Steve Smale

Steve Smale
Stephen Smale in Berkeley, 1988

Stephen Smale (* 15. Juli 1930 in Flint, Michigan, USA) ist ein US-amerikanischer Mathematiker, der hauptsächlich durch seinen Beweis der Poincaré-Vermutung für den Fall n > 4 bekannt wurde.

Smale begann sein Studium an der Universität von Michigan 1948, mit anfangs eher mäßigen Noten - er interessierte sich eher für Reisen und politische Aktivitäten auf dem Campus. Er trat der kommunistischen Partei bei. Wegen seiner nachlassenden Noten erhielt er sogar eine Ermahnung seines Fakultätsleiters Hildebrandt. 1952 graduierte er und 1957 machte er seine Doktorarbeit Regular Curves on Riemannian Manifolds unter Raoul Bott, dessen erster Doktorand er war. Mit dieser Arbeit verallgemeinerte er ältere Resultate von Hassler Whitney, der 1937 reguläre geschlossene Kurven in der Ebene durch ihre Windungszahl klassifizierte. 1956 besuchte er die Topologie-Konferenz in Mexiko-Stadt, an der die weltweit führenden Topologen teilnahmen.

1959 sorgte er an der Universität von Chicago mit dem Beweis der Möglichkeit, eine Sphäre im dreidimensionalen Raum von Innen nach Außen zu stülpen ohne "Risse" zu erzeugen (Sphere Eversion), für Aufsehen. Eine anschauliche Vorgehensweise zeigte später z. B. der blinde französische Mathematiker Bernard Morin. Genauer zeigte Smale, dass alle stetigen Einbettungen (Immersionen) von S2 in den R3 regulär homotop waren, also auch die Standard-Einbettung zur Einbettung der invertierten Sphäre ("von außen nach innen gestülpt").

Mit diesen Arbeiten gewann er ein Stipendium der National Science Foundation und erhielt eine Einladung an das Institute for Advanced Study, er ging aber 1960 nach Rio de Janeiro zu Maurice Peixoto, der auf dynamische Systeme spezialisiert war und den er schon 1958 traf. Hier "am Strand von Rio" kamen ihm die Ideen für seine Hufeisen-Abbildung und für den Beweis der verallgemeinerte Poincaré-Vermutung für Dimensionen größer als 4. Dabei benutzte er Ideen aus der Morse Theorie. Ideen aus seinem Beweis verallgemeinerte er später und leitete aus ihnen das h-Kobordismus-Theorem her. Heute wird meist umgekehrt die Poincaré-Vermutung in d>4 als Folge dieses h-Kobordismus Theorems bewiesen. Ein etwa gleichzeitiger Beweis einer Version der Poincaré-Vermutung in d>4 durch John Stallings führte zu einem Prioritätsstreit.

Schon Anfang der 1960er Jahren begann er sich mit Dynamischen Systemen wie seiner berühmten Hufeisen-Abbildung zu beschäftigen, die chaotisch, aber "strukturell stabil" ist. Damit verallgemeinerte er Untersuchungen gegen Störungen stabiler Bewegungen der russischen Mathematiker Andronov und Pontrjagin und begann seine eigenen qualitative, topologische Untersuchungen dynamischer Systeme. Smale fasste chaotische Systeme wie das Hufeisen oder auch geodätischer Fluss auf Mannigfaltigkeiten negativer Krümmung zusammen als „hyperbolische“ Systeme, gekennzeichnet durch lokales Stauchen und Strecken. Anfangs glaubte er, dass diese Systeme „typisch“ sind (ihre Bahnen „dicht“ liegen), was sich aber als falsch herausstellte. Smale knüpfte auch - damals unüblich - Kontakte zu den traditionell in der Theorie dynamischer Systeme starken sowjetischen Mathematikern wie Wladimir Arnold, z. B. 1961 in Moskau und auf dem Internationalen Mathematikerkongress 1966 in Moskau, wo er die Fields-Medaille bekam.

In den 1970er Jahren begann er Anwendungen dynamischer Systeme zu untersuchen, z. B. das n-Körperproblem, elektrische Schwingkreise oder die Gleichgewichte von Systemen aus den Wirtschaftswissenschaften. Daraus ergab sich die Frage nach der Konvergenz der Annäherung an Gleichgewichtspunkte, was Smale zu algorithmischen Untersuchungen führte, die er ebenfalls global anging.

Ab den 1990er Jahren versucht er die Numerische Analyse und das auf Turing-Automaten beruhende Berechnungsmodell der theoretischen Informatik zu vereinigen (Arbeiten mit Leonore Blum, Mike Shub).

Als er sich einmal dahingehend äußerte, dass seine besten Arbeiten "am Strand von Rio" entstanden, nahm dies die National Science Foundation zum Anlass ihm Gelder zu kürzen. Auch mit seinen linksgerichteten politischen Aktivitäten besonders in den 1960er Jahren eckte er an. 1960 und dann wieder 1964-1995 war er Professor in Berkeley, also im Zentrum der amerikanischen Studentenbewegung, und im Mai 1965 war er maßgeblich an der Organisation der Antivietnamkriegs-Tage beteiligt. Nach seiner Emeritierung war er an der Universität von Hongkong und ist zur Zeit am Toyota Institut für Technologie in Chicago.

1998 stellte er eine Liste von 18 noch ungelösten Problemen für das 21. Jahrhundert auf (Mathematical Intelligencer 1998 Nr.2). Diese ist von Hilberts 23 Problemen inspiriert, die dieser im Jahr 1900 aufstellte. Manche von ihnen kommen auch wieder bei Smale vor, beispielsweise die Riemannsche Vermutung, manche von Smales Problemen auch bei den Millennium-Problemen.

Smale wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet, insbesondere mit der Fields-Medaille und dem Veblen-Preis (beide 1966). 2007 erhielt er den Wolf-Preis.

Smale besitzt eine große Mineralien- und Edelsteinsammlung und ist auch als Fotograf von Mineralien hervorgetreten.

Siehe auch

Literatur

von Stephen Smale:

  • The Story of the Higher Dimensional Poincaré Conjecture. Mathematical Intelligencer 1990
  • A classification of immersions of the 2-sphere. Bulletin AMS 1958 (wie man eine Sphäre von innen nach außern stülpt ohne Risse), und Transactions AMS 1958
  • Generalized Poincaré's conjecture in dimensions greater than four. Annals of Math., Bd.74, 1961, S.391
  • A survey of some recent results in differential topology. Bulletin AMS 1963
  • Finding a horseshoe on the beaches of Rio. Mathematical Intelligencer 1998
  • Differentiable dynamical systems. Bulletin AMS Bd.73, 1967, S.747-817
  • On the problem of reviving the ergodic hypothesis of Boltzmann and Birkhoff. In: Helleman (Hrsg.): Nonlinear dynamics. Annales NY Academy of Sciences 1979
  • mit Morris Hirsch: Differential equations, dynamical systems and linear algebra. Academic Press 1974

zu ihm und seinen Arbeiten:

  • Steve Batterson: The mathematician who broke the dimension barrier. American Mathematical Society 2000
  • Phillips: Turning a sphere inside out. Scientific American, Mai 1966
  • Hirsch: The work of John Smale in differential topology. In: Hirsch (Hrsg.): From topology to computation: Proceedings of the Smalefest, Berkeley 1990. Springer 1993
  • Shub: What is a Horseshoe? Notices AMS, Mai 2005, online hier: [1]

Weblinks


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