGal/m.

Die Vertikalgradienten sind einerseits für geologisch-geophysikalische Untersuchungen von Bedeutung, andererseits werden sie zur Reduktion gemessener Schwerewerte benötigt. Denn die Vermessung des Erdschwerefeldes ist nur sinnvoll, wenn die Daten anschließend auf eine einheitliche Höhe umgerechnet werden. Die so erhaltenen Differenzen zu einem regionalen Mittelwert werden Schwereanomalien genannt.

Eine Besonderheit stellt der Bouguergradient dar. Er beträgt etwa 0,19 und ergibt sich aus dem Freiluftgradient, wenn die unter dem Messpunkt liegende Geländeplatte weggerechnet wird. Damit erhält man die sogenannten Bougueranomalien (nach Pierre Bouguer), welche eine allenfalls abweichende Gesteinsdichte im Untergrund anzeigen. Man verwendet sie in der Geophysik und zur Suche nach Lagerstätten.

Vertikalgradienten treten auch in größerer Entfernung von der Erde auf und können dazu genutzt werden, einen Satelliten auf einer Umlaufbahn erdfest zu orientieren. Dies geschieht auch auf natürliche Weise mit jedem länglichen Körper in einer Umlaufbahn.

Der Horizontale Schweregradient hat eine geringere Bedeutung und ist auch wesentlich kleiner. Spezielle Projekte der Gravimetrie und der Erdmessung benutzen die horizontale Schwereänderung, um Details über die obere Erdkruste oder den Geoidverlauf zu untersuchen. Als Einheit wird meist das Eötvös (Einheit) verwendet. Es ist nach dem Ungarn Roland Eötvös benannt, der in den 1920ern die Drehwaage konstruiert hat. Sie wurde besonders in der Erdöl-Exploration verwendet, bevor ab etwa 1960 die modernen Gravimeter aufkamen.

Die jüngste Anwendung horizontaler Schweregradienten kommt aus der Satellitengeodäsie. Spezielle geodätische Satelliten wie GRACE und der künftige GOCE messen die Änderungen der Schwerkraft innerhalb der Sonden in drei bis sechs Richtungen mit sog. Gradiometern. Auch genaue Mikrowellen-Distanzmessungen zwischen zwei hintereinander fliegenden Satelliten können diese Gradienten erfassen. Damit ist eine regionale Geoidbestimmung möglich, die im Mittel über etwa 100 x 100 km Zentimetergenauigkeit erreicht und zur Erfassung langfristiger Änderungen der Erde geplant ist.

Die Gradiometrie (Messung von Schweregradienten) wird künftig in flachen Ländern die traditionelle Geoidbestimmung mit Gravimetrie oder Astrogeodäsie ersetzen. Im Gebirge sind jedoch die Einflüsse des Geländes auf die Schwerkraft nur schwierig zu erfassen, weshalb dort weiterhin die terrestrische Gravimetrie einzusetzen ist.

Literatur

Christoph Reigber, Peter Schwintzer: Das Schwerefeld der Erde. In: Physik in unserer Zeit. Nr. 34(5), 2003, ISSN 0031-9252, S. 206–212.

Siehe auch


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