Sydslesvigsk Vælgerforening

Sydslesvigsk Vælgerforening
Südschleswigscher Wählerverband
Logo des SSW
Partei­vor­sit­zender Flemming Meyer
Gene­ral­sekre­tär Dieter Lenz
Stell­ver­tretende Vorsit­zende Rüdiger Schulze, Heinz-Günter Hergesell
Gründung 30. Juni 1948
Gründungs­ort Schleswig
Bundestagsmandate keine
Staatliche Zuschüsse 60.497,94 €
(Stand: 2006)
Mitglie­derzahl ca. 3700 [1]
Mindest­alter 16
Farben blau-gelb
Website www.ssw.de

Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) (dän.: Sydslesvigsk Vælgerforening, nordfries.: Söödschlaswiksche Wäälerferbånd) ist eine Regionalpartei in Schleswig-Holstein.

Als Partei der dänischen Minderheit ist der SSW gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 des Wahlgesetzes seit 1955 für den Landtag von Schleswig-Holstein von der Fünf-Prozent-Hürde befreit; dies gilt auch schon seit 1953 für Bundestagswahlen (§ 6 Abs. 6 Satz 2 des Bundeswahlgesetzes), welcher für alle Parteien nationaler Minderheiten gilt.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltliches Profil

Die Partei tritt im Landesteil Schleswig als Regionalpartei und Interessenvertretung der dort ansässigen dänischen Minderheit an und versteht sich zudem als Vertreter der Nationalen Friesen innerhalb der friesischen Volksgruppe in Nordfriesland. Hier arbeitet der SSW mit den 600 Mitgliedern des Friisk Foriining zusammen. In ihren politischen Ansichten steht die Partei zwischen den Volksparteien CDU und SPD und orientiert sich dabei stark an der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der skandinavischen Länder. So strebt der SSW grundsätzlich eine dezentrale, möglichst bürgernahe Politik an.

Gesellschaftspolitik

Eckwerte seiner Gesellschaftspolitik sind die Forderung nach einer humanen Gesellschaft, die Gleichstellung von Mann und Frau bei gleichem Lohn für gleiche Arbeit, eine langfristig angelegte Einwanderungspolitik und eine humane Asylpolitik. Im Zentrum seiner kulturpolitischen Arbeit stehen Schutz und Ausbau der dänischen, friesischen und niederdeutschen Kulturangebote sowie allgemein die Förderung kultureller Vielfalt. Weiterer inhaltlicher Schwerpunkt ist die Kommunalpolitik, wobei der SSW eine Stärkung der Kommunen und Landkreise fordert.

Wirtschafts- und Sozialpolitik

Der SSW bekennt sich zu den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, fordert aber eine solche, „die diesen Namen auch wirklich verdient“. Hiermit spricht die Partei unter anderem Situationen an, „wo die sogenannten Selbstregulierungskräfte des Marktes versagen und wo ein staatliches Eingreifen (…) entscheidend weiterhelfen kann“ und erwartet, dass sich Landes- wie Bundesregierung aktiv an Sanierungskonzepten beteiligen. Viele der aktuellen Reformen der Bundesregierung, wie auch einen weitgehenden Subventionsabbau lehnt der SSW dementsprechend ab.

Im Besonderen fordert er Investitions- und Strukturprogramme für den Landesteil Schleswig, insbesondere eine Verbesserung der dortigen Verkehrsinfrastruktur, wie zum Beispiel den Ausbau der Westküstenautobahn, allerdings unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Natur- und Umweltentwicklung.

Der SSW befürwortet eine aktive Arbeitsmarktpolitik und fordert eine verstärkte soziale Verantwortung der Wirtschaft. Ferner müssten bessere Rahmenbedingungen für Existenzgründer geschaffen werden. Ökonomische Krisen dürften nicht zu Sozialabbau führen. Eine Zusammenarbeit von Kindergärten, Schulen und sozialen Einrichtungen mit den Eltern müsse darüber hinaus gefördert und flexible Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden, die den sozialen Bedürfnissen von Familien gerecht würden.

Bildungspolitik

Im Zentrum der Bildungspolitik stehen vor allem die Forderungen, landesweit nach skandinavischem Vorbild gestaltete Gemeinschaftsschulen einzurichten, die berufliche Bildung zu reformieren und ein schleswig-holsteinisches Weiterbildungsgesetz einzuführen. Schulische Ausbildung und die Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt sollen in ständiger Wechselwirkung stattfinden.

Ein weiteres Augenmerk legt der SSW hier auf das Bibliothekswesen und fordert die Möglichkeit für alle Bürger, sich in jeder Gemeinde kostengünstig durch Bücher und andere Medien zu informieren. Jede Bibliothek solle auch in die Lage versetzt werden, ihren Benutzern freien Zugang zum Internet zu ermöglichen.

Umweltpolitik

Der SSW befürwortet den Ausbau Regenerativer Energieformen. Des weiteren fordert er einen „großflächigen Schutz der Landschaft“, um die „aus naturschutzfachlicher Sicht wertvollen Bereiche“ sicherzustellen und „notwendige Räume zur Renaturierung und Biotopvernetzung“ zu schaffen. Eingriffe in biologisch-ökologische und geografisch-morphologisch wertvolle Gebiete sollen verhindert werden, Eingriffe in Natur und Landschaft seien auf das Notwendigste zu reduzieren.

Der SSW befürwortet die Gentechnik, wobei er zugibt, dass es Chancen und Risiken gibt.

Weitere Forderungen beinhalten einen umfassenden Schutz des Waldes sowie der Meere. Einige Großprojekte, wie die Ausweisung der Halbinsel Eiderstedt als Vogelschutzgebiet, lehnt der SSW allerdings ab.

Finanzen und Vermögen

Laut Bundestagsdrucksache 16/5230 erzielte die Partei im Jahr 2005 Einnahmen von etwa 500.000 Euro, darunter 62.000 Euro Beiträge und 350.000 Euro Spenden, die hauptsächlich von juristischen Personen stammen. Etwa 60.000 Euro flossen aus staatlichen Geldern. Im Jahr 2005 erwirtschaftete die Partei ein Defizit von etwa 67.000 Euro. Die Partei erhielt im Jahr 2005 eine Großspende über 331.800 Euro aus dem Ausland.

Das Reinvermögen der Partei beträgt etwa 190.000 Euro. Die Partei unterhält Anteile an der Tageszeitung Flensborg Avis AG. Sie hat kein Grundvermögen.

Struktur

Der SSW besteht aus einem Landesverband und vier Kreisverbänden. Er ist ausschließlich im Landesteil Schleswig sowie auf der Insel Helgoland präsent. Unterhalb der Kreisverbände sind die 103 Ortsvereine (Distrikte) angesiedelt. Es gibt Kreisverbände in den Kreisen Nordfriesland, Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde und einen Stadtverband in Flensburg. Jugendverband ist die SSW-Jugend.

Das oberste Gremium der Partei ist der Landesparteitag, der jährlich im Herbst in Husum stattfindet. Er besteht aus ca. 175 Delegierten, die sowohl von Orts- als auch von Kreisverbänden entsendet werden. Gelegentlich finden daneben auch „außerordentliche Parteitage“ statt.

Das Presseorgan des SSW, Die Stimme des Nordens, erschien erstmals im September 2005 und soll viermal jährlich herauskommen. Von 1948 bis 1973 hatte der SSW mit der „Südschleswigschen Heimatzeitung“ eine eigene deutschsprachige Parteitageszeitung. Die hauptsächlich dänischsprachige, in Flensburg erscheinende Tageszeitung Flensborg Avis steht dem SSW nahe.

Vertretung in Kommunalparlamenten

Nach der Kommunalwahl 2008 stellt der SSW 9 von 43 Ratsherren in Flensburg (22,0%). Er errang acht Sitze im Kreistag des Kreises Schleswig-Flensburg (15,0%), fünf Sitze im Kreistag des Kreises Nordfriesland (9,06%), drei Mandate im Kreistag des Kreises Rendsburg-Eckernförde (5,8%) und einen Sitz in der Kieler Ratsversammlung (1,7%). In kreisangehörigen Gemeinden hat der SSW nach eigenen Angaben etwa 200 Sitze in den Kreisen Schleswig-Flensburg, Nordfriesland und Rendsburg-Eckernförde; darin sind auch einige Mandate, die über Wählergruppen errungen wurden, enthalten. Die meisten Stimmen hat der SSW in Harrislee mit 39,6% (9 Sitze) erhalten.

Bei den schleswig-holsteinischen Kommunahlwahlen gilt seit 2008 keine Sperrklausel mehr. In den vielen kleinen Gemeinden Schleswig-Holsteins kann die Gemeindevertretung aber nur von bis zu nur sieben Sitzen bestehen, was eine hohe Hürde für alle kleinen Parteien bedeutet. Im Gegensatz zur Lage in Dänemark und in anderen Bundesländern, wo Parteien durch eine Listenverbindung ihre Chancen auf Vertretung verbessern können, ist diese Art der Kooperation vom schleswig-holsteinischen Kommunalwahlrecht nicht vorgesehen. In Dänemark verbessert dies z. B. die Lage der Schleswigschen Partei, der deutschen Partei nördlich der Grenze, die nicht von der landesweiten 2%-Sperrklausel befreit ist und der hier lediglich die Option eines Wahlverbandes mit einer anderen Partei bleibt, um vertreten zu sein.

Geschichte

Gründung und Erfolge (1948−1950)

Der SSW ist 1948 aus dem Südschleswigschen Verein (dänisch: Sydslesvigsk Forening), dem Dachverband der dänischen Volksgruppe in Südschleswig, entstanden. Unter dem Eindruck der Zeit des Nationalsozialismus und des deutschen Zusammenbruchs trat der Südschleswigsche Verein in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg für eine erneute Volksabstimmung in Südschleswig ein, um eine Abtretung dieser Gebiete an bzw. eine „Wiedervereinigung“ mit Dänemark zu erreichen. Dabei gab es zwei revisionistische Fraktionen: ejderfolk, die die Grenze an die Eider verschieben und das gesamte Schleswig abgetreten wissen wollten, und dannevirkemænd, welche die Grenze an die Schlei, auf die Linie Schlei-Tönning, legen wollten. Die britische Regierung bot der dänischen Regierung im September 1946 eine Volksabstimmung über eine Grenzrevision an, welche die dänische Regierung zu diesem Zeitpunkt wie auch schon am 9. Mai 1945 ablehnte. Um den Anspruch auf eine Eigenständigkeit Südschleswigs aufrechterhalten zu können, bildete man mit dem SSW in Südschleswig eine politische Partei, die in ihrem Programm jedoch zwangsweise auf offene grenzrevisionistische Positionen verzichtete.

Sitze des SSW im Landtag SH
Wahlperiode Anzahl Sitze
19471950 6 Sitze
19501954 4 Sitze
19541958 0 Sitze
19581962 2 Sitze
19621996 1 Sitz
19962000 2 Sitze
20002005 3 Sitze
2005–heute 2 Sitze

Die ersten Jahre des SSW waren vor allem durch große Wahlerfolge geprägt. In einigen Städten des Landesteils konnten die dänischen Kandidaten 1946 politische Mehrheiten gewinnen und in Flensburg 1948 sogar behaupten. Zudem war der SSW im ersten Bundestag mit dem früheren Schleswiger Bürgermeister Hermann Clausen vertreten. Dies ist durch den Wunsch breiter Kreise der Bevölkerung, weg von Deutschland zu kommen, zu erklären.

Bonn-Kopenhagener Erklärungen und Stimmenrückgang (1950−1990)

Mit der Stabilisierung der deutschen Verhältnisse wurde es jedoch bald klar, dass es nicht zu einer Grenzverschiebung kommen würde, worauf der Anteil der SSW-Stimmen zurückging. Es nützte dem SSW auch nichts, die Vertriebenproblematik zu ihren Gunsten zu instrumentalisieren und zum Teil massiv gegen die neu in das Land gekommenen ostdeutschen Vertriebenen zu polemisieren. Die Anzahl der Vertriebenen war in Schleswig-Holstein im Verhältnis zu anderen Bundesländern überdurchschnittlich groß. Unstrittig ist auch, dass der SSW seine Wählerschaft weitestgehend aus Kreisen der sozial schwachen Einheimischen rekrutierte, die sich in der Nachkriegszeit der dänischen Minderheit zugewandt hatten und deswegen in den Genuss von Lebensmittelhilfen kamen – daher die polemische Bezeichnung als sog. „Speckdänen“. Vor dem Krieg sowie bereits im 19. Jahrhundert war jedoch die dänische Gesinnung auch eher in der weniger privilegierten Schicht verbreitet.

Als Reaktion auf die Gewinne des SSW setzte der Landtag die Sperrklausel 1951 auf 7,5 % hoch, um den SSW aus dem Landtag auszuschließen. Diese Klausel wurde vom Bundesverfassungsgericht jedoch für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 1, 208).

Um dem SSW parlamentarische Partizipation zu ermöglichen wurde 1955 die Sperrklausel für den SSW aufgehoben. Die Aufhebung geschah nach den deutsch-dänischen Verhandlungen über die Bonn-Kopenhagener Erklärungen. Diese beiden voneinander unabhängigen Erklärungen sichern deutscher wie dänischer Minderheit auf beiden Seiten der Grenze umfassende, jedoch unterschiedlich weit gehende Rechte zu. Über wahlmäßige Sonderregelungen in den beiden Ländern, siehe Minderheitenwahlrecht.

Ab 1971 saß Karl Otto Meyer für den SSW im Landtag. Er bekam im Jahr 1987 mediale Aufmerksamkeit, da er nach dem Tod Uwe Barschels bei der Ministerpräsidentenwahl wegen des Parlamentarischen Patts zwischen CDU/FDP einerseits und SPD andererseits das Zünglein an der Waage war. Er verweigerte jedoch die Neuwahl eines CDU-Ministerpräsidenten und machte damit den Weg zu Neuwahlen frei, bei denen die SPD im Mai 1988 die absolute Mehrheit gewann.

Steigerung der Wahlergebnisse (1990−2004)

Seit den 1980er Jahren verzeichnet der SSW wieder höhere Stimmenanteile. So kam er 1996 erstmals seit fast 40 Jahren wieder auf zwei Landtagssitze. Nachdem der Landtag im Jahr 2000 mittels einer Wahlrechtsreform gegen die Stimmen des SSW die Zweitstimme einführte, ist die Partei auch im Landesteil Holstein wählbar. Dies wurde kritisiert, da in Holstein keine autochthonen Dänen oder Friesen beheimatet seien. Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht äußerte im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens Bedenken gegen das amtliche Wahlergebnis bezüglich der Zuteilung von Landtagsmandaten an den SSW, da „der SSW … heute nicht mehr als Partei der dänischen Minderheit betrachtet werden“ könne und die „Befreiung [von der Sperrklausel] für Parteien der dänischen Minderheit seit der Einführung des Zweistimmenwahlrechts über das Maß des Erforderlichen hinausgehe“ und legte die Sache dem Bundesverfassungsgericht vor.

Das Bundesverfassungsgericht stellte jedoch fest, dass der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfülle und nahm dessen Vorlagebeschluß nicht zur Entscheidung an, weil der Beschluss sich nicht hinreichend damit auseinandersetze, worin der potentielle Verfassungsverstoß liege – da auch vor der Änderung des Wahlsystem eine bis dahin verfassungskonform mögliche landesweite Wählbarkeit des SSW gegeben war und nunmehr nur zur Regel würde.

Die Partei selbst betonte, weiterhin Interessenvertreter der beiden Minderheiten in Südschleswig sein zu wollen. Einen aktiven Wahlkampf führt die Regionalpartei ebenfalls ausschließlich in Schleswig. Der SSW stellt in Holstein keine Direktkandidaten auf und ist nur per Zweitstimme wählbar. Die beiden Kreise Rendsburg-Eckernförde und Pinneberg (durch Helgoland) sind „eiderübergreifend“, so dass hier auch vor Einführung der Zweitstimme bereits eine Kandidatur des SSW in Holstein stattgefunden hat.

Ein großer Erfolg war am 11. November 2004 die Annahme des Friisk Gesäts durch den Landtag, das den Friesen wesentliche kulturelle Rechte zugesteht.

Diskussion nach der Landtagswahl 2005

Bei der Landtagswahl am 20. Februar 2005 bekam der SSW 3,6 % der Zweitstimmen und zwei Sitze im Landtag. Abgeordnete sind Anke Spoorendonk und Lars Harms. Die 3,6 % (51.920 Stimmen) verteilen sich wie folgt: in den Wahlkreisen, die sich im Landesteil Schleswig befinden, erzielte der SSW rund 24.500 Stimmen, in landesteilübergreifenden Wahlkreisen rund 7.500 Stimmen und in den Wahlkreisen des Landesteils Holstein rund 20.000 Stimmen. Verteilt man die Stimmen aus den landesteilübergreifenden Wahlkreisen jeweils zur Hälfte auf Schleswig und Holstein, wird deutlich, dass fast die Hälfte der SSW-Stimmen (45 %) nicht mehr im eigentlichen Stammland (Süd-)Schleswig erzielt wurden, in dem Dänen und Friesen beheimatet sind. Die Zweitstimmen aus den Wahlkreisen mit Direktkandidaten stellen einen Verlust gegenüber dem Ergebnis der letzten Landtagswahl, jedoch einen leichten Stimmenzuwachs gegenüber den Ergebnissen der letzten 20 Jahre innerhalb des Landesteils Schleswig dar. Nachdem weder SPD und Grüne noch CDU und FDP eine Mehrheit erzielten, erklärte sich der SSW bereit, gegebenenfalls eine rot-grüne oder eine schwarz-gelbe Landesregierung im Landtag unterstützen zu wollen. Nach den ersten Sondierungsgesprächen mit SPD und CDU zeigte sich jedoch, dass die Unterstützung einer rot-grünen Regierung wahrscheinlicher sein würde. Dies erklärte sich vor allem aufgrund starker Differenzen mit der CDU im Bildungsbereich. Hinzu kam die Tatsache, dass der SSW bereits kurz nach der Wahl von Seiten der CDU kritisiert wurde. Politiker der CDU forderten, der SSW müsse sich als Interessenvertretung der dänischen Minderheit politisch neutral halten.

Es kam so zu Verhandlungen über eine Unterstützung der SPD und den Grünen. Die rot-grüne Koalition hatte zusammen mit dem SSW einen Sitz mehr als die beiden Oppositionsparteien, doch schon bei der konstituierenden Sitzung des Landtages am 17. März 2005 kam es zum Eklat, da neben den Abgeordneten von CDU und FDP noch ein weiterer unbekannter Abgeordneter in vier Abstimmungen der designierten Ministerpräsidentin Heide Simonis seine Stimme verweigerte. Somit war dieses Bündnis gescheitert. Der SSW erklärte daraufhin, nicht mehr für eine Tolerierung bereit zu stehen.

Nach der Landtagswahl flammte die Diskussion über die Vollwertigkeit der Landtagsmandate des SSW erneut auf, dieses mal bundesweit. Viele forderten eine größere Zurückhaltung des SSW in politischen Sachfeldern, die nicht direkt die dänische oder friesische Volksgruppe betreffen. Es gab wiederum Stimmen, die in diesem Zusammenhang die Befreiung des SSW von der Sperrklausel in Frage stellten, da der SSW sich mittlerweile infolge der Stimmen aus dem holsteinischen Landesteil nicht mehr als Minderheitenpartei definieren könne. Der SSW forderte jedoch, seine Mandate als vollwertig anzuerkennen und sich entsprechend politisch zu allen Sachthemen äußern zu dürfen.

Die Landtagsabgeordneten des SSW besitzen, wenn der Stimmenanteil des SSW unter 5 % liegt und die Partei im Parlament keinen Fraktionsstatus besitzt, gemäß der Geschäftsordnung des Landtags keine Grundmandate und sind somit in den Ausschüssen nicht stimmberechtigt. Nach der Landtagswahl 2005 hatte der SSW sich mit seinen eigenen sowie den Stimmen seiner potentiellen Koalitionspartner, um voll regierungs- und handlungsfähig zu sein, diese Grundmandate kurzfristig vor der Wahl des Ministerpräsidenten zugesichert - inzwischen hat die Große Koalition in Kiel diesen Vorgang jedoch gegen die Stimmen der drei kleinen Oppositionsparteien wieder rückgängig gemacht.

In seiner politischen Geschichte hat der SSW eine mögliche Unterstützung anderer politischer Parteien oder Konstellationen weder klar nachgestrebt noch abgelehnt. Es existiert ein Gerücht, dass der SSW die entscheidende Stimme zur Wahl Konrad Adenauers zum ersten deutschen Bundeskanzler abgegeben haben soll. Dies ist allerdings falsch, da Hermann Clausen nicht an dieser Wahl teilgenommen hat.[2]

In der Landespolitik jedoch hat der SSW bis zur letzten Landtagswahl keine regierungsbildende Rolle eingenommen. So lehnte die Partei beispielsweise 1950 das Angebot der SPD ab, eine Koalitionsregierung von SPD und der Vertriebenenpartei Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten zu stützen (Klatt 2001, S. 294f.). Auch nach der Landtagswahl 1962 wollte der SSW keine der möglichen Regierungskonstellationen unterstützen. Damals hätte der SSW eine sozialliberale Koalition tolerieren und damit einen Regierungswechsel herbeiführen können. Stattdessen rief der SSW aus, eine Regierung „nicht stützen und nicht stürzen“ zu wollen. Doch bereits 1978 beschloss die Partei im Vorfeld einer Landtagswahl, sich bei einem politischen Patt dezidiert nicht politisch neutral verhalten zu wollen.

Auch als CDU und FDP im Zuge der Barschel-Affäre 1987 nach Uwe Barschels Tod um die Stimme des SSW zur Neuwahl eines CDU-Ministerpräsidenten warben, enthielt sich Karl Otto Meyer der Stimme. Erst bei den Neuwahlen stimmte Meyer für den SPD-Kandidaten Björn Engholm.

Aktuelle politische Entwicklung (seit 2005)

Auf einem Sonderparteitag am 21. Juni 2005 beschloss der SSW mit einer Zweidrittelmehrheit nicht an einer vorgezogenen Bundestagswahl im September 2005 teilzunehmen. Einige Vertreter des SSW hatten zuvor offensiv für eine Teilnahme an der Bundestagswahl geworben. Der SSW war bereits im ersten deutschen Bundestag mit einem Abgeordneten vertreten. Seit den 1960er Jahren tritt der SSW nicht mehr bei Bundestagswahlen an. Am 10. September 2005 wählte der SSW-Landesparteitag Flemming Meyer, den Sohn des langjährigen Landtagsabgeordneten und Parteivorsitzenden Karl Otto Meyer, zum neuen Vorsitzenden. Meyer spricht sich – wie schon sein Vater – für einen eher linken Kurs des SSW und für eine Teilnahme an Bundestagswahlen aus.

Bei der schleswig-holsteinischen Kommunalwahl 2008 konnte der SSW ebenfalls einige Überraschungserfolge verbuchen; so wurde er in Flensburg trotz leichter Stimmenverluste nur knapp hinter einer Wählergemeinschaft zweitstärkste Partei und lag dort noch vor CDU und SPD. Außerdem gelang ihm in Kiel, wo er traditionell in den nördlichen Stadtteilen antritt, dank des Wegfalls der kommunalen 5%-Hürde mit einem Sitz erstmals der Einzug in die Kieler Ratsversammlung. Die Kieler Stadtteile nördlich des Nord-Ostsee-Kanals - in denen der SSW ausschließlich antritt - gehören zum Landesteil Schleswig.

Siehe auch

Literatur

  • Lars N. Henningsen/Martin Klatt/Jørgen Kühl: SSW - dansksindet politik i Sydslesvig 1945-1998, Studieafdelingen ved Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig; 1998; ISBN 87-89178-29-7
  • Martin Klatt/Jørgen Kühl: SSW - Minderheiten- und Regionalpartei in Schleswig-Holstein 1945-2005, Studieafdelingen ved Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig; 2006; ISBN 87-89178-60-2
  • Jørgen Kühl/Robert Bohn (Hrg.): Ein europäisches Modell? Nationale Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland 1945-2005, Verlag für Regionalgeschichte; 2005; ISBN 3-89534-541-5
  • Martin Klatt: Flygtningene og Sydslesvigs danske bevægelse 1945-1955, Studieafdelingen ved Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig; 2001; ISBN 87-89178-30-0
  • Erik Uldall: Die Südschleswig-Frage seit 1945, Chronologie und Dokumentenzusammenstellung; Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches Recht der Universität Hamburg; 1951
  • Thomas Loxtermann: Das deutsch-dänische Grenzgebiet als Modell nationalstaatlicher Minderheitenpolitik?; LIT Verlag; 2004; ISBN 3-8258-7879-1
  • Bodo Pieroth/Tobias Aubel: Der Begriff der dänischen Minderheit im Schleswig-Holsteinischen Landeswahlrecht, in: NordÖR 2001, S. 141-147.
  • Dietrich Murswiek: Das missbrauchte Privileg, in: Focus 10/2005.
  • Matthias Knothe: Schutz der Minderheiten in der Landesverfassung Schleswig-Holstein - Modellfall für das Grundgesetz ?, in: NordÖR 2000, S. 139-142.
  • SSW i kommunalpolitik 1948-2008. Redaktion: Dr. Lars N. Henningsen. ISBN 978-87-89178-71-4
  • Nils Vollertsen: Dansk i en tysk stat 1945-1992. ISBN 87-87238-04-7
  • Nils Vollertsen: SPD, socialdemokratiet og det danske mindretal: en studie om de danskorienterede socialdemokrater i Sydslesvig 1945-54. ISBN 87-7492-468-0
  • Nils Vollertsen: Sydslesvig. Odense Universitetsforlag 1984. ISBN 87-7492-957-7

Belege

  1. Offizielle Website
  2. Henningsen/Klatt/Kühl 1998, S. 162

Weblinks

Zur Verfassungsmäßigkeit der Befreiung des SSW von der Fünf-Prozent-Klausel:


Wikimedia Foundation.

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