Stasi-Hotel

Stasi-Hotel
Fassade des Hotels
Hotel Neptun an der Warnemünder Strandpromenade
Seitenansicht des Hotels Neptun, Februar 2008, vom Strand aus fotografiert.

Das Hotel Neptun ist ein direkt am Strand der Ostsee gelegenes 5-Sterne-Hotel im Ostseebad Warnemünde, das 1971 den Betrieb aufnahm. Das Hotel mit 337 Zimmern in 18 Etagen und dem ersten zertifizierten Thalassozentrum Deutschlands mit einer Meerwasserschwimmhalle in der vierten Etage mit direktem Blick auf die Ostsee, gehört als „Wellness-Hotel“ zur Arkona AG, einer 100%igen Tochter der Deutschen Seereederei Rostock (DSR). Zu DDR-Zeiten waren nahezu alle Hotels der gehobenen Klasse Interhotels, das Neptun als HO-Hotel war insofern eine Ausnahme.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Wohnungsbaukombinat und das schwedische Unternehmen SIAB errichteten von 1969 bis 1971 den 64 Meter hohen „Betonklotz“, der im Frühjahr 1971 eröffnet wurde. Die Architekten hatten den Bau so geplant, dass alle der rund 350 Zimmer mit Meeresblick waren. Zunächst war das Hotel nur für ausländische Touristen, die Devisenausländer, vorgesehen. Nach dem 8. Parteitag der SED und dem Machtwechsel von Walter Ulbricht hin zu Erich Honecker wurden im Rahmen der sogenannten Einheit von Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik etwa 80 Prozent der damals circa 700 Betten für einheimische Gäste freigehalten. Nach dem Motto „alle wohnen gleich“ wurden die Zimmer überwiegend durch den FDGB belegt. Diese Hotelplätze wurden für 310 Mark für zwölf Tage Vollpension über die Ferienkommissionen der Betriebe vergeben, welche die Urlauber nach „sozialistischen“ Kriterien auswählte. Trotzdem hatte das Hotel mit der Preisstufe „S+200“ die höchste Preiskategorie der DDR, was sich vor allem in den gastronomischen Einrichtungen niederschlug, die nicht im Rahmen der Vollpension verfügbar waren.

Zum Hotel gehörte ein Restaurantkomplex in der nahe gelegenen Schillerstraße, in dem verschiedene internationale Restaurants angesiedelt waren. Bemerkenswert für ein DDR-Hotel der 1970er Jahre war eine Meerwasserschwimmhalle mit Wellenanlage und die Sky-Bar in der 19. Etage. Hier konnte das Dach nachts für den „Tanz unter Sternen“ geöffnet werden. Im Keller des Neptun befand sich die erste Diskothek der DDR. Das Restaurant „Goldbroiler“ als Hähnchenbraterei ist eines der wenigen, das heute noch dieses für die DDR typische Wort im Namen führt.

Neben den einheimischen Urlaubern übernachteten auch Geschäftsleute aus dem Westen gern in dem Prestige-Objekt. Hinzu kamen Staatsgäste wie Fidel Castro[1], aber auch westdeutsche Politiker wie Uwe Barschel und Willy Brandt. Für die Staatssicherheit der DDR eine gute Gelegenheit Informationen zu sammeln. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Neptun im Volksmund „Stasi-Hotel“ hieß. Im Restaurant Kranich befindet sich eine Fotowand mit allen Prominenten, die im Neptun weilten.

Aus den unvermeidlichen Kontakten zwischen Ost- und Westbürgern ergab sich ein Schwarzhandel, der durch die Einführung einer eigenen Währung eingedämmt wurde. Die eigene Landeswährung musste obligatorisch von jedem Gast in das Neptun-Geld umgetauscht werden. Die Versorgung des Hotels jedoch, beispielsweise mit hochwertigen Nahrungsmitteln, war dagegen oft nur mittels Tauschgeschäften sicherzustellen. Passend dazu hatte Alexander Schalck-Golodkowski, der „Devisen-Beschaffer“, für die Kommerzielle Koordinierung gar eine ständige Suite[2] in dem Hotel.

Als "Besonderheit" war zu DDR-Zeiten nur in den westwärts gelegenen Zimmern des Hotels der Empfang von Westfernsehen möglich.

Bis 1990 war das Neptun Vertragshotel der Handelsorganisation und nicht, wie alle anderen gehobenen Hotels Interhotel, danach wechselte es viermal[3] den Eigentümer. Der Hoteldirektor jedoch blieb seit der Eröffnung bis Herbst 2007 Klaus Wenzel. Wenzels Nachfolger ist Guido Zöllick.

Das Hotel ist im Rahmen des Verbands deutscher Thalasso-Zentren zertifiziert. Die Wellnesseinrichtung „Arkona Spa“ mit Schwimmhalle trat an die Stelle des 2005 geschlossenen Spaßbades, das die Schwimmhalle von 1971 ersetzt hatte. Geplant ist die Kooperation mit einem Golfplatz.

Darstellung in den Medien

Seit der Wende tauchte das Neptun nur sporadisch und wenig auffällig in der bundesdeutschen Medienlandschaft auf. Im Jahr 2006 schließlich wurden im Abstand von lediglich gut zwei Monaten zwei Dokumentationen von unterschiedlichen Landesrundfunkanstalten der ARD erstausgestrahlt. Die MDR-Reportage[4] vom Juli 2006 war weitgehend wohlwollend gegenüber dem Neptun und seinen Beschäftigten gehalten. Gegen Ende des Filmes wird festgestellt: „Das Neptun – immer im Dunstkreis des MfS. Viele wollten es beweisen, bisher ist es keinem gelungen.“ Exakt dieses Thema griff die kritische NDR-Dokumentation[5] vom September 2006 schon im Titel auf: Hotel der Spione – Das „Neptun“ am Ostseestrand. Dargestellt wurde die Stasi-Mitarbeit von Spitzenkräften des Neptun unter Nennung der IM-Decknamen, etwa des General Managers Klaus Wenzel (IM „Wimpel“) und des ehemaligen Empfangschefs Thomas Klippstein (IM „Benjamin“). Da letzterer inzwischen Direktor des Hotel Adlon in Berlin geworden war, folgte ein großes Medienecho, schließlich trat Klippstein von seinem Posten zurück.

Einzelnachweise

  1. MDR.DE: Warnemünde – Fünf Sterne für’s Volk, 18. Juli 2006 (Zugriff am 29. September 2006)
  2. Nicolaus Schröder: Luxus für Alle, Folge 6 der WDR5-Radioproduktion Damals in der DDR, 18. September 2005
  3. Tomas Niederberghaus: [1] In: DIE ZEIT Nr. 15, 1. März 2004 (Zugriff am 29. September 2006)
  4. Steffen Schneider: Warnemünde – Fünf Sterne für’s Volk. MDR, erstmals ausgestrahlt am 18. Juli 2006
  5. Hotel der Spione – Das „Neptun“ am Ostseestrand. NDR, erstmals ausgestrahlt am 25. September 2006

Fernsehreportagen

  • Hotel der Spione – Das „Neptun“ am Ostseestrand. NDR, erstmals ausgestrahlt am 25. September 2006
  • Steffen Schneider: Warnemünde – Fünf Sterne für’s Volk. MDR, erstmals ausgestrahlt am 18. Juli 2006

Weblinks


54.17888888888912.0777777777787Koordinaten: 54° 10′ 44″ N, 12° 4′ 40″ O


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