Serialismus

Serialismus

Serielle Musik (auch Serialismus oder Serialität, von frz. musique sérielle, 1947 eingeführt von René Leibowitz; engl. serial music) ist eine Strömung der Neuen Musik, die sich ab etwa 1948 entwickelte. Serielle Musik ist eine Weiterentwicklung der Zwölftontechnik von Arnold Schönberg und wird nach strengen Regeln komponiert. Die Kompositionstechnik basiert auf dem Versuch, möglichst alle Eigenschaften der Musik (wie zum Beispiel Tondauer, Tonhöhe und Lautstärke) auf Zahlen- oder Proportionsreihen aufzubauen. Diese Idee einer musique pure entspringt dem Wunsch, eine Musik von möglichst großer Klarheit hervorzubringen, frei von Redundanz, Unbestimmtheit und der Beliebigkeit des "persönlichen Geschmacks".

Historisch möglich wurde der Serialismus durch die "Vorarbeit" von Arnold Schönberg und Anton Webern, Vertretern der sog. Zweiten Wiener Schule, die bereits Tonhöhen und Intervallstrukturen nach eigenen Regeln neu ordneten. Während jedoch bei deren Zwölftonmusik lediglich der Tonhöhenverlauf als Reihe festgelegt ist, werden bei der seriellen Musik auch die übrigen Parameter wie Tondauer, Lautstärke, Klangfarbe, Tondichte, Artikulation oder Spielart durch mathematische Operationen quantifiziert und in einer vorab ermittelten Zahlenproportion reihenmäßig erfasst. Als erste Komposition dieser Richtung gilt Olivier Messiaens Klavierstück Mode de valeur et d'intensités, in der er nicht nur die Tonhöhen, sondern auch Tondauern, -stärken und die Artikulation nach reihenähnlichen Modi (daher der Titel) organisierte, die noch einen größeren Grad von kompositorischer Freiheit erlaubten. Messiaen selbst behauptete allerdings die gleichen Techniken bereits einige Wochen vor der Komposition dieses Werkes in dem Klavierwerk "Cantéyodjaya" benutzt zu haben.

Spezielle Formen der Seriellen Musik sind die punktuelle Musik und die statistische Musik.

Die Hauptproblematik der seriellen Musik liegt in zwei Bereichen:

  • Rezeption: Die begrenzte Merkleistung des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses (20 sec. Behaltensleistung neuer Informationen) macht es unmöglich, die musikalischen Strukturen durchzuhören, also durch einfaches Anhören der Komposition aufzunehmen und zu verarbeiten; daher wird Serielle Musik häufig als chaotisch und ungeordnet empfunden.
  • Interpretation: Die begrenzte Exaktheit von Instrumental- und Singstimmen verhindert es, die überexakten Angaben der Komponisten hinreichend präzise zu reproduzieren.

Diese Einschränkungen führten zwangsläufig zur Entwicklung der elektronischen Musik, die den menschlichen Interpreten umging, und der Aleatorik, die versuchte, den Zufall zu rationalisieren und in die Musik einzuplanen. Heute muss man feststellen, dass der Serialismus eine Strömung der Vergangenheit ist. Nur noch vereinzelt finden serialistische Konzepte Eingang in Kompositionen.

Als Schlüsselwerk serieller Kompositionstechnik gelten: Pierre Boulez' Strukturen für 2 Klaviere, Karlheinz Stockhausens Kontra-Punkte und Gruppen für drei Orchester, 1957. Zu den wichtigsten Vertretern der seriellen Musik zählen:

Siehe auch

Literatur

  • György Ligeti, Pierre Boulez. Entscheidung und Automatik in der Structure Ia, in: die Reihe. Informationen über serielle Musik, Heft 4, 1958, S. 38-63.
  • Hans Vogt, Neue Musik seit 1945, Stuttgart 1972, S. 24-30.
  • Rudolf Heinemann, Untersuchungen zur Rezeption der seriellen Musik, Regensburg 1967

Weblinks


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