Stammbaum Christi

Stammbaum Christi

Die Vorfahren des Jesus von Nazaret überliefert das Neue Testament der Bibel als listenartige Stammlinie meist der Väter (fälschlich als Stammbaum bezeichnet) in zwei Versionen. Beide betonen Jesu Herkunft aus dem erwählten Gottesvolk Israel.

Umstritten ist, ob die Listen von den Autoren des Matthäus- und Lukasevangeliums selbst verfasst oder aus bereits umlaufender Überlieferung übernommen wurden.

Inhaltsverzeichnis

Evangelium nach Matthäus

Mt 1,1-17 EU nach der Einheitsübersetzung:

1 Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams:
2 Abraham war der Vater von Isaak, Isaak von Jakob, Jakob von Juda und seinen Brüdern.
3 Juda war der Vater von Perez und Serach; ihre Mutter war Tamar. Perez war der Vater von Hezron, Hezron von Aram,
4 Aram von Amminadab, Amminadab von Nachschon, Nachschon von Salmon.
5 Salmon war der Vater von Boas; dessen Mutter war Rahab. Boas war der Vater von Obed; dessen Mutter war Rut. Obed war der Vater von Isai,
6 Isai der Vater des Königs David. David war der Vater von Salomo, dessen Mutter die Frau des Urija war.
7 Salomo war der Vater von Rehabeam, Rehabeam von Abija, Abija von Asa,
8 Asa von Joschafat, Joschafat von Joram, Joram von Usija.
9 Usija war der Vater von Jotam, Jotam von Ahas, Ahas von Hiskija,
10 Hiskija von Manasse, Manasse von Amos, Amos von Joschija.
11 Joschija war der Vater von Jojachin und seinen Brüdern; das war zur Zeit der Babylonischen Gefangenschaft.
12 Nach der Babylonischen Gefangenschaft war Jojachin der Vater von Schealtiël, Schealtiël von Serubbabel,
13 Serubbabel von Abihud, Abihud von Eljakim, Eljakim von Azor.
14 Azor war der Vater von Zadok, Zadok von Achim, Achim von Eliud,
15 Eliud von Eleasar, Eleasar von Mattan, Mattan von Jakob.
16 Jakob war der Vater von Josef, dem Mann Marias; von ihr wurde Jesus geboren, der der Christus (der Messias) genannt wird.
17 Im Ganzen sind es also von Abraham bis David vierzehn Generationen, von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft vierzehn Generationen und von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus vierzehn Generationen.

Evangelium nach Lukas

Lk 3,23-38 EU nach der Einheitsübersetzung:

23 Jesus war etwa dreißig Jahre alt, als er zum ersten Mal öffentlich auftrat. Man hielt ihn für den Sohn Josefs. Die Vorfahren Josefs waren: Eli,
24 Mattat, Levi, Melchi, Jannai, Josef,
25 Mattitja, Amos, Nahum, Hesli, Naggai,
26 Mahat, Mattitja, Schimi, Josech, Joda,
27 Johanan, Resa, Serubbabel, Schealtiël, Neri,
28 Melchi, Addi, Kosam, Elmadam, Er,
29 Joschua, Eliëser, Jorim, Mattat, Levi,
30 Simeon, Juda, Josef, Jonam, Eljakim,
31 Melea, Menna, Mattata, Natan, David,
32 Isai, Obed, Boas, Salmon, Nachschon,
33 Amminadab, Admin, Arni, Hezron, Perez, Juda,
34 Jakob, Isaak, Abraham, Terach, Nahor,
35 Serug, Regu, Peleg, Eber, Schelach,
36 Kenan, Arpachschad, Sem, Noach, Lamech,
37 Metuschelach, Henoch, Jered, Mahalalel, Kenan,
38 Enosch, Set, Adam; (der stammte von) Gott.

Gemeinsamkeiten

Die gemeinsame Absicht der Listen ist es, Jesus von Nazaret als von JHWH selbst vorherbestimmten, voll erbberechtigten Angehörigen des ersterwählten Gottesvolks Israel, Zielpunkt der ganzen biblischen Heilsgeschichte Israels und einzig möglichen Anwärter auf die Messiaswürde zu verkünden. Damit wollen sie spezifische Antworten auf Fragen ihrer Leser nach Jesu Herkunft und Bedeutung für sein Volk geben.

Wichtig ist ihnen die Übereinstimmung mit dem Heilswillen Gottes für Israel als solche. Für sie konnte der Erlöser nur aus Gottes erwählten Volk kommen, um dieses Volk und so alle übrigen Völker zu erretten. Darum ordnen beide Vorfahrenlisten Jesus völlig in die vom Geist Gottes gelenkte Verheißungsgeschichte Israels ein. Dazu zählen beide Versionen vorwiegend die Stammlinie der Väter als ununterbrochene chronologische Generationenfolge auf.

Die Hauptstationen der Stammlinie unterstreichen beide Evangelisten durch eine Zahlensymbolik, bei der die Zahl Sieben und ihre Vielfachen zentrale Bedeutung haben. Diese Zahl gilt im Judentum als Ausdruck höchster Vollkommenheit (vgl. die Menora, die siebentägige Woche der Schöpfungsgeschichte in Gen 1 usw.).

In der Reihung der Vorfahren von Abraham bis David gehen beide Versionen weitgehend parallel. Sie folgen den Vätergeschichten der Genesis (Gen 12-49) und den Genealogien von Rut 4,18-22 EU und 1_Chr 2,1-15 EU; auch wo sie auseinandergehen, beziehen sie sich auf biblische Traditionen.

Besonderheiten

Von Abraham bis Josef (beide einbezogen) nennt Matthäus dreimal vierzehn, also 42 Namen. Für dieselbe Spanne nennt Lukas 56 Namen, nicht in je 14, aber in insgesamt viermal vierzehn unterteilt.

Matthäus

Im Matthäusevangelium steht die Liste der Vorfahren Jesu ganz am Anfang. Sie hebt schon im ersten Vers die wichtigsten hervor: David, den ersten König Gesamtisraels und Empfänger der Messiasverheißung, und Abraham, den Stammvater aller Israeliten, dem die künftige Segensverheißung für alle Völker der Erde gegeben wurde (Gen 12,3 EU).

„Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.“

Die Väterliste erscheint damit als Teil seines Stammbaums.

Matthäus unterteilt die gesamte Abfolge in drei mal 14 Glieder, wobei die erste Reihe mit David endet. Er folgt der formelhaften Sprache biblischer Genealogien, die vom Stammvater aus jeweils den Vater als Zeuger seines ältesten bzw. erbberechtigten Sohnes zuerst nennen, also jeden Namen doppeln:

Abraham zeugte Isaak. Isaak zeugte Jakob. ... usw.

Aber er nennt auch einige der Mütter in Jesu Stammlinie: Alle fünf ausdrücklich genannten Frauen, Tamar, Rahab, Ruth, Bathseba und schließlich Maria (Mutter Jesu), zeigen in den biblischen Berichten über sie nach damaligen menschlichen Maßstäben anstößige Merkmale wie heidnische Herkunft, Eigenwilligkeit, Prostitution, Ehebruch, außereheliche Empfängnis, fanden aber dennoch offenbar Annahme vor Gott.

Für Matthäus steht damit die Relation Jesu auf die Erwählung Israels im Vordergrund. Der Messias ist für ihn derjenige „echte“ Jude, der einlöst und hält, was ganz Israel von Beginn an versprochen wurde: auch und gerade, wo diese Erfüllung der Verheißungen in Frage gestellt zu sein schien oder der begrenzten menschlichen Erwartungshaltung widersprach.

Lukas

Im Lukasevangelium folgt die Vorfahrenliste auf die Geburtsgeschichten (Lk 1-2), das Auftreten des Täufers Johannes und die Taufe Jesu (Lk 3,1-22 EU). Sie leitet hier das Auftreten des erwachsenen Jesus ein, der bereits zum Sohn Gottes erwählt worden ist. Der folgende Eingangsvers betont, dass der von einer Jungfrau geborene Retter der ganzen Welt für einen „Sohn Josefs“ gehalten wurde.

Lukas zählt Josefs Vorfahren, ähnlich wie in damaligen römischen Genealogien, als Stammlinie rückwärts auf, nennt also die Söhne zuerst, ohne die Väter doppelt zu nennen:

... der wurde gehalten für den Sohn des Joseph, der war der Sohn des Eli, ...

Auch er hebt bestimmte Stationen der Heilsgeschichte indirekt hervor: Er zählt von Jesus bis zu David 42 (sechs mal sieben) Generationen, dann nochmals 14 Glieder zusätzlich bis zu Abraham und - über Matthäus hinaus - weitere 21 Vorväter Jesu bis zu Gott auf. So unterstreicht er mit der Gesamtzahl von 77 Generationen die Bedeutung dieses wahren Juden, der zugleich wahrer Mensch ist und gesandt wurde, allen Nachkommen Adams Vergebung ihrer Sünden anzubieten.

Die Erweiterung der Ahnenliste bis zur Schöpfung - Adam bedeutet Mensch - zeigt das lukanische Missionsinteresse an der universalen Ausbreitung des Christentums zu allen Menschen. Jesus ist für Lukas der von der Schöpfung her zur Befreiung der Menschheit vorherbestimmte Sohn Gottes.

Lukas führt den Stammbaum nicht wie Matthäus auf die königliche Hauptlinie Salomos zurück, sondern auf die Seitenlinie Nathans, eines späteren Sohnes Davids (2_Sam 5,14 EU). Er nennt zudem zwischen David und Abraham eine Generation mehr und schreibt auch einige der Namen anders.

Harmonisierungsversuche

Die unübersehbaren Unterschiede zwischen den Stammbäumen sind in der Christentumsgeschichte schon früh zum Anlass für verschiedene Harmonisierungsversuche genommen worden, um die Vorfahrenlisten im Sinne der Rechtsordnungen Israels miteinander zu vereinbaren und ihre historische Glaubwürdigkeit zu erhöhen.

Leviratsehe

Eusebius von Caesarea erklärte die Widersprüche über die in der Tora verankerte Leviratsehe und berief sich dabei auf eine nicht erhaltene Schrift von Sextus Iulius Africanus.[1] Nach Dtn 25,5-10 EU war ein Mann verpflichtet, seine Schwägerin zu heiraten, wenn sein Bruder kinderlos verstorben war, damit dessen Erbteil erhalten blieb.

Nach Eusebius nennt die christliche Tradition eine Frau namens Estha als Großmutter von Joseph. Sie habe Matthan geheiratet, einen Nachfahren Davids über dessen Sohn Salomo. Gemeinsam hätten sie einen Sohn Jakob gehabt. Nach dem Tod Matthans habe sie Melchi geheiratet, einen Nachfahren Davids über dessen Sohn Nathan. Gemeinsam hätten sie einen Sohn Eli gehabt. Somit wären Jakob und Eli Halbbrüder mit derselben Mutter gewesen.

Eli habe geheiratet, sei aber kinderlos gestorben. Nach dem Brauch der Leviratsehe habe seine Witwe dessen Bruder Jakob geheiratet, um Eli Nachkommen zu verschaffen. Sie habe dann Josef geboren. Dieser wäre damit einerseits der biologische Sohn von Jakob und damit Nachfahre Salomos gewesen, anderseits rechtlich auch der Sohn Elis und damit Nachfahre Nathans.

Erbtöchter

Fritz Rienecker erklärt die Unterschiede ausgehend von den Regelungen über die Erbtöchter aus Numeri 27,8 EU. Wenn ein Mann starb, aber nur Töchter und keine Söhne hinterließ, so waren seine Töchter erbberechtigt: Der Mann einer Erbtochter musste sich in das Geschlecht ihres Vaters einschreiben lassen und bekam dadurch gleichsam 2 Väter (Neh 7,63; 1 Chro 2,21 u. 22. Vgl. 4. Mo 32,41).[2]

Wenn Maria nun keine Brüder hatte, so wurde ihr Ehemann damit nicht nur Schwiegersohn ihres Vaters Eli, sondern auch rechtlicher Sohn.

Historische Einordnung

Die Widersprüche der Vorfahrenlisten wurden seit etwa 1750 mit zum Anlass für die Historisch-kritische Methode der Bibelforschung genommen, so dass ihre Vereinbarkeit nicht mehr vorrangiges Auslegungsziel war. In der aufgeklärten Bibelkritik gelten sie als einer der Beweise für die Widersprüchlichkeit der Bibel insgesamt.[3] Damit wurde jedoch auch eine stärkere Beachtung der theologischen Aussageabsichten jenseits von historischen Beweisführungen möglich.

Der jüdische Theologe Geza Vermes verwirft die These, dass die beiden Evangelisten im Sinne einer pia fraus die Abstammungslinie selbst konstruierten, um die theologisch wichtige Abstammung Jesus von David belegen zu können. Für wahrscheinlicher hält er es, dass sie dabei auf im Umlauf befindliche Ahnentafeln zurückgriffen und dabei unterschiedliche Versionen verwendeten.

Einzelbelege

  1. Eusebius, Kirchengeschichte 1:7 und 6:31
  2. Fritz Rienecker: Wuppertaler Studienbibel, Band Matthäus, S. 14
  3. z.B. Volker Dittmar (Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg): Der Fundamentalirrtum

Siehe auch

Literatur

  • Der biblische Stammbaum: Biblischer Stammbaum von Adam bis zu Jesus (Karte), ISBN 3-9810508-0-0
  • Reise durch den biblischen Stammbaum, 45 Arbeitsblätter, ISBN 3-9810508-1-9
  • Geza Vermes: The nativity – history and legend, Penguin Books, London 2006, ISBN 0-141-02446-1

Weblinks


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