Stimmgabel

Stimmgabel
Einfache Stimmgabel (440 Hz)

Stimmgabeln (veraltet Diapason) sind Metallgabeln, deren Zinken beim Anschlagen einen klaren, obertonarmen Ton erzeugen. Auf einen Kammerton gestimmte Stimmgabeln werden zum Einstimmen von Musikinstrumenten und beim Musizieren verwendet. Bei Männerchören sind vereinzelt auch Stimmgabeln in f′-Stimmung in Gebrauch.

Physikalisch gesehen ist die Stimmgabel ein Biegeschwinger. Die Zinken schwingen beim Anschlagen gegensinnig. Sobald sich die Zinken nach außen bewegen, wird die Luft vor ihnen verdichtet, während sie zwischen ihnen verdünnt wird. Beim Zurückschwingen kehrt sich die Dichteverteilung um. Die sich wellenförmig ausbreitenden Druckunterschiede nehmen wir als Schall wahr.

Schwingungsfiguren auf einer Rußplatte

Wird einer der Zinken mit einer Nadel versehen, kann die erzeugte Sinusschwingung durch schnelles Ziehen über eine rußgeschwärzte Glasplatte sichtbar gemacht werden, ebenso mit Hilfe eines Stroboskops oder per Mikrofon und Oszilloskop. Bringt man den Fuß einer angeschlagenen Stimmgabel in Kontakt mit einem Resonanzkörper wie einer Tischplatte oder gar dem Schädelknochen, so wird der erzeugte Ton verstärkt und ist viel deutlicher zu hören. Ein oft vorgeführter Versuch zur Resonanz in der Physik basiert auf zwei an entkoppelten Resonanzkörpern befestigten, auf die gleiche Frequenz geeichte Stimmgabeln: Wird eine Stimmgabel angeschlagen und einige Sekunden später wieder angehalten, erklingt der Ton immer noch; die zweite Stimmgabel wurde durch die von der ersten ausgesandten Schallwellen zu Schwingungen in ihrer Eigenfrequenz angeregt.

Erfunden wurde die Stimmgabel 1711 durch den Militärtrompeter John Shore.

Stimmgabeln in der Medizin

Stimmgabeln werden auch in der Medizin in mehreren Bereichen genutzt.

In der Neurologie dienen Stimmgabeln zur Prüfung des Vibrationsempfinden, der Pallästhesie, genutzt, indem man diese in niedrige Schwingungen (64Hz) versetzt und auf Stellen aufsetzt, an denen ein Knochenvorsprung recht oberflächlich liegt, zum Beispiel das Großzehgrundgelenk oder der Knöchel. Fehlt die Wahrnehmung der Vibration, so besteht ein Verdacht auf eine Neuropathie.

Aufgrund der sehr einfachen Untersuchung und des preiswerten Instrumentes ist es ein gutes Screeningverfahren für diabetische Polyneuropathie im Rahmen des Disease-Management-Programms in der Allgemeinmedizinpraxis. Zum Einsatz kommt hier die Variante nach Rydel-Seiffer, bei der man mittels skalierter Gewichte das Vibrationsempfinden objektiv messen kann.

In der Audiologie können mithilfe von Stimmgabeln einfache, orientierende Hörtests durchgeführt werden. Am bekanntesten sind sicher der Weber-Versuch sowie der Rinne-Versuch mit deren Hilfe schon grobe Aussagen über die Lokalisation der Störung getroffen werden können.

Verwendung

Uhrenquarz aus einer Quarzuhr (32768 Hz), oben im Gehäuse

Elektronische Stimmgeräte erzeugen nicht unbedingt Töne, können aber immer auch die vom Instrument erzeugten Töne messen. In Quarzuhren ist ein Uhrenquarz für 32.768 Hz eingebaut, aus dem sich durch einfache Frequenzteilung durch 215 Sekundenimpulse herleiten lassen. Da Quarz sehr hart ist, liegt die Resonananzfrequenz eines Kristallblocks von einigen Millimetern Größe viel zu hoch im Megahertzbereich. Durch die Stimmgabelform lässt sich das Quarz leichter biegen und die Baugröße wird so klein, dass das Quarz trotz tiefer Resonanzfrequenz in ein Uhrgehäuse passt.

Bevor Armbanduhren durch Auszählen von Quarzschwingungen präziser wurden brachte die Firma Bulova zur größeren Ganggenauigkeit eine Uhr mit sicht- und hörbarer Stimmgabel unter der Bezeichnung Accutron auf den Markt.

Die Vibrationssonde dient dem Messen von Füllständen in Behältern. Sie arbeitet nach dem Prinzip der Stimmgabel.

Siehe auch

 Commons: Tuning forks – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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