Sira (Islam)

Sira (Islam)

as-Siratu 'n-Nabawiyyaالسيرة النبوية‎ as-siratu 'n-nabawiyya, DMG as-sīratu ʾn-nabawiyya, ‚Die Prophetenbiographie‘ ist eine literarische Gattung der islamischen Historiographie und beschäftigt sich ausschließlich mit dem Leben des Propheten Mohammed.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Forschung

Das Problem der Echtheit der frühislamischen historischen Überlieferung, vor allem die Vita des Propheten, wurden in der Forschung bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts kontrovers diskutiert. Nach Henri Lammens ist die Sira-Literatur ein frei erfundenes Interpretationsmaterial zu bestimmten Stellen des Korans, wobei er einräumt, dass die medinensische Periode der Prophetie in der Sira durchaus einen historischen Kern in der Darstellung von Mohammeds Leben haben kann. Unter H. Lammens Einfluss standen auch Regis Blachère mit seinem Werk Le problème de Mahomet und Joseph Schacht, der seine Ergebnisse auf dem Gebiet der Fiqh-Forschung auf die Sira zu übertragen versuchte.

Die quellenkritischen Untersuchungen zur Prophetenbiographie von Frants Buhl, William Montgomery Watt und Rudi Paret schlossen sich der in dieser Hinsicht gemäßigten Haltung von Theodor Nöldeke, Josef Horovitz und anderer an. Andere, eher skeptische Islamwissenschaftler der Gegenwart, wie Patricia Crone, vertrauen der Sira weit weniger, allerdings wird diese Haltung auch unter westlichen Wissenschaftlern nur von einer Minderheit vertreten. Nach dem heutigen Forschungsstand gilt die Sira in ihrem Kern als eine weitgehend authentische, historische Quelle; ausgenommen nur einige Passagen, die Mohammed glorifizieren wollen, anstatt historische Informationen zu liefern, und die deshalb zur devotionalen Literatur zählen.

Entstehung der Sira-Literatur

Die Sira-Literatur umfasst ein weites Spektrum an Material, wie politische Verträge, militärische Auflistungen, Ernennungen von Beamten usw., die von mehreren Generationen von Moslems aufgezeichnet wurden. Im Prinzip wurden die Mohammed-Biografien zusammengestellt aus Berichten darüber, was er getan hat, genauso wie die Berichte darüber, was er gesagt hat, im Hadith zusammengestellt wurden. Allerdings unterscheidet sich die Sira-Literatur dadurch von der Hadith-Literatur, dass sie im Allgemeinen nicht durch die Kette der Überlieferung (isnad) gesichert ist, wenn auch in den frühesten Siras einige Berichte von isnads begleitet sind. Dafür gibt es wahrscheinlich mehrere Gründe. Erstens war Mohammeds Lebensgeschichte wahrscheinlich gut bekannt und wurde unter den Moslems häufig erzählt und wieder-erzählt, von den frühen Tagen des Islam an. Zweitens beschäftigt sich die Sira-Literatur vor allem mit den Erzählungen über Mohammeds Leben, während es das Ziel der Hadith-Literatur ist, seine Aussagen als autoritäre Quelle für das islamische Recht zu sammeln. Die Relevanz zahlreicher Hadith-Aussagen für Rechtsstreitigkeiten machte es erforderlich, dass sie durch Isnade abgesichert wurden.

Zusammen bilden Sira und Hadith die Sunna, die Grundlage fast aller religiöser Praktiken und anderer Verhaltensregeln, die von den Muslimen zu befolgen sind.

Hauptwerke

Ibn Ishaqs Sirat Rasul Allah ist die älteste erhaltene Mohammed-Biografie; sie wurde weniger als 150 Jahre nach Mohammeds Tod verfasst. Sie ist in umfangreichen Auszügen in späteren Werken und Bearbeitungen von Ibn Hisham und at-Tabari u. a. überliefert. Es gibt zwischen den späteren Bearbeitungen und Rezensionen einige wichtige Unterschiede, die zum Teil den Inhalt der Urtextes von Ibn Ishaq betreffen: z.B.die kontroverse Episode über die Entstehung der satanischen Verse, die bei al-Tabari und in anderen späteren Werken überliefert und die allesamt auf die ursprüngliche Berichterstattung des Ibn Ishaq und seiner Gewährsmänner zurückgeht, ist in der Bearbeitung Ibn Hishams nicht erhalten. Ein Schüler des Ibn Ishaq,Yunus b. Bukair war es,der nicht nur den ursprünglichen Textbestand des ersten Sira-Werkes weitergab, sondern seinen Inhalt mit weiteren Informationen versah, die nicht auf Ibn Ishaq, sondern auf dessen Zeitgenossen zurückgingen. Die spätere historiographische Literatur hat diese "Einschübe" klar erkannt und sprach von den ‏ زيادات المغازي‎ ziyadat al-maghazi, DMG ziyādātu ʾl-maġāzī, ‚Ergänzungen zu den Maghazi = zu den Feldzügen des Propheten‘. [1]

Ein weiterer Text der frühesten Sira stammt von al-Waqidi, der allerdings nicht die Vita des Propheten Mohammed, sondern die während der Prophetie geführten Feldzüge in den Mittelpunkt seines Buches stellte.Von einigen Vertretern der frühen Historiographie wird berichtet, sie hätten schon vor Ibn Ishaq mit der Biographie Mohammeds beschäftigt, darunter 'Urwa ibn az-Zubayr ibn al-'Awwam aus Medina, den die oben genannten Ibn Ishaq und al-Waqidi als ihre Quelle nennen.Die gegenwärtige Islamforschung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass 'Urwa ibn az-Zubair als mehrfach zitierte Quelle über das Leben von Mohammed seine Informationen höchstwahrscheinlich schon schriftlich weitergeben konnte.

Einzelnachweise

  1. Miklos Muranyi: Ibn Isḥāqs Kitāb al-Maġāzī in der Riwāya von Yūnus b. Bukair. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam (JSAI), Bd. 14 (1991), S. 214-275

Siehe auch

Literatur

  • The Encyclopaedia of Islam. Brill, Leiden. 2.Aufl. 1960ff, Bd. 9, S. 660 ff..
  • 'Encyclopaedia of the Qurʾān, art. Sīra and the Qurʾān, Brill, Leiden 2001-2006, Bd. 5, S. 26–51.
  • Andreas Görke and Gregor Schoeler: Reconstructing the Earliest sira Texts: the Higra in the Corpus of 'Urwa b. al-Zubair. In: Der Islam 82 (2005), S.209–220.
  • Andreas Görke and Gregor Schoeler: Die Altesten Berichte Uber Das Leben Muhammads: Das Korpus 'Urwa Ibn Az-Zunair. Darwin Press, Princeton 2008.
  • J. von Stülpnagel: 'Urwa b. al-Zubair. Sein Leben und seine Bedeutung als Quelle frühislamischer Überlieferung. (Dissertation Tübingen 1956)
  • Gustav Weil (Übersetzer): Das Leben Mohammeds nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm. Stuttgart 1864.

Weblinks


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