Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen

Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen

Der Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen ist das Verfassungsgericht dieses Bundeslandes (Art 140 Abs. 1 Bremische Landesverfassung (BremLV). Er ist – wie Bürgerschaft (das Landesparlament) und SenatVerfassungsorgan der Freien Hansestadt Bremen und ein gegenüber den anderen Verfassungsorganen selbständiger und unabhängiger Gerichtshof (§ 1 Staatsgerichtshofsgesetz -StGHG-).

Inhaltsverzeichnis

Gerichtssitz und Gerichtsbezirk

Der Gerichtsbezirk umfasst das gesamte Land Bremen.

Der Staatsgerichtshof hat seine Geschäftsstelle im Fachgerichtszentrum Bremens, die Anschrift lautet: Am Wall 198, 28195 Bremen. Geschäftsstelle des Staatsgerichtshofs ist die Geschäftsstelle des Oberverwaltungsgerichts (§ 7 Abs. 2 StGHG).

Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes

Der Staatsgerichtshof soll den Vorrang der bremischen Verfassung (Art. 66 Abs. 2 und 20 Abs. 2 BremLV) wahren. Das Handeln der politisch Tätigen einschließlich der demokratisch gewählten Bremischen Bürgerschaft soll am Rechtsmaßstab der Landesverfassung gemessen werden.

Als Landesverfassungsgericht hat der Staatsgerichtshof zu prüfen, ob Akte des Landes gegen die Landesverfassung verstoßen. Die Prüfung, ob Akte des Bundes und der Länder gegen das Grundgesetz (die Bundesverfassung) verstoßen, obliegt dem Bundesverfassungsgericht.

Einzelne Kompetenzen des Staatsgerichtshofes

Wichtig für die Ausübung der Tätigkeit des Staatsgerichtshofes sind die folgenden Kompetenzen:

Abstrakte Normenkontrolle

In Verfahren der abstrakten Normenkontrolle werden Rechtsnormen (Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen) und Normentwürfe (sog. präventive Normenkontrolle) auf ihre Vereinbarkeit mit der Landesverfassung überprüft. Antragsberechtigt zur Durchführung der abstrakten Normenkontrolle sind der Senat der Freien Hansestadt Bremen, die Bürgerschaft oder ein Fünftel der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft des Landes Bremen.

Organstreit

Im Organstreit geht es um die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche von Verfassungsorganen der Freien Hansestadt Bremen, insbesondere um verfassungsrechtliche Streitigkeiten zwischen Bürgerschaft und Senat. Antragsberechtigt sind Verfassungsorgane oder Teile von ihnen, soweit sie durch die Bremische Landesverfassung oder die Geschäftsordnung der Bürgerschaft mit eigenen Rechten ausgestattet sind.

Interpretationsverfahren

In diesem Verfahren soll der Inhalt des bremischen Verfassungsrechts verbindlich festgestellt werden (siehe Auslegung (Recht)). Dies kann auch ohne eine abstrakte Normenkontrolle oder das Organstreitverfahren geschehen. Antragsberechtigt für das Interpretationsverfahren sind der Senat der Freien Hansestadt Bremen, die Bürgerschaft (bzw. ein Fünftel der gesetzlichen Mitglieder der Bürgerschaft) oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft des Landes Bremen.

Konkrete Normenkontrolle

Kommt ein Gericht des Landes Bremen bei der Anwendung eines Landesgesetzes auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, zu der Überzeugung, dass das Gesetz mit der Landesverfassung nicht vereinbar ist, so hat es sein Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs herbeizuführen.

Wahlprüfungsverfahren

In Wahlprüfungsverfahren ist der Staatsgerichtshof seit 1996 Beschwerdegericht.

Verfahren über die Zulassung von Volksbegehren und Bürgeranträgen

Hält der Senat die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung eines Volksbegehrens nicht für gegeben, hat er eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs herbeizuführen. Der Staatsgerichtshof hat dann festzustellen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Volksbegehren vorliegen (§ 31 StGHG).

Nach § 4 des Gesetzes über das Verfahren beim Bürgerantrag kann gegen die Zurückweisung eines Bürgerantrags eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs beantragt werden (vgl. § 32 StGHG).

Keine Verfassungsbeschwerde

Eine individuelle Grundrechtsklage (Verfassungsbeschwerde), die von jedermann erhoben werden kann, kennt die Verfassung der Freien Hansestadt Bremen nicht.

Entscheidungen des Staatsgerichtshofes

Die Entscheidungsformel der Entscheidungen des Staatsgerichtshofes ist im Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen zu veröffentlichen. Trifft der Staatsgerichtshof im Wege der Normenkontrolle eine Entscheidung über die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit einer Norm mit der Landesverfassung, so hat seine Entscheidung Gesetzeskraft (vgl. § 11 StGHG).

Die Entscheidungen des Staatsgerichtshofes können ab dem Entscheidungsdatum 1991 auf der Homepage des Staatsgerichtshofes im Wortlaut eingesehen werden. Davor gefallene Entscheidungen sind auf dieser Homepage nur in Auszügen vorhanden.

Besetzung des Staatsgerichtshofes

Der Staatsgerichtshof ist mit sieben Richtern besetzt: dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtes Bremen als gesetzlichem Mitglied und sechs von der Bürgerschaft für die Dauer der Wahlperiode gewählten Mitgliedern des Staatsgerichtshofs. Zwei der gewählten Mitglieder müssen Berufsrichter des Landes Bremen sein. Eine Wiederwahl der Mitglieder ist zulässig. Die gewählten Mitglieder dürfen nicht Mitglieder des Senats oder der Bürgerschaft sein, bei ihrer Wahl in der Bürgerschaft soll „die Stärke der Fraktionen nach Möglichkeit berücksichtigt werden“[1].

Für jedes der gewählten sechs Mitglieder müssen zwei Stellvertreter gewählt werden. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts wird von dem Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts und einem gewählten Berufsrichter vertreten.

Der Präsident des Staatsgerichtshofs und sein Stellvertreter werden von den Mitgliedern des Staatsgerichtshofs aus ihrer Mitte für die Dauer der Wahlperiode gewählt.

Die Mitgliedschaft im Staatsgerichtshof ist ein Ehrenamt.

Derzeitige Mitglieder sind:

Kontroversen um Wahlverfahren und Frauenanteil des Staatsgerichtshofs im Jahr 2007

Streit um das Wahlverfahren zum Staatsgerichtshof mit der Linksfraktion

Die bis dahin im Einvernehmen der verschiedenen Bürgerschaftsfraktionen erfolgte Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs führte im Jahr 2007 zu einer Kontroverse mit der Linksfraktion, als die Linke erstmals in die Bremische Bürgerschaft einzog. Bei der vorhergehenden Wahl durch die damalige 16. Bürgerschaft wurden im Konsens drei Kandidaten der SPD, zwei der CDU und ein Kandidat der Grünen als der einzigen in der Bürgerschaft vertretenen Oppositionsfraktion gewählt. Während 2007 die FDP mit ihrer mit fünf Abgeordneten kleinsten Fraktion der Landesbürgerschaft auf einen eigenen Vorschlag verzichtete, sah sich die mit sieben Abgeordneten vertretene Linksfraktion im Sinne der Landesverfassung[2] benachteiligt und stellte eine Diplom-Juristin und Diplom-Ökonomin als eigene Kandidatin zur Wahl auf.[3] Diese wurde jedoch nicht gewählt.

Streit um die verfassungswidrig fehlende Repräsentation von Frauen im Staatsgerichtshof

Die somit von der Bürgerschaft 2007 beschlossene fortgesetzte rein männliche Besetzung des Gremiums stieß auf energische Kritik der Frauenbeauftragten des Landes Bremen[4] und des Bremer Frauenausschusses[5] als Dachorganisation der Bremer Frauenverbände. Die Landesfrauenbeauftragte erinnerte die Parteien nachdrücklich an den in der Bremer Landesverfassung verankerten Auftrag „darauf hinzuwirken, dass Frauen und Männer in Gremien des öffentlichen Rechts zu gleichen Teilen vertreten sind“[6] (Artikel 2). Die Bremische Bürgerschaft habe „sich in [...] eklatanter Weise über den Verfassungsauftrag hinwegsetzt“, da „in der Zwischenzeit anerkanntermaßen sehr viele fachlich und politisch gut ausgewiesene Juristinnen, auch im Richteramt“ bereitstünden, so dass „das frühere Argument fehlender Kandidatinnen nicht mehr zutrifft“. Die Stichhaltigkeit der Kritik wurde daraufhin von den Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien Carsten Sieling (SPD) und Matthias Güldner (Bündnis 90/Die Grünen) eingeräumt, Güldner stellte in Aussicht, „in Zukunft werde man diese Frage stärker berücksichtigen“.[5]

Frauen waren allerdings zum Zeitpunkt der Wahl zum Staatsgerichtshof im Jahr 2007 in der Bürgerschaft als Abgeordnete mit 38,55 Prozent zu einem nicht geringen Anteil vertreten und an der Wahl beteiligt. In den Bürgerschaftsfraktionen mit eigenen – männlichen – Kandidaten stellten Frauen, die auch jeweils in eigenen Frauenverbänden der Parteien in Bremen organisiert sind,[7] 45,45 Prozent (SPD), 30,43 Prozent (CDU) bzw. genau 50 Prozent (Bündnis 90/Die Grünen) der Abgeordneten.[8]

Nachfolgende Entwicklung des Frauenanteils im Staatsgerichtshof

Seit März 2010 ist die Tübinger Professorin Barbara Remmert[9] Mitglied des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen. Sie ist die erste Frau seit Louise Frentzel (1963–1967),[10] die von der Bremischen Bürgerschaft in das Gremium gewählt wurde. Barbara Remmert wurde im Parlament einvernehmlich von allen Fraktionen gewählt.[11] Sie trat in dem Ehrenamt die Nachfolge von Peter M. Huber an, der Innenminister in Thüringen wurde. Remmert ist Dekanin der traditionsreichen Tübinger Juristischen Fakultät und ist mit ihrer Berufung 2003 die erste Frau auf einem Lehrstuhl der Fakultät in deren mehr als 500-jährigen Geschichte.[12]

Seit 2008 ist zudem Ilsemarie Meyer in dem Gremium vertreten – nicht durch Wahl der Bürgerschaft, sondern aufgrund ihrer seit 2008 ausgeübten Funktion als Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen.

Siehe auch

Literatur

  • Rinken, Alfred, Staatsgerichtshof, in: Kröning, Volker / Pottschmidt, Günter / Preuß, Ulrich K. / Rinken, Alfred (Hrsg.), Handbuch der Bremischen Verfassung. Baden-Baden 1991, S. 484-546, ISBN 3789023108

Weblinks

Einzelnachweise

  1. beck-online: [BremVerf]: Artikel 139 [Staatsgerichtshof: Zusammensetzung, Wahl, Amtszeit]. Abgerufen am 18. November 2010.
  2. „Bei der Wahl soll die Stärke der Fraktionen nach Möglichkeit berücksichtigt werden.“ In: beck-online: [BremVerf]: Artikel 139 [Staatsgerichtshof: Zusammensetzung, Wahl, Amtszeit]. Abgerufen am 18. November 2010.
  3. NWZ online: Parteienstreit um Besetzung des Staatsgerichtshofes. 17. Oktober 2007. Abgerufen am 18. November 2010.
  4. Pressestelle des Senats: Landesfrauenbeauftragte kritisiert Wahl der Staatsgerichtshof-Richter. 17. Oktober 2007. Abgerufen am 18. November 2010.
  5. a b bfa Pressemitteilungen: Beschluss des Gesamtvorstandes des Bremer Frauenausschusses vom 18.10.2007 zur rein männlichen Besetzung des Staatsgerichtshofs. Abgerufen am 18. November 2010.
  6. beck-online: [BremVerf]: Artikel 2 [1] [Gleichheit]. Abgerufen am 18. November 2010.
  7. bfa Mitgliedsverbände: SPD: Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), CDU: Frauen Union Landesverband Bremen, GRÜNE: Landesarbeitsgemeinschaft der Frauen der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Abgerufen 18. November 2010.
  8. Handbuch der Bremischen Bürgerschaft: Personalien der 17. Wahlperiode. Zusammensetzung des Parlaments nach weiblichen und männlichen Abgeordneten. (Daten des Landtags) S. 51.
  9. Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen: Lehrstuhlinhaberin Professor Dr. Barbara Remmert. Lebenslauf. Abgerufen am 18. November 2010.
  10. Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen: 6. Legislaturperiode 1963/1967. (PDF, 47,9 KB) Abgerufen am 18. November 2010.
  11. tagblatt.de: Tübinger Jura-Professorin am Staatsgerichtshof. 23. März 2010. Abgerufen am 18. November 2010.
  12. tagblatt.de: Tübinger Jura-Professorin am Staatsgerichtshof. 23. März 2010. Abgerufen am 18. November 2010.
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