Stutthof-Prozess

Stutthof-Prozess
Aufseherinnen während des 1. Stutthof-Prozesses in Danzig vom 25. April bis 31. Mai 1946 - Erste Reihe von links nach rechts: Elisabeth Becker, Gerda Steinhoff, Wanda Klaff - Zweite Reihe von links nach rechts: Erna Beilhardt, Jenny Wanda Barkmann

Die Stutthof-Prozesse (engl. Stutthof Trials) umfassen zunächst die vier Strafprozesse gegen Mitglieder der Lagermannschaft des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Stutthof vor einem polnisch-sowjetischen Strafgericht (1. Stutthof-Prozess) bzw. polnischen Bezirksgericht (2. bis 4. Stutthof-Prozess) in Danzig in den Jahren 1946 und 1947. Des Weiteren können auch alle im In- und Ausland geführten Prozesse gegen das an den Stutthof-Verbrechen beteiligte Lagerpersonal unter diesen Begriff subsumiert werden.

Inhaltsverzeichnis

Erster Stutthof-Prozess

Nach der Befreiung des Lagers Stutthof am 9. Mai 1945 begann eine sowjetische Kommission zur Untersuchung nationalsozialistischer Kriegsverbrechen unverzüglich mit ihren Ermittlungen, die ab Mitte 1945 von einer polnischen Kommission fortgeführt wurden. Die Ermittlungsergebnisse bildeten die Basis für die Stutthof-Prozesse und dienten auch als Grundlage für die Auslieferung von einigen Beschuldigten aus den westalliierten Besatzungszonen. Der 1. Stutthof-Prozess begann am 25. April 1946 und endete am 31. Mai 1946. Insgesamt waren dreizehn Angehörige der Lagermannschaft angeklagt, darunter sechs Frauen und fünf Funktionshäftlinge. Die Angeklagten wurden beschuldigt im KZ Stutthof Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Alle Angeklagten wurden für schuldig befunden. Elf der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt, zudem wurden zwei zeitige Haftstrafen verhängt: Aufseherin Erna Beilhardt (fünf Jahre Haft) und Kapo Kazimierz Kowalski (drei Jahre Haft). Die Todesurteile wurden am 4. Juli 1946 auf dem Danziger Hügel Biskupia Górka (Stolzenberg) durch Erhängen öffentlich vollstreckt. Als Henker fungierten 11 ehemalige Stutthofhäftlinge, die für die Hinrichtung nochmals ihre Häftlingskleidung anlegten.

Zum Tode verurteilt und öffentlich hingerichtet wurden SS-Oberscharführer Johann Pauls, Oberaufseherin Gerda Steinhoff, Aufseherin Ewa Paradies, Aufseherin Wanda Klaff, Aufseherin Elisabeth Becker, Aufseherin Jenny Wanda Barkmann, Kapo Jan Breit, Kapo Tadeusz Kopczynski, Kapo Josef Reiter, Kapo Waclaw Kozlowski und Kapo Fanciszek Szopinski.

„Am 4.Juli gegen 17 Uhr wurden auf dem Stolzenberg 11 deutsche Kriegsverbrecher öffentlich gehängt. Sie waren für den Tod Tausender von Unschuldigen verantwortlich. Die meisten der verurteilten Nazi-Schergen wirkten teilnahmslos, als man sie zu den Galgen fuhr. Man sah nichts mehr von der Arroganz, die sie noch anlässlich des Prozesses zeigten. Beim Anblick der Galgen bekam eine der verurteilten Frauen einen Anfall von krampfhaftem Schluchzen und Schreien. Als der Henker ihr die Schlinge um den Hals legte, rief sie laut: „Heil Hitler!“ Die anderen waren gefasster aber blickten ängstlich und niedergeschlagen. Ehemalige Häftlinge des Lagers Stutthof wirkten als Henker - 10 Männer und eine Frau. Sie trugen die gestreifte KZ-Uniform - die ‚Pasiaki‘. Viele Zuschauer beobachteten die öffentliche Hinrichtung der 11 Kriegsverbrecher.“[1]

Zweiter Stutthof-Prozess

Der 2. Stutthof-Prozess begann am 8. Januar 1947 und endete am 31. Januar 1947. Insgesamt waren 24 Angehörige der Lagermannschaft angeklagt, darunter ein Funktionshäftling. Alle Angeklagten wurden für schuldig befunden. Zehn der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt, zudem wurden eine lebenslange und dreizehn zeitige Haftstrafen verhängt (drei bis fünfzehn Jahre). Die Todesurteile wurden am 10. Oktober 1947 in Danzig durch Erhängen vollstreckt.

Zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden SS-Hauptsturmführer Theodor Traugott Meyer, SS-Oberscharführer Ewald Foth, SS-Oberscharführer Albert Paulitz, SS-Unterscharführer Fritz Peters, SS-Oberscharführer Hans Rach, SS-Rottenführer Karl Zurell, SS-Unterscharführer Kurt Dietrich, SS-Rottenführer Karl Eggert, SS-Rottenführer Paul Wellnitz und Kapo Alfred Nickolaysen.

Dritter Stutthof-Prozess

Der 3. Stutthof-Prozess begann am 5. November 1947 und endete am 10. November 1947. Insgesamt waren 20 Angehörige der Lagermannschaft angeklagt. Von den Angeklagten wurden 19 für schuldig befunden und erhielten zeitige Haftstrafen (drei bis zwölf Jahre). Ein Angeklagter, der SS-Oberscharführer Hans Tolksdorf, wurde freigesprochen.

Vierter Stutthof-Prozess

Der 4. Stutthof-Prozess begann am 19. November 1947 und endete am 29. November 1947. Insgesamt waren 27 Angehörige der Lagermannschaft angeklagt, darunter ein Funktionshäftling. Von den Angeklagten wurden 26 für schuldig befunden und erhielten zeitige Haftstrafen (sieben Monate bis 15 Jahre). Ein Angeklagter, der Kapo Franz Spillmann, wurde freigesprochen.

Weitere Stutthof-Prozesse in Polen

Auch nach den vier Stutthof-Prozessen wurden noch mindestens zwei Verfahren gegen einzelne Angeklagte durchgeführt, in denen zeitige Haftstrafen verhängt wurden.

Stutthof-Prozesse in Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland fanden ebenfalls Verfahren gegen das Lagerpersonal des KZ Stutthof statt.

Vor dem Landgericht Hamburg wurde 1950 gegen zwei Angeklagte wegen der Misshandlung und Tötung von Häftlingen verhandelt. Nach der Revision vor dem Bundesgerichtshof 1951 erhielt ein Angeklagter eine zweijährige Haftstrafe, der andere wurde freigesprochen.

Gegen Paul Werner Hoppe, den ehemaligen Lagerkommandanten, und Karl Otto Knott, der in Stutthof die Vergasungen überwachte, wurde vor dem Landgericht Bochum Mitte der 1950er Jahre verhandelt. Der Verfahrensgegenstand umfasste die Vergasung Hunderter jüdischer Häftlinge und Tötungen unter anderem durch Genickschuss und Benzininjektionen. Knott wurde zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Hoppe, nachdem er vor dem Bundesgerichtshof 1956 in Revision gegangen war, erhielt statt der zunächst verhängten Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten nun neun Jahre Haftstrafe.

Vor dem Landgericht Tübingen wurde 1964 gegen Otto Haupt, Karl Otto Knott und Bernhard Luedtke verhandelt. Der Verfahrensgegenstand umfasste die Tötung von Häftlingen durch Misshandlung, Giftinjektionen und Erschießen sowie die Massentötung Hunderter jüdischer Häftlinge durch Erschießen und Vergasen – zusätzlich die Lebendverbrennung einer russischen Majorin im Verbrennungsofen des Krematoriums. Das Landgericht Tübingen verurteilte am 22. Dezember 1964 Haupt zu zwölf Jahren und Luedtke zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Karl Otto Knott wurde freigesprochen.

Einzelnachweise

  1. Aus einer Reportage der polnischen Wochenzeitung Przekrój, Nr. 66, 14-20. Juli 1946; zitiert bei: http://max.mmvi.de/ssfrauen/biskupia.htm.

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