Sternwarte Pulkowa

Sternwarte Pulkowa
Pulkowo-Observatorium

Das Pulkowo-Observatorium (in der älteren Literatur Pulkowa-Sternwarte, russisch Пу́лковская астрономи́ческая обсервато́рия, engl. Pulkovo Space Observatory) ist die bekannteste Sternwarte Russlands und seit langem das Hauptobservatorium der Russischen Akademie d.Wissenschaften. Es befindet sich auf dem Pulkowo-Hügel, etwa 15 Kilometer südlich des Zentrums von Sankt Petersburg, dem früheren Leningrad.

Die hohe geografische Breite (wie Oslo nur 6½° vom Polarkreis entfernt) erlaubt Beobachtungen, die von südlicheren Sternwarten wie Greenwich nicht durchgeführt werden konnten. Pulkowo war Standpunkt der Weltlängenbestimmung 1933 (Ortszeitdifferenz zu Greenwich 2h 01m 18,57s) und wurde 1990 von der UNESCO in die Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Menschheit aufgenommen.

Das Pulkowo-Observatorium ist eine historisch wichtige Forschungsstätte, die nach 1945 teilweise neu ausgestattet wurde, u.a. mit einem Radioteleskop. An ihren meist in Deutschland hergestellten Instrumenten arbeiteten bedeutende Astronomen, wie der deutsche Friedrich Georg Wilhelm Struve und sein Sohn Otto Wilhelm Struve.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte bis zum Zweiten Weltkrieg

Das Observatorium wurde 1839 auf einer bewaldeten Anhöhe mit oben freier Rundsicht erbaut. Der Hügel mit dem Dorf Pulkawa zu Füßen wurde als Park ausgestaltet, um durch liebevollste Fürsorge für alle Bedürfnisse der Astronomen deren Einsamkeit in 15 km Distanz zur Hauptstadt möglichst unfühlbar zu machen. Als künftige Hauptsternwarte Russlands wurde sie mit den damals modernsten Geräten ausgestattet. Der große Refraktor war mit 38 cm Öffnung für etwa 10 Jahre das größte Linsenfernrohr der Welt. Erster Direktor wurde Friedrich Georg Wilhelm Struve. Architekt war Alexander Brjullow.

Die Hauptaufgabe des Observatoriums bestand in der Positionsbestimmung der Sterne (Astrometrie), der Untersuchung von Doppelsternen und der exakten Bestimmung von astronomischen Konstanten, wie der Präzessionsbewegung der Erde, der Nutation und der sphärischen Aberration. In den Jahren 1845, 1865, 1885, 1905 und 1930 wurden Sternkataloge herausgegeben.

Darüber hinaus dienten die in Pulkowo gewonnenen Daten der geografischen Vermessung Russlands und der Navigation. So war man an der exakten Bestimmung der Längen- und Breitengrade von der Donau bis zum Nördlichen Eismeer Eismeer (bis 1851) und der Vermessung der Insel Spitzbergen (1899-1901) beteiligt. Der Meridian von Pulkowo, der durchs Zentrum des Hauptgebäudes verläuft, war der Ausgangspunkt sämtlicher älterer geografischen Karten Russlands.

1862 übernahm Struves Sohn Otto Wilhelm die Leitung. 1888 wechselte Aristarch Belopolski, ein Experte auf dem Gebiet der Spektroskopie und der Sonnenforschung, von der Moskauer Sternwarte nach Pulkowo.

1889, anlässlich des 50jährigen Bestehens, wurde ein astrophysikalisches Labor eingerichtet und ein Refraktor mit 76 cm Öffnung aufgestellt (wiederum das weltgrößte Linsenfernrohr).

1890 wurde Fjodor Bredichin Direktor. Unter seiner Leitung wurde die Astrophysik zum Forschungsschwerpunkt. Mit der Installation eines Astrografen begann man 1894 in Pukowo mit der Astrofotografie. 1904 erfolgte die Aufstellung eines „Zenitteleskop“ zur Messung der Bewegung des Himmelspols. Ab 1920 sandte das Observatorium mittels Radiowellen genaue Zeitsignale aus. 1923 wurde ein Spektrograf nach Littrow aufgestellt. 1940 nahm man ein Sonnenteleskop in Betrieb.

Um Beobachtung der südlicheren Sterne vornehmen zu können, wurden zwei Niederlassungen eingerichtet, das Simeis-Observatorium auf der Halbinsel Krim (im heutigen Jaltaer Stadtteil Simejis) und die Sternwarte von Nikolajew.

Die Große Säuberung der Stalin-Ära bedeutete einen tiefen Einschnitt für die Forschungstätigkeit. Viele Mitarbeiter, einschließlich des damaligen Direktors Boris Gerassimowitsch, wurden verhaftet und Ende der 1930er Jahre hingerichtet.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Observatorium durch deutsche Luftangriffe und Artilleriebeschuss vollständig zerstört. Unter dramatischen Umständen konnten die Hauptinstrumente der Hauptsternwarte, darunter auch das große Linsenteleskop mit einem Objektivdurchmesser von 76 cm, nach Sankt Petersburg ausgelagert werden und entgingen so der Zerstörung und Vernichtung. Gleiches galt auch für einen Großteil der weltberühmt gewordenen Bibliotheksbestände mit ihren äußerst seltenen Handschriften und Büchern des 15. bis 19. Jahrhunderts, sowie fundamentaler Werke auf dem Gebiet der praktischen Astronomie und Geodäsie. Ironie des Schicksals, wurden durch eine Brandstiftung am 5. Februar 1997 etwa 1500 der 3852 Bände vollständig verbrannt. Die übrigen Bände sind ebenfalls beschädigt worden, entweder durch die Flammen, oder das Löschwasser.

Jüngere Geschichte

Noch vor Kriegsende beschloss die sowjetische Regierung, das Observatorium wieder aufzubauen und die frühere Einrichtung um Geräte und Personal zu erweitern. 1946 begannen die Bauarbeiten, im Mai 1954 erfolgte die Wiedereröffnung.

Neu war der Fachbereich Radioastronomie und eine optisch-mechanische Werkstatt für den Instrumentenbau. Geräte, die den Krieg überstanden hatten, wurden repariert und wieder in Betrieb genommen. Neue Teleskope waren ein 65 cm-Refraktor, ein großes Zenitteleskop, zwei Interferometer, zwei Sonnenteleskope, ein Koronograf und ein großes Radioteleskop.

Die Sternwarte in Simeiz wurde 1945 dem Krim-Observatorium angegliedert, ein weiteres Observatorium in Kislowodsk errichtet.

Jährlich publizieren die Astronomen 5-7 Werke, wozu noch aktuelle Berichte über Entdeckungen kommen. So wurde 19../20.. die Explosion einer Supernova in einer fernen Galaxie gemeldet, ein Phänomen, das nur etwa alle 30 Jahre beobachtet wird.

Im Observatorium befindet sich auch ein Teil des astrophysischen Labors der Akademie und die einzige Erdbeben-Forschungsstation in Nordwestrussland. In den 1970ern entwickelte die Sternwarte einen fotografischen Meridiankreis zur Bestimmung hochpräziser Sternörter.

Literatur

  • Vera Ichsanova: Pulkovo/St. Petersburg Spuren der Sterne und Zeiten. Geschichte der russischen Hauptsternwarte, Peter Lang Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-631-49253-7
  • Amand von Schweiger-Lerchenfeld: Atlas der Himmelskunde und coelestischen Photographie, Hartlebens Verlag, Wien-Pest-Leipzig 1898

Weblinks

59.77185277777830.3263416666677Koordinaten: 59° 46′ 19″ N, 30° 19′ 35″ O


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