Surfleisch

Surfleisch

Pökeln (aus romanisch piccare, „stechen“ entlehnt[1]), in Österreich auch Suren, fachsprachlich auch Umröten genannt, ist ein seit der Antike bekanntes Verfahren zur Konservierung von Fleisch- und Wurstwaren mit Hilfe von Kochsalz oder Nitritpökelsalz (einer Mischung aus Kochsalz und Natriumnitrat, Natriumnitrit oder Kaliumnitrat). Das konservierte Fleisch wird allgemein Pökelfleisch, Surfleisch oder Salzfleisch genannt.

Eine Packung Halleiner Pökelsalz

Inhaltsverzeichnis

Wirkprinzip

Fleischwaren werden unbehandelt durch Oxidation des Muskelfarbstoffs schnell blass und verderben durch Besatz mit unerwünschten oder gesundheitlich bedenklichen Mikroorganismen wie beispielsweise Pseudomonaden.

Das Pökeln verzögert dies durch verschiedene Mechanismen:

  • Im Fleisch vorhandene Mikroorganismen verlieren durch Diffusion Wasser aus ihrem Zellplasma, was ihre Zellfunktionen und Vermehrung beeinträchtigt.
  • Das Fleisch wird durch den gleichen Effekt fester und leichter.
  • Nitritpökelsalz wirkt auch speziell gegen das anaerobe Botulinum-Bakterium (Clostridium botulinum) und verhindert seine Ausbreitung
  • Nitrit verbindet sich mit dem Muskelfarbstoff zu Nitrosomyoglobin und sorgt damit für eine optisch ansprechende Rotfärbung; diesen Vorgang nennt man Umröten.

Hinzu kommt das typische ‚Pökelaroma‘. Allerdings geht beim Pökeln ein Teil der im Fleisch enthaltenen Eiweiße verloren. Darüber hinaus können beim Nasspökeln auch wichtige, zu Beginn vorhandene Mineralstoffe in Lösung und damit dem Lebensmittel verloren gehen. Sie werden dabei durch das höher konzentrierte Pökelsalz aus dem Fleisch verdrängt.

Statt Nitritpökelsalz verwenden manche Hersteller heute Meersalz oder iodiertes Speisesalz. Meersalze können je nach Herkunft nitritbelastet sein. Die Verwendung ist dann vergleichbar mit dem Einsatz von Nitritpökelsalz.

Verfahren

Das in der Regel vorgetrocknete Fleisch kann auf verschiedene Arten gepökelt werden, wobei zu beachten ist, dass es auch traditionelle, regionale Varianten gibt. Daher können die hier erläuterten Verfahrensprinzipien von konkreten Rezepten abweichen, insbesondere können neben dem Pökelsalz noch Gewürze und weitere Hilfsmittel wie etwa Ascorbinsäure verwendet werden!

Trockenpökeln

Beim Trockenpökeln wird das Fleisch mit Pökelsalz eingerieben oder bedeckt und lagenweise geschichtet. Durch die Osmose wird die Gewebsflüssigkeit herausgezogen, es entsteht die sogenannte „Eigenlake“.

Dieses Verfahren dauert am längsten – je nach Größe der Fleischstücke ca. 6 Wochen – erzeugt aber durch den höchsten Flüssigkeitsentzug von bis zu 50 % die beste Haltbarkeit.

Nasspökeln

Zum Pökeln wird das Fleisch in eine Salzlake eingelegt. Durch Osmose diffundiert das Zellwasser des in Salzlake eingelegten Fleisches so lange aus den Zellen in die Lake, bis die Salzkonzentration in den Zellen ein ähnliches Niveau erreicht hat wie die der Lake. Die Verfahrensdauer ist mit etwa 4 Wochen ungefähr ein Drittel kürzer als beim Trockenpökeln.

Schnellpökeln

Unter Schnellpökeln versteht man arbeitsintensivere Varianten des Trocken- oder Nasspökelns zur Verkürzung der Verfahrensdauer. Teilweise können die Verfahren auch kombiniert angewandt werden.

Trocken

Sowohl die Fleischstücke als auch das Pökelgefäß werden mit Pökelsalz eingerieben, das Fleisch danach dicht geschichtet. Nach zwei Tagen wird das Fleisch gewendet. Die Pökeldauer pro kg Fleisch beträgt etwa fünf bis sieben Tage.

Einspritzen

Hierbei wird die Pökellake direkt in das Fleisch injiziert, dadurch verkürzt sich die Verfahrensdauer auf durchschnittlich ungefähr 3 Tage.

Poltern

Bei diesem Verfahren wird nach der Injektion der Pökellake das Fleischstück mechanisch gewalkt („Pökomat“), um die Flüssigkeit direkt im Fleisch zu verteilen.

Vakuum

Durch die Erzeugung eines Vakuums wird der Austritt der Gewebsflüssigkeit unterstützt, die Verfahrensdauer wird auf 2 Tage je kg des größten Fleischstücks reduziert.

Pökelsalz

Die Verwendung von normalem Kochsalz erzeugt eine Flüssigkeitsreduzierung des Fleisches und damit eine Reduzierung der Bakterienvermehrung. Jedoch wirkt es nicht gegen die Graufärbung des Fleisches und verhindert auch nicht die Besiedlung mit dem Bakterium Clostridium botulinum.

Dazu wird dem Kochsalz seit alters her in geringen Mengen Nitrat oder Nitrit zugefügt. Zugefügtes Nitrat wird von den im Fleisch enthaltenen Bakterien in Nitrit umgewandelt, so dass als Wirksubstanz immer das Nitrit vorhanden ist. Die Verfahrensdauer wird dadurch verlängert. Das Nitrit verbindet sich mit dem Muskelfarbstoff Myoglobin zu Nitrosomyoglobin und weiter zu dem hitzestabilen Nitrosomyochromogen, welches die Rotfärbung erzeugt.

Eine weitere Verbesserung der Konservierungswirkung wird durch das Hinzufügen von Ascorbinsäure erzielt.

Gesundheitliche Bedenken

Methämoglobin

Durch Methämoglobin im Blut wird der Sauerstofftransport beeinträchtigt. Für Kleinkinder ist dies gefährlich, ein Enzym namens Methämoglobin-Reduktase verwandelt bei Erwachsenen das Methämoglobin wieder in Hämoglobin zurück.

Nitrosamine

Hauptartikel: Nitrosamine

Durch Reaktion der Nitrite mit Aminosäuren können Nitrosamine entstehen, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Dies ist der Hintergrund für die Bedenken hinsichtlich des Verzehrs von Toast Hawaii oder Salamipizza. Die Nitrite aus dem verwendeten Fleisch können bei hohen Temperaturen mit beispielsweise den Eiweißen des Käses Nitrosamine bilden. Im Fachbereich Lebensmitteltechnologie der Fachhochschule Berlin wurden allerdings Analysen entsprechender Gerichte vorgenommen und dabei keine höheren Nitrosamin-Gehalte festgestellt als bei Gerichten, die als unbedenklich gelten.[2]

Beim Deutschen Krebsforschungszentrum geht man davon aus, dass der registrierte Rückgang der Magenkrebserkrankungen auf die verringerte Nutzung von gepökelten oder geräucherten Lebensmitteln zurückzuführen ist. Zudem legen epidemiologische Untersuchungen eine positive Korrelation zwischen der Aufnahme von Nitrit bzw. Fleisch- und Wurstwaren und bestimmten Krebsarten nahe.[3]

Dagegen weist die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel darauf hin, dass derartige Lebensmittel nur für etwa 3 % der täglichen Nitritaufnahme verantwortlich sind, jedoch ein wesentlich größerer Teil durch die Aufnahme von gedüngtem Gemüse oder aus Stoffwechselvorgängen stammt.[4]

Gesetzliche Regelung

Lebensmittelverordnungen geordnet nach Erzeugnisgruppen regeln in Deutschland die Verwendung von Nitrit und Nitrat. Es darf nur in Kombination mit Kochsalz (Natriumchlorid), als Nitritpökelsalz zugesetzt werden. In der Zusatzstoffzulassungsverordnung sind beispielsweise die zulässigen Höchstmengen an Restnitrit und -nitrat im fertigen Erzeugnis geregelt.

Historisches

Das Pökeln ist eine sehr alte Konservierungsmethode, die besonders in der Seefahrt sehr beliebt war, weil man so auch auf hoher See nicht auf Fleisch verzichten musste.

  • Antike: Kaliumnitrat (Salpeter) wird seither zur Konservierung von Lebensmitteln verwendet.
  • 1891 entdeckt der Biologe M. Polenski, dass Nitrat im Fleisch durch Bakterien zu Nitrit umgewandelt wird.
  • 1899 wird bekannt, dass Nitrit für die rötliche Farbe von Gepökeltem verantwortlich ist.
  • 1901 beweist John Scott Haldane, dass für die rötliche Farbe von Gepökeltem eine chemische Reaktion der NO-Gruppe mit Hämoglobin im Fleisch verantwortlich ist.
  • 1929 stellt man fest, dass durch Nitrite die Bakterienvermehrung gebremst wird.

Das Pökeln in anderen Kulturkreisen

Das Pökeln als Methode der Haltbarmachung findet auch in Kulturkreisen außerhalb Europas Verwendung, vermehrt gerade dort, wo in ärmeren Regionen kaum Kühlmittel vorhanden und diese zur längeren Aufbewahrung von Fleisch kaum geeignet sind, oder wenn Fleisch auf den langen Wegen der Viehhüter mitgeführt werden soll.

In Brasilien – dort vor allem im ariden Nordosten, aber auch im Süden – gibt es Charque, Carne do sol und Carne seca, die sich durch die Menge des benutzten Salzes und die Art der zusätzlichen Trocknung, die bei Carne do sol in der prallen Sonne geschieht, unterscheiden, und die dem Fleisch unterschiedlich stark Wasser entzieht. Es wird ausschließlich aus Rindfleisch, der bevorzugten Fleischart der Bevölkerung, hergestellt und ist zum Beispiel auch eine Zutat des brasilianischen Nationalgerichts Feijoada.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Verlag De Gruyter, 24. Auflage 2002 ISBN 978-3-11-017473-1
  2. Lexikon der populären Ernährungsirrtümer
  3. Jakszyn P, Gonzalez CA. Nitrosamine and related food intake and gastric and oesophageal cancer risk: a systematic review of the epidemiological evidence. World J Gastroenterol. 2006 Jul 21; 12(27):4296-4303; PMID 16865769.
  4. Informationsdienst Wissenschaft

Weblinks


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