Steherrennen

Steherrennen
Steherrennen 1958 auf der Radrennbahn in Berlin-Weißensee

Das Steherrennen ist eine Disziplin des Bahnradsports.

Inhaltsverzeichnis

Prinzip

Steher (veraltet Dauerfahrer) werden Radrennfahrer genannt, die in einem dauerhaft hochgehaltenen Tempo über längere Distanzen (50 oder 100 Kilometer) auf einer Radrennbahn fahren.

Heutzutage sind Steherrennen Bahnrennen, bei denen der Radsportler (der Steher) hinter einem Motorrad im Windschatten fährt. Dazu werden speziell für diesen Zweck ausgerüstete Schrittmacher-Maschinen benutzt, die dem Radrennfahrer vorausfahren und ihm Windschatten geben. Der Fahrer des Motorrades, Schrittmacher genannt, steht auf Trittbrettern der Maschine (was aber nichts mit dem Begriff „Steher“ zu tun hat), damit dieser eine möglichst großen Windschatten erzeugt. Anstelle der Sitzbank sind die Motorräder mit einer höher gelegten Stütze und verlängerten Lenkerenden ausgestattet. Bei Steherrennen werden Geschwindigkeiten von teilweise über 100 km/h erzielt und auch über längere Abschnitte gehalten.

Die Radfahrer sind in keiner Weise mit dem Schrittmacher verbunden, sondern werden durch eine Abstandsrolle auf Distanz zum Motorrad gehalten. Ihre Fortbewegung erfolgt ausschließlich durch ihre Beinarbeit. Der Fahrer versucht dabei, möglichst nahe an der Rolle des vor ihm fahrenden Schrittmacher-Motorrades zu bleiben, um möglichst viel Windschatten zu erhalten. Verliert er den engen Kontakt zum Schrittmacher, so kommt der Fahrer „von der Rolle“ (daher stammt auch die Redewendung „von der Rolle sein“[1]).

Steherrennen finden auch häufig im Rahmen von Sechstagerennen statt.

Herkunft und Entwicklung

Der Begriff „Steher“ leitet sich vom englischen „stayer“ ab, d. h. jemand mit Ausdauer („to stay“ – anhalten, bleiben). Die früher übliche deutsche Entsprechung „Dauerrennen“ weist auf denselben Umstand hin. In der Frühzeit dieser Sportart fuhren die Rennfahrer zunächst ohne Schrittmacher, dann mit Fahrrädern als Schrittmacher, und zwar spezielle Vierer- oder Sechserräder mit entsprechend viel Besatzung. Dabei ging es zunächst weniger um Rennen gegeneinander als um Rekorde: Höchstgeschwindigkeiten, Zeit pro Strecke und Strecke pro Zeit – oft über sehr lange Distanzen (100 Kilometer unterste Grenze) und Zeiten (24 Stunden und mehr), so dass „to stay“ bzw. „Dauerfahren“ tatsächlich wörtlich genommen werden konnte. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden schließlich Motorräder als Schrittmacher benutzt.

Besonders in der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg waren Steherrennen äußerst gefährlich, da das Material, insbesondere die Reifen, noch fehlerhaft war und es zu vielen Stürzen kam, bei denen Steher oder Schrittmacher entweder schwerverletzt wurden oder ums Leben kamen. (s. Liste von tödlich verunglückten Radrennfahrern sowie Rennbahnkatastrophe von Berlin)

Heute ist die Zuschauerresonanz bei Steher-Rennen nicht mehr so groß wie vor 20 oder 30 Jahren, wo noch Zehntausende von Besuchern auf die Radrennbahnen kamen, dennoch faszinieren sie immer noch viele Menschen. Deutsche Steher-Hochburgen sind u. a. Erfurt, Nürnberg, Forst und Leipzig.

1993 wurde die Trennung zwischen Profi- und Amateurstehern abgeschafft. Wie in anderen Disziplinen des Bahnradsports auch wurden die Steherweltmeisterschaften in der neuen Elite-Klasse ausgetragen. Der letzte Steherweltmeister der Amateure war der Berliner Carsten Podlesch, der in der ersten Elitekonkurrenz 1993 Dritter wurde und bei der letzten ausgetragenen Steherweltmeisterschaft der Elite 1994 erneut Weltmeister. Seit 1994 richtet die UCI keine Steher-Weltmeisterschaften mehr aus, da der Stehersport nur noch in wenigen europäischen Nationen (im Wesentlichen Deutschland, Schweiz, Niederlande) ausgeübt wird. Allerdings werden jährlich weiterhin Steher-Europameisterschaften ausgetragen.

Motorräder für Steherrennen

Die Motorräder für Steherrennen sind meistens älteren Baujahrs. Die Maschinen weisen etliche besondere Eigenschaften aus: Sie haben einen großvolumigen, meist einzylindrigen, niedertourigen Motor mit einem in der Halle tendenziell eher erträglichen, tiefen Klangbild. Die Drehmoment-Charakteristik des Motors erlaubt schnelles Beschleunigen aus niedrigen Drehzahlen. Die Lenker sind als Stangen weit nach hinten verlängert, um durch eine aufrechte Sitzposition einen bestmöglichen Windschatten zu ermöglichen. Am Heck der Maschine ist eine breite kugelgelagerte Rolle als Abstandshalter angebracht. Der Radrennfahrer sollte den Radkontakt mit der Rolle – auch den kurzzeitigen Kontakt – unbedingt meiden, da es wegen der doppelten Bremswirkung dabei leicht zu Stürzen kommen kann.

Einzelnachweise

  1. sprichwoerterbuch.de

Literatur

  • Toni Theilmeier: Die wilde, verwegene Jagd. Der Aufstieg des professionellen Stehersports in Deutschland. Die frühen Jahre bis 1910. (= Schriftenreihe zur Fahrradgeschichte, Band 6.) Kutschera, Leipzig 2009, ISBN 978-3-931965-23-5.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Steherrennen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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