Strüdinger

Strüdinger

Peter Strüdinger (* 18. Januar 1957 in Quernheim) ist ein deutscher Schwerverbrecher, der besonders für seine beiden Fluchten aus dem Hochsicherheitstrakt der JVA Celle bekannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Frühes Leben und erste Verbrechen

Peter Strüdinger wird als erstes Kind einer Krankenschwester in Niedersachsen geboren. Seinen leiblichen Vater lernte er nie kennen. 1966 wird sein Halbbruder Dieter geboren; zu dieser Zeit schwänzt er bereits öfters die Schule und reißt mehrmals von zu Hause aus. Seine Mutter bringt in deshalb in eine jugendpsychiatrische Klinik in Wunstorf, wo eine Ärztin ihr rät, Peter aus der Schule zu nehmen.

Nach mehreren Heimaufenthalten wird er 1973 vom Amtsgericht Nordenham wegen Diebstahls, versuchten Raubes und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu vier Jahren Haft verurteilt, 1974 wegen versuchten schweren Raubes und Diebstahl in acht Fällen zu weiteren vier Jahren. 1976 bricht er während eines Hafturlaubes erneut in Privathäuser ein und wird zu weiteren drei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Zur Behandlung wird er in die geschlossene Abteilung des Landeskrankenhauses Göttingen überstellt. Dort bastelt er sich aus Radioteilen ein Messer, sticht am 14. Januar 1978 zwei Pfleger nieder und flüchtet. Nach zwei Tagen stellt er sich jedoch freiwillig und wird nach einer erneuten Verurteilung wegen versuchten Totschlags wieder in den normalen Vollzug verlegt. Während eines dortigen Hafturlaubes lernt er die 18-jährige Gudrun kennen und verliebt sich in sie, deren Mutter verbietet ihr jedoch sich mit einem Straftäter zu treffen. Aus Verzweiflung darüber nimmt er während eines erneuten Haftuberlaubs 1982 mit einer Schusswaffe eine Bahnangestellte als Geisel. Beim Befreiungsversuch durch ein Sondereinsatzkommando kommt es zu einem Schusswechsel, in dem Strüdinger und zwei Polizisten schwer verletzt werden. Nach einer Verurteilung zu 15 Jahren Haft mit Sicherungsverwahrung wird er in den Hochsicherheitstrakt der JVA Celle überstellt.

Erste Flucht

Am Montag, dem 21. Mai 1984 gegen 09:15 Uhr nimmt Strüdinger mit einem, aus den Stahlrohrpfosten seines Bettes selbsthergestellten, vierläufigen Schießgerät einen JVA-Beamten als Geisel. Zusammen mit seinem Mithäftling Norman Kowollik befestigt er anschließend eine Sprengkapsel an der Halsschlagader des Beamten. Die beiden Geiselnehmer drohen mit einer Totmannschaltung (Ein Knopf muss ständig gedrückt bleiben, ansonsten detoniert die Ladung). Um die Funktionstüchtigkeit seiner Waffe zu demonstrieren, gibt Strüdinger zwei Schüsse auf einen Schrank und ein Fenster ab. Anschließend fordern die Beiden einen BMW 745i als Fluchtwagen und 300.000 Mark Lösegeld, was ihnen auch zur Verfügung gestellt wird.

Gegen 23:30 Uhr beginnen die Täter, mit ihrer Geisel als Fahrer, die Flucht über Hannover und Bremen bis nach Osnabrück, werden aber, aufgrund eines im Fluchtwagen angebrachten Peilsenders, ständig von der Polizei verfolgt. Gegen 01:00 Uhr fallen sie zu dem offenbar abgesprochenen Treffen mit ihrem Komplizen Werner Winter und zum Wagentausch in die Unfallstation des Krankenhauses Osnabrück ein. Sie wollten dort zunächst telefonieren und nehmen das Angebot des angeblich rein zufällig erscheinenden Winter an, sie mit seinem Wagen weiter zu chauffieren. In dessen BMW 323i geht es dann weiter nach Diepholz, wo sie ihre Geisel freilassen und Strüdinger seine Waffe zurücklässt. In der Nähe von Bad Iburg verliert die Polizei in einer Gewitterfront bei dichtem Nebel den roten BMW aus den Augen.

Ein Polizist der zur Arbeit fährt sieht durch Zufall den gesuchten BMW in Bremen am Straßenrand stehen. Polizeibeamte lauern dort, bis der Wagenhalter Werner Winter auftaucht und verhaften ihn wegen Mittäterschaft: Mehrere 10.000 Mark des Lösegeldes befinden sich noch bei ihm. Strüdinger und Kowollik werden bald darauf im Bremer Vergnügungsviertel am Ostertor ausfindig gemacht und von Zivilfahndern überwältigt, als sie bei „Rot“ vor einer Fußgängerampel warten. Beide hatten sich inzwischen mit einer Gaspistole und Strüdinger zusätzlich noch mit einem scharfen Revolver bewaffnet. Die ganze Flucht hat knapp 24 Stunden gedauert. Nach einer erneuten Verurteilung zu sieben Jahren Haft, wird er wieder in die JVA Celle überführt wo er sich im Laufe seiner Haft absichtlich mit dem HIV-Virus infiziert.

Zweite Flucht

Am Sonntag, dem 21. Mai 1995 gegen 08:15 Uhr überwältigt Strüdinger zusammen mit seinem Mithäftling Günther Finneisen erneut einen JVA-Beamten mit einem selbstgebauten Schussapparat und einer Bombenattrappe. Diesmal fordert er einen Porsche 928, mit dem die beiden mit ihrer Geisel und 200.000 Mark Lösegeld gegen 20:50 Uhr flüchten. Gegen 19:00 Uhr hatte Strüdinger noch mit Niedersachsens Justizministerin Heidrun Merk telefoniert. Den ganzen nächsten Tag über fahren sie von der Polizei verfolgt quer durch Niedersachsen, u. a kommen sie an Soltau, Fallingbostel, Diepholz, Nienburg, Hannover, Braunschweig und Seesen vorbei, wobei sie mehrmals anhalten um einzukaufen. In der nähe von Lemförde kaufen sie sich schließlich Gaspistolen, in Rotenburg (Wümme) tanken sie ihr Fahrzeug neu auf. Per Funktelefon meldet sich Finneisen beim Nachrichtensender n-tv und fordert die Einstellung der Polizeiverfolgung. Am Dienstag gegen 03:00 Uhr morgens rasen sie mit überhöhter Geschwindigkeit durch Osnabrück, überfahren rote Ampeln und werfen bündelweise Geldscheine aus dem Fenster.

Nachdem sie ihren Fluchtwagen gegen einen VW Golf GTI eingetauscht haben, werden sie kurz nach 11:00 Uhr auf einer Straßenkreuzung in Osnabrück von drei Zivilfahrzeugen der Polizei gestoppt und Strüdinger sowie Finneisen von einem Sondereinsatzkommando überwältigt. Die Flucht hatte diesmal 51 Stunden gedauert.

Haftzeit

Nach einer weiteren Verurteilung lernt er durch Briefkontakt Angelina Wegener kennen, heiratet sie in der JVA Celle und nimmt deren Nachnamen an. Aus Sicherheitsgründen wurde Strüdinger mehrmals verlegt u. a. nach Hamburg, Hannover und Werl. Er sagte in späteren Verhören aus, bei beiden Fluchten nur deshalb einen Komplizen gehabt zu haben, weil er selbst nicht Autofahren könne und nie einen Führerschein gemacht hatte; Finneisen hatte er sogar regelrecht überreden müssen, mit ihm zu fliehen.

siehe auch: Dirk Dettmar

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