Soziale Ungleichheit

Soziale Ungleichheit

Soziale Ungleichheit ist ein Begriff aus der Soziologie und bezeichnet die ungleiche Verteilung materieller oder immaterieller Ressourcen in einer Gesellschaft und die daraus resultierenden unterschiedlichen Möglichkeiten zur Teilhabe an dieser.[1] Der Begriff kann deskriptiv oder normativ verwendet werden. Als normativer Begriff impliziert er eine Gesellschaftskritik; die soziale Ungleichheit wird von der Soziologie als gesellschaftliches Problem gesehen.[2][3] Soziale Ungleichheit ist somit abzugrenzen vom neutraleren Begriff der sozialen Differenzierung[4][5] und von wertenden Begriffen wie "Soziale Schieflage" und Sozialabbau. Oft stehen bei diesen Begriffen finanzielle Faktoren im Zentrum (zum Beispiel Lohnkürzung, Streichen von geldwerten Vorteilen, Änderungen in der Sozialversicherung / soziale Sicherheit).

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Bestimmten sozialen Gruppen stehen die Möglichkeiten zur Nutzung gesellschaftlicher Ressourcen in unterschiedlichem Maße zur Verfügung.[6] Diese als „soziale Ungleichheiten“ bezeichneten Unterschiede können die Wünsche, Handlungen und Konflikte der Akteure mit bestimmen. Ursachen und Merkmale sozialer Ungleichheit können in verschiedenen Gesellschaften und im Lauf der Geschichte unterschiedlich sein, und unterschiedlich interpretiert werden.[7] Der Begriff darf nicht – wie in der Alltagssprache häufig üblich – mit dem Begriff der „Ungerechtigkeit“ gleichgesetzt werden[8], obwohl er Probleme der Gerechtigkeit thematisiert.

Bestimmungsfaktoren

Nach Stefan Hradil (2001) liegt „soziale Ungleichheit“ dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung im sozialen Beziehungsgefüge (3) von den „wertvollen Gütern“ einer Gesellschaft (1) regelmäßig mehr als andere erhalten (2) (Hradil 2001, S. 30).

  1. Wertvolle Güter: Der Begriff bezieht sich auf „Güter“, die in einer Gesellschaft als wertvoll gelten. Je mehr der Einzelne von diesen „Gütern“ besitzt, desto besser sind seine Lebensbedingungen. Insofern bestimmte „Güter“ also […] Lebens- und Handlungsbedingungen darstellen, die zur Erlangung von allgemein verbreiteten Zielvorstellungen einer Gesellschaft dienen, kommen sie als Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit in Frage (Hradil 2001, S. 28). Solche Güter können beispielsweise Geld, eine (unkündbare) Berufsstellung, Bildungsabschlüsse, Lebens- und Arbeitsbedingungen oder auch Macht sein.
  2. Verteilung: Eine sozial ungleiche Verteilung der „wertvollen Güter“ in einer Gesellschaft liegt vor, wenn ein Gesellschaftsmitglied von diesen Gütern mehr als ein anderes erhält („absolute Ungleichheit“). In der soziologischen Terminologie wird immer dann von Ungleichheit gesprochen, wenn als „wertvoll“ geltende „Güter“ nicht absolut gleich verteilt sind (Hradil 2001, S. 29).
  3. Regelmäßig ungleiche Verteilung aufgrund der Stellung im Positionsgefüge: Nicht alle Vor- und Nachteile, nicht alle Besser- bzw. Schlechterstellungen sind also Erscheinungsformen sozialer Ungleichheit, sondern nur jene, die in gesellschaftlich strukturierter, vergleichsweise beständiger und verallgemeinerbarer Form zur Verteilung kommen. Ihre Bindung an relativ konstante gesellschaftliche Beziehungen und Positionen unterscheidet soziale von anderen Ungleichheiten (Hradil 2001, S. 29).

Geschichte

Soziale Ungleichheit existiert und existierte in allen bekannten Gesellschaften und ist – obwohl sie deshalb oft als naturgegeben erscheint – immer eine sozial erzeugte Tatsache.[9] Vormoderne Erklärungsmuster sahen soziale Ungleichheit häufig als in den Gegebenheiten der Natur oder dem Willen eines Gottes begründet. So meinte z. B. Aristoteles, dass es Freie und Sklaven von Natur aus (physei) gebe. Die Antike sah dabei, ebenso wie die indische Kastengesellschaft, Ungleichheiten als natürlich an.[10] Seit Rousseaus Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen von 1755 und spätestens seit Karl Marx wurde das „Programm der Gleichheit“ häufiges politisch angestrebtes Ziel.[11] Nach Karl Marx führt die für ihn aus dem Eigentum an Produktionsmitteln resultierende soziale Ungleichheit letztlich zur Nivellierung sozialer Unterschiede in der Klassenlosen Gesellschaft (Kommunismus). Dem stehen die Konzepte des Liberalismus gegenüber. Adam Smith ging es nicht um die Frage der Gleichheit bzw. Ungleichheit, für ihn stand die Überwindung der Armut im Mittelpunkt.[12]

Auswirkungen

Die sozialen und politischen Auswirkungen sozialer Ungleichheit werden vielfach in der Soziologie und der Politikwissenschaft untersucht. Sie sind auch Gegenstand der Sozialphilosophie und der Volkswirtschaftslehre (VWL) und Arbeitsfeld der Sozialpolitik. Die gesamtwirtschaftlichen Effekte ungleicher Verteilungen sind in der Volkswirtschaftslehre umstritten. In politischen Diskussionen (Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Familienpolitik u.a.) wird eine positive Funktion von sozialer Ungleichheit behauptet. Diese Auffassung geht davon aus, dass völlige soziale Gleichstellung den Wettbewerb lähme und die Anreize zur persönlichen Leistungssteigerung verringere. Konzepte z. B. des Ordoliberalismus' und des freiheitlichen Sozialismus' entwickeln hier Ideen, die die als kritikwürdig, aber als unvermeidlich angesehene soziale Ungleichheit wirtschaftspolitisch optimal einzuschränken trachten. Der Kommunismus hingegen fordert unbedingt soziale Gleichheit und setzt auf planwirtschaftlich optimierten Fortschritt. Dem Weltentwicklungs-Bericht 2000/2001 der Weltbank zufolge „variierte die Ungleichheit weit in den 80ern und 90ern“.[13] Weltweit stieg die Ungleichverteilung der Einkommen zwischen 1960 und 1998 von etwa 50 % auf 70 %[14] Ein wahrgenommenes Gefühl der Ungleichverteilung ist nach Amartya Sen ein häufiger Mitauslöser von Aufständen in Gesellschaften.[15]

Der deutsche Soziologe Ulrich Beck prägte Ende der 1990er Jahre den Begriff der Brasilianisierung für den von ihm vermuteten sozialen Wandel Europas in Richtung zunehmender sozialer Ungleichheit.[16] Alleine schon die materielle Ungleichheit als Element sozialer Ungleichheit führt auch zu ungleichen Möglichkeiten der Teilhabe der Bürger in Demokratien, also zu politischer Ungleichheit. Das kann in einem sich selbst verstärkenden und schwer umzukehrenden Prozess erfolgen.[17]

Soziale Ungleichheit in Deutschland

Soziale Ungleichheiten werden in der Bundesrepublik Deutschland sowohl zwischen Personengruppen als auch in bzw. zwischen bestimmten Bereichen festgestellt.

Einkommensverteilung

Hauptartikel: Einkommensverteilung
Lorenzkurve der Einkommens- und der Vermögensverteilung in Deutschland (2005/2007)

Niedrigste und höchste Einkommen in Deutschland gehen seit den 1990er Jahren auseinander, die Ungleichheit nimmt zu. Zugleich schrumpft die Mittelschicht. Während das (Jahres-)Durchschnittseinkommen laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in den 1990ern weitgehend konstant blieb (bzw. von 2002 bis 2005 sogar real um 4,8 % zurückging[18]) stieg es bei

  • den oberen 10 % um 6 %,
  • den oberen 0,01 % um 17 %,
  • den wohlhabendsten 650 Deutschen um 35 % und
  • den 65 Reichsten um 53 % auf 48 Millionen Euro.[19]

nach sozialer Schicht

Laut einer 2008 vom DIW veröffentlichten Studie schrumpft die Mittelschicht in Deutschland seit Jahren, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ging von 62 Prozent im Jahr 2000 auf 54 Prozent 2006 zurück. Entsprechend gestiegen sind die Bevölkerungsanteile an den Rändern der Einkommensverteilung. Der Anteil der Einkommensarmen (mit weniger als 70 % des Jahres-Medianeinkommens) kletterte von 19 Prozent 1996 auf 25 Prozent 2006, der Anteil der Einkommensreichen (mit mehr als 150 Prozent des Jahres-Medianeinkommens) stieg von 19 Prozent 1996 auf 21 Prozent 2006. In der Mittelschicht war die Abwärtsmobilität also stärker ausgeprägt als der Aufstieg in höhere Einkommensklassen. Bei ärmeren Bevölkerungsschichten zeigte sich eine deutliche Verfestigung ihres Zustands und verringerten sich also die Chancen, in bessere Einkommensklassen aufzusteigen.[20] Eine neue Studie des DIW von 2010 belegt eine deutlich höhere relative Einkommensarmut als noch vor zehn Jahren. So lagen rund 14% der Gesamtbevölkerung mit ihrem verfügbaren Einkommen unter der Armutsrisikoschwelle. Darunter finden sich vor allem Haushalte mit Kindern und jungen Erwachsenen.[21]

nach Region

Bei der regionalen Einkommensverteilung kann man in Deutschland von einer Dreiteilung sprechen, mit einem relativ ärmsten Ostdeutschland mit ca. 20 % Armutsanteil, einem mittleren Bereich Nordwestdeutschland mit ca. 15 % Armutsanteil und einem relativ reichsten Südwestdeutschland mit ca. 11 % Armutsanteil. Regionales Schlusslicht ist Vorpommern mit ca. 27 % Armutsanteil, indes die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg im Südwestdeutschland nur einen Anteil von 7,4 % aufweist.[22]

Gerechtes Einkommen - Wahrnehmung und Wirklichkeit

Nach einer Umfrage der Humboldt-Universität im Auftrag des Magazins Geo ging im Sommer 2007 die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland davon aus, dass „die Schere zwischen Arm und Reich“ sich weiter öffne.[19] Die Befragten gingen davon aus, dass die durchschnittlichen Gehälter der Vorstandsvorsitzenden im Jahr 2006 bei 125.000 Euro monatlich lägen, wobei lediglich ein Monatseinkommen der Vorstandsvorsitzenden in Höhe von 48.000 Euro monatlich als „gerecht“ empfunden wurde. Das Monatseinkommen der Vorstandsvorsitzenden der DAX-Aktiengesellschaften lag 2006 bei 358.000 und damit siebeneinhalb höher als das als „gerecht“ empfundene Monatseinkommen für Vorstandsvorsitzende. 2007 sind sie auf 374.000 Euro[23] bzw. 391.000 Euro[24] gestiegen.

Viele Beschäftigte haben ein so niedriges Einkommen, dass sie zusätzlich zum Einkommen Hartz IV-Leistungen (Arbeitslosengeld II) erhalten („Arm trotz Arbeit“). Im Jahre 2006 waren dies 1,09 Mio. Beschäftigte, wovon 38,5 % vollzeitbeschäftigt, 14,1 % teilzeitbeschäftigt und 47,4 % geringfügig beschäftigt waren.[25] Viele von ihnen arbeiten im so genannten Niedriglohnsektor (zum Beispiel als Frisöre, Erntehelfer, Gebäudereiniger), wo Stundenlöhne zwischen 3 und 6 Euro gezahlt werden. Insgesamt arbeiteten im Jahre 2006 5,5 Mio. Beschäftigte für einen Stundenlohn unter 7,50 Euro. Im Jahre 2004 waren es noch 4,6 Mio. Beschäftigte (Steigerung um 20 %). 1,9 Mio. Beschäftigte arbeiteten 2006 sogar für einen Stundenlohn unter 5 Euro.[26] Etwa 75 % aller Einwohner in Deutschland über 18 Jahre haben ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 2000 Euro.[27]

Dass die tatsächlichen Einkommensunterschiede höher sind als die von Menschen mit wenig Einkommen vermuteten, wird mit dem psychologischen Ansatz der kognitiven Dissonanz erklärt: „Er [der Betroffenen] findet sich mit der Situation ab und redet die Ungerechtigkeit klein. Er unterschätzt seinen Abstand zu Bessergestellten – und steigert so sein Selbstwertgefühl.“[19]

Höchstlohn-Debatten (2007)

(Hauptartikel siehe Höchstlohn)

Die Ungleichverteilung löste im Dezember 2007 eine gesellschaftliche Debatte um einen Höchstlohn aus.[28]

Zudem sind die Benachteiligungen bei den Löhnen und Gehältern, die Frauen in Kauf nehmen müssen, noch immer in den meisten Staaten der Welt erheblich. In Deutschland beispielsweise, wo das Grundgesetz die Gleichberechtigung der Geschlechter festlegt, betragen die Lohnunterschiede zwischen berufstätigen Männern und Frauen ca. 20 %, obwohl mehr junge Frauen über eine abgeschlossene gymnasiale Bildung verfügen als Männer.[29]

Jakob Augstein konstatierte im Juli 2011:

„"Der Wirtschaft geht es gut, vielen Menschen nicht. Es ist lange her, dass sich am Stand der Wirtschaft ablesen ließ, wie es den Menschen geht. Heute hat das eine mit dem anderen wenig zu tun. Und wer sagt, dass es Deutschland gut geht, betreibt damit bereits Politik. Denn er verschleiert das größte Problem des Landes: die soziale Ungleichheit."[30]

Mindestlohn-Debatte (2011)

(Hauptartikel siehe Mindestlohn#Deutschland)

Im Anschluss an die Immobilienkrise / Finanzkrise, Euro-Krise und der Griechischen Finanzkrise flammte in Deutschland im Herbst 2011 wieder die Forderung nach einem Mindestlohn auf, den es in vielen Euro-Ländern bereits gibt. Zwar gibt es auch in Deutschland Mindestlöhne als Bestandteil von Tarifverträgen, aber eben nicht in Gesetzesform. Vermutlich im Hinblick auf die Bundestagswahl 2012 und den erheblichen Wahlschlappen der FDP bei diversen Landtagswahlen wurde nun unisono die Einführung eines Mindestlohnes öffentlich diskutiert - und anscheinend hat dies auch Aussicht auf Erfolg. Hintergrund ist wohl auch, dass die Staatskassen (Staatsverschuldung) leer sind und Mindestlöhne auch mehr Steuereinnahmen bedeuten, was die Finanzhaushalte des (überschuldeten) Staates, der Pflege-, Kranken- und Arbeitslosenversicherungen und somit auch der (überschuldeten) Bundesländer, Städte und Gemeinden zwar nicht sanieren, aber entlasten würde.

Vermögensverteilung

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom November 2007[31] kommt zu dem Ergebnis, dass die Vermögensverteilung in Deutschland noch ungleicher ist als die Einkommensverteilung:

  • das Vermögen (ohne Sachvermögen und nach Abzug der Schulden) aller Erwachsener beträgt 5,4 Billionen Euro.
  • ein Zehntel aller Erwachsenen besitzen über 60 % des Vermögens (3,24 Billionen Euro). Weitere zwei Zehntel aller Erwachsenen besitzen 30 % des Vermögens (1,62 Billionen Euro). Insgesamt besitzen also drei Zehntel aller Erwachsenen 90 % des Vermögens (4,86 Billionen Euro).[32]
  • sieben Zehntel aller Erwachsenen besitzen nur 10 % des Vermögens (0,54 Billionen Euro).
  • 1 % der Bevölkerung besitzt etwa ein Viertel des gesamten Vermögens in Deutschland - und damit mehr als die unteren 80 % und sogar mehr als doppelt soviel wie die unteren 70 % zusammengenommen. (Quelle: www.spiegel.de - Bericht vom 21. Januar 2009)
  • die unteren 80 % der Bevölkerung besitzen zusammen weniger als 20 % des Vermögens in Deutschland.[32]
  • man kann bei der Vermögensverteilung in Deutschland also von einer kleinen Oberschicht (circa 10 %), einer kleinen Mittelschicht (circa 20 %) und von einer großen Unterschicht (circa 70 %) sprechen.
  • zwei Drittel der Erwachsenen verfügt über kein oder nur ein sehr geringes Vermögen.
  • im Durchschnitt betrug das individuelle Netto- Vermögen im Jahr 2002 rund 81.000 Euro. Aufgrund der sehr ungleichen Verteilung liegt der Median, also der Wert, der die reiche Hälfte der Bevölkerung von der ärmeren trennt, nur bei etwa 15.000 Euro.
  • weitere Sozialstrukturanalysen zeigen große Unterschiede im individuellen Netto-Vermögen zwischen Männern und Frauen (96.000 Euro beziehungsweise 67.000 Euro) sowie zwischen Personen ohne und mit Migrationshintergrund (87.000 Euro beziehungsweise 47.000 Euro).

Bildung

Bildung gilt in den gegenwärtigen Gesellschaften der Industrienationen als eine der wichtigsten Dimensionen sozialer Ungleichheit. War in der Feudalgesellschaft der Besitz von Grund und Boden für finanziellen Erfolg und gesellschaftliches Ansehen wichtig, so ist wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erfolg heutzutage ohne Bildung nahezu undenkbar. Bildung spielt demnach in der Ungleichheitsforschung eine zentrale Rolle. Verschiedene Studien haben eine Bildungsbenachteiligung in der Bundesrepublik Deutschland für Arbeiter- und Migrantenkinder festgestellt. Diese Ungleichheit wurde und wird von internationalen Organisationen wie der UNESCO, der UNICEF, der EU-Kommission, der OECD und dem UN-Menschenrechtsbeobachter Vernor Muñoz kritisiert.

Gesundheit

Auch wird eine Soziale Ungleichheit der Gesundheitschancen festgestellt. Insbesondere sind Kinder aus armen Haushalten (Kinderarmut in den Industrieländern), Migranten, alleinerziehende Frauen und Arbeitslose von einem höheren Erkrankungsrisiko betroffen. Die Europäische Union hat eine zweistufige Kampagne gegen die Soziale Ungleichheit in der Gesundheit initiiert, die auch wissenschaftlich begleitet wird, unter anderem durch Fachkongresse zu diesem Thema.

Soziale Ungleichheit in den USA

Die reichsten 10 Prozent der Amerikaner erzielten 2007 mit 49,7 Prozent fast die Hälfte des Gesamteinkommens. In den 70er Jahren lag der Anteil noch bei 33 Prozent.[33]

Soziale Ungleichheit weltweit

Weltweit geht diese Schere noch sehr viel weiter auseinander.

Vermögen:

  • 1 % der Weltbevölkerung hält etwa 40 % des weltweiten Vermögens. Die reichsten 2 % der Weltbevölkerung besitzen mehr als 51 % des weltweiten Vermögens. Auf die reichsten 10 % entfallen etwa 85 % des weltweiten Vermögens.
  • Auf die unteren 50 % der Weltbevölkerung entfällt weniger als 1 % des weltweiten Vermögens.[34]
  • Das gesamte globale Vermögen beträgt etwa 125 Billionen Dollar.[35]
  • Die 1210 Dollar-Milliardäre, die es weltweit gibt, halten zusammen ein Vermögen von ca. 4,5 Billionen Dollar. Damit besitzen sie etwa vier mal so viel wie die untere Hälfte der Weltbevölkerung (etwa 3,5 Milliarden Menschen) zusammengenommen.[36]
  • In den USA – der größten Volkswirtschaft der Welt – hält nur 1 % der Bevölkerung über 50 % des gesamten Vermögens (Quelle: www.hartgeld.com - Bericht vom 31. Mai 2007)
  • über 80 % der Weltbevölkerung leben von weniger als 10 US-Dollar am Tag.[37]
  • etwa 1,4 Milliarden Menschen (über 20 % der Weltbevölkerung) lebt von weniger als 1,25 US-Dollar (oder 1 Euro) am Tag[38])
  • über 50 % der Weltbevölkerung lebt von weniger als 2 US-Dollar am Tag[39])
  • Dem aktuellen „World Wealth Report“ zufolge gibt es weltweit derzeit etwa 10,1 Millionen US-Dollar-Millionäre (davon 826.000 aus Deutschland). Zusammen verfügen diese 10,1 Mio. Millionäre (weniger als 0,2 % der Weltbevölkerung) über 40,7 Billionen US-Dollar. Dies entspricht fast einem Drittel des gesamten Vermögens auf der Welt.[40]
  • Damit halten diese etwa 10 Millionen Millionäre ein Vermögen das mehr als doppelt so hoch ist wie die unteren 90 % der Weltbevölkerung (über 6 Milliarden Menschen) zusammengenommen.
  • Um zu den reichsten 10 % der Weltbevölkerung zu gehören bedarf es eines Vermögens von 45.780 Euro.[35]
  • Um sogar zu den reichsten 1 % der Weltbevölkerung zu gehören bedarf es eines Vermögens von 375.250 Euro.[35]

Einkommen:

  • 2005 hatten 48,3 % der Weltbevölkerung (3,14 Mrd. Menschen) ein Einkommen von weniger als 2,5 US$/Tag und 21,5 % der Weltbevölkerung (1,4 Mrd. Menschen) ein Einkommen von weniger als 1,25 US$/Tag.[41] 2003 hungerten 17 % der Menschen in den Entwicklungsländern.[42] 1981 hatten noch 60,4 % der damaligen Weltbevölkerung (2,73 Mrd. Menschen) ein Einkommen von weniger als 2,5 US$/Tag und 42,2 % der Weltbevölkerung (1,91 Mrd. Menschen) ein Einkommen von weniger als 1,25 US$/Tag. Die Verbesserungen wurden jedoch fast ausschließlich in China erreicht. In den anderen Entwicklungsländern sind nur die prozentualen Anteile (durch die stark gestiegene Weltbevölkerung) verringert worden, jedoch die absoluten Zahlen weiter gestiegen.
  • Der Anteil der Einkommensarmen weltweit (mit weniger als 3470 US$/Jahr) beträgt 78 %. Der Anteil der Einkommensreichen weltweit (mit mehr als 8000 US$/Jahr) beträgt 11 %.[43]

Messung der sozialen Ungleichheit

Soziale Ungleichheit kann gemessen werden. "Unter "Messen" wird allgemein die Zuordnung von Zahlen (Meßwerten") zu Objekten gemäß festgelegten Regeln verstanden."[44] Anwendung findet die Vergleichsmethode, durch die Gleichheit oder Ungleichheit erkannt wird. Die Messung sozialer Ungleichheit kann auf verschiedenen Messniveaus erfolgen. Der Grad der Ungleichverteilung wird mit Ungleichverteilungsmaßen quantifiziert. Ein Beispiel ist der Gini-Koeffizient. Das einfachste Maß ist die Hoover-Ungleichverteilung. Entropiemaße wie der Theil-Index versuchen, sich aus Ungleichverteilungen in der Physik und Informationstheorie ergebende Ausgleichspotentiale mit der Wirkung von Ungleichverteilungen der Ressourcen in Gesellschaften zu vergleichen.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Nach D[etlev] K[rause], Ungleichheit, soziale. In: Werner Fuchs-Heinritz u. a.: Lexikon zur Soziologie, 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, S. 686
  2. Bernhard Schäfers:Ungleichheit. In: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik [1]
  3. Eva Barlösius: Gleichwertig ist nicht gleich[2]
  4. Hartmut Esser: Soziologie - Spezielle Grundlagen, Seite 113
  5. Hartmut Esser: Soziologie - Allgemeine Grundlagen, Seite 453
  6. Petra Frerichs:Klasse und Geschlecht als Kategorien sozialer Ungleichheit. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 52, Number 1 / März 2000 [3]
  7. Nicole Burzan: Soziale Ungleichheit - Eine Einführung in die zentralen Theorien, Seite 8
  8. Gerd Reinhold, Siegfried Lamnek, Helga Recker: Soziologie-Lexikon, Seite 590
  9. Martin Greiffenhagen/Sylvia Greiffenhagen: Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, Seite 567
  10. Nicole Burzan: Soziale Ungleichheit. Eine Einführung in die zentralen Theorien, S. 8
  11. Hans-Peter Müller/Michael Schmid: Hauptwerke der Ungleichheitsforschung, S. 5
  12. Bundeszentrale für politische Bildung - Druckversion: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik
  13. Box 3.5 im Kapitel 3 des World Development Report 2000/2001
  14. Die Prozentangaben sind Gini-Koeffizienten für eine in drei Einkommensgruppen aufgeteilte Weltbevölkerung (http://www.umverteilung.de/#global).
  15. … A perceived sense of inequity is a common ingredient of rebellion in societies …, Amartya Sen, 1973
  16. Ulrich Beck: Vollbeschäftigung – eine Redefinition von Arbeit. Die Brasilianisierung Westeuropas, Journalistik Journal, Jg. 3, Nr. 1, Frühjahr 2001
  17. Robert Alan Dahl in den Kapiteln The Presence of a Market Economy (S. 63 ff), The Distribution of Political Resources (S. 84 ff) und Market Capitalism and Human Dispositions (S. 87 ff) in On Political Equality, 2006, 120 S., Yale University Press, ISBN 978-0-300-12687-7 (Themen des im Jahr 1915 geborenen Autors in diesem Buch: die Grundlagen der Demokratie, die Bedeutung politischer Teilhabe für die Demokratie, eine Skala für den Grad der „Polyarchie“, zwei Zukunftsszenarien; Kategorien der Library of Congress: „1. Democracy, 2. Equality“); Übersetzung: Gabriele Gockel, Barbara Steckham, Thomas Wollermann: Politische Gleichheit - ein Ideal? Hamburg, 2006, ISBN 978-3-936096-72-9
  18. Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. In: Bundesanzeiger. Juni 2008, abgerufen am 26. August 2008.
  19. a b c GEO Magazin Nr. 10/07: GEO-Umfrage: Was ist gerecht?
  20. Schrumpfende Mittelschicht – Anzeichen einer dauerhaften Polarisierung der verfügbaren Einkommen? In: DIW Wochenbericht. 5. März 2008, abgerufen am 9. März 2008.
  21. Weiterhin hohes Armutsrisiko in Deutschland. Kinder und junge Erwachsene sind besonders betroffen. In: DIW Wochenbericht. Februar 2010, abgerufen am 19. Februar 2010.
  22. Armutsatlas des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Mai 2009, abgerufen am 24. Mai 2009.
  23. Focus: Gehälter der Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen [4]
  24. [5]
  25. Geschäftsbericht 2006, S.45. In: Bundesagentur für Arbeit. 2007, abgerufen am 26. August 2008.
  26. Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf. Neue Berechnung des IAQ zu Niedriglöhnen in Deutschland. Institut Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg-Essen. In: Pressemitteilungen. 2007, abgerufen am 26. August 2008.
  27. - Statistik monatliches Nettoeinkommen
  28. Spiegel:Gesellschaftliche Schieflage. Deutsche vermissen soziale Gerechtigkeit[6]
  29. Gisela Mohr:Lohnnachteil für Frauen. In: Rheinische Post, 17. Oktober 2009
  30. spiegel.de vom 7. Juli 21011: Armes, reiches Deutschland. - Krise überwunden, Wirtschaft läuft, Arbeitslosigkeit niedrig. Also alles in Ordnung? Leider nicht. Der Wirtschaft geht es gut, vielen Menschen nicht. Daran müssen sich alle Parteien messen lassen.
  31. Wochenbericht des DIW: Vermögen in Deutschland wesentlich ungleicher verteilt als Einkommen (PDF-Datei), 7. November 2007
  32. a b Spiegel.de - Ungleichheit in Prozent
  33. Telepolis: „USA: Einkommensungleichheit größer denn je“, Florian Rötzer, 17. August 2009
  34. Der Gini-Koeffizient beträgt für die weltweite Vermögensverteilung nach diesen Angaben 85 % Das ist ein Mindestwert, weil die Ungleichverteilung innerhalb der Gruppen (d.h. zwischen den Quantilen) hier nicht erfasst wird.
  35. a b c www.spiegel.de: Bericht vom 5. Dezember 2006, www.orf.at: Bericht vom 5. Dezember 2006
  36. „Forbes“-Liste der Reichsten, abgerufen am 11. März 2011
  37. Aktion von Intel - Bericht vom 2. Januar 2009
  38. zeit.de Bericht vom 27. August 2008
  39. Spiegel.de - Bericht vom 23. August 2005
  40. www.n-tv.de: Bericht vom 24. Juni 2008
  41. Shaohua Chen, Martin Ravallion. The developing world is poorer than we thought, but no less successful in the fight against poverty. Policy Research Working Paper 4703, The World Bank Development Research Group, August 2008.
  42. United Nations. The Millennium Development Goals Report. Statistical Annex 2007.
  43. Milanovic, Branko und Yitzhaki, Shlomo, 2002. Decomposing World Income Distribution: Does the World Have a Middle Class?, Review of Income and Wealth, Blackwell Publishing, vol. 48(2), pages 155-78, Juni 2002.
  44. Schnell, Rainer, Hill, Paul, Esser, Elke: Methoden der empirischen Sozialforschung. R. Oldenbourg Verlag, München, Wien 1999, S. 136

Weblinks


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