Suchoi Su-35BM

Suchoi Su-35BM
Suchoi Su-35BM
Su-35BM bei einer Flugvorführung
Su-35BM bei einer Flugvorführung
Typ: Mehrzweckkampfflugzeug
Entwurfsland: RusslandRussland Russland
Hersteller: Suchoi
Erstflug: 19. Februar 2008
Indienststellung: in der Flugerprobung
Produktionszeit: Seit 2009 in Serienproduktion[1]
Stückzahl: 4

Die Suchoi Su-35BM (BM steht für Basowaja Model (russ: «Базовая модель»), deutsch: Basismodell) ist ein russisches Mehrzweckkampfflugzeug. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Luftüberlegenheitsjägers Su-27. Die Su-35BM, die auch die Kennungen Su-35M-1 oder Su-35S trägt, wird immer wieder mit der Su-35 Flanker-E verwechselt. Die Bezeichnung Su-35BM führt nur der Hersteller in seinen Produktionsstätten. Die Serienmaschinen werden die Bezeichnung Su-35S tragen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Entwicklung

Kampfflugzeuge unter der Bezeichnung Su-35 wurden in der Vergangenheit öfters auf Flugschauen gezeigt, wobei es sich in der Regel um modifizierte Su-27M handelte. Im Laufe der Zeit wurde klar, das eine deutliche Verbesserung notwendig wurde, um auch weiterhin auf dem globalen Rüstungsmarkt wettbewerbsfähig zu sein. Daraufhin wurde ab dem Jahr 2000 mit der Entwicklung eines neuen Mitgliedes der Su-27-Familie begonnen, wobei die Bezeichnung Su-35 beibehalten wurde.[3] Die Su-35BM wurde 2007 vorgestellt und absolvierte ihren Erstflug am 19. Februar 2008.[4] Die Maschine basiert auf der Su-27SM, weshalb die russische Luftwaffe auch zunächst die Bezeichnung Su-27SM2 verwendete. Während der Flugerprobung kam es am 14. April 2009 zum Verlust des dritten Prototypen. Der Testpilot konnte sich mit dem Fallschirm retten und blieb unverletzt.[5] Dennoch konnte Ende 2009 mit der Serienproduktion für die russischen Luftstreitkräfte begonnen werden. Diese plante zunächst die Anschaffung von 24 bis 36 Maschinen.[6] Zur MAKS 2009, auf der die Su-35BM auch vorgeführt wurde, bestellte die russische Luftwaffe schließlich 48 Maschinen, die zwischen 2012 und 2015 geliefert werden sollen.[7] Die erste Serienmaschine startete am 3. Mai 2011 in Komsomolsk am Amur mit Sergej Bogdan im Cockpit zu ihrem Erstflug.[8]

Konstruktion und Technik

Flugzelle

Su-35BM auf der MAKS 2009

Die Standard-Flugzelle der Su-27-Serie wurde größtenteils beibehalten, um dieselbe aerodynamische Konfiguration wie bei der Su-27 zu erhalten.[3] Die Änderungen umfassten die häufigere Verwendung von Titanlegierungen, um die Zelllebensdauer auf 6000 Stunden zu erhöhen, ohne das Leergewicht exzessiv ansteigen zu lassen. Alle 1500 Flugstunden ist dabei eine Überholung notwendig. Die Luftbremse wurde entfernt, deren Aufgabe wird nun durch die gegenläufige Bewegung von Steuerflächen übernommen. Da sich trotzdem ein Anstieg des Leergewichtes nicht vermeiden ließ, wurde das Fahrwerk verstärkt und am Bug mit einem Doppelrad ausgerüstet. Die interne Treibstoffkapazität wurde auf 11.500 kg erhöht. Zur Luftbetankung befindet sich auf der linken Seite der Cockpits eine abklappbare Betankungssonde.[3] Zur Verbesserung der Manövrierfähigkeit wurde ein vierfach redundantes Fly-by-Wire-System vom Typ KSU-35 von MNPK Avionika eingebaut, welches den Kampfjet auch automatisch austrimmt. Erstmals wurde bei einer Serienmaschine der Flanker-Serie die effektive Radarrückstrahlfläche (RCS) reduziert. So wurde die Cockpithaube mit einer reflektierenden Beschichtung versehen, und von vorne sichtbare Kanten mit magnetischem Absorbermaterial beschichtet. Die Kompressorschaufeln und Lufteinlässe der Triebwerke wurden ebenfalls beschichtet, wodurch der RCS der Einläufe gegenüber der Su-27 deutlich gesenkt werden konnte.[9]

Cockpit

Das Cockpit wurde vollständig überarbeitet und ist nun als EFIS ausgelegt. Es besteht hauptsächlich aus zwei großen MFI-35-Farbdisplays mit einer Abmessung von jeweils 229 × 305 mm mit 1400 × 1050 Pixeln, auf denen Sensor- und Flugdaten abgebildet werden können. Zur Eingabe befinden sich Tasten an den Rändern der Bildschirme, zusätzlich wurde das HOTAS-Konzept verwirklicht. Das Head-up-Display vom Typ IKSh-1M besitzt ein Sichtfeld von 20 × 30°. Der Pilot sitzt auf einem Swesda-K-36D-3.5E-Schleudersitz mit Null-Null-Fähigkeit.

Avionik

Das Irbis-E Radar

Hauptsensor ist das mechanisch nachgeschwenkte passive Phased-Array-Radar Irbis-E (Schneeleopard), welches auf dem N011M Bars der Su-30MKI basiert und einen Antennendurchmesser von 900 mm besitzt und im X-Band sendet. Das Problem des Leistungsverlustes bei elektronischen Schwenkwinkeln von über 40° konnte gelöst werden, so dass nun der volle Schwenkbereich von ±60° in Elevation und Azimut ausgenutzt werden kann. Da die mechanische Nachführung beibehalten wurde, kann die Antenne noch um ±60° im Azimut geschwenkt und um 120° gedreht werden. Der Prozessor zur Signalverarbeitung wurde durch den Solo-35-Digitalrechner ersetzt, was es ermöglicht, bis zu 30 Ziele im Track-While-Scan-Modus zu verfolgen und 8 davon gleichzeitig zu bekämpfen.[3] Im Luft-Boden-Modus können 4 Ziele verfolgt und zwei davon gleichzeitig bekämpft werden.[10] Die ursprüngliche 7-kW-Wanderfeldröhre des Bars durch zwei 10-kW-Röhren ersetzt. Das nutzbare Frequenzband soll sich gegenüber dem Bars verdoppelt haben. Die offizielle Ortungsreichweite wird mit 90 km gegen ein Ziel mit einer Radarrückstrahlfläche von 0,01 m² angegeben.[3] Da dies etwa der Ortungsreichweite einer E-3 Sentry ohne RISP-Upgrade entspricht, sind die Angaben sehr unglaubwürdig. Wird dagegen der Antennengewinn des Bars und dessen Pulsleistung von 4,8 kW bei 7 kW Einspeisung als Referenz genommen, kann für das Irbis-E bei gleichen Verlusten eine Pulsleistung von 13,7 kW errechnet werden. Wird die Ortungsreichweite von etwa 140 km für ein Ziel mit einem RCS von 1 m² für das Bars als Referenz genommen, kann über die Radargleichung eine Ortungsreichweite von 182 km errechnet werden. Wie alle Maschinen der Flanker-Serie hat auch die SU-35BM ein Heckradar, um das Situationsbewusstsein des Piloten zu verbessern. Dieses NIIP N012 wurde von der SU-27/30 übernommen und besitzt eine Ortungsreichweite von 20 nm (37 km) gegen ein Ziel mit einer Radarrückstrahlfläche von 1 m².[11] Das Radar scannt dabei ±60° in Azimut und Elevation und dient auch zur Koordination von aktiven und passiven Gegenmaßnahmen.[12]

Der OLS-35 besteht aus einem Infrarotsensor, einer TV-Kamera und einem Laserentfernungsmesser, und befindet sich vorne rechts vor dem Cockpit. In einem Suchbereich von ±90° im Azimut und +60/-15° in der Elevation können bis zu 4 Luftziele gleichzeitig verfolgt werden. Die Ortungsreichweite gegen Unterschallziele wird mit 50 km im Anflug und 90 km in der Verfolgung angegeben. Der Laserentfernungsmesser wird verwendet, um einzelne Ziele exakt zu verfolgen. Die Messgenauigkeit gegenüber Luftzielen in 20 km und Bodenzielen in 30 km Entfernung liegt bei ±5 Metern.[3]

Für elektronische Gegenmaßnahmen können Störbehälter vom Typ SAP-518 an die Flügelspitzen montiert werden, welche im Frequenzbereich von 5–18 GHz arbeiten. Die Antennen der Radarwarner (ESM) befinden sich links und rechts des Schwanzes und seitlich an den Lufteinläufen. Über den Einbau von Raketenwarnern ist nichts bekannt. Exportmaschinen der Su-30-Serie wie die Su-30MKM sind beispielsweise mit dem MAW-300 von Saab Avitronics ausgestattet.[13]

Triebwerke

Als Antrieb werden zwei 117S-Mantelstromtriebwerke von Saturn eingesetzt. Aufgrund der desolaten finanziellen Lage der russischen Luftwaffe wurde die Entwicklung des Triebwerkes von den Firmen Suchoi (40 %), Saturn (30 %) und UMPO (30 %) aus eigener Tasche bezahlt.[3] Das Triebwerk basiert auf dem AL-31F. Dabei wurde der Fan um 3 % von 903 mm auf 932 mm vergrößert, neue Hoch- und Niederdruckturbinen eingebaut und ein neues FADEC installiert. Die Schubvektordüse basiert auf dem AL-31FP, welche den Abgasstrahl mit einer Rate von 30 °/s um ±15° in einer Achse umlenken kann. Gegenüber dem Ausgangsmodell konnte die Lebensdauer des Triebwerks von 1500 Stunden auf 4000 Stunden mehr als verdoppelt werden. Der MTBO-Wert konnte von 500 auf 1000 Stunden erhöht werden, wobei die Zeit bis zur ersten Überholung 1500 Stunden beträgt.[3] Der MTBO-Wert der Schubvektordüse konnte dem Triebwerk angepasst werden, nachdem die Düsen der Su-30MKI bereits alle 500 Stunden überholt werden müssen. Die Schubkraft pro Triebwerk wird von KnAAPO in der Werbebroschüre mit 8800 Pond trocken und 14.000 Pond nass angegeben, sowie 14.500 Pond im „special mode“.[10] Es gibt von Suchoi oder KnAAPO keine Aussage, dass die Su-35BM mit diesem Triebwerk ohne Nachbrenner Überschallgeschwindigkeit erreichen kann.

Bewaffnung

Neben einer GSch-301-Kanone mit 150-Schuss-Magazin können bis zu 8000 kg Waffenlast an zwölf Aufhängungspunkten transportiert werden. Es kann die komplette Palette russisch/sowjetischer Waffensysteme mitgeführt werden, von der SS-N-27 Sizzler über laser- bzw. TV-gelenkte Bomben der KAB-Serie bis zu AA-12 Adder-Flugkörpern. An zwei Unterflügelstationen können auch Außentanks mit 2000 Liter Kraftstoff mitgeführt werden, was die gesamte Treibstoffmasse auf 14.700 kg erhöht.

Technische Daten

Su-35BM auf der MAKS 2009
Kenngröße Daten
Typ: Mehrzweckkampfflugzeug
Länge: 21,94 m
Flügelspannweite: 15,30 m
Tragflügelfläche: 62,04 m²
Flügelstreckung: 3,77
Tragflächenbelastung:
  • Minimal (Leergewicht): 306 kg/m²
  • Nominal (normales Startgewicht): 408 kg/m²
  • Maximal (maximales Startgewicht): 556 kg/m²
Höhe: 5,93 m
Leergewicht: ca. 19.000 kg
Normales Startgewicht: 25.300 kg
Maximales Startgewicht:
  • 34.500 kg
  • 38.800 kg (mit Überlast)
Maximale Treibstoffkapazität: 11.500 kg (intern)
Kraftstoffverhältnis: 0,377
Belastungen: -3 g bis +9 g
Höchstgeschwindigkeit:
  • Mach 2,25 (in 11.000 m Flughöhe)[14]
  • ca. 1.400 km/h bzw. Mach 1,14 (auf Meereshöhe)
Dienstgipfelhöhe: 19.000 m[15]
Maximale Steigrate: 280 m/s[14]
Einsatzradius: 1580 km
Maximale Flugreichweite: 4.500 km
Triebwerke: Zwei Saturn-117S-Mantelstromtriebwerke
Schubkraft:
  • mit Nachbrenner: 2× 142,97 kN
  • ohne Nachbrenner: 2× 86,27 kN
Schub-Gewicht-Verhältnis:
  • Maximal (Leergewicht): 1,53
  • Nominal (normales Startgewicht): 1,15
  • Minimal (maximales Startgewicht): 0,84

Weblinks

 Commons: Suchoi Su-35BM – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Su-35S Produktion gestartet. FliegerWeb, 4. Dezember 2009, abgerufen am 7. November 2010.
  2. Скорое обновление. Sukhoi.org, 1. September 2010, abgerufen am 7. November 2010 (russisch).
  3. a b c d e f g h Suchoi News – Su-35 A STEP AWAY FROM THE FIFTH GENERATION
  4. Sukhoi Su-35-1 makes first flight. Flightglobal, 25. Februar 2009, abgerufen am 7. November 2010 (englisch).
  5. Sukhoi confirms Su-35 prototype crash. Flightglobal, 27. April 2009, abgerufen am 7. November 2010 (englisch).
  6. Russian air force seeks 24-36 Su-35 fighters. Flightglobal, 12. Juli 2008, abgerufen am 7. November 2010 (englisch).
  7. Russia signs $2.5 billion deal for 64 Sukhoi fighters. Flightglobal, 20. August 2009, abgerufen am 7. November 2010 (englisch).
  8. FlugRevue Juli 2011, S.16, Su-35S im Flugtest
  9. globalsecurity: SU-35BM
  10. a b KNAAPO – Su-35 multifunctional super-maneuverable fighter
  11. Carlo Kopp: Russian fighters – capability assessment
  12. Overscan's Guide to Russian Military Avionics
  13. Airforce-technology: Su-30MK
  14. a b Su-35 basic specifications. KNAAPO, abgerufen am 7. November 2010 (englisch).
  15. "Сухой" завершает предварительные испытания многофункционального истребителя Су-35. Sukhoi.org, 20. Juli 2010, abgerufen am 7. November 2010 (russisch).



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