Synthetische Sprachen

Synthetische Sprachen

Ein synthetischer Sprachbau ist in der Sprachtypologie nach Wilhelm von Humboldt und August Wilhelm Schlegel ein Sprachbau, in der die grammatische Funktion eines Wortes durch Flexion (im weiteren Sinne) kenntlich gemacht wird. Dadurch werden neue Wörter „synthetisiert“. Sprachen, in welchen dieses Konzept vorherrscht, nennt man synthetische Sprachen.

Inhaltsverzeichnis

Typen

Man unterscheidet hier drei Unterarten des synthetischen Sprachbaus

Generell lässt sich sagen, dass die wenigsten synthetischen Sprachen rein eine dieser Gruppen vertreten. Vielmehr überwiegt eines dieser Sprachkonzepte in einer konkreten Sprache.

Die westeuropäischen Sprachen tendieren generell zur Abschwächung ihrer Flexion und damit zum analytischen Sprachbau.

Schwächung und Stärkung synthetischer Elemente im Neuhochdeutschen

Schwächung

Zu beobachten sind im Deutschen der Wegfall des synthetisch gebildeten Präteritums (ich sang oder ich kaufte) zugunsten des analytischeren 'haben'-Perfekts (ich habe gesungen/gekauft) oder der Wegfall des Genitivs (das Auto meines Vaters) zugunsten einer Dativkonstruktion mit 'von' (das Auto von meinem Vater) bzw. in Dialekten mit Possessivpronomen (meinem Vater sein Auto). Auch der z.Z. noch häufiger verwendete synthetische Konjunktiv (er singe / er sänge) dürfte auf die Dauer durch die Umschreibung mit 'würde' (er würde singen) ersetzt werden.

Stärkung

Präpositionen

Eine Zunahme synthetischer Elemente im Deutschen zeichnet sich besonders bei den Präpositionen ab, die Dativ- oder Akkusativformen mit sich ziehen. Diese entwickeln sich durch Verschmelzungen mit den jeweiligen Artikeln zu einer Art von "flektierten Präpositionen". Am weitesten ist dabei die Präposition 'zu', bei der es im Singular bereits in der Schriftsprache in allen drei grammatikalischen Geschlechtern zu einer Verschmelzung mit dem Dativ-Artikel gekommen ist: aus zu dem Bahnhof, zu dem Gleis und zu der Fahrkarteninformation wurde dabei zum Bahnhof, zum Gleis und zur Fahrkarteninformation. Bei anderen Präpositionen ist diese Verschmelzung z.Z. nur teilweise, d.h. in Maskulinum und Neutrum, vollzogen, die im Dativ ohnehin dieselbe Form haben. Auch im Plural (zu den Gleisen = zudn Gleisen) und bei unbestimmten Artikeln (zunem, zuner) finden Verschmelzungen auf dialektaler bzw. umgangssprachlicher Ebene statt. Weitere Beispiele: am, ans, beim, durchs, fürs, hinters, im, ins, vom, vorm usw..
Voraussetzung für eine Grammatikalisierung dieser präpositionalen Verschmelzungen wird allerdings sein, dass deren Entstehungsweise für den Sprecher nicht mehr erkennbar ist, was beispielsweise geschehen könnte durch das Wegfallen von zu als alleinstehende Präposition im Sprachgebrauch bei gleichzeitigem Weiterbestehen der Dativverschmelzungen zum, zur usw.. Ein anderer Auslöser für eine Grammatikalisierung könnten Lautwandelprozesse sein, die keine offensichtliche Verbindung zwischen der eigentlichen Präposition und den Präpositionalverschmelzungen mehr erkennen lassen werden.

Plural-Umlaut

Ein Ausbau einer bereits entwickelten morphologischen Struktur ist bei der für das Deutsche sehr charakteristischen Pluralkennzeichnung durch Umlaut erkennbar. Nach dem Prinzip der Apfel - die Äpfel findet bei eigentlich nicht umgelauteten Mehrzahlen ein Systemausgleich statt:

  • der Wagen - die Wägen (eigentlich die Wagen)
  • das Lager - die Läger (eigentlich die Lager)

Dieser Prozess hat beispielsweise bereits beim Wort der Vogel stattgefunden, dessen Alter Plural die Vogel durch Umlaut stärker markiert wurde.
Ursprünglich wurde der Plural-Umlaut durch eine i-Endung im Plural Althochdeutscher Formen ausgelöst, stand also zunächst ausschließlich im Plural von Nomen, deren Plural im Althochdeutschen auf ein -i endete:

germ. *gast, *gasti ahd. gast, gesti nhd. Gast, Gäste [gæstə]

Durch die Nebensilbenabschwächung, in deren Zuge vom Germanischen bis zum Neuhochdeutschen alle Vokale am Wortende vererbter Wörter zu ə wurden (nur in der Aussprache, nicht im Geschrieben), lässt sich dies heute nicht mehr nachvollziehen, weshalb der Pluralumlaut von den Sprechern unbewusst zum grammatikalischen Zeichen uminterpretiert wurde, das besonders im Süddeutschen Raum heute immer noch ausgebaut wird (der Tag - die Täg).

Vereinzelte „Stärkung“ schwacher Verben

Einige wenige schwache Verben werden umgangssprachlich im Partizip Perfekt stark (winken - gewunken/gewinkt oder schneien - geschnien/geschneit). Die Tendenz geht im Deutschen jedoch eigentlich in die andere Richtung, hin zu schwachen Verben, also einer analytischeren Form. Vom Mittel- zum Neuhochdeutschen hat die Deutsche Sprache fast die Hälfte ihrer starken Verben eingebüßt, ein Prozess, der bis heute anhält (sieden - gesotten/gesiedet).


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