Schönheit der Arbeit

Schönheit der Arbeit

Das Amt für Schönheit der Arbeit gehörte zur NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude, einer Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF), die unmittelbar nach Zerschlagung der Gewerkschaften im Mai 1933 als gemeinsame Organisation von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gegründet wurde. Die DAF war ein Verband der NSDAP. Der Chef dieser Organisation war Albert Speer, der sich jedoch neben seinen Bauprojekten wenig um das Amt gekümmert hat.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Das Amt für Schönheit der Arbeit stand in der Tradition von Bestrebungen um Ergonomie und Arbeitsplatzsicherheit. Viele Betriebe hatten sich bereits lange vor 1933 um Verbesserungen bemüht, Kantinen und Arbeitersiedlungen gebaut, um die Belegschaft an den Betrieb zu binden und einer Organisierung der Arbeiter in Gewerkschaften oder sozialistischen Verbänden entgegenzuwirken. Freizeitanlagen dienten der Wiederherstellung der Arbeitskraft. Kantinen sparten den Arbeitern die Zeit für den Nachhauseweg und ermöglichten somit auch den Frauen zu arbeiten, wenn sie sich nicht ums Kochen kümmern mussten.

Aktivitäten

Auf Veranlassung des Amtes wurden Kantinen, Aufenthaltsräume, Werksbibliotheken, Sport- und Sanitäranlagen eingerichtet sowie Kameradschaftsabende und Werks-Sportfeste organisiert. Die Kosten dieser Maßnahmen beliefen sich bis 1939 auf ca. 200 Millionen Reichsmark, die von den Unternehmen getragen werden mussten.

Die Aktionen des Amtes für Schönheit der Arbeit standen unter jährlich wechselnden Mottos:

  • 1934: Entrümpelung der Betriebe
  • 1935: Kampf dem Betriebslärm
  • 1936: Gutes Licht, gute Arbeit
  • 1937: Saubere Menschen im sauberen Betrieb
  • 1938: Gesunde Luft im Arbeitsraum
  • 1939: Warmes Essen im Betrieb

Das Amt für Schönheit der Arbeit existierte vom 27. November 1933 bis kurz nach Kriegsbeginn 1939. Im Dienste des Krieges wurde von nun an vor allem gesteigerte Produktivität angestrebt – das Wohl der Arbeiter musste dahinter zurückstehen. Dennoch war den Machthabern klar, dass nur gesunde, halbwegs gut ernährte Arbeiter die gewünschte Produktion garantieren konnten. Gutes Licht senkte den Ausschuss, verbesserte Hygiene den Krankenstand. Aßen die Mitarbeiter im Betrieb, konnte der Verbrauch besser gesteuert werden, vor allem der von unerwünschten Importprodukten. Nebenbei konnte man zentral die Gespräche der Mitarbeiter belauschen und konnte somit die Solidarisierung in der Kleingruppe am Arbeitsplatz eindämmen. Den gleichen Zielen dienten auch Sportanlagen.

Das Amt publizierte diverse Broschüren mit detaillierten Plänen, z. B. für die Einrichtung von Waschräumen und Toiletten, allesamt ohne Verwendung von kriegswichtigen Metallen. Betriebe, die die Vorgaben des Amtes mustergültig umsetzten, erhielten den Ehrentitel: „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“. Damit versuchte das Amt die Umsetzung ihrer Vorgaben zu fördern.

Beispiele zur Umsetzung während der NS-Diktatur in Iserlohn

Gemeinschaftshaus bei Linden und Funke

Unter der Überschrift 'Den Schaffenden zur Freude – Einweihung des neuen Gemeinschaftraumes der Firma Linden u. Funke fand sich 1936 im Märkischen Volksblatt folgender Artikel:

„Iserlohn. Freitag morgen wurde der neue Gemeinschaftsraum der Firma Linden und Funke in feierlicher Weise seiner Bestimmung übergeben. […] Dann gab er [Betriebsleiter Parteigenosse Hans Funke] einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Werkes. Es sei möglich gewesen durch das Werk des Führers, die Gefolgschaft zu vergrößern. Die Rentabilität des Werkes solle allen, die hier arbeiten, zugute kommen im Sinne des Wortes „Schönheit der Arbeit“, und in diesem Sinne sei auch der Kameradschaftsraum gestaltet worden. Betriebsappelle und Schulungen werden künftig hier abgehalten und über Wohl und Wehe der Firma wird hier beraten werden. Der Raum solle aber auch eine Stätte der Erholung sein. […]“

„Nachdem ein Hitlerjunge das Gedicht „Deutsche Arbeit“ gesprochen hatte, nahm Kreiswalter der DAF Parteigenosse Kirsch das Wort. „Schönheit der Arbeit“, dieses Wort habe nur dann Sinn, wenn es so aufgefasst werde, wie es der Leiter der DAF aufgefasst wissen will. Früher galt die Arbeit als Fluch, und das Leben, das der Arbeiter führte, stempelte ihn zum Proletarier. Heute hat sich diese Auffassung grundlegend geändert. Wir wissen heute, dass die Arbeit eine sittliche Pflicht ist. Wir wollen stolze deutsche Arbeitsmenschen sein, damit unser Volk geführt wird durch Wahrheit und Treue zur Einigkeit. […]“

„Dann nahm der Betriebsobmann Berninghaus das Wort. Im Namen der Gefolgschaft gab er seiner Freude darüber Ausdruck, dass der Betriebsführer Hans Funke wieder in ihrer Mitte weilen könne. Dann dankte er dem Betriebsführer für die Schaffung des Kameradschaftsheims. Die Gefolgschaft werde es in Benutzung nehmen und sich darin immer so aufführen, wie es im Sinne unseres Führers liege. […]“

[1]

In einem Referat eines Mitarbeiters des Amtes Schönheit der Arbeit in Iserlohn, Ende Juni 1937 finden sich folgende Textpassagen:

„Wenn wir uns als Vertreter des Amtes für „Schönheit der Arbeit“ vorstellen, begegnen wir sehr oft einer großen Verständnislosigkeit. Der einzelne Mensch kann noch mit diesem Gedanken „Schönheit der Arbeit“ nichts anfangen. Manchmal lächelt man leise und dann fragt man uns: „Ja, finden Sie denn die Arbeit schön?“ Der Begriff Schönheit der Arbeit ist leider immer noch für viele ein fremder Begriff. Dieses Fremde zeigt aber auch, wie ungeheuer tief der Wert des deutschen Arbeiters und der deutschen Arbeit gesunken war.“

„Man kannte einen anderen Begriff der „Schönheit der Arbeit“ in der vergangenen Epoche sehr wohl, und oft genug hält man uns diesen Begriff „Schönheit“ entgegen, indem man sagt: “Ja, die Arbeit ist schön.“ Man meint dabei die rauchenden Schlote, die sich gegen den Abendhimmel abheben. Man meint den wunderbaren Blick über ein riesiges Industriegebiet , in dem ein Wald rauchender Schornsteine eine gewaltige Tätigkeit verrät; und man meint den Rhythmus der hämmernden Maschinen, aber vergisst, dass dahinter diesem allen der Mensch sich verbirgt. Wir vom Amt „Schönheit der Arbeit“, wir gehen weiter. Wir sehen uns diese rauchenden Schlote nicht nur von Ferne an, sondern wir gehen hinein in den Betrieb und fragen:“ Wie lebt dort der Mensch?“ Wenn wir von der ‚Schönheit der Arbeit‘ sprechen, so bekämpfen wir mit allen uns zu Gebote stehenden den romantischen Begriff der „Schönheit der Arbeit“. Wir arbeiten fachlich und kennen weiter nichts als den Menschen an seinem Arbeitsplatz. Wir sind nicht nur Romantiker, wir sind Arbeiter. Wir sehen manchmal Bilder, die aller Würde der menschlichen Arbeit spotten. Wir kommen über Höfe voller Gerümpel. Wir begreifen dann, dass die Arbeit hier zu einer ewigen Lustlosigkeit werden muss. Es ist doch so, man verbringt die meiste Zeit seines Lebens an seinem Arbeitsplatz, und wenn nun dieser Arbeitsplatz dreckig ist, wenn er einen anwidert, dann widert auch die meiste Zeit des Lebens an, dann wird die Arbeit zur Last, zu etwas, dass man verachtet, etwas, dass einem die Seele verbiegt. Wenn man morgens seinen Arbeitsplatz betritt und man geht vorher über einen Fabrikhof, so darf dieser nicht schon den ganzen Jammer des Arbeitstages zeigen; sondern der Hof, der die Visitenkarte eines Betriebes ist, muss bereits Freude geben. Blumen müssen dort stehen, grüne Rasenflächen. Auch der Arbeitsplatz muss dem arbeitenden Menschen Freude geben. Aber auch hier bieten sich uns zuweilen ungünstige Bilder. Alles steht übereinander, Durcheinander. Überall nur sieht er Schmutz – Schmutz – Maschinenteile, Arbeitsteile. Und wenn er auf den Hof hinausschauen will, dann hat er nicht einmal ein Fenster. Dieses Fenster ist oft so verdreckt, dass kein Sonnenstrahl die Arbeitsfläche erreicht. Keine Blume am Fenster, kein Spruch an den Wänden, ja, die Wände sind nicht einmal sauber. So muss der Arbeite, wenn er arbeitet, abstumpfen. Und wenn der Arbeiter Hunger empfindet, hat er sehr oft keine Kantine, sondern in staubigen Dreck und Ruß muss er sein Mittagsmahl verzehren. Die Brocken, die er hinunterwürgt, sind gewürzt von dem Staub der Arbeit. Und oft genug ist dieser Staub noch giftig. Denken wir gerade bei den Buchdruckern an den Bleistaub, denken wir daran, wie viele Menschen durch diese fürchterliche Bleikrankheit ins Grab gesunken sind. Der Arbeiter hilft sich sehr oft, indem er sein Frühstück, sein Essen im Freien verzehrt. Aber auch dort hockt er irgendwie in unbequemer Lage. Er sitzt dort am Bürgersteig oder auf irgendwelchen Zäunen – von Erholung keine Spur! Wir sahen Waschräume, die aus drei Tonnen Wasser, auf den Hof herausgestellt, bestanden. Wir sahen auf unseren Betriebskontrollen Waschräume, bei denen es einem anwidert, sich die Hände zu säubern. Es ist nicht so, dass der Arbeiter schmutzig sein muss, wenn die Arbeit dreckig ist. Es ist nicht so, dass Staub und Schmutz nun einmal zum Arbeiter gehören! […]“

„Unser Streitruf ist: Wir wollen dem arbeitenden Menschen Arbeitsfreude bringen am Arbeitsplatz. Die Lehre des Nationalsozialismus heißt: Es gibt nur einen Übel, den Übel der Arbeit. Wir erklären immer wieder, der Mensch wird im heutigen Staat nach der Arbeit, nach der Leistung gewertet. Dann aber auch müssen wir dem einzelnen Arbeiter die gleiche Bedingungen schaffen. Somit wurde der Satz von Dr. Ley geprägt: „ Die Schönheit des Arbeitsplatzes muss organisiert werden!“ Mit der Organisation dieses Arbeitsplatzes ist das Amt für „Schönheit der Arbeit“ beauftragt worden. Wir gehen aus von der Tatsache, dass wir allein arbeiten. Darum müssen wir auch alle Licht, Luft, Sonne auf unserem Arbeitsplatz haben. Darum muss bei uns allen der Arbeitsplatz sauber sein. Darum darf es keine Trennung geben zwischen den unteren Angestellten und den oberen. Darum darf kein betrieb mehr die Kantine für den Arbeiter und das Kasino für die Angestellten haben. Alle, vom obersten Direktor bis zum Arbeiter, haben gemeinsam ihr Mittagessen einzunehmen. Alle haben sie das Ziel des Betriebes zu erreichen, die Aufgabe des Betriebes zu erfüllen, darum haben sie auch unter gemeinsamen Bedingungen zu arbeiten. Was wollen wir also im Betrieb? Wir wollen einen hellen Arbeitsplatz, wir wollen einen grünen Fabrikhof, wir wollen gesunde Nebenräume, d.h. saubere Erholungsräume, Wasch- und Baderäume, saubere Kantinen und saubere Aborte. Wir wollen aber nicht, dass lediglich die Mindestanforderung der Gewerbeordnung erfüllt wird. Nein, wir wollen mehr. Wir wissen, dass der deutsche Arbeiter der beste der Welt ist. So muss auch der deutsche Arbeitsplatz der sauberste und gesündeste sein. Aber wir tun es ohne zwang. Wir appellieren an seine „soziale Verpflichtung“, wir appellieren an sein Wort, das er dem Führer und dem Staat gegeben hat. Wenn er erklärt, dass er Nationalist ist und wenn er diese Stellung als Betriebsführer beansprucht, dann muss er auch die nationalsozialistische Theorie in die Wirklichkeit umsetzen. Dann muss er dem arbeitenden Menschen einen würdigen und hellen Arbeitsplatz geben.[2]

Einzelnachweise

  1. aus: Märkisches Volksblatt, 8. Februar 1936; Bestand des Stadtarchivs Iserlohn ZGS-UG2
  2. aus: Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung Nr.151(1. Juli 1937); Bestand des Stadtarchivs Iserlohn ZGS-UG2

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