Spandauer Straße (Berlin)

Spandauer Straße (Berlin)
Blick von der Heilig-Geist-Kapelle durch die Spandauer Straße zum Roten Rathaus

Die Spandauer Straße ist eine Straße im Berliner Ortsteil Mitte im gleichnamigen Bezirk Mitte und gehört zu den ältesten Verkehrswegen der Hauptstadt. Ihr Name geht auf den heutigen Ortsteil Spandau im Westen der Stadt zurück, nach dem auch die Spandauer Vorstadt und das ehemalige Spandauer Tor benannt sind, beide in nächster Umgebung der Straße. Entlang der Spandauer Straße befinden sich zahlreiche historische und moderne Kulturdenkmäler.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die etwa 700 Meter lange Straße befindet sich in der Berliner Altstadt und quert diese in Nordwest-Südost-Richtung. Sie ist in gesamter Länge vierspurig und lässt sich anhand der Bebauung in drei etwa gleich lange Abschnitte unterteilen.

Der Westteil der Straße führt vom Garnisonkirchplatz zur Karl-Liebknecht-Straße und besitzt als einziger eine Straßenbahntrasse. Diese entstand beim Wiederanschluss des Alexanderplatzes an das Berliner Straßenbahnnetz. Während die Nordseite wie die benachbarte Karl-Liebknecht-Straße mehrgeschossige Wohn- und Ladenzeilen prägen, befinden sich auf der Südseite Gebäude in berlintypischer Blockbebauung.

An der Ecke Karl-Liebknecht-Straße kreuzt die Straße gleichzeitig die Bundesstraßen 2 und 5, die Straßenbahn zweigt ebenfalls nach links auf die Karl-Liebknecht-Straße und führt weiter zum Alexanderplatz.

Der sich anschließende mittlere Abschnitt bis zur Rathausstraße durchschneidet die Grünfläche zwischen Alexanderplatz und dem ehemaligen Palast der Republik und weist keine Randbebauung auf. Die Freifläche entstand um das Jahr 1950 nach Räumung der Kriegsruinen und wurde in den 1960er Jahren grundlegend umgestaltet.

Der letzte Abschnitt zwischen Rathausstraße und Molkenmarkt wird einerseits vom Roten Rathaus auf der Nordseite sowie vom rekonstruierten Nikolaiviertel auf der Südseite eingegrenzt. Die ursprüngliche Bebauung reichte bis in die 1960er Jahre zum Molkenmarkt. Mit dem Umbau dieses wurde aus dem einstigen länglichen Platz, durch den die Spandauer Straße und der Mühlendamm einen durchgehden Straßenzug bildeten in eine Kreuzung umgestaltet. Hauptanliegen dieses Umbaus war es, die Fernstraße 1 – die heutige Bundesstraße 1, deren alter Verlauf ab Alexanderplatz über die Rathaus- und Spandauer Straße zum Mühlendamm führte, umzulegen, um den Individualverkehr nicht mehr direkt über den Alexanderplatz zu leiten, sondern diesen an dem Platz vorbeizuführen. Der Mühlendamm bildet seitdem eine Achse mit der nördlich angrenzenden Grunerstraße, die Spandauer Straße geht dagegen in die Stralauer Straße über.

Geschichte

Blick durch die Spandauer Straße auf das Heilig-Geist-Spital, den Pulverturm und das dahinter liegende Spandauer Tor um 1700

Ursprung der Straße

Die Entstehungszeit der Spandauer Straße ist etwa deckungsgleich mit der Gründung Berlins im frühen 13. Jahrhundert. Sie gehörte zu den vornehmsten Straßen Berlins mit einigen der wichtigsten Institutionen wie dem Berliner Rathaus oder dem Heilig-Geist-Spital.

In mittelalterlichen Städten war es üblich, dass die Ausfallstraße und ihr Stadttor namensgleich waren, für Berlin waren dies unter anderem die Stralauer Straße mit dem Stralauer Tor und die Georgenstraße (heute: Rathausstraße) mit dem Georgentor. Die Spandauer Straße dagegen war zwar ein durchgehender Straßenzug, jedoch besaß jeder Abschnitt einen anderen Namen, in Höhe des Berliner Rathauses sogar jede Straßenseite. Erst mit dem Ausbau Berlins zur Festung wurden die einzelnen Straßen als Spandauer Straße zusammengefasst. Da das Tor nach Nordosten verschoben werden musste, endete die Straße am Festungsgraben. Über eine neu angelegte Verbindungsstraße wurden beide miteinander verknüpft. An der Kreuzung dieser neuen Verbindungsstraße wurde der Garnisonkirchplatz zusammen mit der gleichnamigen Kirche angelegt. Im Einzelnen bildeten die folgenden Straßen den Ursprung der heutigen Spandauer Straße:

  • Am Spandauer Thore (zwischen Spandauer Tor und Neuem Markt)
  • Am Kohlenmarkte (zwischen Neuem Markt und Rathaus)
  • Neben dem Rathaus (auf Höhe des Rathauses, Straßenseite vom Rathaus)
  • Gegen dem Rathaus (auf Höhe des Rathauses, gegenüberliegende Straßenseite vom Rathaus)
  • Middelstraße (zwischen Rathaus und Molkenmarkt)

In der darauffolgenden Zeit verlor die Straße ihre ursprüngliche Bedeutung (Weg nach Spandau) und entwickelte sich zu einer Spange zwischen dem Molkenmarkt, der Georgenstraße (ab 1701: Königsstraße) und später dem Ausläufer des Boulevards Unter den Linden.

Zerstörung und Wiederaufbau zur Verkehrsspange

Blick vom Molkenmarkt in die Spandauer Straße im Jahr 1902

Im ausgehenden 19. Jahrhundert entwickelte sich die Straße zu einem Nadelöhr für den aufkommenden öffentlichen Personenverkehr, allen voran die Straßenbahn. Seit 1883 existierte eine Pferdebahnstrecke auf der gesamten Länge der Straße, dabei wurde der Ostteil zwischen Königsstraße und Molkenmarkt wesentlich stärker befahren, da dieser die damals kürzeste Verbindung zwischen den beiden Zentren Alexanderplatz und Zoologischer Garten darstellte. Im Jahre 1913 verkehrten auf dem Ostabschnitt pro Stunde und Richtung 206 Wagen. Auf dem Westabschnitt waren es dagegen nur 58.[1]

Die dichte Bebauung inmitten von Altberlin blieb über Jahre erhalten, die Bauten wurden dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst. Sie sollte sich erst mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen drastisch verändern. Mit Ausnahme der Heilig-Geist-Kapelle und dem Roten Rathaus waren fast alle Gebäude der Straße völlig zerstört. Während an diesen beiden Bauten sowie später an der Ruine der Nikolaikirche die Schäden beseitigt wurden, sprengte man die übrigen Ruinen. Die so entstandene Freifläche zwischen der Liebknechtstraße (Verlängerung der Straße Unter den Linden, ab 1969 Karl-Liebknecht-Straße) und der Rathausstraße (ehemalige Königsstraße, Name ab 1951) besteht bis heute und ist markant für das Zentrum Ost-Berlins. Die Straßenbahnstrecke aus dem Jahre 1883 wurde ebenfalls nicht wieder aufgebaut.

Mit dem Ausbau zur „Hauptstadt der DDR“ waren in dem Gebiet um den Alexanderplatz bis hin zur Spreeinsel umfangreiche Arbeiten vorgesehen, die die Spandauer Straße mit betrafen. Ausgehend vom Garnisonkirchplatz, der als solcher nur noch dem Namen nach existierte, entstanden an der Ecke Karl-Liebknecht-Straße auf der Südseite das Palasthotel sowie auf der Nordseite eine kombinierte Geschäfts- und Wohnzeile, die sich bis zur Stadtbahn hinzog. Im weiteren Verlauf folgten das Marx-Engels-Forum auf der Süd-, sowie der vom ehemaligen Schloßplatz verlegte Neptunbrunnen auf der Nordseite. Den Abschluss bildeten das Nikolaiviertel, dessen Wiederaufbau erst zum 750-jährigen Stadtjubiläum 1987 fertig gestellt wurde, und das Rote Rathaus. Der Molkenmarkt als Endpunkt der Straße wurde ebenfalls umgestaltet, wobei die ursprüngliche Platzform verlorenging. Heute befindet sich dort eine für den Massenverkehr ausgebaute Kreuzung. Die Spandauer Straße wurde auf vier bis sechs Spuren ausgebaut.

1998 wurde der westliche Abschnitt der Straße zwischen Garnisonkirchplatz und Karl-Liebknecht-Straße umgebaut, um Platz für eine neue Straßenbahntrasse über den Alexanderplatz – kurz Alex I genannt – zu schaffen. Der weitere Umbau der Straße soll in den kommenden Jahren zusammen mit dem Molkenmarkt erfolgen, der dann seine ursprüngliche Form wieder erhalten soll. Hier soll zudem die Trasse für eine weitere Straßenbahnstrecke freigehalten werden.[2]

Entlang der Straße

Vom Hackeschen Markt bis zur Karl-Liebknecht-Straße

Heilig-Geist-Spital

Handelshochschule mit der integrierten Heilig-Geist-Kapelle (unten links)

Das Heilig-Geist-Spital an der Spandauer Straße 1 war eines von insgesamt drei Spitälern in der Doppelstadt Berlin-Cölln. Die Anlage entstand vermutlich bei der ersten Erweiterung Berlins, als das Siedlungsgebiet, das zunächst nur das heutige Nikolaiviertel umfasste, bis an die heutige Dircksenstraße ausgeweitet wurde. Die Ersterwähnung erfolgte in einem Gildebrief der Bäcker im Jahr 1272. Der Komplex verfügte neben dem eigentlichen Spital über eine Kapelle, einen Rüsthof, einen Wursthof, sowie ab dem Jahr 1600 über ein Brauhaus.

1720 explodierte der Pulverturm am ehemaligen Spandauer Tor. Der Turm sollte durch einen Neubau außerhalb der Befestigungsanlagen ersetzt und anschließend leer geräumt werden. Bei den Arbeiten entzündete sich das Material und verursachte eine gewaltige Explosion, bei unter anderem der Westturm der Heilig-Geist-Kapelle und die nahe gelegene Garnisonkirche zerstört wurden. Insgesamt verloren dabei 76 Menschen ihr Leben.

Im Zuge der Säkularisierung der geistlichen Güter diente das Spital fortan als Armenhaus und wurde 1825 abgerissen. 1828 erfolgte der Neubau eines zweigeschossigen Spitals, das jedoch ebenfalls nur wenige Jahre stand. Die Kapelle dagegen wurde bis 1835 unter Leitung von Carl Ferdinand Langhans renoviert und anschließend wiedereröffnet. 1905 entstand auf dem Gelände die Handelshochschule. Die Kapelle wurde dabei in den Bau integriert und bildet seitdem quasi den Südflügel des Gebäudes. Die Räumlichkeiten dienten nach Eröffnung der Hochschule als Mensa. Diese Funktion wurde nach 1945 beibehalten, als der Komplex an die neu gegründete Humboldt-Universität überging.

CityQuartier DomAquarée

CityQuartier DomAquarée

Die westliche Ecke an der Kreuzung Karl-Liebknecht-Straße wurde bereits um das Jahr 1140 bebaut. Die ersten Datierungen dieser Zeit dokumentieren die Trockenlegung des Geländes um Wohnhäuser sowie das benachbarte Spital darauf anlegen zu können. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich hier vorwiegend Wohnhäuser. Nach ihrer Zerstörung entstand auf dem Grundstück das Palasthotel. Der Bau, eines der bedeutendsten Hotels der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wurde 1979 eröffnet. Bereits 1990 erfolgte die Schließung, da hier, wie beim nahe gelegenen Palast der Republik und damals allgemein üblich, Asbest verbaut worden war. Ende der 1990er Jahre erfolgte der Abriss und kurze Zeit später begannen die Bauarbeiten für das CityQuartier DomAquarée, welches heute noch den Platz einnimmt.

Das Areal erstreckt sich über vier Blocks der alten Vorkriegsbebauung. Die darin bereits vorher aufgegangene Heilig-Geist- und Sankt-Wolfgang-Straße wurden dabei ihren alten Verläufen entsprechend nachempfunden, so dass man statt von einem von insgesamt vier miteinander verbundenen Gebäuden sprechen muss. Die Eröffnung des als Wohn- und Bürogebäude konzipierten Komplexes erfolgte im Jahr 2003.

Erster Anziehungspunkt des Quartiers ist der im Innern befindliche AquaDom, mit mehr als 2600 Fischen aus 56 Arten das größte Aquarium Europas, mit dem sich anschließenden Sea Life Berlin. Da die Architekten der Lage am Wasser eine besondere Bedeutung zukommen lassen wollten, entschieden sie sich, neben dem Wasser außerhalb des Gebäudes auch welches innerhalb desselbigen fließen zu lassen, eben in Form des AquaDoms. Bereits kurz nach seiner Eröffnung entwickelte sich die Sehenswürdigkeit zu einem Besuchermagneten.[3]

Seit 2006 beherbergt das DomAquarée als zweites touristisches Highlight das DDR Museum, laut Medienberichten das interaktivste der Berliner Museen. Das Museum befindet sich an der Uferpromenade, direkt gegenüber dem Berliner Dom und zeigt das Leben in der sozialistischen DDR.

Zwischen Karl-Liebknecht- und Rathausstraße

Hofpostamt

Auf dem Areal zwischen der Spandauer, Königs-, Heiliggeist- und der Kleinen Poststraße – heute etwa das östliche Viertel des Marx-Engels-Forums – befand sich bis etwa 1945 das ehemalige Hof- und Stadtpostamt. Der etwa 12.000 Quadratmeter große Komplex bestand zunächst aus mehreren vereinzelten Gebäuden, die nacheinander von der Post aufgekauft wurden und 1882 durch einen Neubau ersetzt wurden.

Zunächst kaufte die Berliner Stadtpost-Expedition auf Anweisung König Friedrich Wilhelms III. zwei Grundstücke an der Königsstraße 60 und an der Spandauer Straße 21 auf, 1826 folgte das Haus Spandauer Straße 22, 1833 die Spandauer Straße 20, 1841 die Häuser Spandauer Straße 19 sowie Kleine Poststraße 11–13, 1896 Spandauer Straße 23–24, 1902 die Grundstücke Heiliggeiststraße 24–33, Kleine Poststraße 8–10 und Königsstraße 62–62a sowie 1903 das Haus in der Königsstraße 61. Damit war das gesamte Karree im Besitz der Post. Die meisten dieser Bauten befanden sich zuvor im Besitz betuchter Bürger, so etwa das Haus Spandauer Straße 21 dem kurfürstlichen Feldmarschall Otto Christoph von Sparr.

Da die Gebäude ursprünglich als Wohnraum konzipiert wurden, eigneten sie sich nur bedingt für den Postbetrieb. Daher erfolgten in den Folgejahren mehrmals notdürftige Umbauten an den Gebäuden. Mit dem rasanten Wachstum Berlins in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschärfte sich das Problem allerdings weiter, so dass ein Großteil der Bauten 1882 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wurde. Andere Stellen wiederum wurden auf andere Postämter verlegt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Areal schließlich fast bis auf die Grundmauern zerbombt und anschließend abgetragen. Auf der so entstandenen Freifläche entstand später das Marx-Engels-Forum.[4]

Marx-Engels-Forum

Denkmal für Karl Marx und Friedrich Engels am gleichnamigen Forum

Das Marx-Engels-Forum befindet sich auf der Südseite der Spandauer Straße zwischen der Karl-Liebknecht- und Rathausstraße. Ursprünglich war das Karree wie andere entlang der Straße dicht mit Wohn- und Geschäftshäusern bebaut, die im Zweiten Weltkrieg teilweise oder ganz zerstört wurden. Das Gelände wurde bereits in den 1950er Jahren weitgehend geräumt, so dass eine große Freifläche von der Stadtbahn am Alexanderplatz bis zur Spree entstehen konnte. Die letzten vereinzelten Ruinen wurden anschließend in den 1970er Jahren abgetragen, um die Anlage komplett neu zu gestalten. Im folgenden Jahrzehnt erfolgte der Umbau zum Marx-Engels-Forum, dessen Mittelpunkt ein überlebensgroßes Denkmal der beiden Namensgeber Karl Marx und Friedrich Engels ist. Dahinter befindet sich, direkt an der Spree gelegen, ein Marmorrelief mit Namen „Alte Welt“. Es zeigt die Arbeiter der frühkapitalistischen Welt des 19. Jahrhunderts.

Nach der Deutschen Wiedervereinigung 1990 gab es zahlreiche kontroverse Diskussionen um den Verbleib des Forums. Kritiker behaupteten, das Denkmal sei, ähnlich wie der Palast der Republik, Überbleibsel einer vergangenen und nicht wiederkehren sollenden Epoche. Dennoch ist sich die Mehrheit der Berliner Politiker heute einig, das Forum so wie es ist zu belassen.

Neptunbrunnen

Direkt gegenüber vom Marx-Engels-Forum und etwa auf halber Strecke zwischen Spree und Fernsehturm gelegen, befindet sich der Neptunbrunnen. Mit insgesamt etwa 18 Metern Höhe und einem Durchmesser von 10 Metern gehört er zu den größten Brunnen der Hauptstadt. Der Name geht auf den römischen Gott des Meeres, Neptun zurück. Von seiner Einweihung 1891 bis 1951 befand er sich am Schloßplatz, wurde danach eingemottet, restauriert und 1969 an seiner heutigen Stelle wieder errichtet. Die ersten Pläne für den Brunnen gehen auf Karl Friedrich Schinkel zurück, die Umsetzung erfolgte allerdings unter dem Baumeister Reinhold Begas.

Vom Rathaus bis zum Molkenmarkt

Berliner Rathaus

Das Rote Rathaus um 1900, mit der Königstraße links und der Spandauer Straße rechts vom Gebäude

Das Berliner Rathaus befindet sich vermutlich seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an seiner heute angestammten Stelle. Der Bau bestand zunächst aus einem einfachen Eckhaus, nicht unähnlich den Bürgerhäusern zu jener Zeit und fiel damit weniger imposant aus als der heutige Bau. Dieser brannte bei den Stadtbränden von 1380, 1448 und 1581 größtenteils ab und wurde anschließend auf den Grundmauern des alten Gebäudes neu errichtet. Als einziger Bestandteil des jeweiligen Vorgängerbaus wurde dabei die sogenannte Gerichtslaube, also der Teil, in dem das Gericht tagte, in den Neubau integriert.

Erst mit Beginn der Industrialisierung und dem damit verbundenen Wachstum Berlins zu einer Weltstadt machte sich ein Neubau notwendig. Dieser sollte auf Grund seiner Größe imposanter wirken und den Vorrang der weltlichen gegenüber der geistlichen Macht in der Hauptstadt zum Ausdruck bringen. Der für den Bau bestimmte Architekt Friedrich Waesemann entwarf daraufhin den Neubau, der auf Grund seiner Klinkerfassade auch als Rotes Rathaus bezeichnet wurde und bis heute bezeichnet wird. Für den Bau mussten einige der umliegenden Häuser mit abgerissen werden, das neue Rathaus beanspruchte ein ganzes Karree für sich.

Die Bauarbeiten begannen 1861, 1868 begann der Abriss der Gerichtslaube – sie wurde später im Park Babelsberg neu errichtet – und 1870 konnte der Bau fertig gestellt werden. Als Ausdruck der städtischen Selbstständigkeit erhielt das Rathaus mit 87 Metern einen höheren Turm als beispielsweise die Nikolaikirche oder gar das Stadtschloss aufwiesen. Der Bau war seit seiner Fertigstellung Sitz des Magistrats und des Berliner Oberbürgermeisters, nach 1990 der des Senats und des Regierenden Bürgermeisters.

Blankenfelde-Haus

Das Blankenfelde-Haus im Jahr 1871

Das Blankenfelde-Haus befand sich an der Spandauer Straße 49, also auf der nördlichen Seite zwischen Rathaus und Molkenmarkt. Es war bis zu seinem Abriss 1889 das älteste Bürgerhaus der Stadt und bis 1620 der Berliner Sitz der Adelsfamilie Blankenfelde. Nach ihr wiederum sind die Dörfer Blankenfelde auf dem Barnim und Blankenfelde auf dem Teltow benannt. Die erste Erwähnung der Familie stammt aus dem Jahr 1280, als Johannes von Blankenfelde zum Berliner Bürgermeister ernannt wurde.

Das erste Blankenfelde-Haus wird ebenfalls um diese Zeit datiert. Es bestand vermutlich aus Holz und wurde beim Stadtbrand 1380 vernichtet. Lediglich eine Büste mit einem Neidkopf, der das Feuer abhalten sollte, blieb erhalten. Der zweite steinerne Bau entstand daraufhin bis 1390. Zur Erinnerung an die Fertigstellung ließ der Bauherr Paul von Blankenfelde, Urenkel des ersteren, zudem eine lateinische Inschrift eingravieren. Sie lautete übersetzt:

„Die von Blankenfelde, Patrizier dieser Stadt, haben ums Jahr 1390, als Paul von Blankenfelde und Henning Strohband Bürgermeister waren, dieses Haus mit starken Mauern und Pfeilern wieder hergestellt und zwar im Backsteinbau: Sie haben seine Last einem Kellergewölbe von sieben Jochen aufgelegt.“

1474 ließ der Enkel Pauls, Thomas von Blankenfelde, den Eingangsbereich neu modellieren. Hauptprunkstück waren dabei vier Büsten, die ein junges Ehepaar – Thomas von Blankenfelde und seine Frau – als auch ein altes Ehepaar – Thomas’ Vater Wilke von Blankenfelde und seine Frau Katharina Wins – darstellten. Die Halle selber wurde von einer mittigen Säule getragen, von der eine als Kreuzgewölbe angelegte Decke ausging. Die Säule wurde mit Disteln und je Seite mit einem Familienwappen verziert. Neben der Familie Blankenfelde waren dies die angeheirateten Familien Wilmersdorf, Strohband und Wins.

Nach 1530 beginnt sich die Familie zu zerstreuen, viele Mitglieder verlassen Berlin und siedeln sich in der Altmark an. Der letzte bedeutendere Vertreter, Johann V. von Blankenfelde hinterlässt einen derart großen Schuldenberg, dass sich seine Nachkommen gezwungen sehen, ihre Anwesen zu verkaufen, so auch 1620 das Stammhaus in der Spandauer Straße. Es geht in den Besitz der Adelsfamilie von Seidel von über, der zudem eine familiäre Verbindung zu den Blankenfeldes nachgesagt wurde.

Die von Seidels hielten das Haus nur knapp 100 Jahre, es geht 1722 an den Geheimen Rat Daniel Stepfani und wechselt in den kommenden 150 Jahren mehrmals den Besitzer. In den 1750er Jahren kauften die damaligen Besitzer die nach hinten herausgehenden Gebäude mit auf, ließen diese abtragen und nutzten die gewonnene Fläche als Innenhof. Äußerlich veränderte sich das Gebäude nur geringfügig, als letzte Maßnahme erhielt der Bau in den 1870er Jahre eine neue Fassade.

1895 ging das Gelände in den Besitz der Städtischen Elektrizitätswerke über, die auch die anliegenden Grundstücke aufkaufte. 1899 ließ sie die Gebäude abreißen und richtete auf dem Grund ein neues Kraftwerk ein, welches bis zum Kriegsende 1945 existierte. Das Gelände lag danach brach und wurde bei der Umgestaltung der angrenzenden Grunerstraße zum Parkplatz umgestaltet.

Nikolaiviertel

Das Berliner Nikolaiviertel bildet zusammen mit der Nikolaikirche in seinem Mittelpunkt die Keimzelle Berlins. Während die Kirche auf den Zeitraum um 1220 bis 1230 datiert wird, kann davon ausgegangen werden, dass die Bebauung um sie herum bereits früher stattfand. Im Gegensatz zu den Ausfallstraßen aus der Stadt heraus bewohnten vornehmlich Handwerker das verwinkelte Viertel.

Die Bebauung passte sich meistens dem Stil der Zeit an und wurde nur durch wenige einzelne Bauten unterbrochen, so etwa dem Ephraim-Palais an der Südecke des Viertels zwischen Spree und Mühlendamm. Während des Zweiten Weltkrieges wird das Nikolaiviertel fast vollständig zerstört, die Kirche bleibt dabei zunächst als Ruine erhalten. Der gesamte Wiederaufbau erfolgte in den 1970er und 1980er Jahren und wurde rechtzeitig zur 750-Jahrfeier der Stadt 1987 abgeschlossen. Ein Großteil der Häuser wurde dabei in Plattenbauweise neu errichtet und nur geringfügig dem historisierenden Stil der Altstadt angepasst.

Denkmalübersicht

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weist insgesamt acht Denkmale in der Berliner Landesdenkmalliste entlang der Spandauer Straße aus:

  • Zw. Nr. 1 und 2: Mittelalterliche Fundamentreste des Pulverturms am Spandauer Tor, des Spandauer Tores selbst und eines angrenzenden Gebäudes, einschließlich verbindender und anschließender Fundamente der Stadtbefestigung[5]
  • Nr. 1–3: Fundamente der südlichen Umfassungsmauer des „Hospiz Zum heiligen Geist“[6]
  • Nr. 24: Rotes Rathaus[7]
  • Neptunbrunnen[8]
  • Nr. 1: Ensemble Burgstraße[9]
  • Nr. 1: Handelshochschule Berlin</ref>Eintrag 09011320 in der Berliner Landesdenkmalliste</ref>
  • Heiliggeistkapelle[10]
  • Marx-Engels-Forum[11]

Berühmte Anwohner

Gedenktafel für Martin Heinrich Klaproth an der Spandauer Straße 25
  • Otto Brahm (1856–1912) – Kritiker, Theaterleiter und Regisseur jüdischer Abstammung
  • Theodor Fontane (1819–1898) – Schriftsteller, war von 1836 bis 1840 als Lehrling in der Apotheke „Zum Weißen Schwan“, Nr. 40 tätig
  • Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) – Dichter, lebte zwischen 1845 und 1847 im Haus Nr. 68
  • Henriette Herz (1764–1847), Schriftstellerin, eröffnete 1807 ihren ersten literarischen Salon im Haus Nr. 53
  • Martin Heinrich Klaproth (1743–1817) – Chemiker, arbeitete in der Apotheke „Zum Weißen Schwan“ und wohnte im Haus Nr. 25
  • Heinrich von Kleist (1777–1811) – Schriftsteller und Publizist, wohnte im Haus Nr. 53
  • Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) – Dichter, wohnte von 1751 bis 1753 im Haus Nr. 33
  • Moses Mendelssohn (1729–1786) – Philosoph jüdischer Abstammung, wohnte im Haus Nr. 33
  • Giacomo Meyerbeer (1791–1864) – Komponist, wohnte im Haus Nr. 72
  • Karl Wilhelm Ramler (1725–1798) – Dichter, lebte im Haus Nr. 68
  • Carl Ritter (1779–1859) – Geograph, wohnte im Haus Nr. 59
  • Rahel Varnhagen von Ense (1771–1833) – Schriftstellerin jüdischer Abstammung, wurde im Haus Nr. 26 geboren [12]

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Ribbe, Jürgen Schmädecke: Kleine Berlin-Geschichte, Stapp Verlag, Berlin 1988, 31994. ISBN 3-877762-22-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Holger Orb, Tilo Schütz: Straßenbahn für ganz Berlin. Geschichte – Konzeption – Städtebau, Jaron Verlag, Berlin, Oktober 2000, ISBN 3897730243. S. 17
  2. Planwerk Innenstadt: Vertiefungsbereich Molkenmarkt, Broschüre der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin
  3. CityQuartier DomAquarée, Berlin – Städtebauliches Konzept
  4. Deutsche Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte e. V., Gefunden am 14. Dezember 2007
  5. Eintrag 09010179 in der Berliner Landesdenkmalliste
  6. Eintrag 0910180 in der Berliner Landesdenkmalliste
  7. Eintrag 09011264 in der Berliner Landesdenkmalliste
  8. Eintrag 09011281 in der Berliner Landesdenkmalliste
  9. Eintrag 09011313 in der Berliner Landesdenkmalliste
  10. Eintrag 09011321 in der Berliner Landesdenkmalliste
  11. Eintrag 09060130 in der Berliner Landesdenkmalliste
  12. Spandauer Straße – Berlin Lexikon

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