Stephan Pfürtner

Stephan Pfürtner

Stephan Hubertus Pfürtner (* 23. November 1922 in Danzig) ist ein deutscher katholischer Moraltheologe und Sozialethiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Pfürtner wuchs mit fünf Geschwistern in Danzig auf. 1941 kam er als Medizinstudent und Angehöriger einer Sanitätskompanie der Wehrmacht nach Lübeck. Dort wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet, weil er an einem Gesprächskreis des Lübecker Kaplans Johannes Prassek teilgenommen hatte. Man warf ihm vor, sich über Hermann Göring mokiert zu haben. Gemeinsam mit den weiteren Lübecker Märtyrern war er bis zum Lübecker Christenprozess inhaftiert und saß in Einzelhaft. Beim Volksgerichtshofsprozess setzte sich sein Kommandeur für ihn ein. Pfürtner wurde zu einer Haftstrafe von 6 Monaten verurteilt, die durch die Untersuchungshaft abgegolten war, weswegen er unmittelbar nach dem Prozess freigelassen wurde. Wenig später kam er wieder an die Front im Osten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Pfürtner der Ordensgemeinschaft der Dominikaner bei. Als Theologe lehrte er von 1966 bis 1974 an der Universität Freiburg (Schweiz), bis ihm die Lehrerlaubnis entzogen wurde, weil er sich, wie andere Moraltheologen seinerzeit auch, 1972 in seinem Buch "Kirche und Sexualität" kritisch zur Enzyklika Humanae vitae geäußert hatte, mit der Papst Paul VI. 1968 die Anti-Baby-Pille und andere Verhütungsmethoden verbieten wollte. Daraufhin kehrte Pfürtner dem Orden der Dominikaner den Rücken. 1974 heiratete er eine Ärztin.

Pfürtner lebt mit Familie in Marburg, wo er von 1975 bis zu seiner Emeritierung 1988 einen Lehrstuhl für Sozialethik im Fachbereich Evangelische Theologie innehatte.

Gerechter unter den Völkern

Pfürtner verhalf im November 1944 drei Jüdinnen zur Flucht aus dem KZ Stutthof und verbarg eine von ihnen in seinem Danziger Elternhaus. Alle drei Frauen überlebten die Zeit des Nationalsozialismus, obwohl eine von ihnen noch einmal gefasst und ins KZ Theresienstadt gebracht wurde. 2006 wurde Pfürtner als Gerechter unter den Völkern geehrt.

Werke (Auswahl)

  • Luther und Thomas im Gespräch. Unser Heil zwischen Gewissheit und Gefährdung. Kerle, Heidelberg 1961
  • Kirche und Sexualität. Rowohlt, Reinbek 1972, ISBN 3-499-68039-4
  • Macht, Recht, Gewissen in Kirche und Gesellschaft. Benziger, Zürich 1972, ISBN 3-545-24038-X
  • Politik und Gewissen – Gewissen und Politik. Grundsätzliche Erwägungen zum Verhältnis von Ethik und Politik. Benziger, Zürich 1976, ISBN 3-545-24049-5
  • Einführung in die katholische Soziallehre (mit Werner Heierle). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, ISBN 3-534-06687-1
  • Wider den Turmbau zu Babel. Disput mit Ivan Illich. Rowohlt, Reinbek 1985, ISBN 3-499-15640-7
  • Ethik in der europäischen Geschichte. 2 Bände (mit Dieter Lührmann und Adolf Martin Ritter). Kohlhammer, Stuttgart 1988
  • Fundamentalismus. Die Flucht ins Radikale. Herder, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-451-04031-X
  • Sexualfeindschaft und Macht. Eine Streitschrift für verantwortete Freiheit in der Kirche. Grünewald, Mainz 1992, ISBN 3-7867-1650-1
  • Abschottung statt Dialog? Das Lehramt der Kirche und die Moral. Edition Exodus, Luzern 1994, ISBN 3-905575-87-6
  • Nicht ohne Hoffnung. Erlebte Geschichte 1922 bis 1945. Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-017091-0
  • Komm, Heiliger Geist! Ökumenische Meditation zur Pfingstsequenz. Paulus, Fribourg 2004, ISBN 3-7228-0628-3

Literatur

  • Josef Schäfer (Bearb.): Wo seine Zeugen sterben ist sein Reich: Briefe der enthaupteten Lübecker Geistlichen und Berichte von Augenzeugen. Hamburg 1946.
  • Else Pelke: Der Lübecker Christenprozess 1943., Mainz 1961/1974. (mit einem Nachwort von Stephan Pfürtner)
  • Ingaburgh Klatt: ’Lösch mir die Augen aus ...’: Leben und gewaltsames Sterben der vier Lübecker Geistlichen in der Zeit des Nationalsozialismus, eine Ausstellung im Burgkloster zu Lübeck vom 8. November 1993 bis zum 10. November 1994. In: Demokratische Geschichte: Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein 8 (1993), S. 205 - 280.
  • Martin Merz: ’Die Pfaffen aufs Schafott’: ein Lübecker Prozess vor 50 Jahren, Begleitheft zur Ausstellung ’Lösch mir die Augen aus ...’; Leben und gewaltsames Sterben der vier Lübecker Geistlichen in der Zeit des Nationalsozialismus; überarb. Manuskript einer Rundfunksendung im Rahmen der Reihe ’Religion und Gesellschaft’ am 6. August 1993 im Dritten Programm des Norddeutschen Rundfunks, Lübeck 1993.
  • Ökumene im Widerstand. Der Lübecker Christenprozeß 1943., Lübeck 2001
  • Isabella Spolovjnak-Pridat und Helmut Siepenkort (Hrsg.): Ökumene im Widerstand. Der Lübecker Christenprozess 1943, Lübeck 2006

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pfürtner — Stephan Hubertus Pfürtner (* 23. November 1922 in Danzig) ist ein deutscher katholischer Moraltheologe und Sozialethiker. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Gerechter unter den Völkern 3 Literatur 4 Webli …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Pf — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Herbert Haag-Preis — Herbert Haag (* 11. Februar 1915 in Singen am Hohentwiel; † 23. August 2001 in Luzern) war ein römisch katholischer Schweizer Theologe und Bibelwissenschaftler deutscher Herkunft. Nach dem Studium der Theologie in Paris für das Bistum Basel im… …   Deutsch Wikipedia

  • Katholische Kirche Bern — Turm der katholischen Dreifaltigkeitskirche in Bern Die römisch katholische Kirche im Kanton Bern zählt 153 357 Mitglieder (16% der Kantonsbevölkerung), wovon rund ein Drittel Ausländer sind. Zur katholischen Kirche lassen sich auch die 1 064… …   Deutsch Wikipedia

  • Herbert Haag (Theologe) — Herbert Haag (* 11. Februar 1915 in Singen am Hohentwiel; † 23. August 2001 in Luzern) war ein römisch katholischer Schweizer Theologe und Bibelwissenschaftler deutscher Herkunft. Nach dem Studium der Theologie in Paris für das Bistum Basel im… …   Deutsch Wikipedia

  • Katholische Kirche im Kanton Bern — Turm der katholischen Dreifaltigkeitskirche in Bern Die römisch katholische Kirche im Kanton Bern zählt 153 357 Mitglieder (16 % der Kantonsbevölkerung), wovon rund ein Drittel Ausländer sind. Zur katholischen Kirche lassen sich auch die… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Persönlichkeiten der Stadt Danzig — Diese Liste führt Personen, die mit der Stadt Danzig in Verbindung stehen, in chronologischer Reihenfolge auf. Inhaltsverzeichnis 1 Ehrenbürger 2 Söhne und Töchter der Stadt Danzig 2.1 12. – 17. Jahrhundert …   Deutsch Wikipedia

  • Lübecker Märtyrer — Gedenktafel in den Wallanlagen beim Untersuchungsgefängnis Hamburg Die Lutherkirche in Lübeck is …   Deutsch Wikipedia

  • Universität Freiburg (Schweiz) — Vorlage:Infobox Hochschule/Professoren fehlt Université de Fribourg Universität Freiburg Motto Wissenschaft und Weisheit …   Deutsch Wikipedia

  • Mártires de Lübeck — Placa conmemorativa en el muro de la prisión del centro de detención de Hamburgo …   Wikipedia Español

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”