Stringenz

Stringenz

Schlüssigkeit (Stringenz) ist ein Begriff der Argumentationstheorie (Logik) sowie angewandt des Prozessrechts.

Schlüssigkeit im Sinne der Argumentationstheorie und Logik

Schlüssigkeit im Sinne der Argumentationstheorie und der Logik ist eine Eigenschaft eines Arguments. In der Logik und Argumentationstheorie wird der Ausdruck in einem doppelten Sinn verwendet.

[1] formale Korrektheit: Schlüssigkeit des Arguments bedeutet lediglich, dass wenn die Prämissen wahr sind, daraus die Konklusion logisch folgt, ohne eine Aussage über die Wahrheit der Prämissen zu treffen. [1]

Was soll es aber heißen, dass eine Konklusion logisch folgt? Eine Konklusion folgt dann logisch aus den Prämissen, wenn es absolut unmöglich ist, dass die Prämissen wahr sind und die Konklusion falsch ist. Schlüssigkeit bedeutet nun also, dass es nicht denkbar ist, dass die Prämissen wahr sind, und die Konklusion im selben Fall falsch ist. In der Tat wird damit nichts über die Wahrheit der Prämissen und die Wahrheit der Konklusion ausgesagt, denn wenn die Prämissen zum Beispiel notwendig falsch wären, so wäre die Bedingung der Schlüssigkeit immer erfüllt, und zwar völlig unabhängig von der Wahrheit der Konklusion, die dann auch natürlich auch falsch sein könnte.

[2] Gültigkeit des Arguments und Wahrheit der Prämissen: „Ein Argument heißt schlüssig genau dann, wenn es gültig ist und alle seine Prämissen wahr sind.“ [2]

Juristisch wird Schlüssigkeit nur im Sinne von [1] verwandt.

Schlüssigkeit im Sinne des Prozessrechts

Geeignetheit eines zivilprozessualen Parteivortrages, die von der Partei begehrte Rechtsfolge zu tragen. Sie liegt vor, wenn die von der Partei behaupteten Tatsachen - als wahr unterstellt - den Tatbestand einer Norm ausfüllen, die eine der vortragenden Partei günstige Rechtsfolge anordnet.

Die Schlüssigkeit ist ein wichtiger Begriff in der juristischen Methodik, insbesondere im Zivilprozess und dort relationstechnisch elementar. Die Prüfung der Begründetheit einer Klage beginnt mit der Prüfung der Schlüssigkeit des Kläger-Vorbringens ("Klägerstation"). Ist eine Klage nicht schlüssig, erübrigen sich alle weiteren Erörterungen zum Beklagtenvortrag, Beweise dürfen nicht erhoben werden. Die unschlüssige Klage weist der Richter - nach einem Hinweis - ab.

Bei der Schlüssigkeitsprüfung wird die Wahrheit der vom Kläger vorgetragenen Tatsachen unterstellt und nur danach gefragt, ob sie die vom ihm begehrte Rechtsfolge tragen.

Beispiel: Die Klage auf Übereignung eines Grundstücks ist "unschlüssig", wenn der Kläger seinen Anspruch aus einem mündlichen Grundstückskaufvertrag herleitet, denn ein Grundstückskaufvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Schlüssig ist der Vortrag des Klägers, wenn er den Abschluss eines notariell beurkundeten Kaufvertrages vorbringt und seine vertragsgerechte Leistung des Kaufpreises. Eine Kaufpreisklage könnte ganz oder jedenfalls teilweise, der Höhe nach, unschlüssig sein, wenn der Kläger den Kaufpreis für eine mangelfreie Sache einklagt, allerdings selbst Mängel an der verkauften Sache einräumt und er für Mängel verschuldensunabhängig einzustehen hat.

Es obliegt im Zivilverfahren dem Kläger, alle zum Grund und zur Höhe seines Anspruchs nötigen Tatsachen ("anspruchsbegründenden Tatsachen") vorzutragen. Hat er dies getan, sind seine Ausführungen schlüssig. Bringt er allerdings darüber hinaus selbst anspruchshindernde, -vernichtende oder -hemmende Umstände vor, macht er seine eigene Klage wieder unschlüssig (Beispiel: Kläger trägt nach Ablauf der Verjährungsfrist vor, der Beklagte habe die Verjährungseinrede erhoben.).

Wichtig ist die Schlüssigkeit insbesondere bei fehlender Verteidigungsanzeige des Beklagten im schriftlichen Vorverfahren oder bei dessen Säumnis in der mündlichen Verhandlung. Dann ergeht nach Vorbringen des Klägers ein Versäumnisurteil nur, wenn und soweit die von ihm behaupteten Tatsachen den begehrten Anspruch begründen, also sein Anspruch schlüssig dargetan ist. Ansonsten weist das Gericht die Klage nach Hinweis mangels Schlüssigkeit ab (unechtes Versäumnisurteil).

Erst nach schlüssigem Klägervortrag prüft das Gericht, ob das Vorbringen der Gegenseite "erheblich" ist (Erheblichkeit). Erheblich ist ein Beklagtenvortrag dann, wenn er geeignet ist, den schlüssig vorgetragenen Klageanspruch ganz oder teilweise zu Fall zu bringen. Hierzu kann der Beklagte die vom Kläger behaupteten Tatsachen bestreiten oder Einwendungen und Einreden geltend machen. Prüfungsmaßstab für Einwendungen und Einreden ist, ob die vom Beklagten hierzu behaupteten Tatsachen, als wahr unterstellt, den Tatbestand einer Norm ausfüllen, die den klägerisch geltend gemachten Anspruch nicht entstehen oder wieder untergehen lässt oder seiner Durchsetzung entgegen steht. So ist der Einwand des Beklagten, nicht zahlen zu können, im Zivilprozess regelmäßig unerheblich; demgegenüber ist der Einwand der Mangelhaftigkeit eines Kauf- oder Mietobjektes oder einer Werkleistung regelmäßig erheblich.

Über wirksam bestrittene Tatsachen, die die Schlüssigkeit oder die Erheblichkeit begründen, muss das Gericht regelmäßig auf Antrag einer Partei Beweis erheben, etwa durch Befragung von Zeugen oder Einholung von Sachverständigengutachten. So zum Beispiel, wenn die Parteien unvereinbare Tatsachen behaupten, aus denen sich unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben (der Unternehmer hält sein Werk für mangelfrei, der Besteller wendet Mängel ein).

Während im Zivilverfahren das Gericht nur nach dem vorgetragenen Sachverhalt urteilt (Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz), besteht in anderen Verfahren (z.B. Straf-, Verwaltungsverfahren) das Prinzip der Amtsermittlung (Offizialmaxime). In diesen Verfahren spielt die Schlüssigkeit eine mehr untergeordnete Rolle. Die Amtsermittlung hat aber auch Grenzen: Im Sozialhilfeverfahren z.B. hat der Anspruchsteller seine Bedürftigkeit schlüssig darzulegen, wenn er Hilfe begehrt.

Quellen

  1. Detel, Grundkurs Philosophie I: Logik (2007), S. 48
  2. Beckermann, Einführung in die Logik, 2. Aufl. (2003), S. 22; Rosenkranz, Einführung in die Logik (2006), S. 11
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