Seitengewehr

Seitengewehr
Dieser Artikel befasst sich mit dem Bajonett als Waffe. Das oftmals verkürzt als Bajonett bezeichnete Objektivbajonett von Fotoapparaten mit Wechselobjektiven findet sich auf einer gesonderten Seite, ebenso der Bajonettverschluss.
Tüllenbajonett aus dem 19. Jahrhundert

Als Bajonett (nach der frz. Stadt Bayonne) oder Seitenwehr bezeichnet man eine auf den Gewehrlauf aufsteckbare (aufpflanzbare) Stoßwaffe in Form eines langen Dorns oder einer Stahlklinge. Durch ein Bajonett wird aus einer Schusswaffe zusätzlich eine Stoß- oder Stichwaffe.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Das Bajonett wird im demontiertem Zustand wie andere Waffen an der Seite oder am Koppel getragen. Bajonette können auch an der Waffe fest installiert sein und werden in die Gebrauchsstellung ausgeklappt (Klappbajonett). Dann handelt es sich im strengen Sinne des Wortes nicht mehr um ein Seitengewehr. Der Begriff Seitengewehr wird gelegentlich aus dem Englischen side arm falsch übersetzt – hinsichtlich moderner Waffen ist meist eine Zweit- oder Offiziers-Pistole gemeint.

Entstehung

Deutsches Bajonett 98/05 von 1905 für das Gewehr 98
Deutsche Soldaten beim Üben des Bajonettfechtens, 1914

Die Herkunft und Entstehung des Bajonetts ist nicht eindeutig geklärt. Es besteht die Möglichkeit, dass es als Jagdwaffe entstand, um angreifende Tiere nach einem Fehlschuss abzuwehren. Es gibt Hinweise, dass die Waffe bereits im 14. Jahrhundert in China entstanden ist.

Die Benennung ist auf die südfranzösische Stadt Bayonne zurückzuführen. Einer Legende nach gehörten ihre Bürger irregulären Truppen bei verschiedenen Militärkonflikten in der Mitte des 17. Jahrhunderts an. Als bei einem Gefecht die Musketen heißgelaufen waren, sollen sie zum Weiterkämpfen ihre Jagdmesser in die Mündungen gesteckt haben.

Bajonette wurden seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich verwendet und wurden allmählich in den meisten europäischen Armeen gebräuchlich.

Anfangs wurden Bajonette mit Griff in den Gewehrlauf gesteckt (so genannte Spundbajonette), sodass die Muskete nicht feuern konnte. Bereits 1669 erfand Vauban Bajonette, die mit einer Tülle seitlich am Lauf befestigt wurden – sog. Tüllen- oder Dillenbajonett – und somit auch im aufgepflanzten Zustand das Abfeuern von Musketenkugeln nicht verhinderten. Mit diesen neuartigen Bajonetten wurde die französische Armee seit 1689 ausgestattet. Etwa um 1700 tauchten Bajonette auf, welche einen abgewinkelten Arm besaßen und so auch das Nachladen ermöglichten. Zur wichtigsten Klingenform entwickelte sich bald eine stabile, drei- oder vierkantige Form mit etwa 40 cm Länge. Ab dem 19. Jahrhundert wurde das Tüllenbajonett schrittweise von Bajonetten abgelöst, die eigene Griffe hatten – sog. Messer - oder Säbelbajonette – und wie Messer, kurze Pallasche oder Säbel beschaffen waren. „Vorfahren“ derselben waren im 18. Jahrhundert aufpflanzbare Hirschfänger, die wie diese mittels eines seitlichen Rings am Rohr fixiert wurden. Da solche Waffen aber das Nachladen des Vorderladers verhinderten, setzten sie sich erst mit Einführung des Hinterladers endgültig durch. Doch bereits 1840 wurde der doppelt gekrümmte französische Jatagan mit ca. 60 cm Klingenlänge vorbildhaft, bekannt ist auch das gerade, vorn verbreiterte, etwa 50 cm lange (Klinge) preußische Füsilierseitengewehr von 1860.

Die Entwicklung des Bajonetts und die zunehmende Verbreitung von Feuerwaffen ließen den Einsatz von Pikenieren und Schweinsfedern in der Schlacht allmählich zurückgehen. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts wurden die Pikenier-Einheiten der meisten europäischen Armeen aufgelöst.

Erster und Zweiter Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg erreichten Bajonette noch eine Länge von bis zu 50 cm, teilweise kam es zu einem regelrechten Fechten nur mit diesen überlangen Messern. In der Nachkriegszeit wurden sie allerdings immer kleiner und handlicher – heutige Bajonette haben die Größe und das Gewicht handelsüblicher Haushaltsmesser, wurden jedoch als Standard-Stoßwaffe der Infanterie nie verworfen und sind nach wie vor Zubehör vieler Sturmgewehre. Über den Wert des Bajonetts im Kampf gab es bis in das 20. Jahrhundert hinein heftige Diskussionen. Die teils prominenten Befürworter wurden durch die Entwicklungen im amerikanischen Sezessionskrieg und im Ersten Weltkrieg widerlegt. Dennoch kamen Bajonette in Stellungskämpfen des Zweiten Weltkriegs auf nahezu allen Kriegsschauplätzen zum Einsatz, in der Regel aufgepflanzt auf einen Karabiner 98. Für den Ersten Weltkrieg, aber auch dem Zweiten Weltkrieg gilt die Besonderheit, dass neben dem Bajonett der Grabendolch als weitere Bewaffnung des Soldaten trat. Dieser war kleiner und damit handlicher als das herkömmliche Bajonett und bot sich als Nahkampfwaffe insbesondere in den Grabenkämpfen an.

Deutsche Bajonette wurden Mitte der 1930er Jahre mit einem S-Code gekennzeichnet, um die Wiederaufrüstung zu verschleiern. Ab ca. 1937 verzichtete man auf die Heimlichkeit und kennzeichnete Bajonette auf der Fehlschärfe mit voll ausgeschriebenen Hersteller und Jahreszahl auf dem Klingenrücken. Nach Kriegsbeginn wurde ab 1940 ein drei Buchstaben Code zur Kennzeichnung des Herstellers mit den 2 Endziffern des Herstellungsjahres auf die Fehlschärfe gestempelt.

Nachkriegszeit

M9 Bajonett mit modernisierter Scheide.
Schweizer SIG 550 mit Bajonett

Die Bundeswehr verwendete lange Zeit im Dienst überhaupt keine Bajonette, obwohl für das G3 Bajonette vorhanden waren, die allerdings nur mit Hilfe eines im Durchladerohr zu befestigenden Adapters aufgepflanzt werden konnten. Erst mit Einführung des G36 wurden – vornehmlich an die damaligen KRK-Einheiten – Kalaschnikow-Bajonette aus NVA-Beständen ausgegeben. Allerdings wurde hier nicht zwischen dem Bajonett für das AK-47 einerseits und für das AK-74 andererseits unterschieden. Beide sind nicht zum Aufpflanzen auf das G36 geeignet, das AK-47-Bajonett wegen der nicht passenden Aufpflanznut und des zu engen Laufrings. Beim AK-74-Bajonett passt zwar die Aufpflanznut, der Laufring ist jedoch ebenfalls so eng, dass er nicht über den Mündungsfeuerdämpfer gestreift werden kann. Der Hauptverwendungszweck dieser Bajonette lag somit in erster Linie in ihrer Funktion als (Schneid-)Werkzeug und Drahtschneider (in Verbindung mit der teilweise metallenen Scheide). Beide Bajonett-Typen sind mittlerweile durch das neu entwickelte Kampfmesser 2000 (KM2000) ersetzt worden, welches ebenfalls nicht aufgepflanzt werden kann.

Ein kleiner Posten adaptierter AK-74-Bajonette tauchte allerdings im Handel auf, bei denen der ursprüngliche Führungsring aufgrund privater Initiative durch einen neuen, weiteren Führungsring ersetzt wurde, der nunmehr über den G36-Mündungsfeuerdämpfer gestreift werden kann.

Nicht für die deutsche Variante des G36 (zu kleine Aufpflanznut) geeignet ist auch ein unter der Bezeichnung "G36-Bajonett" in den Handel gekommenes Bajonett des spanischen Schneidwarenherstellers "Aitor". Dabei handelt es sich um eine baugleiche Variante des KCB 77-Bajonetts des deutschen Herstellers "Eickhorn-Solingen" (für die spanische G36 E Variante des Sturmgewehrs), der nach seiner Insolvenz von einem britischen Unternehmen übernommen wurde.

Bajonette werden heute in der Bundeswehr weder im Inland noch im Auslandseinsatz als Seitengewehr und Teil der Uniformierung geführt, eine Bajonett(nahkampf)ausbildung - in vielen Einsatzarmeen immer noch üblich - findet nicht statt.

Weblinks

  • Seitengewehr (engl.) Website eines privaten Sammlers von deutschen Bayonetten
  • www.seitengewehr.de Beiträge zur deutschen Blankwaffen- und Heereskunde
  • Bayonets (engl.) Website eines privaten Sammlers von Bayonetten

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