Störfälle in europäischen Atomanlagen

Störfälle in europäischen Atomanlagen

Diese Liste behandelt Vorfälle in europäischen Atomanlagen außerhalb Deutschlands. Hier sind auch und vor allem Ereignisse eingeordnet, die anhand der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse \ge 1 und \le 3 fallen, und dabei zu den meldepflichtigen Betriebsstörungen oder Störfällen gehören. Die Einträge sollen vor allem Betriebsstörungen aufzeigen, bei denen eine Gefährdung der Reaktorsicherheit direkt oder indirekt bestand. Einträge wie: Brennelementwechsel, Revision, Arbeitsunfälle etc. sind hier nicht zu finden. Eine andere Seite widmet sich den Störfällen in deutschen Atomanlagen. Störungen mit schwereren Folgen (INES \ge 4) bezeichnet die INES als Unfälle; diese sind unter Liste von Unfällen in kerntechnischen Anlagen zu finden.

Inhaltsverzeichnis

1967

1970

  • Beznau/Schweiz Experimente in den USA hatten zum Ergebnis geführt, dass die Notkühl-Pumpleistung bei den Druckwasser-Reaktoren nicht ausreicht, um die Kernkühlung bei größeren Brüchen im Reaktor-Kühlkreis ausreichend zu gewährleisten. Dies führte dann in Beznau 1 und 2 1977 zur Maßnahme der Zuschalt-Möglichkeit einer Gebäudesprüh-Pumpe ins Notkühl-System, zwecks Verstärkung der Pumpleistung. In Doel 1 und 2 (Belgien), den anderen damals in Europa existierenden amerikanischen DWR-Anlagen, wurde unterschiedlich vorgegangen: Man schuf eine Einspeise-Möglichkeit der Notkühlung direkt in den Reaktorbehälter, statt wie üblich indirekt via die Kühlleitungen. Beim einzigen seinerzeit existierenden französischen DWR Chooz A-1 (1991 stillgelegt) wurde aufgrund der US-Erkenntnisse vorübergehend sogar die zulässige Maximal-Leistung von 325 MWe auf 125 MWe reduziert (Quellen: HSK; NEA-OECD)

1972

  • Garona/Spanien In den Anfangsjahren seines Betriebes verzeichnete dieser Siedewasser-Reaktor regelmäßig bedeutende Überschreitungen der - seinerzeit noch weniger restriktiv festgelegten - Abgabe-Grenzwerte (Quelle: IAEO)

1979

  • Doel 2/Belgien Der Bruch eines Dampferzeuger-Heizrohrs führte zu einer leichten Abgabe von Radioaktivität in die Umgebung. Die Beherrschung dieses Störfalls erfordert vom Personal die korrekte Handhabung komplizierter Prozeduren. Die vier AKW-Blöcke von Doel liegen nur 8 km vor Antwerpen (Quelle: NEA-OECD)

1981

  • La Hague/Frankreich In der nordfranzösischen Wiederaufarbeitungs-Anlage für Kern-Brennstoff fielen die beiden Transformatoren für die Stromversorgung aus, und damit alle Elektro-Pumpen, welche die Nachzerfalls-Wärme aus den diversen Brennstoff-Lagerbecken abführen. Da weitere Redundanzen fehlten, musste vorübergehend von Hand eine Notversorgung aufgebaut werden. Weil die Nachzerfalls-Wärme des Brennstoffs in diesem Stadium bereits teilweise abgeklungen ist (degressiver Verlauf), bestand dazu einigermaßen genügend Zeit. Das Vorkommnis wurde mit INES 3 (ernster Störfall) eingestuft.

1983

  • Doel 1 und 2/Belgien Nach Ausfall des 380-kV-Netzes und starken Spannungs-Schwankungen im Reservenetz trat in den beiden ältesten Doel-Blöcken der Notstrom-Fall ein. Vier Dieselgeneratoren starteten, konnten aber wegen Fehlern die zum Kaltfahren nötige Versorgung nicht gewährleisten. Als letzte Reserve trat in beiden Reaktorblöcken ein strom-unabhängiges, vom Dampf der Nachzerfalls-Wärme angetriebenes Kühlsystem in Aktion, bis nach ca. einer Stunde die Stromversorgung retabliert war (Quelle: SKI-Report IRS)

1986

  • Mühleberg/Schweiz Im Tschernobyl-Jahr nahm ein unabhängiger Physiklehrer Dosis-Messungen in der Umgebung des AKW Mühleberg vor. Zu seinem Erstaunen waren die Messwerte eines Tages ungewöhnlich hoch. Der Betreiber musste einen Filterschaden einräumen, der zu Freisetzungen bis knapp unterhalb des Grenzwertes führte. Angeblich haben weder Betreiber noch Aufsichtsbehörde HSK diese Freisetzung registriert. Die Werte sind noch heute etwas erhöht.
  • La Hague, Frankreich: 21. Mai 1986 – In der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague wurden 5 Arbeiter bei einem Unfall einer Strahlendosis ausgesetzt.[1] (INES: 2–3)

1989

  • Krsko/Slowenien (Jugosl.) Als korrekte Reaktion auf eine betriebliche Störung öffnete ein Ventil zur Druckentlastung des Reaktor-Kreislaufs druckbedingt. Nach Abbau der Druck-Transiente blieb es (wie vor dem Kernschmelz-Unfall 1979 in Three Mile Island) unvorgesehen in offener Stellung stecken. Aufgrund des damit verbundenen Kühlwasser-Verlustes schaltete sich die Notkühlung automatisch zu (sie wurde - hier im Gegensatz zu T.M.I. - vom Personal nicht irrtümlich wieder abgeschaltet). Nach ca. 15 Min. schloss sich das Ventil doch noch und die Notkühlung hatte den Reaktor-Kreislauf einigermaßen nachgefüllt. Leicht radioaktives Wasser war nach dem Störfall aus dem Containment-Sumpf zu entfernen, durch Abgabe in den benachbarten Fluss (Quelle: SKI-Report IRS)
  • Vandellòs 1, Spanien: 1989 – Durch ein Feuer im Kernkraftwerk Vandellòs wurden die Sicherheitssysteme stark in Mitleidenschaft gezogen. Es kam aber zu keinem schwereren Unglück, der Vorfall wurde mit INES 3 (Ernster Störfall) eingestuft.[2] Vandellòs 1 wurde in der Folge durch politischen Entscheid der spanischen Regierung definitiv stillgelegt.

1990

  • Leibstadt/Schweiz Beim Anfahren dieses Reaktors - an der deutschen Grenze gelegen - wurde nach drei Stunden bei einer Leistung von 20 % bemerkt, dass die Schnellabschaltung bei Anforderung nicht funktionieren würde. Der Reaktor wurde mit den Steuerstab-Motoren langsam heruntergefahren. Die Behörde HSK klassierte den Vorfall mit INES 2.

1992

  • Dessel/Belgien In der größten europäischen Fabrik zur Herstellung von MOX-Brennelementen (Uran-Plutonium-Mischoxid) ereignete sich ein Unfall: Ein Brennstab brach und MOX-Staub wurde freigesetzt. Dies führte bei mindestens einem Beschäftigten zu Plutonium-Einatmung. Plutonium ist radiotoxisch (Quelle: Öko-Institut).

1993

  • Loviisa 2/Finnland Im WWER-Reaktorblock russischer Bauart brach eine Speisewasser-Leitung vom Durchmesser 0,5 Meter (Quelle: STUK)
  • Bugey/Frankreich Bei mehreren Reaktoren dort wurde an den Deckel-Durchführungen der Steuerstäbe massive Bor-Korrosion entdeckt. Die Aufsichtsbehörde sprach von einem gravierenden Problem. Es wurde später auch in Fessenheim gefunden. Alle betroffenen Reaktorbehälter-Deckel wurden in der Folge ausgewechselt.

1994

  • Dukovany/Tschechien Der Fehler eines Elektrikers beim Netz-Unterhalt führte zur Abkopplung aller vier Reaktorblöcke vom Netz. Zwei der Blöcke erreichten nach Lastabwurf Eigenbedarfs-Produktion, die anderen zwei verfehlten diese Prozedur und mussten nach Schnellabschaltung von ihren Notstrom-Dieselgeneratoren versorgt werden. Dabei startete einer der Diesel nicht automatisch und musste vor Ort manuell in Gang gesetzt werden. Daneben gab es noch eine große Zahl kleinerer Fehlfunktionen (Quelle: SKI-Report IRS)

1995

  • Trillo/Spanien Bei Inspektionen wurde festgestellt, dass die Hälfte der Stränge der Sumpf-Rezirkulation der Notkühlung mit Fremdkörpern blockiert waren. Gemäß der Behörde CSN handelte es sich um Fehldispositionen bei der acht Jahre zurückliegenden Bauphase, womit auch die Lieferfirma Siemens-KWU in der Verantwortung stand (Quelle: NRC- NUREG 0933)

1996

  • Oskarshamn 1/Schweden Bei dieser Anlage musste der Kernmantel wegen eines Risses in dessen Rundnaht von nahezu Umfanglänge ausgewechselt werden. Der Kernmantel ist Bestandteil der Einbauten des Reaktorbehälters. Sein Bruch könnte die Schnellabschaltung des Reaktors unmöglich machen. (Quellen: IAEO, SKI)

1998

  • Doel oder Tihange/Belgien Belgien ist eines der wenigen westeuropäischen Länder, das wie die USA seine Störfälle mit Hilfe von sog. Vorläufer-Analysen auf die Risikorelevanz hin untersucht. Dabei verwendet die Aufsichtsbehörde AVN auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Gravierendstes Vorkommnis seit 1997 war in einem nicht näher umschriebenen Block der KKW-Standorte Doel oder Tihange ein kompletter kürzerzeitiger Ausfall der Komponenten-Kühlung. Viele der Betriebs- und Sicherheitssysteme sind für ihr Funktionieren auf Kühlung durch andere Systeme (die ausgefallenen) angewiesen, was die Tragweite dieses Störfalls veranschaulicht.

1999

  • Dezember Le Blayais/Frankreich Im vier Blöcke umfassenden KKW Blayais unweit von Bordeaux am Atlantik führte der Sturm Lothar zu einer Überflutung des Areals und zu einem teilweisen Ausfall der externen Stromversorgung. Zwei Blöcke mussten mit Hilfe der Notstrom-Dieselaggregate heruntergekühlt werden. Zudem wurde ein Teil der Notkühl- und Komponentenkühl-Pumpen überflutet und wäre bei Anforderung nicht einsatzfähig gewesen (Quellen: EDF, ASN)

2000

  • Paks, Ungarn: 10. April 2003 – Beim Reinigen von Brennstäben im Block 2 des Kernkraftwerkes Paks wurde deren Umhüllung beschädigt. Dabei trat radioaktives Gas aus, das einen „Ernsten Störfall“ (INES-Kategorie 3) verursachte. Es wurde niemand bei diesem Unglück verletzt. Die Messsonden in der Umgebung registrierten jedoch Edelgasbelastungen über den Grenzwerten.

2003

  • Kosloduj 3/Bulgarien Im Volllast-Betrieb entstand plötzlich ein Primärkreis-Leck an einer Schweißnaht. Die Notkühlung trat in Funktion. Die mittlerweile stillgelegten Blöcke 1 bis 4 konnten hier – im Gegensatz zu den leistungsstärkeren Blöcken 5 und 6 sowie allen westlichen Druckwasser-Reaktoren – einzelne Segmente des Primär-Kreislaufs mit Ventilen absperren. Eine Absperrung wurde vorgenommen, womit der Wasserverlust nach relativ kurzer Zeit gestoppt werden konnte.

2004

  • Vandellos 2/Spanien Die Aufsichtsbehörde CSN stellte fest, dass ihr der Betreiber dieses Werks während Jahren eine Leitungskorrosion verschwiegen hatte, welche die Funktionsfähigkeit der Komponenten-Kühlung hätte in Frage stellen können. Hätten die beiden Leitungen ca. gleichzeitig versagt (und nicht nur eine, wie geschehen), wäre der Reaktor kaum noch herunterkühlbar gewesen (INES 2)
  • 4. November Balakowo/Russland Im Atomkraftwerk Balakowo kam es zu einem Zwischenfall. Der Reaktor wurde heruntergefahren. Nach Angaben des Betreibers Rosenergoatom trat keine Radioaktivität aus.

2005

  • Sämtliche AKW/Frankreich Die Aufsichtsbehörde ASN teilte mit, dass - im Falle eines Lecks im Reaktor-Kreislauf - bei Verstopfung der Leitungs-Saugsiebe der Notkühlung im Containment-Sumpf (mit Abfällen wie Isoliermaterial oder Lappen) "die Kühlbarkeit des Kerns nicht gewährleistet" sei. INES-Einstufung: 2. Es wurden Verbesserungs-Maßnahmen angekündigt. Dabei ist die Sauberkeit das kleinere Problem; das genannte Isoliermaterial löst sich erst aufgrund eines entstandenen Lecks ab, durch Druckkräfte des austretenden Wasserstrahls.
  • 28. März Leibstadt/Schweiz Im Kernkraftwerk Leibstadt kam es am 28. März 2005 zum Stillstand für fünf Monate. Grund hierfür war ein Schaden am Generator; die Reparaturarbeiten am Generator oblagen nicht der Aufsichtspflicht der der HSK (Nukleare Aufsichtsbehörde), da der nukleare Teil des AKW nicht betroffen war.
  • Windscale bzw. Sellafield, Großbritannien: 19. April 2005 – Nach dem schweren Unglück von 1957 und dem Unfall von 1973 gab es 2005 in Sellafield einen weiteren Zwischenfall (INES 3). Nach über 7 Monaten wurde ein Leck in der Wiederaufbereitungsanlage entdeckt, durch das ca. 83.000 Liter einer radioaktiven Flüssigkeit, bestehend aus Schwefelsäure, Uran und Plutonium, austraten. Die betroffene Halle wurde massiv kontaminiert, so dass ferngesteuerte Maschinen die Entsorgung der Flüssigkeit vornehmen mussten.[3]
  • 29. Juni Forsmark/Schweden Aus dem Zwischenlager für schwach und mittelstark strahlenden Abfall im schwedischen AKW Forsmark gelangte im Juni 2005 radioaktives Wasser in die Ostsee. In den Gewässern in der Nähe des Kraftwerks wurde das Zehnfache des Normalwerts radioaktiven Cäsiums gemessen. Dies liegt laut schwedischem Strahlenschutzinstitut SSI jedoch noch innerhalb der zulässigen Grenzen. Schuld an dem Leck waren vermutlich korrodierte Blechbehälter mit radioaktivem Abfall.

2006

  • 1. März Kosloduj 5/Bulgarien Während des Herunterfahrens des 5. Blocks nach dem Ausfall einer Hauptkühlmittelpumpe blieben ein Drittel aller Steuerelemente in der oberen Position hängen. Zur Abschaltung des Reaktors musste eine Notborierung durchgeführt werden. Der Betreiber hatte den Zwischenfall ursprünglich auf INES Level 0 eingeordnet, aber die Aufsichtsbehörde korrigierte auf Level 2.[4][5]
  • 25. Juli Forsmark/Schweden Am 25. Juli 2006 wurde der Reaktor Forsmark-1 nach einem Kurzschluss in der Umspannstation, über die das AKW seinen Strom ans allgemeine Netz abführt, von der Stromversorgung automatisch getrennt. Dies führte zu einem Lastabwurf des Generators und die im Reaktor produzierte Wärme konnte nicht mehr in elektrische Leistung umgesetzt werden. Der Reaktor wurde über eine Schnellabschaltung heruntergefahren. Der Strom für die Steuerung des Kernkraftwerkes und die Speisepumpen, die die Nachzerfallswärme abführen müssen, fiel aus. Er musste ersatzweise durch Diesel-Notstromaggregate bereitgestellt werden. Jedoch konnten zwei der vier Generatoren nicht in das Notstromnetz einspeisen, da sie mit der 500 V Leitung elektrisch verbunden blieben, die jedoch ausgefallen war. Zusätzlich versagte die Stromversorgung für einen Teil der Messgeräte in der Leitwarte. Nach 23 Minuten konnten die beiden anderen Dieselaggregate manuell zugeschaltet werden. Durch diese Zuschaltung konnte der Wasserstand im Reaktor wieder auf Normalniveau angehoben werden. [6] Nach Angaben der schwedischen Strahlenschutzbehörde SKI sei eine akute Kernschmelze zu keiner Zeit des Störfalls zu erwarten gewesen, dennoch hätte es sich um einen sehr ernsten Zwischenfall gehandelt.

2007

  • Leibstadt/Schweiz Durch irrtümliche Auslösung des automatischen Druckabbau-Systems (DAS) während eines Tests im Normalbetrieb öffneten einige Ventile der Druckentlastung des Reaktorsystems. Das Wasser musste mit der Notkühlung nachgeführt werden (Quellen: IAEO, HSK)
  • Dampierre/Frankreich Ein ähnlicher Störfall wie in Forsmark: Ausfall von externem Netz einschließlich Reservenetz sowie von einem Notstrom-Dieselaggregat mit 100 % Versorgungs-Kapazität. Das Werk liegt ca. 80 km vor Paris. Der Reaktor wurde mit dem einzigen verbliebenen Diesel (100 %) heruntergekühlt. Dennoch stufte die französische Behörde ASN den Störfall nur mit INES 1 ein. Begründung: Es seien noch die Redundanz-Reserven eigendampf-getriebene Hilfsturbine (sofort einsatzfähig) sowie Gasturbine (deren Synchronisation könne aber Stunden dauern) vorhanden gewesen (Quellen: ASN, IRSN)
  • April Penly 2/Frankreich Beim Wieder-Hochfahren des Blocks nach der Revision wurde nach zwei Tagen bei Tests bemerkt, dass alle Pumpen der Notkühlung während der zwei Tage im Anforderungsfall unverfügbar gewesen wären (Quelle: ASN)
  • Juni Cattenom/Frankreich Das Werk an der Grenze zum Saarland entließ Zink in einer Konzentration in die Mosel, die über der Abgabe-Limite lag. Die Jahreslimite sei aber nicht überschritten, schreibt EDF; wobei unklar bleibt, ob es sich um Normal-Zink (Schwermetall) oder um das radioaktive Isotop handelte.
  • August Beznau 1/Schweiz Am 21. August war Block 2 in Jahresrevision. Die blockgemeinsame Reservenetz-Einspeisung war für Wartungsarbeiten abgeschaltet. Zur Kompensation wurde der Notstands-Dieselgenerator des auf Volllast laufenden Blocks 1 im Leerlauf zugeschaltet. Nach Retablierung des Reservenetzes wurde bemerkt, dass dieser Diesel störungsbedingt seine Notstrom-Funktion nicht erfüllt hätte. Gemäss der Behörde HSK hätte theoretisch noch eine Querverbindung zum Notstands-Diesel des abgeschalteten Blocks 2 bestanden, dieser Diesel sei aber ebenfalls in Wartung gewesen. Hätte sich ein Hochwasser wie nur zwölf Tage zuvor eingestellt, wäre auch das Wasserkraftwerk nicht mit genügend Notstrom zur Verfügung gestanden. Bei zusätzlicher Unterbrechung des Hauptnetzes wären KKB 1 zur Verhinderung der Kernschmelze damit nur noch zwei Dieselgeneratoren übrig geblieben, jeder davon mit nur 50 % der erforderlichen Notstrom-Leistung. Auch diese oder die daran angeschlossenen Notkühl-Pumpen könnten eventuell relativ kurzfristig nach Zuschaltung störungsbedingt ausfallen.
  • Dezember Vandellos 2/Spanien Nachdem die acht spanischen KKW-Blöcke in nur drei aufeinander folgenden Monaten 14 INES-Störfälle verzeichnet hatten, ereignete sich in Vandellos noch ein ähnlicher Vorfall, wie oben unter Leibstadt beschrieben. Bei einem Test am laufenden Reaktor waren unvorgesehen einige Abschaltstäbe in den Kern eingefallen. Das habe, schreibt die Aufsichtsbehörde CSN, zu einem Druckabfall im Reaktor-Kreislauf geführt, und damit zur Auslösung der Notkühlung. Der danach erfolgende Druckaufbau führte auch zum Ansprechen von Reaktor-Sicherheitsventilen und Ausströmen von leicht kontaminiertem Kühlwasser in den Containment-Sumpf. Es wurde ein interner Notfall-Voralarm ausgelöst.

2008

  • Februar Paluel/Frankreich In einem der vier Blöcke wurden Fehldispositionen von Isolations-Armaturen vorgefunden, die während mehr als fünf Monaten bestanden. "Dies stellte" schreibt die Behörde ASN "während besagtem Zeitraum die Dichtheit des Containments in Frage, wäre ein Unfall passiert". Eine Kernschmelze hätte also möglicherweise Freisetzungen zur Folge gehabt.
  • Februar La Hague/Frankreich Die in dieser Wiederaufarbeitungs-Anlage behandelten hochaktiven Substanzen setzen laufend explosiven Wasserstoff frei, der bei Reaktion mit Sauerstoff die Gebäudedichtheit, die wesentlich verletzlicher ist als bei westlichen Kernkraftwerken, bedroht. Zur Explosions-Vermeidung wird die Gebäudeluft durch kontinuierliche Zirkulation von Wasserstoff befreit. Während 3,5 Stunden funktionierte diese Umwälzung nur noch im Normalbetrieb, beide Reserveluft-Stränge waren durch Defekt respektive Instandhaltungs-Arbeiten nicht einsatzfähig. (Quelle: ASN)
  • April Asco/Spanien Entdeckung von Radioaktivität aus dem Brennelemente-Gebäude auf dem Werksareal. Die Dosen lagen zwar unterhalb der Grenzwerte, dennoch stufte die Behörde CSN den Vorfall mit INES 2 ein: Der Betreiber hatte Monate lang deutliche Indizien (Auslösung von Aktivitäts-Alarmen) missgedeutet und zuletzt der CSN verharmlosende Daten geliefert.
  • April Kernkraftwerk Flamanville Im Block 2 wurde gem. der Aufsicht ASN "starke Korrosion" in den Motor-Kühlleitungen beider Notstrom-Dieselaggregate festgestellt. Die Sicherheitsreserven für einen Notstromfall waren daher klein.
  • Mai Kernkraftwerk Cruas 4/Frankreich Dieser Block befand sich im Revisions-Stillstand mit geöffnetem Reaktor. Plötzlich wurde bemerkt, dass zwei Ventile der Nachwärme-Abfuhr volle vier Tage nur teilweise offen standen, was die Nachzerfalls-Wärmeabfuhr deutlich behinderte. Von einem automatischen Alarm schreibt ASN nichts, es ist somit denkbar, dass das ganze nach diesen vier Tagen erst durch Dampf-Erscheinungen im Reaktor- Flutbecken bemerkt wurde (Anm.: KKW müssen den Brennstoff auch nach dem ersten Abkühlen und Öffnen des Reaktors kühlen, da die Spaltprodukte auch weiterhin, mit degressiver Intensität, zerfallen). Dass offenbar keine ungewöhnlichen Dosen registriert wurden, ist dadurch erklärbar, dass das Reaktorwasser vor dem Runterfahren technisch gereinigt wird.
  • Juni Krško/Slowenien Nach einem Zwischenfall im Kühlsystem des slowenischen Atomkraftwerks Krško hat die EU-Kommission europaweiten Alarm ausgelöst. (Quelle: 20min.ch)
  • Juni Rowno/Ukraine Knapp zwei Wochen nach Krško wiederholte sich dasselbe Szenario im ukrainischen Kernkraftwerk Riwne/Rowno. Diesmal berichteten die Medien nur sehr spärlich resp. gar nicht darüber. Das Kraftwerk wurde vorübergehend vom Netz genommen.
  • Juli Eurodif/Frankreich Am 8. Juli liefen in der Uran-Anreicherungsanlage Eurodif 30 Kubikmeter radioaktive Flüssigkeit aus und gelangten teilweise in umliegende Flussläufe (Quellen: ASN/IRSN)
  • Juli Kernkraftwerk Tricastin/Frankreich Am 23. Juli wurden bei Wartungsarbeiten im Kraftwerk etwa 100 Menschen radioaktiv kontaminiert, allerdings unterhalb der Dosis-Grenzwerte (Quelle: ASN)
  • Juli Kernkraftwerk Cofrentes/Spanien In diesem Siedewasser-KKW ereigneten sich innerhalb von 14 Tagen (26. Juni bis 10. Juli) vier mit INES 0 bewertete Störfälle, wovon einer mit Aktivierung der Notkühlung. (Quelle: CSN)
  • Garona/Spanien Am 15. Juli und am 19. August wurden die beiden Batterie-Systeme des Werks getestet. Deren ermittelte Kapazität war gemäss Behörde CSN ungenügend. Diese Gleichstrom-Systeme erfüllen bei Störfällen diverse Sicherheits-Funktionen, so etwa als Starthilfe für die Notstrom-Diesel oder Anzeige des Reaktor-Zustandes. Problematisch an diesem Ereignis ist vor allem auch, dass nach Feststellung der Fehlfunktion des ersten Systems am 15. Juli das zweite System vom Betreiber nicht sofort, sondern erst am 19. August getestet wurde.
  • Fleurus, Belgien: 25. August 2008 – Im Bereich der Abfallbeseitigung des Instituts für Radionuklide (franz. Institut des Radioéléments (IRE)) im belgischen Fleurus kam es beim Umfüllen von flüssigen Abfällen zur Freisetzung von geschätzten 45 GBq Jod-131 über den Kamin. Die belgische Atomaufsichtsbehörde Agence Fédérale de Contrôle Nucleaire (AFCN) legte das IRE, ein Produzent von Radioisotopen für den Medizinbereich, sofort nach der Unfallmeldung still. Die Anwohner wurden sechs Tage nach dem Störfall von der Polizei über Lautsprecher vor dem Verzehr von Obst, Gemüse, Milch und Wasser aus der Umgebung gewarnt, nachdem der Krisenstab der Regierung die anfängliche Entwarnung widerrufen und das europäische Informationssystem ECURIE aktiviert hatte. Das Ereignis wurde als „Ernster Störfall“ der Stufe 3 auf der INES-Skala eingeordnet.[7][8]
  • Oktober Kernkraftwerk Gravelines 5/Frankreich Während der Revision im Juni wurde der Motor eines der zwei Notstrom-Diesel ersetzt. Nach über drei Monaten erst, im Oktober, wurde festgestellt, dass dieser Ersatzmotor nicht ordnungsgemäss eingebaut war: Der Diesel wäre drei Monate nicht verfügbar gewesen, was einen deutlich zu langen Redundanz-Ausfall darstellt (Quelle: ASN).
  • Asco/Spanien In der Doppelblock-Anlage der Region Barcelona wurden zwischen 5. September und 6. November nicht weniger als acht INES-Störfälle registriert, wovon deren fünf in Block II. (Quelle: CSN)

Quellen

  1. nuclearfiles.org: Accidents 1980's, 18. Mai 2006
  2. IAEO: Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse, 21. Mai 2006
  3. ask1.org: Windscale / Sellafield – Strahlendes Beispiel Großbritannien, 18. Mai 2006
  4. Presseinfo vom 5. Mai 2006; IPPNW Deutschland
  5. Nuclear Monitor 647, 30. Juni 2006 (englisch)
  6. [1] Forsmark 2006
  7. Anwohner sollen kein Gartenobst essen. Spiegel Online (31. August 2008). Abgerufen am 1. September 2008.
  8. Simon Coenen (25. August 2008). Iodine-131 release in the environment (englisch). Internationale Atomenergieorganisation. Abgerufen am 1. September 2008.

Siehe auch

Anmerkung

Die obige Liste ist unvollständig. Insbesondere weiter zurückliegende Störfälle und Störfälle in osteuropäischen Kernkraftwerken (auch von RBMK-Reaktoren des Tschernobyl-Typs, wie sie bei Sankt Petersburg nahe Finnland oder in Kursk auf europäischem Boden stehen) sind nur lückenhaft erfasst.

Weblinks


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