Statistische Prozesskontrolle

Statistische Prozesskontrolle

Die statistische Prozesslenkung (auch statistische Prozessregelung oder statistische Prozesssteuerung, engl. statistical process control, SPC genannt) wird üblicherweise als eine Vorgehensweise zur Optimierung von Produktions- und Fertigungsprozessen verstanden.

Eine umfassendere Definition lautet: "Statistical Process Control is, first and foremost, a way of thinking which happens to have some tools attached." (Wheeler, Chambers, S. xiii), übersetzt etwa: "Statistische Prozessregelung ist, zuallererst, eine Art zu denken, die zufällig einige Werkzeuge dabei hat."

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

SPC wurde von Walter A. Shewhart entwickelt. Die wissenschaftlichen Grundlagen wurden von ihm 1931 in dem Buch Economic Control of Quality of Manufactured Product umfassend hergeleitet und beschrieben. Ausgelöst wurde diese Arbeit durch die Absicht des Managements der Hawthorne Plant der Western Electric Company in Chicago möglichst einheitliche und somit zuverlässige Produkte herzustellen. Der Versuch, dies mit Mitteln des gesunden Menschenverstandes zu bewerkstelligen, schlug fehl. In der Folge wurde Dr. Shewhart von den Bell Telephone Laboratories aus New York um Unterstützung gebeten.

Shewhart ging von der Vermutung aus, dass die Qualität des Endproduktes im Wesentlichen von der Kombination der Streuung der Parameter der Einzelteile abhängt. Als Ursache für diese Streuung fand er zwei grundsätzlich verschiedene Mechanismen:

  1. Streuung aufgrund von allgemeinen Ursachen (zufällige Abweichungen vom Mittelwert, die sich aufgrund eines stochastischen Prozesses ergeben Rauschen (Physik)) und
  2. Streuung aufgrund von besonderen Ursachen (Materialfehler, Maschinenfehler, Konstruktionsfehler, etc.)

Die zweite wichtige Erkenntnis von Shewhart war, dass man nun bei dem Versuch diese Streuung zu minimieren zwei Fehler machen kann:

  • Fehler 1: Eine Abweichung einer besonderen Ursache zuweisen, obwohl sie von einer allgemeinen Ursache hervorgerufen wurde.
  • Fehler 2: Eine Abweichung einer allgemeinen Ursache zuweisen, obwohl sie von einer besonderen Ursache hervorgerufen wurde.

Leider kann man zwar entweder den einen oder den anderen Fehler komplett vermeiden, aber nie beide gleichzeitig. Es musste also ein Weg gefunden werden, die Kosten der Fehlervermeidung zu minimieren. Umfangreiche statistische Untersuchungen und Theoriebildung führten Shewhart schließlich zur Entwicklung von Control Charts (Qualitätsregelkarten) als optimales Werkzeug um die gewonnenen Erkenntnisse in die tägliche Praxis umzusetzen.

Ihre erste großindustrielle Anwendung fand SPC im Zweiten Weltkrieg, wo sie bei der Herstellung von Rüstungsgütern angewendet wurde.

Später erkannte William Edwards Deming, dass sich diese Erkenntnisse und Werkzeuge auf alle Arten von Prozessen (Geschäftsprozesse, Verwaltungsprozesse, etc.) mit den gleichen positiven Ergebnissen anwenden lassen. Diese Lehre fiel vor allem in Japan auf fruchtbaren Boden, wo sie unter anderem innerhalb des Toyota-Produktionssystem weiterentwickelt wurde.

Vorgehen

Nachdem der zu untersuchende Prozess eindeutig definiert wurde, muss von einem Prozesskenner festgelegt werden, welche Messgrößen von Bedeutung sind. Diese müssen dann planmäßig während der laufenden Produktion erfasst werden. Die Auswertung erfolgt dann mittels Qualitätsregelkarten (z. B. \bar{X}R, \bar{X}s oder XmR-Chart).

Es gibt inzwischen auch Softwarepakete, die versuchen, die statistische Prozesslenkung als eine zentrale Komponente der rechnergestützten Qualitätssicherung CAQ zu etablieren. Die zu diesem Zweck vorgenommenen Messungen werden zum Teil auch automatisch durch eine Maschinendatenerfassung (MDE) durchgeführt und statistisch entsprechend weiterverarbeitet.

Literatur

  • Edgar Dietrich, Alfred Schulze: Statistische Verfahren zur Maschinen- und Prozessqualifikation. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2005, ISBN 3-446-22894-2.
  • Josef Heinhold, Karl-Walter Gaede: Ingenieurstatistik. R. Oldenbourg Verlag GmbH, München 1979, ISBN 3-486-31744-X.
  • Donald J. Wheeler, David S. Chambers: Understanding Statistical Process Control. SPC-Press, Inc., ISBN 0-945320-13-2.
  • Horst Rinne, Hans-Joachim Mittag: Statistische Methoden der Qualitätssicherung. 3. überarb. Auflage, Carl Hanser Verlag 1995, ISBN 3-446-18006-0.
  • Walter A. Shewhart: Economic Control of Quality of Manufactured Product. Quality Press, ISBN 0-87389-076-0.
  • Walter A. Shewhart: Statistical Method from the Viewpoint of Quality Control. Dover Publications Inc., New York 1986, ISBN 0-486-65232-7.
  • W. Edwards Deming: Out of the Crisis. MIT Press, ISBN 0-262-54115-7.

Weblinks

Englischer Artikel aus dem Observer über eine Anwendung im öffentlichen Leben


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