Staatsverschuldung der Entwicklungsländer

Staatsverschuldung der Entwicklungsländer

Die Staatsverschuldung der Entwicklungsländer unterscheidet sich von der Staatsverschuldung entwickelter Volkswirtschaften in mehreren Kategorien: Die öffentlichen Schulden sind oft höher als in Industrieländern und sie sind oft in ausländischer Währung (zumeist US-Dollar) denominiert. Darüber hinaus treten in unterentwickelten und sich entwickelnden Volkswirtschaften weit häufiger Staatsbankrotte auf.

Inhaltsverzeichnis

Gründe für die hohe Verschuldung

Die Verschuldung entwickelter Volkswirtschaften lässt sich mit öffentlichen Ausgaben, die die Einnahmen übersteigen, begründen. In Entwicklungsländern hingegen bestehen im Einzelnen folgende Gründe für eine staatliche Verschuldung:

So ist die Staatsverschuldung vieler Entwicklungsländer traditionell wegen deren umfangreichen Investitionen in die exportorientierten Branchen Agrarwirtschaft und Rohstoffabbau hoch. Begründet werden diese Staatsausgaben oft mit dem komparativer Kostenvorteil, den diese Länder in besagten Bereichen gegenüber globalen Konkurrenten erreichen wollen. Anders als erhofft führten diese Investitionen jedoch vor allem in den 1970er und 1980er Jahren nicht zu einem Anwachsen der Exporteinnahmen. Vielmehr führte der zunehmende internationale Wettbewerb unter den rohstoffexportierenden Ländern in vielen Branchen zu einem Verfall der Weltmarktpreise. Zeitgleich mussten für die aufgenommenen Kredite in Folge der beiden Ölkrisen hohe Zinszahlungen aufgewendet werden, so dass eine Rentabilität der Ausgaben oft nicht gegeben war.

Des Weiteren leiden viele Entwicklungsländer nach Ansicht der meisten Ökonomen unter einer nicht effizienten Kreditvergabe. Die ökonomische Theorie geht davon aus, dass Kapitalgeber ihr Kapital gerade dort anlegen, wo es die höchste Rendite bringt; diese Vermutung bewahrheitet sich in den meisten Entwicklungsländern jedoch nicht. So führen unausgebildete Finanzmärkte, Korruption, Fehlplanungen und staatlicher Interventionismus in vielen Fällen zu einer nicht effizienten Verwendung des aufgenommenen Kapitals. Demzufolge ist eine Erwirtschaftung der Zinsen (die aufgrund des generellen Entwicklungsland-Aufschlags ohnehin höher sind als in entwickelten Volkswirtschaften) oft nicht möglich. Dies führt zu einer erneuten Kreditaufnahme und damit zu einem weiter wachsenden Schuldenstand.

Ein Problem besteht auch in der häufigen Ausstellung (Denominierung) von Krediten in anderen Währungen, insbesondere in US-Dollar. Während beispielsweise eine Staatsverschuldung Deutschlands in fremder Währung bis vor kurzem verboten war, bleibt vielen Entwicklungsländern aufgrund des Gläubigerdrucks nichts anderes übrig, als ihre Kredite in Dollar zu denominieren. Damit wollen die Gläubiger dem zusätzlichen Risiko einer Währungsabwertung entgehen. Für die kreditnehmenden Entwicklungsländer hingegen bedeutet dies, dass eine Abwertung der eigenen Währung gleichbedeutend ist mit einem starken Anwachsen der Schulden (ausgedrückt in inländischer Währung).

Ein weiteres Problem besteht in der oft zu niedrigen Sparquote der Entwicklungsländer. Aufgrund dessen können Investitionen oft nur durch den Zufluss ausländischen Kapitals finanziert werden.

Daten

Externe Schulden 2003 ausgewählter Staaten nach Gläubigern:

Mio. US$ US$ Anteil an Gesamtschulden in %
Land gesamt  %BIP p. E.* Weltbank IWF AFDB-Gruppe multilateral bilateral privat1 kurzfristig fällig1 2
IBRD IDA ADB ADF
Äthiopien 6522 107,6 95 42 2 2 11 3 35 2 1
Benin 1843 68,4 270 35 4 1 25 29 4
Bolivien 4739 59,1 535 29 4 40 4 16 8
Burkina Faso 1845 44,1 155 47 7 2 32 10 4
Ghana 7926 103,5 395 50 6 1 5* 3* 19 7 9
Guyana 1447 195,2 1875 16 7 38 27 4 9
Honduras 5598 80,2 790 2 20 3 30 27 4 9
Madagaskar 4590 83,8 270 39 4 6* 0* 44 2 5
Mali 2834 84,8 245 40 6 14 8 27 5
Mauretanien 2362 209,5 860 27 4 2* 9* 18* 32 7
Mosambik3 4756 132,2 255 21* 4* 8* 3* 22* 32* 11*
Nicaragua 6829 166,2 1225 15 3 27 41 7 8
Niger 1797 82,8 155 48 6 9 11 21 3 2
Ruanda 1540 91,5 180 59 6 15* 8* 10 2
Sambia 5969 161,5 580 36 17 1 4 4 33 2 2
Senegal 4167 64,1 410 43 6 2* 6* 8* 29 1 4
Tansania 7502 74,0 205 46 6 7* 3* 25 1 11
Uganda 3938 62,5 150 52 5 10 27 5 1
Indien4 115277 19,2 105 4 19 3 19 51

Zur Auszahlung gelangte offene Fremdwährungskredite an ausländische Gläubiger. Stand: Ende 2003 (Äthiopien, Benin, Mali, Mosambik: Ende 2002).

Anmerkungen

1 in diesen Zahlen sind auch private Schuldner enthalten
2 umfasst Kredite mit einer ursprünglichen Laufzeit von bis zu einem Jahr sowie überfällige Kredite
3 widersprüchliche Angaben der Quelle (Weltbank)
4 nicht vom Schuldenerlass (siehe unten) betroffen
* Schätzung

  • leeres Feld: entspricht Null
  • grünes Feld: diese Schulden werden erlassen (s. u.)

Quellen:[1][2]

Schuldenerlasse

Im Gegensatz zu früheren Meldungen wurde am 22. Dezember 2005 bekanntgegeben, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) 19 der 20 ärmsten Länder der Welt zum 1. Januar deren gesamte Schulden bei der Finanzorganisation erlassen wird. Das beschlossen die Exekutivdirektoren des IWF in Washington. Der Erlass umfasst 3,3 Milliarden Dollar.

Wie am 11. Juni 2005 bekannt wurde, haben sich die Finanzminister der sieben führenden Industriestaaten und Russlands (G8) bei ihrem Treffen in London auf einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt geeinigt.[3]

Es sollen 18 Staaten umgehend sämtliche Schulden bei IDA, IWF, und ADF gestrichen werden.

Äthiopien, Bolivien, Ghana, Guyana, Honduras, Madagaskar, Mauretanien, Mosambik, Nicaragua, Ruanda, Sambia, Tansania und Uganda, sowie die an den Euro gebundenen CFA-Staaten Benin, Burkina Faso, Mali, Niger und Senegal, sollen Schulden in Höhe von mehr als 40 Milliarden US-Dollar sofort erlassen werden. Diese Länder haben den Abschlusspunkt (completion point) der HIPC (Highly Indebted Poor Country) Initiative erreicht.

Wahrscheinlich bald (in 12 bis 18 Monaten) können sich 9 weitere Staaten für eine solche Schuldenstreichung qualifizieren: die Demokratische Republik Kongo, Gambia, Guinea, Malawi, São Tomé und Príncipe, Sierra Leone und Guinea-Bissau, sowie die an den Euro gebundenen CFA-Staaten Kamerun und Tschad. Dies soll den vorhin genannten Betrag auf etwa 48 Mrd. US-Dollar erhöhen. Diese Staaten haben den Entscheidungspunkt (decision point) der HIPC Initiative erreicht, und befinden sich in einer Zwischenphase (interim period). Vorläufig sind deren Schuldendienste bei IDA und IWF (ADF?) ausgesetzt.

11 Staaten können sich in weiterer Zukunft qualifizieren: Burundi, Laos, Liberia, Myanmar (Burma), Somalia, der Sudan, sowie die an den Euro gebundenen CFA-Staaten Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire), die Komoren, die Republik Kongo, Togo und die Zentralafrikanische Republik. Dies entspräche etwa weiteren 7 Milliarden US-Dollar.[4]

Siehe auch

Quellen

  1. The World Bank Group, Country at a Glance tables
  2. African Development Bank Annual Report 2002
  3. Originaltext der Erklärung
  4. World Bank Debt Department

Literatur

Weblinks


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