Schwöbber

Schwöbber

Schloss Schwöbber ist ein dreiflügeliges ehemaliges Wasserschloss bei Aerzen-Königsförde in der Nähe von Hameln in Niedersachsen. Es ist eines der bedeutendsten Bauten der Weserrenaissance und wird als Hotel genutzt.

Baugeschichte

Historische Ansicht der Schloss- und Gartenanlagen in Schwöbber. Aus: „Nürnberger Hesperiden“, 1714

Das Schloss samt Zehntscheune, umgebender Wassergräben wurde ab etwa 1570 (nach anderen Angaben 1574-78 bzw. 1588) vom Hamelner Baumeister Cord Tönnis im Auftrag des Feldobristen Hilmar von Münchhausen (dieser war der jüngste Sohn von Statius von Münchhausen und einer der reichsten Männer seiner Zeit; er gehört zur sogenannten„ schwarzen Linie“ der Familie Münchhausen, der auch der bekannte Lügenbaron entstammt) als Wasserschloss seines Rittergutes erbaut. Dem Schloss war ursprünglich ein Wirtschaftshof vorgelagert, so dass die Anlage auch nach der vierten Seite abgeschlossen war.

Historischer Grundriss der Schloss- und Gartenanlagen in Schwöbber. Aus: „Nürnberger Hesperiden“, 1714

Im Jahr 1668 ging es an Otto I. von Münchhausen und seinen Bruder Burchard über. Um 1700 wurde ein Renaissancegarten angelegt. Der Garten in Schwöbber war zu damaliger Zeit so bekannt, dass er 1714 auch in dem Kupferstichwerk „Nürnbergische Hesperides“ des Kaufmanns Johann Christoph Volkamer beschrieben und abgebildet wurde. Für das Jahr 1715 ist bekannt, dass der russische Zar Peter der Große zu Gast in Schwöbber war, da er sich für die zur damaligen Zeit größte Pflanzensammlung Europas und die Orangerie mit ihrer Ananaskultur interessierte.

Landdrost Otto II. Freiherr von Münchhausen (* 1716 in Schwöbber; † 1774 in Kalenberg) Münchhausen, der sich wissenschaftlich mit Obst- und Gartenbau befasste, Autor des damals verbreiteten gartenbaulich-landwirtschaftlichen Lehrbuches „Der Hausvater“ war, als Begründer der Agrarwissenschaft gilt und über die aktuellen Strömungen der Gartenkunst bestens informiert war, wandelte den Schlosspark 1750 in einen der frühesten Landschaftsgärten Kontinentaleuropas (und nach bisherigem Forschungsstand wohl der früheste deutsche) von etwa acht Hektar Ausdehnung um. Zedlers Universallexikon von 1743 berichtet vom „curiosen Münchhausischen Garten“, „woselbst man die schönsten und rarsten ausländischen Gewächse aus Ost- und Westindien zu sonderbarer Ergötzung beschauen kann: Ananas, Caffee-Bäume, Dattel, Mastix, zweyhundert Arten von Pomerantzen ...“. Die Baumschule Otto von Münchhausens war eine der bedeutendsten der damaligen Zeit; sie besaß als eine der ersten in Deutschland Gehölze aus Nordamerika. Der Freiherr erkannte bereits, dass die englischen Parks nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragbar waren:

„Man kann fürstliche Gärten nach der Art der englischen Parks anlegen; wenn wir deutschen Edelleute ihnen aber folgen und unsere Güter zu Parks machen wollten, so müßten wir auch so viele tausend Pfund von unsern Plantagen in Westindien zu erheben haben.“
(Quelle: O.v. Münchhausen: Der Hausvater, 1. Teil. 3. Aufl., Hannover, 1771, S. 2.)
Eingangsbereich

1840 wurde eine Schlosskapelle errichtet. Die im Stil der Neorenaissance ausgestattete Kapelle ist eines der frühesten Beispiele für das Aufgreifen regionaler Renaissanceformen, bereits etwa 10 Jahre bevor dies im Schloss Schwerin zu einem ersten "Höhepunkt" gelangte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts war Schloss Schwöbber ein Zentrum des regionalen kulturellen Lebens und wurde zu einem touristischen Ziel. 1908 brannte das Schloss durch einen Blitzschlag teilweise aus.

Ansicht vom Park aus

1919 erwarb Eduard Meyer (1859 - 1931), Pächter eines Saatgutbetriebs in Friedrichswerth, das Schloss, das bis dahin jahrhundertelang im Familienbesitz Münchhausen geblieben war. Er ließ die Inneneinrichtung in den Jahren von 1920 bis 1922 durch die Architekten Wangenheim und Lübke in eklektizistischer Weise umgestalten (mit Anleihen beim Mittelalter, Barock, Rokoko, Empire, Klassizismus und Symbolismus), wodurch - neben einigen Bränden, die weiteres zerstörten - heute jedoch nur noch der geringste Teil im Originalzustand erhalten ist. Auch die Gestaltung der 1920er Jahre steht inzwischen unter Denkmalschutz.

Während des Zweiten Weltkriegs waren ab 1943 ein Teil der Kunstwerke der Kunsthalle Bremen in Schloss Schwöbber ausgelagert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es zeitweise Lehrerfortbildungsheim. Von 1985 bis 2002 wurde es als Clubhaus und Hotel des Golfplatzes Schloss Schwöbber genutzt. Im Oktober 1992 kam es erneut zu einem Großbrand im Mittelflügel. 2002 erwarben Ursula und Friedrich Popken (die Inhaber der Mode-Boutiquen-Kette „Ulla Popken“) das inzwischen einsturzgefährdete Gebäude und restaurierte und modernisierte das Schloss für 35 Millionen Euro. Im Jahr 2004 wurde dort das 5-Sterne „Golf-und Schlosshotel Münchhausen“ eröffnet, in dem zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die französische Nationalmannschaft residierte.

Der Park wurde neu gestaltet, da die Quellenlage für eine Rekonstruktion zu schlecht war. Auch heute stehen im 8,5 Hektar großen Park wieder zahlreiche exotische Gehölze. Die berühmten Gewächshäuser sind ebenfalls verloren. Anstelle der ursprünglich am Wassergraben errichteten Orangerie befindet sich heute das Hotelschwimmbad.

Literatur

Schlosskapelle
  • Hans Joachim Tute (Verf.), F. Popken (Hrsg.): Schloss Schwöbber: Geschichte und Gegenwart. Hildesheim u. Lamspringe: Quensen, 2005. ISBN 3-922805-89-2
  • Bernhard Schelp: Die baulichen Veränderungen an Schloß Schwöbber. In: "... zur zierde und schmuck angelegt ...". – (Materialien zur Kunst- und Kulturgeschichte in Nord- und Westdeutschland; 22), 1996, S. 109-138.
  • Claus Bieger: Schloß Schwöbber: aus der Geschichte eines Kulturdenkmals. In: Niedersächsische Denkmalpflege, 15.1991/1992(1995), S. 73-80.
  • Marcus Köhler: Frühe norddeutsche Landschaftsgärten zwischen 1750 und 1770: die Landschaftsgärten und Parks von Schwöbber, Harbke und Marienwerder. Berlin, Freie Univ., Magisterarbeit, 1992
  • Marcus Köhler: „Wenn wir erst einen ins Wilde angelegten Garten zu sehen gewohnt sind ...“ - Die frühen Landschaftsgärten von Harbke und Schwöbber. In: Die Gartenkunst, Jg. 5/1993 Heft 1, S. 101.
  • Ernst Andreas Friedrich: Wenn Steine reden könnten. Band IV, Landbuch-Verlag, Hannover 1998, ISBN 3-7842-0558-5

Weblinks

52.0690833333339.25173333333337Koordinaten: 52° 4′ 9″ N, 9° 15′ 6″ O


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