Talform

Talform

Ein Tal ist eine durch das Wechselspiel von Erosion und Denudation entstandene, für gewöhnlich langgestreckte, nach mindestens einer Seite offene Hohlform. Die linienhafte Erosion erfolgt durch einen Fluss, die flächenhafte Denudation durch Massenschwerebewegungen. Die tiefste Linie wird je nach Form Tiefenlinie, Talsohle oder Talboden genannt. Diese weist ein monotones (gleichsinniges) Gefälle auf. Bei abweichender Form oder anderen Entstehungsprozessen (z. B. bei Glazialerosion) spricht man nicht von einem Tal sondern von Talung oder talähnlichen Formen (z. B. Glaziale Rinne).

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Das Wort geht zurück auf die indogermanische Wurzel dhel- „Biegung, Höhlung, Wölbung“ und ist mit dem Wort Delle verwandt.

Talentstehung

Linienhaft abfließende Wässer (Flüsse), die Material abtragen können (Erosion), führen zur Tieferlegung des Flussbettes. Es ist dabei unerheblich, ob die Tiefen- oder die Seitenerosion überwiegt. Mit der Tieferlegung des Flussbettes greift an den Talhängen (oder -wänden) die Denudation an. Damit werden auch die Talbegrenzungen abgetragen und tiefer gelegt, allerdings niemals tiefer als der Fluss. Aufgrund der unterschiedlichen Erosions- und Denudationstypen sowie der unterschiedlichen Abtragungsgeschwindigkeiten entstehen verschiedene Talformen.

Modifiziert wird die Talbildung durch die geologischen Lagerungsverhältnisse der Gesteine und eventuell vorhandene tektonische Prozesse (zum Beispiel Gebirgsbildung). Auch die klimatischen Verhältnisse, die die Abflussmenge und Verwitterungsintensität maßgeblich beeinflussen, haben einen deutlichen Einfluss auf die Talbildung.

Grundlegende Talformen

Klamm

Klamm

Eine Klamm entsteht bei sehr kräftiger Tiefenerosion eines Flusses. Seitenerosion und Denudation spielen dabei keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Klammtäler haben deshalb Wände als Talbegrenzung, der Fluss füllt den Talgrund vollständig aus.

Tobel

Ein Tobel ist ein tiefer Einschnitt in einem Steilhang im Oberlauf eines Wildbaches.

Kerbtal

Kerbtal

Ein Kerbtal entsteht bei überwiegender Tiefenerosion eines Flusses; die deutlich vorhandene Denudation flacht die Talbegrenzungen zu Hängen ab. Seitenerosion spielt kaum eine Rolle. Der Fluss füllt den Talgrund vollständig oder nahezu vollständig aus.

Sohlental und Kastental

Vollführt ein Fluss sowohl Tiefen- als auch Seitenerosion, entsteht eine deutlich ausgebildete Talsohle. Der Fluss füllt damit den Talgrund nicht mehr vollständig aus. Je nach dem Vorkommen oder Fehlen von Denudation unterscheidet man Sohlentäler mit Hängen als Begrenzung oder Kastentäler, die von Wänden begrenzt werden.

Zwischen Klamm, Kerbtal und den Sohlen-/Kastentälern bestehen Übergangstypen, die man als Kerbsohlental oder Sohlenkerbtal bezeichnet.

Muldental

Muldentäler bilden sich in Gebieten mit starker Denudation. Sowohl die Tiefen- als auch die Seitenerosion treten dagegen zurück. Die kräftige Hangabtragung führt zu flachen Talhängen. Der Übergang zum eigentlichen Talgrund ist undeutlich.

Spezielle Talformen

Die hier aufgeführten Talformen entstehen bei bestimmten Lagerungsverhältnissen der Gesteine, bei tektonischen Aktivitäten oder unter besonderen Klimabedingungen.

Engtal

Ein Engtal ist der Überbegriff für ein Tal mit einem sehr schmalen Talboden (Anhaltswert: höchstens doppelte Gewässerbreite). Die Talflanken enden in der Regel unmittelbar am Gewässer. Der Querschnitt ist V-förmig oder steil U-förmig. Das Gewässer hat von Natur aus praktisch keine Bewegungsfreiheit im Talgrund. Schlucht, Canyon, Tobel, Klamm, Kerbtal und Wadi sind demnach Engtäler.

Schlucht

Eine Schlucht ist ein enger, steiler Taleinschnitt, meist in einem Gebirge. Die Talbegrenzung besteht aus Wänden oder steilen Hängen. Schluchten entstehen durch Einschneiden selbst kleinerer Wasserläufe in standfestes, massiges Gestein. Bevorzugt bildet sie sich in Tiefengesteinen wie Granit. Die Tiefenerosion überwiegt die Denudation stark.

Canyon

Canyon

Ein Canyon entsteht durch tiefes Einschneiden eines Flusses in ein Plateau mit horizontal lagernden Gesteinsschichten. Die Gesteine besitzen eine unterschiedliche Widerständigkeit gegenüber der Abtragung. Die Hänge eines Canyons sind daher treppenartig gestuft und abwechselnd steil und deutlich flacher. Es wirkt sowohl Tiefenerosion als auch Denudation.

Durchbruchstäler

Durchbruchstäler durchschneiden ein Gebirge. Antezedente Durchbruchstäler entstehen durch Einschneiden eines Flusses in das durch tektonische Hebung aus einer Ebene entstehende Gebirge. Dabei kann ein Fluss seine im Flachland erworbenen Mäander tief ins entstehende Gebirge einschneiden (Zwangsmäander). Epigenetische Durchbruchstäler entstehen auch ohne Tektonik, wenn ein Fluss bei der Erosion in die Tiefe auf einen Härtling trifft und ihn dann erosiv angreift.

Wadis und Trockentäler

Ein Wadi ist ein Trockental in Wüstengebieten, das nur nach starken Regenfällen vorübergehend Wasser führt. Es gibt aber auch in heute feuchten Klimaten Trockentäler, wenn die Bedingungen, die zur Entstehung des Tales geführt haben, nicht mehr gegeben sind. Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Trockentäler in Norddeutschland und auf der Schwäbischen und Fränkischen Alb. Diese entstanden, als im Eiszeitalter das Niederschlagswasser aufgrund des damals vorhandenen Dauerfrostbodens nicht versickern konnte und zum oberirdischen Abfluss gezwungen war.

Talähnliche Formen

Als talähnliche Formen werden Hohlformen bezeichnet, die mehr oder weniger große Ähnlichkeiten mit Tälern aufweisen, aber abweichende Entstehungsbedingungen haben.

Trogtäler und Fjorde

Trogtal

Trogtäler sind durch Gletschereis überprägte Täler und daher keine Täler im Sinne der oben genannten Definition. Man kann sie als „Gerinnebett“ eines Gletscher bezeichnen. Fjorde sind ertrunkene Trogtäler.

Urstromtäler

Urstromtäler (eigentlich breite Sohlentäler), die das Schmelzwasser der eiszeitlichen Inlandeisvorstöße parallel zum Eisrand abführten, haben aufgrund späterer Überprägung heute nur noch eingeschränkt die Eigenschaften eines Tales. Vor allem das gleichsinnige Gefälle ist heute meist nicht mehr vorhanden.

Glaziale Rinnen und Förden

Glaziale Rinnen entstanden unter dem Gletscher durch Schmelzwassererosion. Ihre heutige Form beruht stark auf der Form der Toteisblöcke, die die Rinne einst ausfüllten. Sie besitzen daher in den meisten Fällen kein gleichsinniges Gefälle. Förden sind ertrunkene Glaziale Rinnen.

Ria

Ein Ria ist eine tief in das Festland eindringende Meeresbucht, das durch Überflutung eines ehemaliges Flusstals entstanden ist.

Generelle Talentwicklung

Vor allem im Oberlauf der Flüsse schneidet sich das aufgrund des großen Gefälles schnell fließende Wasser erosiv stark in das Gestein ein und führt zur Ausbildung eines Tobels oder einer Klamm. Je nach Beschaffenheit des Gesteins folgt darauf flussabwärts ein Kerbtal oder eine Schlucht. Diese sind vor allem in den Hochgebirgen zu finden. Die Tiefenerosion ist dabei so stark, dass die Verwitterung der Hänge und deren Abtragung nicht folgen können. Die Felswände der Klammen werden dadurch nahezu senkrecht und nur so breit wie ihr Flussbett. Die maximale Tiefe einer Klamm ist durch die kritische Höhe der Felswände bestimmt. Wird diese überschritten, kommt es aufgrund der Instabilität zu Felsstürzen und Rutschungen. Die Hänge werden zurückverlagert und die senkrechten Talhänge verflachen. Dies hat eine intensive seitliche Erosion der Hänge zur Folge.

Hat das Tal überwiegend eine V-Form, spricht man von einem Kerbtal. Die Rückverlagerung wird durch einen starken Materialabtrag auf den Hängen charakterisiert, der mit der Tiefenerosion des Flusses standhält. Je flacher die Talhänge werden, desto diskontinuierlicher stellt sich die Denudation dar. Kommt es anfangs in einer tiefen Klamm noch regelmäßig zu Felsstürzen, tritt die Seitenerosion später nur noch bei entsprechenden meteorologischen Ereignissen ein. Diese Denudationen sind dann durch Rutschen oder Gleiten sowie in Form von Muren und anderen Fließungen zu beobachten.

Kerbsohlentäler zeichnen sich durch eine geringere Tiefenerosion und eine geringe, aber vorhandene Seitenerosion aus. Der Übergang vom Kerbtal zum Sohlental ist fließend. Durch die Erosion an den Hängen ist das Gewässer gezwungen, das abgetragene Material zu bewegen. Ist das Gefälle im Tal geringer, fängt das Gewässer an zu mäandrieren. Am Prallhang trifft es dann häufig auf den Hang des Tals und greift diesen intensiv an. Ablagerungen von Material finden gleichzeitig am Gleithang statt, wodurch sich die Sohle des Tals verbreitert.

Das eingekerbte Gebirge wird mit der Zeit vollständig erodiert und dabei eingeebnet; der Höhenunterschied zwischen Talsohle und Berggipfeln nimmt wieder ab. In dem immer flacher werdenden Gelände wird das Kerbsohlental zu einem breiteren Sohlental. Der Grund für die Reduzierung des Höhenunterschieds zwischen Talsohle und Bergen muss dabei nicht durch Erosion bedingt sein. Sie kann auch durch Tektonik begründet sein.

Literatur

  • Fritz Machatschek: Geomorphologie. 9. Auflage. Teubner, Stuttgart 1968
  • Herbert Louis: Allgemeine Geomorphologie. 3. Auflage. de Gruyter, Berlin 1968
  • Wolfgang Panzer: Geomorphologie - Die Formen der Erdoberfläche. 2. Auflage. Westermann, Braunschweig 1968

Siehe auch

Talkessel

Weblinks


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