Soziologische Akteurmodelle

Soziologische Akteurmodelle

Als Soziologische Akteurmodelle werden in der Soziologie theoretische Modelle bezeichnet, mit denen versucht wird, das Verhalten und insbesondere das soziale Handeln von Akteuren zu erklären. Akteure können in diesen Betrachtungen sowohl einzelne Individuen als auch als Einheit aufgefasste Gruppen von Individuen – so genannte kollektive Akteure – sein. Die bekanntesten und am häufigsten angewandten soziologischen Akteurmodelle sind der Homo oeconomicus und der Homo sociologicus.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Als allen soziologischen Akteurmodellen gemein lässt sich der Versuch bezeichnen, Gesetzmäßigkeiten in den Handlungswahlen von Akteuren zu finden. Um Gesetzmäßigkeiten ausfindig machen zu können, wird den Akteuren dabei unterstellt, dass ihr Handeln strukturell beeinflusst ist. Welche Arten von strukturellen Einflüssen zur Erklärung von Handlungswahlen herangezogen werden ist je nach Modell und Anwendung unterschiedlich.

Verhalten, Handeln und soziales Handeln

Wie auch sonst in der Soziologie wird bei der Beschreibung von Akteurmodellen oft zwischen Verhalten sowie Handeln und sozialem Handeln unterschieden. Diese Unterscheidung geht unter anderem zurück auf Max Weber. Als Handeln gilt dabei solches Verhalten, mit dem das handelnde Subjekt einen subjektiven Sinn verbindet. Das Handeln wiederum wird dann zu sozialem Handeln, wenn es seinem subjektiven Sinn nach auf das Verhalten anderer Subjekte bezogen ist.

Verortung innerhalb der Soziologie

Die Beziehung der soziologischen Akteurmodelle zu anderen soziologischen Betrachtungen lässt sich beispielhaft an Konzepten von Anthony Giddens und Hartmut Esser aufzeigen.

Nach der von Anthony Giddens formulierten Strukturationstheorie und dem in ihr enthaltenen Konzept der Dualität der Struktur sind die strukturellen Eigenschaften sozialer Systeme „... sowohl Medium wie Ergebnis der Praktiken, die sie rekursiv organisieren“ (Giddens 1988, S. 77). Diese Betrachtung deutet darauf hin, dass das Verhalten von Akteuren zum einen durch die Struktur sozialer Systeme beeinflusst wird, diese Strukturen zum anderen aber auch durch das Verhalten der Akteure produziert – also ähnlich reproduziert oder verändert – werden. Die Beeinflussung von Strukturen und Verhalten ist also wechselseitig.

Ein ähnlicher Sachverhalt lässt sich aus den von Hartmut Esser unterschiedenen drei Logiken der Situation, Selektion und Aggregation ableiten: Während die Logik der Situation die beeinflussenden strukturellen Bedingungen und die Logik der Selektion die von Akteuren getroffenen Handlungswahlen kennzeichnet, bezeichnet die Logik der Aggregation die aus den jeweils vorhergehenden strukturellen Bedingungen und Handlungswahlen entstehende neue Logik der Situation.

In diesen eher ganzheitlichen Betrachtungen lassen sich zwei Theoretisierungsansätze von Sozialität ausmachen, die, würde man es bei diesen belassen, zu den von Alan Dawe so bezeichneten zwei Soziologien führen würden: der strukturtheoretischen Soziologie sozialer Systeme und der handlungstheoretischen Soziologie sozialen Handelns. Die soziologischen Akteurmodelle ließen sich in einer solchen Betrachtung als Handlungstheorien der zweiten dieser beiden „Soziologien“ zuordnen.

Beispiele für Akteurmodelle

Homo sociologicus

Hauptartikel: Homo sociologicus

Dem Akteurmodell des Homo sociologicus zufolge zeichnen sich Akteure dadurch aus, dass ihr Handeln primär durch Rollenerwartungen bestimmt ist, die an von ihnen besetzte Rollen gerichtet sind. Diese Rollenerwartungen gehen von verschiedenen Bezugsgruppen der jeweiligen Rollen aus, welche die Erfüllung dieser Erwartungen durch positive und negative Sanktionen durchzusetzen versuchen. Üblicherweise wird von einer Internalisierung vieler Rollenerwartungen durch die Akteure ausgegangen.

Von einfachen Anwendungen des Homo sociologicus, bei denen die Akteure durch bloßes Erfüllen der an sie gestellten Rollenerwartungen gekennzeichnet sind, lassen sich solche Anwendungen unterscheiden, in denen Akteuren in mehr oder weniger großem Umfang gestattet oder auch abverlangt wird, ihre Rollen selbst auszugestalten. Als Anlass für solches Rollengestalten werden insbesondere Rollenkonflikte angesehen, z. B. Unvereinbarkeiten zwischen Rollenerwartungen, die von verschiedenen Bezugsgruppen der Rolle eines Akteurs oder an verschiedene von ihm besetzte Rollen gestellt werden.

Homo oeconomicus

Hauptartikel: Homo oeconomicus

Der Homo oeconomicus bezeichnet ein Akteurmodell welches nicht zuletzt in den Wirtschaftswissenschaften Verwendung findet und bei dem Akteure auf der Grundlage entweder – je nach Anwendung – vollkommener oder begrenzter Kenntnisse ihrer in jedem Fall eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten sowie deren Konsequenzen versuchen, rational diejenige dieser möglichen Handlungen auszuwählen, welche ihnen den – abhängig von ihren Zielen – größten Nutzen bringt.

Dem Akteurmodell des Homo oeconomicus liegt die Theorie der rationalen Entscheidung zugrunde.

Ein einfaches Beispiel für die Anwendung des Homo oeconomicus ist das einer Konsumentin, die mit begrenzten Geldmitteln versucht, aus dem ihr zur Verfügung stehenden Warenangebot eine für sie möglichst vorteilhafte Auswahl zu treffen.

Vergleich der Akteurmodelle

Die beiden Akteurmodelle weisen Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Zu den Gemeinsamkeit von Homo Oeconomicus und Homo Sociologicus zählt aufgrund der Funktion dieser Modelle, menschliches Handeln zu erklären, u.a. die Annahme, dass der Akteur eine Auswahl zwischen mehreren Handlungsalternativen trifft und eine einzige (von mehreren als einander ausschließend angenommenen) Alternative auswählt. Unterschiede bestehen beispielsweise in den Annahmen bezüglich der Anzahl der Alternativen, die bei der Auswahl Berücksichtung finden. Der Homo Oeconomicus ist (in der Regel) über alle Alternativen vollständig informiert. Eine solche Annahme liegt dem Homo Sociologicus nicht (explizit) zugrunde.

Weitere Beispiele

Auch die folgenden in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften verwendeten Akteurmodelle lassen sich als Beispiele aufführen:

  1. Identitätsbehaupter: ein mit Bezug auf sein eigenes Selbstbild handelndes Subjekt
  2. emotional man: ein emotional handelndes Subjekt
  3. Homo oecologicus: der Mensch als ökologisch handelndes Wesen
  4. Homo culturalis: Gegenmodell zum Homo oeconomicus nach Walter Eucken, starke Schnittmengen mit den Konzepten des Homo sociologicus und Homo oecologicus
  5. Homo reciprocans: berücksichtigt das Verhalten anderer Akteure bei der Nutzenfunktion mit
  6. Homo laborans: der Mensch als arbeitendes Wesen
  7. Homo ludens: der Mensch als spielendes Wesen

Siehe auch

Literatur

  • Hartmut Esser: Soziologie - Allgemeine Grundlagen, 2. Auflage, Frankfurt a.M. 1996, Kapitel 6, S. 83 – 118 und 14, S. 231 – 239.
  • Anthony Giddens: Die Konstitution der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1988

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