Sektenshinto

Sektenshinto

Als Sekten-Shintō (jap. 教派神道 kyōha shintō oder 宗派神道 shūha shintō) wurde vor Beginn des Zweiten Weltkriegs der von dreizehn offiziell anerkannten Shintō-Sekten ausgeübte Shintō verstanden. Diese Sekten wurden 1882 per Gesetz im Gegensatz zu den Institutionen des Schrein-Shintō aus dem damaligen Staats-Shintō ausgeschlossen. Die meisten existieren gegenwärtig noch als eigenständige Organisationen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Abschaffung des Staats-Shintō entwickelte sich dann eine Vielzahl neuer Sekten (shintōkei shinshūkyō).

Der Begriff „Sekte“ ist hierbei als wertungsfreie Übersetzung des japanischen „kyōha“ zu verstehen, äquivalent zu „Religionsgemeinschaft“ oder „Konfession“.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Auflistung der dreizehn offiziellen Shintō jūsampa (神道十三派, wörtl. „13 Sekten des Shintō“), sortiert nach dem Datum der Anerkennung durch die japanische Regierung:

Name Gegründet Anerkannt Stifter Eigenheiten Mitglieder[1] Hauptquartier
Kurozumi-kyō (黒住教) 1876 Kurozumi Munetada Erste der unabhängigen Sekten, größtenteils in West-Japan aktiv 300.000 Okayama
Shintō shūsei-ha (神道修成派) 1873 1876 Nitta Kuniteru Konfuzianisch ausgerichtet, nicht mehr sehr aktiv nach 1945 42.000 Suginami, Tokio
Izumo Ōyashiro-kyō (出雲大社教) 1882 Senge Takatomi Orientiert sich am Izumo-Schrein 1.190.000 Hikawa-gun, Präfektur Shimane
Fusō-kyō (扶桑教 1873 1882 Shishino Nakaba Nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere im Bereich der Berg-Verehrung tätig 46.000 Setagaya, Tokio
Jikkō-kyō (實行教, vereinfacht 実行教) 1882 Shibata Hanamori 11.000 Saitama, Präfektur Saitama
Shinshū-kyō (神習教) 1880 1882 Yoshimura Masamochi Synthese aus dem Kult um den Berg Ontake und anderen Richtungen 2.800.000 Setagaya, Tokio
Ontake-kyō (御嶽教) 1882 1882 Shimoyama Ōsuke Berg Ontake in der Präfektur Nagano als Heiligtum 580.000 Nara
Shintō Taisei-kyō (神道大成教 / 大成教) 1882 Hirayama Seisai Gegenwärtig nicht aktiv 51.000 Shibuya, Tokio
Shinri-kyō (神理教) 1884 Sano Tsunehiko 300.000 Kitakyūshū
Misogi-kyō (禊教) 1834 1894 Inoue Masakane Unterdrückt zur Zeit der Tokugawa, danach Aufspaltung, wovon die eine Richtung sich der Shintō Taisei-kyō anschloss 99.000 Kitakoma-gun, Präfektur Yamanashi
Shintō Honkyoku (神道本局), nach 1940 Shintō Taikyō (神道大教) 1885 1896 Kein Stifter, wenig Einfluss nach Kriegsende 40.000 Minato, Tokio
Konkō-kyō (金光教) 1885 1900 Akazawa Bunji Betreibt Kirchen in Amerika, schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Übersee tätig 440.000 Asakuchi-gun, Präfektur Okayama
Tenri-kyō (天理教) 1838 1908 Nakayama Miki Zählt gegenwärtig zu den neuen religiösen Bewegungen in Japan 1.880.000 Tenri

Einige Bewegungen – Kurozumi-kyō, Misogi-kyō, Konkō-kyō und allen voran Tenri-kyō – haben sich so weit vom Shintō entfernt, dass sie eher zu den neuen religiösen Bewegungen in Japan (新宗教 shinshūkyō) gezählt werden. Die sich vom Shintō ableitenden neuen religiösen Bewegungen werden auch shintōkei shinshūkyō genannt.

Von der anderen großen Ausrichtung des Shintō, dem Schrein-Shintō, grenzt sich der Sekten-Shintō hauptsächlich in folgenden Punkten ab:

  • Betonung der Glaubensgrundsätze und Aktivitäten der Gründer der jeweiligen Sekte anstelle der Bewahrung des nationalen Glaubens und der dazugehörigen Traditionen
  • Voneinander und auch von den Schreinen unabhängige Organisation als religiöse Körperschaften
  • Offensive Missionierung
  • Annähernd gleiche, manchmal sogar größere Anzahl von Frauen im Klerus der jeweiligen Organisation (im Klerus des Schrein-Shintō ist das Verhältnis von Männern zu Frauen etwa 10:1) [2]

Geschichte

Mit der Meiji-Restauration wurde durch die Trennung von Buddhismus und Shintō (Shinbutsu-Bunri) im Jahr 1868 und die Verstaatlichung der Schreine ein Staats-Shintō aus der alten Volksreligion geschaffen. Bis dato existierten beide Religionen als Synkretismus (Shinbutsu-Shūgō), dessen Haupteinfluss die buddhistische Überlieferung und der Ahnenkult der kaiserlichen Familie war. Daneben gab es aber auch so unterschiedliche Einflüsse wie archaische Fruchtbarkeitskulte um gigantische Penisse, Verehrung von Reisgöttern, Anbetung von Naturgeistern, polynesische Mythen, Daoismus, Schamanismus, der ursprünglich wahrscheinlich mit dem koreanischen und sibirischen verwandt ist und Hindu-Götter.

Mit der Aufspaltung in Buddhismus und Shintoismus musste der Shinto als Staats-Shintō damit ersteinmal rekonstruiert beziehungsweise neu erschaffen werden. Dazu gehörte auch der im Jahr 1882 erfolgte Ausschluss bestimmter Richtungen im Shintō, die nicht mit der Staatsideologie in Einklang zu bringen waren. Ihnen wurde die staatliche Unterstützung entzogen, und sie wurden im offiziellen Sprachgebrauch nicht mehr als jinja, "Schrein", sondern als kyōkai, "Kirche", oder kyōha, "Sekte" bezeichnet.

1895 schlossen sich acht dieser Abspaltungen zur "Shintō-Vereinigung" (神道同志会 shintōdōshikai) zusammen. Dies waren im einzelnen: Izumo-Taisha-kyō, Kurozumi-kyō, Ontake-kyō, Jikkō-kyō, Shinshū-kyō, Taisei-kyō, Fusō-kyō und Jingū-kyō (神宮教; die "Stiftung zur Unterstützung der Schreine" (神宮奉賛会 Jingūhōsankai)). 1899 traten Shintō Honkyoku, Shinri-kyō und Misogi-kyō bei, dabei wurde der Name der Organisation in "Shintō-Konferenz" (神道懇話会 Shintō Konwakai) geändert. 1912 traten Shintō-shūsei-ha, Konkō-kyō und Tenri-kyō bei, und der Name wurde ein weiteres Mal geändert, diesmal in "Verein aller Shintō-Sekten" (神道各教派連合会). Im Jahr 1934 wurde der noch heute gültige Name "Sekten-Shintō-Verband" (教派神道連合会 kyōha shintō rengōkai) angenommen.

1945 wurde der Staats-Shintō von der alliierten Besatzungsmacht aufgelöst, und alle Tempel, Schreine und religiösen Gemeinschaften in Japan fielen auf denselben Status wie die obigen Sekten zurück, denn in der Verfassung von 1947 wurde festgeschrieben, dass keine religiöse Organisation staatliche Mittel erhalten sollte. Lediglich eine Handvoll Schreine wird seitdem als "staatliche Ämter" geführt, die zwar mit staatlichen Mitteln unterstützt werden, aber offiziell nicht als religiöse Einrichtung gelten.

Weitere Ein- und Austritte aus dem "Verband der Shintō-Sekten" brachten deren Zahl schließlich auf heutige Zahl: 1956 die Aufnahme von Ōmoto (大本), 1970 der Austritt von Tenri-kyō und sechs Jahre später der von Taisei-kyō. Shinshū-kyō trat 1959 aus und 1994 wieder ein.

Siehe auch

Literatur

  • Nobutaka Inoue: Kyoha Shinto no keisei. Kobundo. ISBN 4335160216
  • Masaaki Sugata: Koshinto wa yomigaeru: The old Shinto. Tama Shuppan. 1985. ISBN 4884811321
  • Toru Kotaki: Kamigami no mezame: Kindai Nihon no shukyo kakumei. Shunjusha. 1997. ISBN 4393291247

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zahlen aus dem Glossary of Shinto Names and Terms (2000-2001) des Institute for Japanese Culture and Classics, Kokugakuin University
  2.  : „Rates of Women in the Shinto Clergy“ in der Encyclopedia of Shinto der Kokugaku-in, 13. April 2006 (englisch)

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