Stephanuskirche (Berlin-Gesundbrunnen)

Stephanuskirche (Berlin-Gesundbrunnen)
Stephanuskirche, von der Humboldthöhe aus gesehen (2008)
Stephanuskirche (2008)

Die Stephanuskirche ist eine evangelische Kirche im Ortsteil Gesundbrunnen des Berliner Bezirks Mitte (ehemals Bezirk Wedding), die von 1902 bis 1904 errichtet wurde. Sie trägt ihren Namen nach dem Diakon und Erzmärtyrer Stephanus.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Kirche liegt im so genannten Soldiner Kiez in der Prinzenallee 39/40 Ecke Soldiner Straße.

Geschichte

Die Stephanus-Kirchengemeinde war eine Tochtergründung der an der Kreuzung Pank- Ecke Badstraße gelegenen St.-Pauls-Kirche. Da um 1890 die Bevölkerungszahl des Gesundbrunnens auf 33.000 angewachsen war, hielt der Gemeindekirchenrat den Bau einer zweiten Kirche für dringend geboten. Deshalb setzte sich der damalige Pfarrer Lic. Wilhelm Neveling bereits 1891 mit dem – sich für Kirchbauten besonders bewährten – Oberhofmeister der Kaiserin, Ernst von Mirbach, in Verbindung. Er hoffte, durch dessen Vermittlung eine durch die bevorstehende Verlegung der Gleise der Berlin-Stettiner Eisenbahn freiwerdende Parzelle am Schnittpunkt der Grüntaler und Christianastraße (heute Osloer Straße) als Bauplatz zu gewinnen. Nachdem zunächst alles nach Wunsch verlief, stellten sich im Weiteren jedoch Schwierigkeiten von Seiten der Kirchenleitung ein, sodass erst am 19. Juli 1899 das jetzige Grundstück erworben werden konnte.

Am 31. Oktober 1902 erfolgte die Grundsteinlegung. Die Pläne stammten von Baurat Adolf Bürkner. Am 4. Dezember 1904 konnte die Kirche in Anwesenheit Wilhelms II. durch den Generalsuperintendenten D. Wilhelm Faber eingeweiht werden. Die Altarbibel war eine Stiftung der Kaiserin mit eigenhändiger Widmung Auguste Viktorias. Die Abtrennung von St. Paul und somit gemeindliche Selbstständigkeit erfolgte allerdings erst zum 1. Oktober 1905.

In den Jahren 1927 und 1937 konnten erhebliche Mittel für Sanierungsmaßnahmen aufgebracht werden. So wurde 1937 der gesamte Turm eingerüstet und instandgesetzt. Deshalb zeigten sich die Gebäude zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in sehr gutem Zustand.

Die ersten Kriegsschäden traten 1943 auf, als in der Nacht vom 22. zum 23. September Bomben auf der Prinzenallee landeten und durch den Luftdruck Dachziegel abgehoben wurden und Fenster im Gemeindehaus zu Bruch gingen. Beim Ende der Kampfhandlungen 1945 waren fast alle Dachziegel sowie sämtliche bleiverglasten Fenster – darunter das Mittelfenster des Altarraumes mit dem farbenprächtige Bild der Steinigung des Stephanus – völlig zerstört. Ansonsten hatte die Kirche den Zweiten Weltkrieg verhältnismäßig gut überstanden und wurde bis 1958 wiederhergestellt.

1958 wurde auf dem angrenzenden Grundstück in der Soldiner Straße 21 durch den Architekten Lichtfuß eine Kindertagesstätte mit Jugendheim errichtet.

Im Jahre 2004 wurde der gemeinsame Gemeindekirchenrat der drei Gemeinden Stephanus, St. Paul und Martin-Luther Pankow-West (bis zum Mauerbau 1961 Teil des Kirchenkreises Pankow) gewählt, wobei noch jede Gemeinde einen eigenen Stimmbezirk bildete. Das erklärte Ziel war jedoch, in dieser Wahlperiode zu einer Fusion zu kommen. Am Pfingstsonntag, den 27. Mai 2007 bildete sich sodann in einem Festgottesdienst in der Stephanuskirche die neuen Kirchengemeinde an der Panke mit den drei Standorten St. Paul, Stephanus und Martin-Luther. Dies wurde nach dem Kirchengesetz zum 1. Juni 2007 rechtskräftig. Somit ist die Stephanusgemeinde wieder mit ihrer einstigen Muttergemeinde vereinigt.

Baubeschreibung

Äußeres

Es handelt sich um einen neugotischen Backsteinbau in leicht malerischer, asymmetrischer Gruppierung.

Ihr nicht axialer, an die Straßenecke gesetzter Turm hat eine Höhe von fast 80 m und beherrscht weithin das Stadtbild. Er weist zunächst einen quadratischen Grundriss auf und ist von mächtigen Strebepfeilern umgeben. Dreiecksgiebel vermitteln sodann zum Achteckgeschoss, auf dem der steile, kupfergedeckte Turmhelm sitzt. Das aufsitzende 3 m hohe Kreuz wurde 1927 vergoldet und hat im Krieg keinerlei Schaden genommen – ebenso die drei Glocken. Sie mussten zwar bei der Metallsammelstelle abgegeben werden, wurden aber nicht eingeschmolzen, da es sich lediglich um Stahlglocken handelt.

Von außen wirkt die Stephanuskirche durch große Giebelfronten und die hohen, sich kreuzenden Dächer wie eine kreuzförmige Anlage. Die reich geschmückten Straßenfronten sind nach Vorbildern der märkischen Backsteingotik gestaltet und durch Maßwerkfenster, Blendfriese und lange, weiß abgesetzte Blendfelder lebhaft gegliedert.

Links neben dem – von einem Wimperg bekrönten – Hauptportal gibt ein polygonales Treppentürmchen ein Gegengewicht zum mächtigen Hauptturm. Es leitet zum viergeschossigen, klosterartig wirkenden Gemeindehaus über, das sich in der Häuserflucht der Prinzenallee anschließt. Dieses achteckige Treppenhaus erschließt die Orgelempore und drei Gemeindesäle.

Inneres

Die Kirche birgt 1000 Sitzplätze, davon 700 im Kirchenschiff und 300 auf den Emporen. Der Raum zeigt sich recht lebendig und bietet ein reichhaltiges Bildprogramm, das auf die theologischen Grundlagen der evangelischen Kirche verweist. Anders als es das Äußere vermuten ließe, zeigt sich das Innere als ausgesprochener Zentralbau, da die nach außen angedeuteten Kreuzarme in Wahrheit sehr kurz sind. An dieses zentralisierte Schiff schließt sich ein polygonaler Chor an.

Die architektonischen Gliederungen aus Backstein wechseln mit weiß verputzten Wandflächen sowie floral ausgebildeten Kapitellen und Brüstungen aus Sandstein ab. Die Kapitelle über den sechs Säulen des Zentralraumes tragen lebensgroße Statuen von Männern, die in ihrer Zeit wie Stephanus Glaubenszeugen waren. Sie sind von turmartig gestaffelten Aufbauten hinterfangen. An den östlichen Wandfeilern stehen bei der Kanzel Petrus und beim Taufstein Paulus. An der Straßenseite sind Bonifatius und Martin Luther zu sehen, gegenüber auf der Hofseite Jan Hus und Friedrich Schleiermacher. Sie alle wurden vom Bildhauer Edmund Wende geschaffen. Bei einem Luftangriff war der Kopf der Petrusfigur herabgestürzt, bleib jedoch soweit erhalten, dass er 1958 wieder aufgesetzt werden konnte. Allerdings wurde bei diesen Instandsetzungsarbeiten die Ausmalung des Gewölbes übertüncht.

Die wertvolle neugotische Ausstattung wurde von Bewohnern des Gesundbrunnens gestiftet und ist dagegen fast völlig erhalten geblieben. Altar, Taufstein und Kanzel gehen auf den Entwurf Adolf Bürkners zurück und waren im Zweiten Weltkrieg nur wenig beschädigt worden. Die Christusfigur, die im Chor auf dem Altar vor einer neugotischen Bogennische steht, ist mit ihren einladend ausgebreiteten Händen dem Segnenden Christus von Bertel Thorwaldsen in der Kopenhagener Frauenkirche nachgebildet. Die bemalten Blendfelder unter den Chorfenstern zeigten bedeutende Theologen und Reformatoren. Es waren unter dem linken Fenster drei Märtyrer der Kirche: Bischof Ignatius von Antiochien, Petrus Waldus und Ulrich Zwingli. Unter dem mittleren Fenster drei Fürsten, die sich als Beschützer Glaubensverfolgter erwiesen: der Große Kurfürst, Gustav Adolf und Friedrich Wilhelm I. Unter dem rechten Fenster drei Männer aus der Liebestätigkeit der Kirche: August Hermann Francke, Theodor Fliedner und Johann Hinrich Wichern. Aufgrund der zerstörten Verglasung durch die Kriegseinwirkungen hatten die Bilder unter den Witterungseinflüssen sehr gelitten. Deshalb wurden sie bei den Instandsetzungsarbeiten gegen den Willen der Gemeinde einfach übertüncht. Bereits im Sommer 1968 begann eine Geldsammlung, durch die das mittlere Bild, das Gustav Adolf zeigt, wiederhergestellt werden konnte. Im Jahre 2004 konnten auch die Darstellungen Petrus Waldus und Theodor Fliedners restauriert werden. Ebenfalls durch eine Sammelaktion sollte 1964 im Mittelfenster des Chores das Glasbild der Steinigung des Stephanus wiederhergestellt werden. Zwar war die Spendenbereitschaft groß, doch waren die Kosten für eine originalgetreue Kopie zu hoch. Heute zieren einfachere Bleiverglasungen die Fenster.

Die Epoche der Purifizierungen überdauerte unter anderem der hundertflammige bronzene Kronleuchter mit einem Durchmesser von acht Metern. Er wiegt mehr als 30 Zentner und ist an einem Flaschenzug, der doppelt gesichert ist, aufgehängt. Geschaffen wurde er nach dem Vorbild mittelalterlicher Radleuchter durch den Wilmersdorfer Kunstschlosser Paul Golde. Es dürfte sich um den größten erhaltenen Rundleuchter in Deutschland handeln.

Auch hat sich die erste Orgel – die einzige in Berlin aus dieser Zeit – erhalten. Sie ist das Opus 681 der Firma Schlag & Söhne aus Schweidnitz/Schlesien und war bereits vor dem Einbau in die Kirche auf der Ausstellung für Handwerk und Kunstgewerbe in Breslau gezeigt worden. Obwohl in den 1960er-Jahren von den Sachverständigen die damals übliche Umdisponierung vorgeschlagen wurde, blieb die Stephanusorgel durch das Einwirken Prof. Karl Schukes klanglich völlig erhalten. 1971 wurde durch die Firma Schuke lediglich eine Elektrifizierung der Tastatur vorgenommen. Der neue Spieltisch entspricht jedoch weiterhin der ursprünglichen romantischen Disposition.

Alles in allem kommt das heutige Raumerlebnis – von den Übermalungen und dem Fehlen der ursprünglichen Bleiverglasungen abgesehen – dem originalen Zustand sehr nahe.

Literatur

  • Gemeindekirchenrat (Hg.): Stephanus-Kirche zu Berlin-Wedding 1904-2004. Festschrift. Berlin 2004.
  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. 2. Aufl. CZV-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-7674-0158-4, S. 294f.
  • Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Wege zu Berliner Kirchen. Vorschläge zur Erkundung kirchlicher Stätten im Westteil Berlins. Wichern-Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-88981-031-4, S. 44.

Weblinks

 Commons: Stephanuskirche (Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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