Backlash

Backlash

Als Backlash (dt. „Gegenbewegung“) bezeichnet man oft in den USA gegen als fortschrittlich erachtete Entwicklungen gerichtete Bestrebungen oder auch die Rückkehr konservativer Wertvorstellungen, sowie die Einflussgewinnung von dahingehend orientierten Kräften. Im gegenwärtigen US-amerikanischen Sprachgebrauch bezieht sich Backlash auf wiederkehrende Bestrebungen einer privilegierten Gruppe von Menschen, die neu gewonnenen Rechte und Freiheiten einer unterprivilegierten Gruppe rückgängig zu machen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nachdem in den USA in den 1960er Jahren eine „weiße Gegenbewegung“ (white Backlash) gegen die Bürgerrechtsbewegung ausgemacht wurde, manifestierte sich Anfang der 1980er Jahre eine von ihren Gegnern als Conservative Backlash bezeichnete Bewegung durch das Erstarken der Neo-Konservativen oder der Neuen Rechten, die im Verlauf der letzten 20 Jahre eine erhebliche Definitionsmacht in der gesamten US-amerikanischen Gesellschaft erreichen konnte.

Antifeministischer Backlash

Susan Faludi popularisierte den Begriff Backlash in ihrem gleichnamigen Buch (1991). Darin definiert sie die antifeministische Backlash-Bewegung als einen machtvollen Gegenangriff auf Frauenrechte, der es zum Ziel hat, die wenigen und schwer erkämpften Siege des Feminismus zunichte zu machen.[2] Faludi argumentiert darüber hinaus, dass ein antifeministischer Backlash Mitte des 19. Jahrhunderts, um die Jahrhundertwende, sowie in den 1940er und 1970er Jahren zu verzeichnen war und feministische Bestrebungen zum Erliegen brachte.[3] Dem Feminismus wurden die meisten sozialen Probleme, darunter auch die Unzufriedenheit von Frauen[4] sowie solche Mythen wie der "weibliche Burnout", die "Krise der Unfruchtbarkeit" und der "Mangel an heiratsfähigen Männern", angelastet.[1][2]

bell hooks argumentiert, dass jegliche tiefgreifende Kritik an patriarchaler Maskulinität die bestehenden Herrschaftsstrukturen bedroht und einen antifeministischen Backlash hervorruft.[5]

Der Sozialwissenschaftler und Politologe Simon Möller argumentiert in seiner Studie, dass der Diskurs der deutschen Medien in den 90er Jahren durch einen antifeministischen Backlash gekennzechnet war. Dieser Backlash habe die Anti-Politische Korrektheits-(PC)-Rhetorik und insbesondere das medial konstruierte Feindbild eines angeblich übermächtigen, lustfeindlichen und „politisch korrekten“ Feminismus sowie das vermeintliche Phänomen einer „sexuellen Korrektheit“ (SC) instrumentalisiert. „Sexuelle Korrektheit“ fungiere dabei als Teil des Anti-PC-Diskurses mit dem speziellen Angriffsziel Feminismus. Bei diesem antifeministischen Backlash handele es sich um einen „hegemonialen Offensivdiskurs", der versucht, emazipatorische Bestrebungen als „politisch korrekter“ Nonsens lächerlich zu machen oder zur Gefahr zu stilisieren und frauenfeindliche Positionen zu normalisieren. Die Anti-PC- und Anti-SC-Kampagnen seien männliche Legitimationsstrategien zur Wahrung materieller und sozialer Vorteile gegenüber Frauen. Dem Anti-SC-Diskurs komme dabei insbesondere die Funktion zu, „von dominanter Seite zur Festigung des patriarchalen Konsenses, d. h. zur Herstellung von Akzeptanz gegenüber strukturellen Machtasymmetrien im Geschlechterverhältnis" beizutragen. Der antifeministische Backlash folgt laut Möller bestimmten Mustern:[6][7][8]

  • Sexismus und sexuelle Gewalt wird erotisiert, trivialisiert sowie singularisiert;
  • eine Täter-Opfer-Umkehr findet statt;
  • die Existenz sexistischer Dominanzverhältnisse wird bestritten;
  • eine feministische Hegemonie an den Universitäten, in den Medien und im Kulturbereich wird suggeriert; und
  • der Begriff „Feminismus“ wird stigmatisiert.

In seiner diskursanalytischen Untersuchung fand John K. Wilson ähnlich wie Simon Möller, dass es sich bei der Debatte über politische Korrektheit und insbesondere sexuelle Korrektheit in den Medien um einen Backlash gegen den Feminismus handelt.[9]

Anti-"PC"-Kampagne

Als eine wichtige Backlash-Strategie wird von einigen seiner Gegner die „anti-Politische Korrektheits-(PC)“-Kampagne angesehen.[10] Die vorausgegangene Reformierung der Gesellschaft durch „emanzipatorische“ Bewegungen habe damit zurückgedrängt werden sollen. Insbesondere habe sich der Widerstand gegen die „Multikulturelle Gesellschaft“ gerichtet. Mit der Kampagne sei eine Furcht vor einer Unterwanderung, „Balkanisierung“ und letztlich Auflösung der „gemeinsamen“ amerikanischen Kultur als Folge der Forderung nach einer größeren kulturellen Vielfalt geweckt worden. Es sei darum gegangen, was als nationale Norm angesehen werden sollte. Als politische Strategie habe man sich mit Bezug auf das Schlagwort „politisch korrekt“ linke Begrifflichkeiten angeeignet, deren Bedeutungen man entleert und mit eigenen Normvorstellungen versehen gegen alles gewendet habe, was den traditionellen Vorstellungen vom „Schmelztiegel“ und dem westlichen Gedankengut widersprach. Alles, was nicht den tradierten Vorstellungen vom „amerikanischen weißen Mann“ entsprach, habe als „politisch korrekt“, un-amerikanisch und un-demokratisch gegolten. Wer diese „amerikanischen“ Normen kritisieren oder verändern wollte, habe als „intolerant“ und „gleichmacherisch“ gegolten, „Zensur“ ausgeübt, die amerikanische Gesellschaft mit „PC/MC“ infiziert oder sich wie die „Sturmtruppen“ verhalten. Die „PC“-Kampagne stehe in einer Geschichte von Kämpfen um das, was „amerikanisch“ sein solle und was nationale Identität ausmache. Die Kampagne sei als ein Ausdruck der Krise der Identität der Amerikanischen Gesellschaft gewesen. Ihre Motivation und ihre Heftigkeit sei diesem Kampf um nationale Identität entsprungen.

Ariane Manske hat die Entstehung und Entwicklung der US-amerikanischen Debatte um Politische Korrektheit untersucht und festgestellt, dass es sich bei dieser Debatte um einen konservativen Backlash handelt, der liberale Reformvorhaben wie Affirmative Action und speech codes (im Sinne von nicht-diskriminierenden Sprachregelungen) verhindern sollte. Konservative Kräfte benutzten „politische Korrektheit" als „Oberbegriff für unterschiedliche liberale Reformvorhaben im gesellschaftlichen und universitären Bereich" und diffamierten die politisch korrekten Liberalen als extremistisch. So charakterisierte die US-amerikanische Antifeministin Camille Paglia „politische Korrektheit" als „Faschismus der Linken" ("fascism of the left") und die Menschen, die ihm anhingen, verhielten sich Paglia zufolge „wie die Hitlerjugend" ("like the Hitler Youth").[11][12]

Katrin Auer analysierte mehrere Forschungsergebnisse zur Anti-„PC"-Debatte und kommt zu dem Schluss, dass die ideologischen Funktionen des Anti-„PC"-Diskurses ein antifeministischer Backlash, die Re-Etablierung antisemitischer Codes sowie die Enttabuisierung rassistischer und revisionistischer Inhalte sind. Unter dem Phänomen „Political Correctness" werde eine Reihe emanzipatorischer und linker Maßnahmen und Theorien subsumiert und diffamiert. Eine wesentliche Funktion des Diskurses sei die Möglichkeit, antifeministische, rassistische, antisemitische und andere diskriminierende Äußerungen wieder tätigen zu können, ohne dabei wesentliche Sanktionen befürchten zu müssen. Innerhalb des Anti-„PC"-Diskurses seien insbesondere re-patriarchalisierende und re-maskulinisierende Tendenzen zu erkennen. Dazu schreibt Auer:[13]

„Generell ist die Ausrichtung des Anti-„PC"-Diskurses von Re-Patriarchalisierungs- und Normalisierungstendenzen geprägt. Unter dem Begriff der Re-Patriarchalisierung sind hier nicht nur sämtliche sexistische und antifeministische Intentionen zu fassen, sondern ebenso (neo-)rassistische, antisemitische, nationalisierende, homophobe und prinzipiell homogenisierende Bestrebungen, die die umfassende Restauration westlich-patriarchaler Ordnungsmodelle zum Ziel haben.“

Literatur

  • Faludi, Susan: Backlash: The Undeclared War against American Women, 1991, engl., ISBN 0-517-57698-8 (deutsch: Backlash. Die Männer schlagen zurück. Reinbek 1993. ISBN 3-499-19760-X)
  • Grossberg, Lawrence: Gotta Get Out of this Place (1991) engl.
  • Diedrich Diederichsen: Politische Korrekturen. Kiepenheuer & Witsch, 1996. ISBN 3-462-02551-1
  • Ariane Manske (2002): „Political Correctness“ und Normalität. Die amerikanische PC-Kontroverse im kulturgeschichtlichen Kontext. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2002. ISBN 3-935025-33-5
  • Annelie Buntenbach, Helmut Kellershohn, Dirk Kretschmer (Hg.): Ruck-wärts in die Zukunft. Politik und Ideologie des Neokonservatismus; Unrast Verlag (Edition DISS), ISBN 3-927388-64-5
  • Mechtild M. Jansen; Sigrid Baringhorst; Martina Ritter: Frauen in der Defensive? Zur backlash-Debatte in Deutschland. Bd. 3, 1996, ISBN 3-8258-2695-3
  • Karsta Frank: PC-Diskurs und neuer Antifeminismus in der Bundesrepublik, in: Das Argument, Heft 1/1996 zum Thema Political Correctness.

Einzelnachweise

  1. a b Jeffery Scott Mio et al.: Key Words in Multicultural Interventions: A Dictionary. Greenwood Press, Westport, Connecticut, 1999, S. 27: "In contemporary American usage, the term backlash appears to refer to recurring attempts by a privileged class to rescind recently won rights and liberties gained by an underprivileged group or class."
  2. a b Susan Faludi: Backlash: The Undeclared War against American Women. Crown, New York, 1991, S. xviii: "The truth is that the last decade has seen a powerful counterassault on women's rights, a backlash, an attempt to retract the handful of small and hardwon victories that the feminist movement did manage to win for women."
  3. Faludi zitiert in: Lorraine Code: Encyclopedia of feminist theories. Routledge, London, New York, 2000, S. 37: "A struggle for women's rights gained force in the mid-nineteenth century, the early 1900s, the early 1940s and the early 1970s. In each case, the struggle yielded to backlash."
  4. Susan B. Boyd, Dorothy E. Chunn, Hester Lessard: Reaction and Resistance: Feminism, Law, and Social change. University of British Columbia Press, Vancouver, 2007, S. 99: "Faludi found that feminism was being blamed for most social problems, including the unhappiness and dissatisfaction of women themselves."
  5. bell hooks zitiert in: Mary F. Rogers, C. D. Garrett: Who's Afraid of Women's Studies?: Feminisms In Everyday Life. AltaMira Press, Walnut Creek, California, 2002, S. 128: "Any profound critique of patriarchal masculinity that touches the minds and hearts of men of all ages in our culture threatens patriarchy in such a way that it engenders fierce backlash."
  6. Simon Möller: Sexual Correctness: Die Modernisierung antifeministischer Debatten in den Medien. Leske + Budrich, Opladen 1999, ISBN 3-8100-2301-9.
  7. Simon Möller: Operation gelungen In: der Freitag, 2003, abgerufen am 27. Dezember 2010.
  8. Rolf Löchel: Freiheit oder Feminismus: Antifeminismus in den Printmedien Abgerufen am 27. Dezember 2010.
  9. John K. Wilson: The Myth of Political Correctness: The Conservative Attack on Higher Education. Duke University Press, Durham 1995, ISBN 0-8223-1713-3, S. 109 ff.
  10. Steven Vertovec und Susanne Wessendorf: The Multiculturalism Backlash: European Discourses, Policies and Practices. Routledge, London 2010, ISBN 978-0-415-55648-4, S. 13: "In addition to the typical themes developed whiting the content of backlash arguments, there is also a common set of stratagems or discursive maneuvers [...] Another significant maneuver entails the accusation of political correctness."
  11. Ariane Manske: Political Correctness und Normalität. Die amerikanische PC-Kontroverse im kulturgeschichtlichen Kontext. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2002, ISBN 3-935025-33-5.
  12. Rolf Löchel: Political Correctness - more frightening than the old McCarthyism. Abgerufen am 21. Dezember 2010.
  13. Katrin Auer: „Political Correctness“ – Ideologischer Code, Feindbild und Stigmawort der Rechten In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Band 31, Nr. 3, 2002, S. 291-303.

Siehe auch

Weblinks


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  • backlash — index reaction (opposition), repercussion Burton s Legal Thesaurus. William C. Burton. 2006 …   Law dictionary

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