Tangrismus

Tangrismus
Die Darstellung der tengristischen Drei-Welten-Kosmologie auf einer Schamanentrommel [3] [4]. Der Weltenbaum steht in der Mitte der Welt und verbindet Unterwelt, irdische Welt und Himmel miteinander. Die vom Horizont herabhängenden Striche symbolisieren die Erd- Wassergeister.

Tengrismus war einst der Glaube aller türkischen und mongolischen Völker Zentralasiens. Der Glaube baut sich vor allem um den Himmelsgott Tengri auf und setzt sich aus Animismus, Schamanismus, Ahnenverehrung, einer speziellen Form des Totemismus und Einflüssen aus dem chinesischen Universismus zusammen.

Im Tengrismus besteht der Sinn des Lebens für einen Menschen darin, mit allem, was unter dem Himmel ist, also mit seiner Umwelt im Einklang zu leben. Der Mensch steht in der Mitte der Welten und sieht seine Existenz zwischen dem ewigen blauen Vater-Himmel, der Mutter Erde, die ihn stützt und ernährt, und einem Herrscher, der als Sohn des Himmels gilt, geborgen. Mit einer ausgeglichenen Lebensweise hält der Mensch seine Welt im Gleichgewicht und strahlt seine persönliche Kraft Windpferd nach außen. Der Kosmos, die Naturgeister und die Ahnen sorgen dafür, dass es den Menschen an nichts fehlt und beschützen ihn. Wenn das Gleichgewicht durch eine Katastrophe oder durch den Eingriff böser Geister außer Kontrolle gerät, wird es durch den Eingriff eines Schamanen wieder hergestellt[1] [2].

Heute ist die Gestalt des Himmelsgottes Tengri vorwiegend bei Mongolen (neben dem Lamaismus), und einigen noch naturverbunden lebenden Turkvölkern wie z. B. Chakassen, Altaier, Jakuten usw. erhalten geblieben. Aber auch bei Völkern, die den Tengrismus längst abgelegt haben, werden heute viele Elemente aus dem alten Glauben immer noch heimlich als Aberglaube weitergeführt.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der Tengrismus, die alte Religion der Turkvölker und Mongolen, wurde anfangs unter dem Begriff Schamanismus beschrieben. Inzwischen wird der Begriff Schamanismus allerdings auch zur Beschreibung von anderen alten Glauben und Naturreligionen der unterschiedlichsten Kulturkreise rund um den Erdball verwendet. Daher setzt sich seit einigen Jahrzehnten die Bezeichnung Tengrismus für die traditionelle Religion der alten Türken und Mongolen immer mehr durch.

Julie Stewart[3] beschrieb den bei den Mongolen heute noch vorhandenen Tengrismus aus rein mongolischer Sicht. Sie fügt ihrem Artikel „Mongolischer Schamanismus“[1]hinzu:

Inzwischen bezeichnen immer mehr westliche Forscher diesen Glauben als Tengrismus. Dies ist sehr viel zutreffender, da sich dieser Glaube vor allem um Tengri aufbaut und da der Tengrismus eigentlich die Schamanen nicht unbedingt braucht. Die Menschen können selber direkt zu Tengri und zu den Naturgeistern beten ohne einen Schamanen.

Der Tengrismus hebt sich auch durch seine Gemeinsamkeiten mit dem chinesischen Universismus aus dem allgemeinen Schamanismus ab, sodass er sich nicht nur als Schamanismus beschreiben lässt.

Transkription des Namens Tengri

Tengri und Tengrismus werden in zahlreichen Varianten geschrieben bzw. transkribiert, was an der Vielzahl Quellsprachen (mongolische und turkische Sprachen) und Zielsprachen (Deutsch, Englisch...) und Transkriptionssysteme liegt. Verbreitet sind:

  • Tengri, Tänri, Tengre, Tenger, Tengere, Tangra, Tangar, Tangara, Tenghri, Tanrı.
  • Tengrismus, Tengerismus, Tänriismus, Tangriismus, Tengrianismus, Tangrismus.

Geschichte

Die ältesten, schriftlichen Nachweise über die Verehrung des Himmelsgottes Tengri findet man in der alten chinesischen Literatur, die sich nicht nur mit den Chinesen selbst, sondern auch mit den benachbarten und verfeindeten Völkern beschäftigt. Daraus ist zu entnehmen, dass die Hsiung-nu schon im 4. Jahrhundert v.Chr. Tengri verehrten.

„Tengri: Himmel(-sgott). Der älteste Beleg für dieses Wort findet sich in den chinesischen Annalen bezüglich der Hsiung-nu in der Form tcheng-li, was zweifellos die chinesische Transkription des zweisilbigen Wortes tängri ist. Später geben die Chinesen in der Form teng-ning-li ( oder teng-yi-li), ein dreisilbiges Wort für tengri an: Der Ausfall des mittleren i ist normal, aber während das dreisilbige Wort später im Gök-Türkischen belegt ist (manchmal auch Tengeri), ist es in den frühesten Texten unbekannt. Keine Etymologie ist bisher allgemein anerkannt: Man hat das sumerische dingir, das chinesische T`ien und den gök-türkischen teng- vorgeschlagen, was relativ befriedigend erscheint...
... Tengri hat alle Kennzeichen eines Nationalgottes. Die Gök-Türken wohnen im Zentrum der Welt, direkt unter dem Himmel, der sie also besonders beschützt. Die Texte aus den Inschriften sagen deutlich, dass er der Gott der Türken ist (Türük Tängrisi), nicht der fremder Völker. Er trägt manchmal den Titel Khan (Kaiser). Er beschützt besonders sein Volk. Im Verein mit anderen Mächten befiehlt er, „dass das gök-türkische Volk nicht zunichte werde, dass es wieder ein Volk werde“. “ (Die alttürkische Mythologie / von Jean-Paul Roux, S. 255)

Die Hsiung-nu glaubten, dass das Blut ihrer Herrscher vom Gott Tengri geadelt ist. Laut einer Legende der Hsiung-Nu gilt die heilige Wölfin Asena als Ahnin. In einer anderen Legende vereinigt sich Tengri persönlich in Gestalt eines Wolfes mit der Tochter eines Tue'kue Herrschers. Die Herrscher der Türken führten ihre Abstammung auch nach über tausend Jahren später noch auf dieses Asena- Adelsgeschlecht zurück und wurden daher von ihren Untertanen als lebende Gottheiten verehrt.

Göktürken

Eine der Steintafeln mit alttürkischen Inschriften aus Zentralasien.

Die Göktürken waren die erste türkische Horde, die der Nachwelt zahlreiche schriftliche Nachweise hinterlassen haben, die viele wertvolle Hinweise über ihre Kultur, Glauben und Politik enthalten. Aus den Orchon-Runen geschriebenen Kül-Tegin-Stelen (7. Jahrhundert), geht das folgende tengristische Glaubensbekenntnis hervor:

üzä kök tänri asra yağız yer kılıntıkda, ekin ara kişi oğli kılınmış.

Zu deutsch:

Als oben der blaue Himmel und unten die braune Erde ins Dasein trat, wurde durch diese (dazwischen) das Menschengeschlecht gezeugt.

Die Herrschertitel der Göktürken enthielten stets den Hinweis auf ihre göttliche Verbindung zum Himmel; wie etwa kök tengri yaratmış (von Tengri erschaffen). In den Inschriften des Bilge Khan (reg. 716-734 das Reich der Göktürken) heißt es: „Im Auftrag des Himmels ist der türkische Herrscher eingesetzt, um die Welt zu regieren“. Ein Zusatz in seinem Titel lautete: „tänri täg tänri yaratmış türk bilge kağan“, zu deutsch: „Der Himmelsähnliche, vom Himmel (mit dem Volk) zusammengestellte adlige (türk) Bilge Khan.[2]

Im Reich der Göktürken erlebte der Tengrismus eine Blütezeit, obwohl der zunehmende Einfluss fremder Religionen in jenem Vielvölkerstaat groß gewesen sein muss. In einer der Überlieferungen wird der große Khan von seinem Berater vor der zunehmenden Verbreitung des Buddhismus gewarnt; der Buddhismus würde die Türken zu unproduktiven und gleichgültigen Pazifisten werden lassen. Aber abgesehen davon war der Tengrismus anderen Religionen gegenüber sehr tolerant eingestellt. In einer Überlieferung über einen Kiptschaken-Khan heißt es, er hätte vor der Schlacht alle geistlichen Führer aus seiner Horde unterschiedlichster Glauben zu einem gemeinsamen Gottesdienst zusammengeführt und gesagt: „Je mehr Götter auf unserer Seite sind, umso besser ist es für uns!“

Mongolen

Dschingis Khan. Er begann seine Reden immer mit den Worten: Auf Wunsch des ewigen blauen Himmels …

Auch der große Mongole Dschingis Khan war anderen Religionen gegenüber nicht verschlossen. Er suchte in Friedenszeiten regelmäßig die Ruhe abgeschieden gelegener buddhistischer Klöster auf, um mit Meditation zu sich zu finden und um sich von seinen Schlachten zu erholen. Er vereinte tengristische Stämme Zentralasiens zu einer unbesiegbaren Horde und erschuf das größte Reich der Menschheitsgeschichte. Er begann seine Reden immer mit den Worten: „Auf Wunsch des ewigen blauen Himmels …“ In der Goldenen Horde erlebte der Tengrismus eine weitere Blütezeit[1].

Nachdem Kubilai Khan China eroberte, wuchs sein Interesse an den dort beheimateten Religionen. Er ahmte die chinesische Lehre des einen Himmels Tian Ming, die der Lehre von Tengri ohnehin sehr verwandt ist, nach. Er war auch begeistert von der hohen Bildung uigurischer Buddha-Mönche. Er beauftragte eine Gruppe uighurischer Mönche damit, die Lehren Buddhas auch unter der Mongolen zu verbreiten und schickte sie nach Karakorum, wo sie ein buddhistisches Kloster errichteten. Dem Buddhismus gelang es allerdings bis heute nicht, den Tengrismus in der Mongolei zu verdrängen, er wurde lediglich in den Tengrismus integriert. Der lamaistische Buddhismus der Mongolen besteht heute meist nur daraus, die Buddha-Statue gemeinsam mit einem Bild Dschingis Khans und dem Totem an seinen heiligen Platz auf dem Altar des Nomadenzeltes zu stellen.

Tengri in Europa

Die Hunnen in Italien.

Der Tengrismus wurde durch die Eroberungszüge der kriegerischen Hunnen, Awaren, (Proto-) Bulgaren, Kumanen und später auch durch die Goldene Horde Dschingis Khans auch bis nach Europa getragen.

Der Glaube war so eng mit dem Nomadenleben verknüpft, dass die Sesshaftwerdung der tengristischen Völker immer mit dem Wechsel ihres Glaubens verbunden war. Solange die Menschen als Nomaden lebten, sind sie auch lange tengristisch geblieben. In Ost- und Mitteleuropa sollen bis ins späte Mittelalter noch umherziehende Nomadenstämme anzutreffen gewesen sein, die Tengri verehrten [4].

„..Das Wort "tudomany" (Ungarisch heute: Wissenschaft) war ursprünglich das okkulte Wissen oder der Zauber. Der ungarische Schamane, der "Taltos" heißt, erlangte sein "tudomany" nach einem einige Tage anhaltenden Scheintod, währenddessen er initiiert wurde. Das Wort "Taltos" für den ungarischen Schamanen stammt etymologisch aus dem türkischen "tal-, talt-", was die Bedeutung von "in Ohnmacht fallen", "die Besinnung verlieren", "eintauchen" hat. Die Einweihung geschah durch eine Prüfung , in der der angehende Schamane in seinem Trancezustand den "bis zum Himmel reichenden Baum" (ung. "Tetejetlen nagy fa") erklettern musste. Dieser Weltenbaum gehörte zum Weltbild dieser Völker.“[5]

Die Protobulgaren nannten den Himmelsgott Tangra [6] und benannten einen großen Berg in Bulgarien nach ihm, dessen Name erst im 15. Jahrhundert durch die Osmanen in Musala (Mashallah: Gottes Lob) umgeändert wurde. Sie haben aber noch viele andere Spuren hinterlassen, wie etwa mehrere Felsen, die eine Runeninschrift mit den Gottesnamen Tangra tragen, oder das Relief mit der Abbildung der Fruchtbarkeitsgöttin Umay auf dem höchstgelegenen Felsen von Perperikon.

864 erklärte Zar Boris Michael Khan das Christentum zur offiziellen Staatsreligion. Damit wurde der Tengrismus in Bulgarien im 9. Jahrhundert aufgegeben (siehe Bulgarische Geschichte).

Die nach Europa gewanderten Tengristen haben mit der Sesshaftwerdung im Laufe der Zeit ihre Identität verloren und sind überwiegend in slawischen, germanischen und romanischen Völkern aufgegangen.

Übrige Turkvölker

Schon vor dem 10. Jahrhundert gab es kleinere Horden und Stämme, die mit Arabern und Persern in Kontakt gekommen waren und (nicht immer freiwillig) zum Islam übergetreten sind. Aber erst im Jahre 920 traten als erstes größeres Turkvolk die Karachaniden unter ihrem Herrscher Saltuq Bughra Qara-Khan 'Abd al-Karim (reg. 920-56) geschlossen zum Islam über. Danach breitete sich der Islam unter den Turkvölkern im Südwesten Zentralasiens immer schneller aus.

Einige Turkvölker waren vor ihrer Islamisierung aber auch nestorianische Christen. Persische Überlieferungen aus dem Jahr 581 berichten von türkischen Gefangenen, die eine Kreuz-Tätowierung im Gesicht getragen haben sollen.

Uigurenfürst, Wand-/Höhlenmalerei in Bezeklik bei Turfan, 8./9. Jh.

762 erklärte Bögü Khan im Reich der Uighuren den Manichäismus zur Staatsreligion. Da die Prinzipien des Manichäismus absolut nicht mit denen des Tengrismus übereinstimmten, ist es nur schwer vorstellbar, dass die gesamte Bevölkerung der neuen Religion sofort gefolgt ist. Nachdem die Uighuren mehrheitlich den Buddhismus als Religion angenommen hatten, haben sie auf dieser Grundlage die erste sesshafte, türkische Zivilisation gegründet. Sie wurden sogar zu Vorreitern des Buddhismus; übersetzten sanskritische und chinesische Texte zuhauf ins Türkische und waren sogar missionarisch tätig. Sie gründeten das erste buddhistische Kloster für Frauen. Nach einem Angriff der Kirgisen wurden sie zwischenzeitlich wieder in eine nomadische Lebensweise zurückgeworfen. Die heutigen Uighuren sind überwiegend muslimisch.

Ab dem 16. Jahrhundert wurden immer mehr Turkvölker Sibiriens durch die Russen christianisiert und slawisiert. Das Vertrauen in den Dorfschamanen mancher dieser Christen ist allerdings auch heute noch größer als etwa in den Arzt oder den Priester ihres Dorfes. Letztendlich blieb der Tengrismus bei den Mongolen neben dem Lamaismus, und bei einigen kleinen noch naturverbunden lebenden Turkvölkern Sibiriens erhalten.

Die Völker in Asien, bei denen der Tengrismus bis heute erhalten geblieben ist, sind ausschließlich Nomaden. Bei manchen islamischen Turkvölkern wie Kirgisen oder Turkmenen, bei denen ein Teil der Bevölkerung heute noch als Nomaden leben, existieren auch heute noch praktizierende Schamanen, die ihre alten Rituale mit islamischen Gebeten kombinieren.

In den letzten Jahrhunderten wurden einige Versuche unternommen, den Tengrismus neu zu strukturieren. Eines dieser Versuche in der Altai-Region wird heute in der westlichen Literatur als Burchanismus bezeichnet. Der Burchanismus war anti-schamanistisch und vor allem anti-russisch. Die Schamanen hatten im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Elemente aus fremden Religionen in ihre Praktiken aufgenommen und hatten den Tengrismus verfremdet. Der Burchanismus rief dazu auf, die Schamanen zu verfolgen und auch alles Russische zu boykottieren. Es wurden Schamanenkutten und -trommeln verbrannt. Man verbrannte sogar russische Banknoten. Diese Bewegung dauerte etwa von 1904 bis 1930 an und wurde am Ende durch die Russen gewaltsam beendet.

Tengri

Tengri, ( „Ewiger blauer Himmel“ ) war eine männliche Gottheit, die den Himmel beseelt.
  • Tengri alttürk.: früher Himmel/später Gott.
  • Tanrı türk.: Gott.
  • Tenger mong.: Himmel
  • Tenger Etseg: der Name des Himmelsgottes bei den Mongolen.
Diese Ungläubigen nennen den Himmel Tengri und beten zu ihm. Sie bezeichnen aber auch andere Dinge, die ihnen in der Natur als imposant erscheinen, wie große Berge oder prächtige Bäume, als Tengri und gehen auch vor diesen Dingen zum Gebet in die Knie. Möge Allah ihren Seelen gnädig sein.“ (Aus dem Wörterbuch Divan Lügat ü- Türk des Kaşgarlı Mahmut aus dem Jahre 1074.)

Tengri wird als eine nicht personifizierte, männliche Gottheit oder als der große Geist des Himmels interpretiert. Im Tengrismus wird alles in der Natur befindliche von einem Geist bewohnt. Tengri ist der mächtigste von allen. Er gilt als der Erschaffer und Hüter des kosmischen Gleichgewichts und der natürlichen Kreisläufe. Im Gegensatz zu anderen heiligen Gestalten, die von den Schamanen und in den Mythologien der tengristischen Völker sehr menschlich dargestellt beschrieben werden, gibt es keine Beschreibung oder Personifizierung von Tengri, obwohl er als der Vater von großen Herrschern und vielen anderen übernatürlichen Mächten gilt. Er wird immer als zeitloser und endloser, blauer Himmel erwähnt[1].

Da Tengri aber auch Himmel bedeutet, findet man dieses Wort auch in den Namen mancher anderer Objekte in der Natur, von denen die Menschen glaubten, dass diese von einem Himmelsgeist beseelt sind. Himmels-Berg, Himmels-Baum, Himmels-Felsen, Himmels-Wolf usw. Die Geister wurden in Himmels- und Erd-Wassergeister eingeteilt. Aber der eigentliche Tengri war stets im Himmel selbst.

Verehrung Tengris

Jedes Ritual begann mit der Ehrwürdigung von Tengri, der Mutter-Erde Yer und der Ahnen. Tengri wurde auch im Alltag der Menschen ständig erwähnt und gewürdigt. Wenn ein besonderes Getränk getrunken werden sollte, goss man zuerst einen Teil davon in eine Schüssel und überreichte es dem Vater-Himmel, der Mutter-Erde und den Ahnen. Außerdem opferten Frauen regelmäßig Milch oder Tee, indem sie mit dem Getränk um das Zelt gingen und es dabei drei mal in alle vier [Himmelsrichtungen verteilten. Der Einfluss Tengris auf das Schicksal wurde als Lob des Himmels bezeichnet und in alltäglichen Gesprächen ständig erwähnt.

Es gab regelmäßige Opferungen an die Berggeister und andere religiöse Feiern, bei denen vor allem Tengri angebetet wurde. Es gab auch ein Opferungsritual für schnelle Hilfe in dringender Not, bei dem für Tengri ein Tier geopfert wurde. Regengebete waren ebenfalls direkt an Tengri gerichtet. Sie wurden an bestimmten heiligen Orten ausgeführt, die bei den Mongolen als Oboo und bei den Türken als Oba bezeichnet wurden. Mit den mächtigen Berggeistern Kontakt aufzunehmen und das außer Kontrolle geratene Gleichgewicht wieder herzustellen, war nur Schamanen gestattet, aber Tengri durfte jeder Mensch jederzeit selbstständig um Hilfe bitten.

Blitze

Blitz und Donner wurden als ein Zeichen seiner Unzufriedenheit gedeutet. Manchmal wurden Blitze aber auch als Hinweis auf einen besonders spirituell starken Punkt in der Natur angesehen. An diesem Punkt vollzogen Schamanen ein Ritual, den Yohor-Tanz, um die dort entladene Energie wieder zurück ins himmlische Reich zu schicken. Man glaubte, dass vom Blitz oder von Meteoren getroffene Gegenstände mit himmlischer Energie beladen wurden. Man glaubte auch, dass Blitze, die man auch als Haar des Himmels bezeichnete, auch Getränke wie zum Beispiel Kumys mit göttlicher Energie anreicherten, die man dann in dem Glauben getrunken hat, die göttliche Energie würde damit auf den Menschen übergehen. Manche Meteoriten oder Steine, die von einem Blitz getroffen waren, wurden für das Regenzauber-Ritual verwendet [1].

Yer (Mutter-Erde)

Prächtige Bäume, die gesund gedeihen, sind ein Zeichen dafür, dass Mutter-Erde mit den Menschen zufrieden ist. Gebete an Mutter-Erde wurden an gesunde, große Bäume gerichtet.

Genau wie Tengri wurde auch Mutter-Erde (Yer, Gazar Eej oder Eje) nicht als menschenähnlich dargestellt. Sie war lediglich die fruchtbare Erde, an dessen Brust sich die Menschen geborgen fühlten und die sie ernährte. Sie wurde auch Itügen genannt. Schamaninnen bekamen oft einen Namen, der sich von Itügen ableitete (Jadgan, Utgan, Udagan usw.). Ihre Tochter Umay (tungusisch für Erde, auch Tenger Ninnian genannt) war die Göttin der Schwangeren und Hüterin der Seelen der Ungeborenen im Weltenbaum.

Der Zustand der Bäume spiegelt die Stimmung der Mutter-Erde wider. Wenn ein Gebet oder Ritual an sie gerichtet ist, wird das in Richtung eines besonders prächtigen Baumes vollzogen.

Eine weitere Tochter von Mutter-Erde und Tengri war Golomto, der Geist des Feuers. Feuer ist ein Symbol für die Kraft der Erde und des Himmels. Ihr Licht symbolisiert das Licht des Himmels, und die Wärme, die sie spendet, symbolisiert die von Mutter-Erde ausgehende Geborgenheit. Genau wie die Bäume erhalten auch die Menschen Energie von Himmel und Erde[1].

Verehrung von Himmelskörpern

Sonne und Mond symbolisieren die Gegensätze Feuer und Wasser und die Kraft Tengris. Obwohl Zeit und Ort im Tengrismus keine große Rolle spielen - denn Zeit ist ein endloser Kreislauf und die Mitte des Universums kann jederzeit überall sein -, spielen Himmelskörper dennoch wichtige Rollen im Tengrismus. Der Buyan, den man durch Anbetung des Himmels und der Sonne erhalten kann, ändert sich von Zeit zu Zeit. Bei Neu- oder Vollmond kann man das meiste Buyan erhalten. Der längste Tag des Jahres und die Tage, an denen Hell und Dunkel gleich lang dauern (Sonnenwenden), bestimmen die wichtigsten Feiertage. Das Jahr beginnt mit dem weißen Mondfest (beim nächsten Neumond nach dem 21. Dezember). Das rote Sonnen-Fest findet am auf den 21. Juni folgenden Vollmond statt.

Der Himmelskörper Venus wird türkisch ärklik, mongolisch Tsolman genannt. Sie war oft auf den Trommeln der Schamanen abgebildet. Es wurde geglaubt dass ärklik han die Meteore und Sternschnuppen schickt die, die Feuerpfeile genannt wurden. Das Sternzeichen Großer Bär wird Doolon Obdog (türk. Büyük Ayı) genannt, der Mann mit den sieben Tränen (türk. Yedi Kardeşler, Sieben Brüder).

Die Plejaden galten als der Wohnort von sieben mächtigen Himmelsgeistern.

Es wurde geglaubt, dass der Himmel am Polarstern befestigt ist, und dass sich der Himmel um diesen Stern dreht. Die Plejaden (alttürk.Ülker) wurden als der Wohnort von sehr mächtigen Himmelsgeistern angesehen. Diese Geister hatten sich einst versammelt, um den ersten Schamanen in Gestalt eines Adlers auf die Erde zu schicken. Beim weißen Mondfest werden 14 Weihrauchstäbchen angezündet, davon sieben für den Mann mit den sieben Tränen (Großer Bär) und sieben für die Plejaden[1].

Drei-Welten-Kosmologie

Wie in den meisten vorzeitlichen Religionen gibt es auch im Tengrismus neben der realen irdischen Welt auch eine Oberwelt (Himmelsreich) und eine Unterwelt, die durch einen Nabel der Welt miteinander verbunden sind. Im Tengrismus ist dieser Nabel der so genannte Weltenbaum.

Oberwelt und Unterwelt haben je sieben Ebenen (manchmal die Unterwelt 9, oder der Himmel 17). Schamanen kennen mehrere Eingänge in diese Welten. In diesen Ebenen (Parallelwelten) leben überirdische Wesen, die ein ähnliches Leben führen wie die irdischen Wesen auf der Erde. Auch sie haben ihre eigenen Naturgeister. Wenn sie auf die Erde kommen, sind sie für die Menschen unsichtbar. Ihre Anwesenheit wird nur manchmal durch bestimmte Anzeichen wahrnehmbar: durch ein seltsames Knistern des Feuers, durch das Bellen eines Fuchses, oder dadurch, dass ein Schamane sie sieht [1].

Unterwelt

Die Unterwelt hat Ähnlichkeit mit der irdischen Welt, aber ihre Bewohner haben im Gegensatz zu den irdischen Wesen keine drei Seelen, sondern nur eine. Ihnen fehlt die Ami-Seele, die für Körperwärme sorgt und eine Atmung erforderlich macht. Sie sind sehr blass und ihr Blut sehr dunkel. Unter ihnen sind Sonnenseelen mancher Menschen, die auf ihre Reinkarnation warten. Sonne und Mond sind in der Unterwelt sehr viel dunkler. Auch dort gibt es Wälder, Flüsse und Siedlungsgebiete. Die Wesen der Unterwelt haben ihre eigenen Schamanen.

Die Unterwelt ist das Reich des Erlik Khan (mongol. Erleg Han). Er ist der Sohn des Himmelsgottes Tengri. Die Reinkarnation der in der Unterwelt hausenden Seelen stehen unter seiner Kontrolle. Wenn eine Seele eines irdischen Wesens schon vor seinem Tod in die Unterwelt abrutscht, kann ein Schamane sie durch das Verhandeln mit Erlik Khan wieder zurückholen. Schafft er es nicht, stirbt der kranke Mensch.

Oberwelt

Die Oberwelt (Himmelsreich) hat ebenfalls Ähnlichkeit mit der irdischen Welt, nur gibt es hier keine Seelen von Menschen wie in der Unterwelt. In dieser Welt ist es sehr viel heller als auf der Erde (nach einer Sage hat sie sieben Sonnen). Sie kann durch irdische Schamanen besucht werden. Hier ist die Natur noch unberührter, und ihre Bewohner sind von der Tradition ihrer Ahnen nie abgewichen. Dies ist das Reich von Ülgen, der ebenfalls ein Sohn des Himmelsgottes ist. An manchen Tagen geht der Eingang zum Himmelsreich einen Spalt auf, dann strahlt das Licht der Oberwelt durch die Wolken. In diesem Moment sind die Gebete des Schamanen besonders wirksam.

Der Schamane kann in Gestalt oder auf dem Rücken eines Vogels, auf dem Rücken eines Pferdes oder Hirsches, durch das Erklimmen des Weltenbaumes oder eines Regenbogens in die Oberwelt gelangen.

Die Welt ist aus der Perspektive eines Tengristen nicht einfach nur dreidimensional, sondern ein geschlossener Kreislauf. Es bewegt sich alles in einem Kreislauf; die Bewegung der Sonne, die immer wiederkehrenden Jahreszeiten und die drei Seelen aller Lebewesen, die immer wieder in die irdische Welt zurückkehren. Der Schamane ist der Mittler zwischen den Welten. Er kann durch das Erklimmen des Weltenbaumes oder durch Fliegen in die Ebenen der Oberwelt gelangen, oder in den Fluss der Seelen eintauchen und darin mit der Strömung bis zum Eingang der Unterwelt schwimmen, der im Norden liegt [1].

Bedeutung des Nomadenzeltes und der Himmelsrichtungen

Die Jurten einer Nomadenfamilie
Die Sitzordnung in einer Jurte

Himmelsrichtungen

Früher gab es die Himmelsrichtungen Vorne, Hinten, Links und Rechts. Vorne war Osten, doch aus unbekannten Gründen ist daraus die Bezeichnung für Süden geworden. Heute ist der Norden Hinten. Man glaubte, dass im Osten die bösen, weiblichen Geister hausten, die Krankheiten und Unausgeglichenheit brachten, und im Westen die guten männlichen Himmelsgeister [1].

Mikrokosmos Jurte

Das Nomadenzelt (mong.:Ger , türk.: Yurt / Jurte) ist nicht nur die Mitte des Kosmos, sondern ist selbst ein Mikrokosmos. Die kuppelförmige Decke symbolisiert den Himmel. Der Eingang der Jurte gilt als Vorne und ist daher stets Richtung Süden ausgerichtet. Die Stelle hinter der Feuerstelle wird Hoimar genannt, dies ist die Nordseite (hinten). Hier wird ein Tisch hingestellt, auf der das Totem (türk.: Ongun, mong,: Ongon) aufgestellt wird und Opfergaben für die Geister abgelegt werden. Der Sitzplatz daneben gilt als der bedeutendste Sitzplatz im Zelt. Hier nehmen Stammesälteste, Schamanen und andere ehrwürdige Gäste Platz.

  • Rechts (Westen) ist die männliche Seite des Zeltes, hier nehmen nur Männer Platz. Waffen und andere männliche Gebrauchsgegenstände werden ebenfalls nur hier aufbewahrt.
  • Links (Osten) ist die weibliche Seite. Hier nehmen Frauen Platz, und weibliche Gebrauchsgegenstände wie Küchengeräte oder Kinderbetten werden hier aufbewahrt. Jugendliche halten sich in der Nähe der weiblichen Seite auf. (Im zwanzigsten Jahrhundert scheint die Ausrichtung zwischen Osten und Westen aber an Bedeutung verloren zu haben. Heute sind viele Jurten auch spiegelverkehrt eingerichtet.)
  • Im Zentrum der Jurte befindet sich die Feuerstelle, der heiligste Punkt. Dies ist der Platz von Golomto, der Tochter Tengris. Man muss ihr Respekt erweisen. Die Jurte ist das Zentrum im Kosmos, und Gal Golomto (die Feuerstelle Golomtos) ist das Zentrum des Mikrokosmos. Die von der Feuerstelle aufsteigende Rauchsäule symbolisiert den Weltenbaum und die Rauchöffnung an der Decke den Eingang ins himmlische Reich. Die Traumreise der Schamanen beginnt meist durch diese Rauchöffnung. Entweder erklimmt der Schamane den Weltenbaum, oder er fliegt in Gestalt eines Vogels aus dieser Rauchöffnung.

Der kleine, runde Sonnenstrahl, der durch die Rauchöffnung in die Jurte fällt, bewegt sich im Uhrzeigersinn. An ihr kann man die Uhrzeit ablesen. Auch die Bewohner der Jurte bewegen sich nur im Uhrzeigersinn durch die Jurte, um das Gleichgewicht nicht zu stören. Auch die Schamanen richten sich bei ihren Bewegungen während eines Rituals immer an die Uhrzeigerrichtung [1].

Mit dieser Sichtweise hatten tengristische Nomaden eine ganz eigene Vorstellung von Heimat. Heimat war überall dort, wo die Jurte (türkisch Yurt = Heimat / Heim) aufgebaut wurde. Die Herrscher der Steppenreiche, die im Westen lagen, wurden als mächtiger und heiliger angesehen als jene, die ein Reich im Osten hatten.

Andere übernatürliche Mächte

Dadurch, dass große Herrscher aufgrund der Ahnenverehrung nach ihrem Tod den Status eines Gottes erreichen, existieren von Stamm zu Stamm zusätzliche unterschiedliche heilige Ahnen, die angebetet werden. Dabei werden manche zu einem hohen Himmelsgeist, der in der höchsten Ebene der Oberwelt wohnt, wie etwa der von den Altaiern verehrte Kaira Khan (oder Kara Han). Manche Historiker ordnen ihn als den Vater des Oğus Khan ein, der Kara Khan hieß und ein siegreicher und mächtiger Herrscher war. Daher ist es schier unmöglich, eine vollständige Liste heiliger Gestalten und Geister des Tengrismus zusammenzutragen.

Die Bekanntesten heiligen Gestalten

Die wichtigsten, neben Tengri selbst verehrten sind:

  • Ülgen (bei Altaiern auch Adakutay, bei Jakuten Ak Toyun): Sohn Tengris. Herrscher des Himmelsreiches (Paradies).
  • Erlik Khan (Unterwelt: Yerlik oder Erlik): Herr der Unterwelt. Er haust in der 7. Ebene der Unterwelt in einen Schloss aus grünem Eisen. Er hat sich in der Unterwelt eine Sonne erschaffen, die dunkelrot leuchtet. Er sitzt auf einem Thron aus Silber. Ihm stehen neun gesattelte Stiere zur Verfügung. In einer Legende, die bei dem Turkvolk der Dolganen heute noch erzählt wird, soll Erlik Khan die Mammuts von der irdischen Welt in die Unterwelt geholt haben. Sie seien dazu verdammt, ein Dasein in stinkender, heißer Finsternis zu führen und dem Erlik Khan bis in alle Ewigkeit zu dienen. Wenn ein Mammut versucht, auf die Erdoberfläche zu gelangen, soll es sofort zu Eis gefrieren. Mit dieser Legende erklärten sich die Dolganen ihre gelegentlichen Funde von tiefgefrorenen, halb aus dem Dauerfrostboden der Tundra ragenden Mammuts [7].
  • Umay: ( auch Iduk Umay oder Tenger Ninnian ) Tochter Tengris. Ihr Name bedeutet auf Türkisch Plazenta (Mutterkuchen). Sie ist die Beschützerin der Schwangeren und Hüterin der im Weltenbaum befindlichen, ungeborenen Seelen. Wenn ein Kind geboren werden soll, bringt Umay einen Tropfen Milch aus dem in der dritten Ebene des Himmels befindlichem Milchsee und erweckt damit das neue Leben im Kind. Umay wird manchmal auch als der Name für die Mutter-Erde selbst verwendet.
  • Golomto: Tochter Tengris. Herrin des Feuers.

Speziell bei den Nordtürken

Die Nordtürken kannten folgende Götter:

  • Ayzit: Liebes- und Schönheitsgöttin. Sie haust in der dritten Ebene des Himmels. In den wirren Gebeten und Gesängen der Schamanen wird ihre blendende Schönheit beschrieben.
  • Gün Ana: Sonnengöttin. Haust gemeinsam mit der Sonne in der höchsten Ebene (7.). Sie wird als die erste Großmutter der Menschen verehrt.
  • Ay Ata: (auch Ay Dede) Gott des Mondes. Sitzt in der 6. Ebene des Himmels. Er wird als der erste Großvater der Menschen verehrt.
  • Aykız: Mondgöttin. Sie haust gemeinsam mit dem Mond auf der 5. Ebene des Himmels.
  • Alasbatir: Schutzpatron der Haustiere.
  • Ancasin: Herr der Blitze.
  • Su Iyesi: Herrin des Wassers.
  • Tasch Gaschit: Gott des Schicksals.
  • Andarkan: Herr des Feuers. Eine Göttin der Pflanzen, bei den alten Kirgisen trug denselben Namen.
  • Satilay: Eine böse Göttin die Unausgeglichenheit, Verwirrtheit und geistige Krankheiten bringt. Sie lockt verzweifelte Menschen in den Freitod.
  • Kysch Khan: Herr des Winters (türk. kış, Winter).
  • Arah, Toyer, Tarila, Sabiray: Göttliche Richter der Unterwelt, die über sündige Menschen richten.
  • Gölpön Ata: Schutzpatron der Schafe.
  • Erdenay: Götterbote; Er überbringt Nachrichten über gute Taten der Götter an die Menschen.
  • Qambar Ata: Beschützer der Pferde.

Geister

Im Tengrismus herrscht die animistische Vorstellung, dass alles in der Natur befindliche von einem Geist beseelt ist. Daher gibt es eine Vielzahl von Geistern, die auch in verschiedene Gruppen unterteilt werden. Diese haben je nach Sprache oder Dialekt unterschiedliche Namen.

Es gibt zwei große Kategorien von Geistern: Die Himmelsgeister (Tengris / Tengers) und die Erd- Wassergeister (türk. Yer su / mongol. Gazriin Ezen). Laut Rafael Bezertinov gibt es bei den Türken 17 Tengris und bei den Mongolen 99 Tengers, die 77 Erd-Wassergeistern gegenüberstehen. Die Himmelsgeister sind mit dem Himmel verbunden und die Erd-Wassergeister mit der Mutter-Erde. Einige sind so mächtig, dass sie nicht durch einen Schamanen kontrolliert werden können, andere sind dagegen leicht zu kontrollieren. Ein Geist darf nur gestört und kontrolliert werden, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, niemals aus reiner Neugier oder wegen belangloser Dinge.

Die mächtigsten Geister sind die Tengers, die an den vier Enden der vier Himmelsrichtungen existieren. Es heißt, dass die West-Tenger die Menschen, die Hunde und die essbaren Tiere erschaffen haben. Die Ost-Tenger sollen die Adler, die Tiere, die man nicht essen darf, und die Geister, die Krankheiten bringen, erschaffen haben. Da das Gleichgewicht immer schwankt, dürfen die Ost-Tengers nicht immer als böse und die West-Tenger immer als gut angesehen werden.

  • Der wichtigste Ost-Tenger ist Erlik Khan, der Herr der Unterwelt, Bruder von Ülgen.
  • Usan Han, der Herr der Wassergeister, wird aus dem Süden gerufen.
  • Tatay Tenger wird aus dem Norden gerufen. Er ist der Herr der Stürme, Blitze und Tornados.

Die Tengers sind sehr mächtig und können daher nicht kontrolliert werden, aber sie können während eines Schamanenrituals um Hilfe gebeten werden. Die Seelen der Menschen, die ein vorbildliches Leben gelebt haben, gelangen gänzlich in den Himmel. Sie hausen dann in den Wolken und sorgen für den Regen. Es existieren außerdem noch die folgenden Geister: Tschotgors, Ozoors, Ongons, Burchans und Yer su (auch Gazrin Ezens oder Ayy genannt).

  • Yer su (Gazrin Ezen, Ayy) sind Geister, die einen bestimmten Berg, See, Fluss, Felsen, Baum, Dorf, Gebäude oder sogar ein ganzes Reich beherrschen. In einer alten türkischen Legende vertreiben die Yer Su einen ganzen Stamm aus ihrer Heimat, weil sie diese durch einen Fehler gekränkt haben.
  • Tschotgors sind unter anderem für physische und psychische Krankheiten und für Verwirrtheit mancher Menschen verantwortlich. Manche Tschotgors sind die Suns-Seelen mancher Menschen, die den Weg in die Unterwelt nicht gefunden haben. In diesem Fall müssen sie von einem Schamanen auf ihren Weg gebracht werden. Andere böse Geister stehen außerhalb des Reinkarnations-Kreislaufes und leben ewig in der Natur. Sie können sich in einen guten Helfer-Geist verwandeln, nachdem sie von einem Schamanen kontrolliert wurden.
  • Ozoors, Ongons und Burchans sind meist gute Geister, aber können von Zeit zu Zeit auch Probleme bereiten. Ozoors und Ongons sind die Sud-Seelen mancher Ahnen, die eine Phase lang in der Natur leben. Diese sind dem Schamanen während eines Rituals die wichtigsten Helfer.
  • Körmös oder Utha werden Geister genannt, die einen Schamanen als zusätzliche Seele begleiten und ihn führen. Es sind ehemalige Seelen toter Schamanen. Die Körmös tragen das Wissen mehrerer Schamanen-Generationen bei sich. Es gibt sowohl gute als auch böse Körmös. Sie geleiten unter anderem auch die Seelen Verstorbener zu ihrem Bestimmungsort.
  • Burchans sind zu mächtig, um von einem Schamanen kontrolliert zu werden. Wenn sie eine Krankheit ausgelöst haben, kann man sie nur darum bitten, den Kranken in Ruhe zu lassen. Nur Schamanen, die einen sehr starken Geist als Helfer haben, können einen Burchan kontrollieren. Danach verwandelt sich der Burchan in einen weniger starken Ongon [1].

Einige mächtige Geister der Altaier

  • Altay Han: Ein mächtiger Geist. Er haust auf dem Gipfel eines Berges.
  • Buncak Toyun: Bewacht gemeinsam mit Buzul Toyun den Weg, der im Himmel zum Schloss des großen Kaira Khan führt.
  • Demir Han: Ein mächtiger Berggeist.
  • Talay Han: Mächtiger Berggeist.
  • Okto Han: Mächtiger Yer Su Berggeist.

Heilige Berge, Seen und Bäume

Der Khan Tengri bei Sonnenuntergang

Der Mensch im Tengrismus hat sehr großen Respekt vor der Natur, vor den Bergen, Wäldern, Flüssen, Bäumen und allen anderen Lebewesen. Verschwendung gilt als Beleidigung gegenüber Tengri und seiner Naturgeister. Der Mensch sieht seine Existenz nicht darauf ausgerichtet, die Natur auszubeuten, sondern lebt mit dem Bewusstsein, dass sein Überleben von einer intakten Umwelt abhängt. Der Mensch sieht sich zwar ganz klar als etwas anderes als die übrigen Lebewesen, aber dennoch werden in den Mythen dieser Menschen die Tiere und sogar die Bäume als menschenähnliche und selbstständig denkende Wesen charakterisiert. In der Natur hat alles eine Seele, auch ein Wald, ein See, ein Felsen, Fluss, Berg und Bäume. Wenn der Mensch etwas aus der Natur nimmt, ist das nur möglich, weil es ein Naturgeist erlaubt hat, deshalb muss er dankbar sein, diese Geister respektieren und ihnen Ehre erweisen.

Berge, Bäche, Wälder, Felsen und Bäume sind ein Teil der Mutter-Erde, aber sie sind auch die Wohnstätten der Naturgeister Yer Su. Diese Naturgeister sind ehemalige Ahnen-Geister, an die sich ihre Nachfahren nicht mehr erinnern. Man sagt, dass große Berge und eindrucksvolle Bäume eine Suld-Seele haben. Die Suld-Seele ist die Seele der Menschen, der nach dem Tod des Menschen in der Natur bleibt. Man glaubt, dass manche Felsen und Bäume besonders starke Geister beherbergen und reicht diesen regelmäßig Tabak oder Getränke als Opfergabe, und erweist ihnen Respekt. In der Natur Schäden zu verursachen, wie etwa Äste von Bäumen abzureißen oder diese unnötig zu fällen, gelten als großes Tabu. Die verärgerten Naturgeister könnten sonst große Probleme bereiten [1]. In einer alten türkischen Sage verschenken die alten Türken einen Felsen, den sie vorher seit 40 Generationen als heilig verehrt hatten, an die Chinesen. Der Himmel nimmt sofort eine seltsame Farbe an, die Vögel hören auf zu singen, das Gras der Steppe verblasst und vertrocknet, Krankheiten verbreiten sich. Auf diese Weise werden sie von den Yer Su (Erd- Wassergeistern) als Strafe vertrieben.

Berggeister gelten als äußerst mächtig. Für eine erfolgreiche Jagd und eine reiche Ausbeute an pflanzlicher Nahrung werden diese Berggeister oft angebetet. Die Anbetung der Berggeister erfolgt an einer Oboo / Oba. Eine Oba ist meist eine kuppelförmige, zwei bis drei Meter hohe Anhäufung, die den Berg symbolisiert (und genau wie auch die Jurte den Kosmos mit allen seinen Bedeutungen). Jemand, der daran vorbeiläuft, umkreist ihn drei mal und legt einen Stein darauf ab. Auf diese Weise stärkt der Mensch sein Windpferd, den Geist des Berges, und erhält somit Glück für seine weitere Reise. Am Oba werden viele Rituale zu Ehren Tengris, der Mutter-Erde und der Ahnen abgehalten [1].

Einige heilige Berge und Seen

  • Khan Tengri (Kasachstan)
  • Ulu Taw (Kasachstan)
  • Altai; auf dem höchsten Gipfel soll der mächtige Altay Han hausen.
  • Issyk Kul: Heiliger See in der Ursprungslegende der Kirgisen.
  • Musala/Bulgarien (dieser Berg hieß Tangri, bevor ihr Name durch die Osmanen in Musala (Mashallah) umgeändert wurde.)
  • Tianshan (ursprünglicher Name in uighurisch Gottes Berg)

Opfergaben

Es gab zwei Arten von Opfern: blutige und unblutige Opfer. Da man glaubte, dass Tiere eine Seele besitzen, die wiedergeboren wird, durften Tiere niemals unnötig gequält werden. Deshalb mussten beim Töten eines Tieres viele strenge Regeln eingehalten werden. Beim Töten eines Opfertieres durfte vor allem nicht die Ami-Seele geschädigt werden. Man glaubte, dass die Ami-Seele in dem Bereich vom Kopf, Kehle, Lunge und Herz seinen Platz hat. Deshalb musste dieser Bereich als Ganzes erhalten bleiben.

Blutige Opfer

  • Blutige Opfer waren meist Pferde, Schafe, Ziegen oder Rinder. Beim Töten durfte kein Tropfen Blut vergossen und keine Knochen gebrochen werden. Das Fell musste bis auf einen Schnitt am Bauch unversehrt bleiben, ebenso der Kopf, die Lunge und das Herz. Durch den Schnitt wurde eine Hand in die Bauchhöhle eingeführt und mit den Fingern die Herzschlagader durchtrennt (diese unblutige und schmerzlose Art der Tötung ist in der Mongolei noch heute üblich, um Tiere zu schlachten). Das Opfer wurde danach in zwei Hälften geteilt und auf zwei Feuerstellen zubereitet. Dabei achtete man darauf, wie sich der Rauch verhielt. Wenn der Rauch einer der Feuerstellen steil zum Himmel stieg, dann bedeutete dies, das diese Hälfte Tengri überlassen werden sollte. Sie wurde einfach auf dem Feuer gelassen, bis sie vollständig verbrannt war. Die Kirgisen bevorzugen Pferde auch heute noch als Opfertiere zum islamischen Opferfest.

Unblutige Opfer

  • Unblutige Opfer waren sonstige Lebensmittel, Genussmittel, Waffen, Haushaltsgeräte und auch sportliche Veranstaltungen wie traditionelle Ringkämpfe oder Pferderennen. Zum Beispiel ging man mit einer Schüssel voll Kumys, Milch, Ayran oder Yoghurt um die Jurte, wenn es bei einem Gewitter donnerte, um damit die Götter zu besänftigen. An der Stelle, an der ein Blitz eingeschlagen war, veranstalteten junge Männer einen Ringkampf, als Opfergabe an die Götter. Das allerhäufigste Opfer ist auch heute noch die Opferung von Kumys oder Wodka. Man taucht ein Finger in das Getränk, spritzt damit in alle Himmelsrichtungen und grüßt dabei Tengri, Mutter-Erde und die Ahnen, bevor man es auf ihr Wohl trinkt.

Ahnenverehrung

Die Seelen der Ahnen werden immer gemeinsam mit Vater-Himmel und Mutter-Erde gewürdigt. Der Mensch besitzt drei Seelen, die nach dem Tod unterschiedliche Schicksale haben. Eine kehrt zurück in den Himmel, eine zurück in die Erde, und eine bleibt in der Natur. Die in der Natur verbliebenen Seelen der Ahnen helfen und beschützen ihren Nachfahren. Nach mehreren Generationen können diese Seelen ihre Nachfahren verlassen, wenn man sie nicht mehr erwähnt, aber wenn sie regelmäßig gerufen werden, bleiben sie in der Nähe. Wenn diese Seelen aber ihre Nachfahren endgültig verlassen haben, werden sie zu Naturgeistern und hausen z. B. in einem Baum oder einem Stein. Schamanen riefen während eines Rituals, bei dem böse Geister vertrieben werden mussten, oft die Seelen der Ahnen zu Hilfe. Sie hielten sich dann in der Nähe des Totems auf.

Die Türken und die Mongolen sahen den blauen Wolf (kök böri) und den Rothirsch (maral) als ihre Ahnen an. Die Burjaten haben außerdem einen wichtigen Ahnen namens Vater Stier. Das mongolische Wort für Bär bedeutet auch gleichzeitig Vater. Bei den Mongolen unter Dschingis Khan war auch der Geist eines Ahnen ihr Schutzpatron. Er beschützte nicht nur das Volk, sondern auch die Ehe. Bei ehemaligen tengristischen Stämmen ist es auch heute noch gang und gäbe, Fotos von Ahnen, ein Bild von Dschingis Khan, oder das Stammestotem in eine besondere Ecke des Hauses zu stellen und ihm regelmäßig Ehre zu erweisen [1].

Die Herrscher (meist Khan genannt) galten als Heilige. Ihr Blut, das ebenso als heilig galt, durfte nicht vergossen werden. Der Khan wurde auch nach seinem Tod noch weiter verehrt. Er wurde manchmal zum Schutzpatron des Stammes, dem regelmäßig Opfer dargebracht wurden. Mächtige Khane erreichten nach ihren Tod den Status eines Gottes. Wenn ein Khan auf einen Beschluss der Stammesältesten hingerichtet werden musste, durfte dabei sein Blut trotzdem nicht vergossen werden. Daher wurde er mit der Sehne eines Bogens erdrosselt.

Verwendung von Totems

Der Wald und die Wasserwelt sind der Heimat wilder Tiere, auf die der Mensch angewiesen ist, um zu überleben. Die Tiere verfügen, wie der Mensch auch, über eine Ami-Seele. Diese Seele verursacht die Körperwärme und macht die Atmung erforderlich. Ihre Ami-Seelen werden innerhalb der eigenen Art wiedergeboren. Weil im Tengrismus die Tiere Seelen besitzen, haben Tiere individuelle Persönlichkeiten, eigene Sprachen und besondere Fähigkeiten.

Der große Geist Bayan Ahaa ist der Herrscher über alle Tiere. Jäger beten zu ihm, bevor sie mit der Jagd beginnen. Die wichtigsten wilden Tiere sind der Wolf, der Hirsch, sibirische Tiger, der Schneeleopard und der Bär. Die Burjaten nennen den Tiger Anda Bars was „bester Freund Tiger“ bedeutet und beten zu ihm, um Glück in der Jagd zu haben. In Sibirien wird vor allem der Bär als der Herrscher des Wildnis angesehen. Es gibt viele spezielle Rituale, die nach dem Tod eines Bären abgehalten werden, um seine Seele würdig zu verabschieden.

Weil Tiere Seelen besitzen, die wiedergeboren werden, gilt es beim Töten eines Tieres eine ganze Reihe von Regeln einzuhalten, um nicht dessen Seele zu erzürnen. Sonst könnte der gesamte Stamm für eine lange Zeit kein Jagderfolg mehr haben, weil die Naturgeister es verhindern. Wenn ein großes Waldtier erlegt oder ein großer Fisch gefangen wurde, kann es sein, dass der Jäger aus Trauer um dessen Seele sogar weint. In der Regel entschuldigt sich der Jäger bei der Seele des erlegten Tieres und erklärt ihm, weshalb er es töten musste. Auch Haustiere werden mit angemessenem Respekt getötet. Die Kehle wird nicht durchtrennt, weil dabei die Ami-Seele verwundet werden könnte.

Man glaubte, dass die Ami-Seele in dem Suld-Bereich Kopf, Hals, Lunge und Herz sitzt. Deshalb musste der Suld immer als Ganzes erhalten bleiben. Wenn ein Tier geopfert wurde, hat man den Suld an einer Stange aufgehängt, die zum Himmel gerichtet war. Die Skelette der Bären, die man verzehrte, wurden im Wald an eine Stange gehängt oder auf eine Plattform gesetzt.

Im Wald muss man sich sehr vorsichtig verhalten, um nicht die Geister zu verärgern. Beim Betreten des Waldes darf man nicht schreien oder rennen. Man muss sich vorsichtig bewegen wie ein Waldbewohner. Mit einem Stock zu werfen, ist eine Beleidigung für Bayan Ahaa und andere Naturgeister und gilt daher als Tabu (nugeltei). Steine ins Wasser zu werfen oder zu urinieren sind ebenfalls verboten. Tiere dürfen nur dann getötet werden, wenn man ihr Fleisch oder ihr Fell benötigt. Das Töten muss möglichst schnell und schmerzfrei erfolgen. Die Beute muss mit dem gesamten Stamm geteilt werden, es darf nicht gehortet werden. Wenn diese Regeln befolgt wurden, glaubte man, dass die Naturgeister einverstanden sind.

Flüsse, Seen, Bäche und Meere sind nicht nur der Lebensraum der Wassertiere, sondern auch Durchgänge für Seelen, die auf der Reise zwischen den Welten unterwegs sind. Deshalb wurden manchen Wassertieren besondere Fähigkeiten zugeschrieben. Man glaubte, dass manche dieser Tiere mit den Geistern und Seelen in Kontakt stehen.

Manche Tiere in der Natur können auch die Seelen mancher Schamanen sein, die gerade eine tierische Gestalt angenommen haben, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Es gibt eine Geschichte darüber, wie ein Jäger ein Tier erlegte, der eigentlich die Seele eines Schamanen war. Deshalb starb im selben Moment auch der Schamane mitten in seinem Ritual. Auch die Seelen der Ahnen können manchmal die Gestalt eines Tieres annehmen. Dann sind es jedoch immer Tiere, die nicht gegessen werden, wie z. B. Füchse, Schakale, Spinnen, Schnecken usw.

Tiere, die als Totem verehrt werden, dürfen nicht gejagt und nicht gegessen werden. Ihre Namen auszusprechen gilt als Tabu, deshalb werden sie im Alltag der Menschen unter anderen Namen beschrieben. Bei den Mongolen sind es vor allem der blaue Wolf und der Rothirsch. Bei den Türken ist es meistens der Wolf. Auch der Adler gilt als ein wichtiges Totem.

Die Seelen der Tiere sind manchmal Lehrer und manchmal Lotsen für die Schamanen. Nach einer Jakutischer Sitte stellen sich zwei Schamanen, die sich kennen lernen, zuerst ihre Krafttiere gegenseitig vor. Während eines Rituals nimmt der Schamane die Gestalt seines Krafttieres an [1].

Windpferd und Bujanhischig

Hauptartikel: Windpferd

Das nationale Windpferd (mongol. Hiimori) der Mongolei ist auf dem Wappen der Mongolei als besonders stark dargestellt.

Die persönliche, geistige Kraft eines Menschen wird als Windpferd bezeichnet, welches sich in der Brust befindet. Je nachdem, wie der Mensch sich und seine Umwelt im Gleichgewicht hält, ist sie bei jedem unterschiedlich groß. Ein sehr starkes Windpferd bewirkt, dass ein Mensch sehr klar denkt, sehr vorausschauend ist und stets die richtigen Entscheidungen trifft. Wenn der Mensch seine Kraft für böse Absichten einsetzt und damit das Gleichgewicht stört, schwächt er das Windpferd ab. Deshalb neigen böse Menschen irgendwann auch zur Selbstzerstörung (vergleichbar mit Karma). Man kann es mit täglichen kleinen Ritualen stärken. Zum Beispiel, indem man dem Himmel, der Erde und den Ahnen ein Opfergetränk darbringt oder betet.

Während eines Rituals kann der Schamane seine Windpferdkraft erhöhen, indem er den Rauch von bestimmten Kräutern inhaliert und/oder Tieropfer darbringt.

Buyanhischig/Buyan ist eine ähnliche Angelegenheit. Man könnte es mit einem Bankkonto vergleichen. Je nach Verhalten eines Menschen mehrt und reduziert sich der Buyan. Durch Nichtbeachten von Tabus, durch Respektlosigkeit den Ahnen gegenüber und durch das sinnlose Töten von Tieren werden die Naturgeister erzürnt und der Buyan schwächt ab.

In dem Bewusstsein, dass das Stärken des Windpferdes und des Buyans die Lebensqualität und das Schicksal bestimmen, folgen die Menschen im Tengrismus einer Reihe von Verhaltensregeln, was letztendlich zu einem harmonischen Leben der Menschen miteinander, aber auch der Menschen mit der Natur führt [1].

Die mehreren Seelen des Menschen

Jeder Mensch und jedes Tier besitzt mehrere Seelen. Man glaubte, dass ein Mensch mindestens drei Seelen besaß. (Samojeden stellen hier eine Ausnahme dar. Sie glaubten, dass Frauen über vier und Männer über fünf Seelen verfügten). Tiere besitzen zwei Seelen: die Ami-Seele und die Suns-Seele; eine davon wird wiedergeboren. Da Tiere eine Seele haben, die wiedergeboren wird, muss man respektvoll mit Tieren umgehen.

Die drei Seelen des Menschen:

  • Özüt-Seele (auch Suld-): Bleibt nach dem Tod des Menschen in der Natur.
  • Ami-Seele: reinkarniert
  • Suns-Seele (auch Süne): reinkarniert

Alle drei Seelen befinden sich innerhalb des Energiefeldes eines Menschen. Die am meisten lebenswichtige Seele ist die Suld-Seele. Wenn sie den Körper verlässt, ist der Tod unumgänglich. Die anderen beiden Seelen können unter Umständen den Körper kurzfristig verlassen und dabei manchmal Bewusstlosigkeit verursachen. Ami- und Suns-Seele müssen sich immer an entgegengesetzten Enden des Körpers aufhalten, um das Befinden im Gleichgewicht zu halten. Wenn sie sich aus irgendwelchen Gründen schneller bewegen, lösen sie erhöhten Blutdruck aus. Auf dieselbe Weise gab es Erklärungen und Heilmethoden für sämtliche andere Krankheiten, die auf die Launen der drei Seelen und die Stärke des Windpferdes zurückgeführt wurden.

Die Ami-Seele hängt mit der Atmung zusammen und die Suns-Seele mit Wasser. Die Suns-Seele benutzt Wasserwege, um sich außerhalb eines Körpers fortzubewegen. Der im Süden liegende Weltenbaum ist die Verbindung zwischen irdischer Welt und Himmelreich. Der Weltenfluss, der Richtung Norden fließt, ergießt sich in die Unterwelt. Die Suns-Seelen werden immer wiedergeboren und kehren zurück auf die Erde. Es gibt unterschiedliche Mythen über den gesamten Kreislauf der Seelen. In der meist erzählten Version herrscht Umay über die im Weltenbaum befindlichen Ami-Seelen, diese gelangen an der Quelle des Weltenflusses auf die Erdoberfläche. Bei einer Geburt schwimmt die Seele, die wiedergeboren werden soll, durch den Fluss und dringt in das neu geborene Baby ein. Wenn ein Mensch stirbt, taucht die Suns-Seele in den Weltenfluss und schwimmt mit dessen Strömung bis in die Unterwelt. Die Ami-Seele verwandelt sich in einen Vogel und fliegt zurück zum Weltenbaum. Um wiedergeboren zu werden, muss die Suns-Seele die Quelle des Weltenflusses erreichen oder die Milchstraße überqueren, um den Punkt im Süden zu erreichen, an der sich Himmelreich und Mittelerde berühren.

Dieser Kreislauf der Seelen ist im Prinzip das Gleiche wie der Wasserkreislauf in der Natur. Wasser regnet von Himmel herab und sickert durch die Erde, kommt dann als Quellwasser ans Tageslicht (auch Bäche sind Eingänge in die Unterwelt). Letztendlich gelangt das Wasser in die Meere, wo es wieder verdunstet und den Himmel erreicht, von dem es wieder herabregnet. Die Seelen fließen ebenfalls mit dem Weltenfluss ins Meer und kehren zur Quelle zurück, um wiedergeboren zu werden [1].

Schamane

Der Schamane (Kam) gilt selber nicht als heiliger Mensch. Er genießt lediglich den Respekt der Menschen, weil er mit den Geistern in Verbindung steht. Daher darf er nicht etwa mit einem Priester verglichen werden. Für die tägliche Ehrung Tengris und der Geister wird auch kein Schamane benötigt. Die Aufgaben des Schamanen bestehen meistens nur darin, das außer Kontrolle geratene Gleichgewicht wieder herzustellen und Krankheiten zu heilen. Es gibt unterschiedlich starke Schamanen. Je nachdem, über welche Hilfsgeister sie verfügen, haben sie unterschiedliche Fähigkeiten. Man unterscheidet zwischen weißen und schwarzen Schamanen.

Schamanen trugen ein Gewand, das Manyak genannt wurde. Es musste ebenfalls aus Fellen von bestimmten Tieren hergestellt werden. Es war mit Knochen und Federn bestückt, die ihre Bedeutungen hatten. Schamanen und Schamaninnen hatten unterschiedliche Kompetenzen. Ein Schamane konnte nur bis zur dritten Ebene des Himmels gelangen, aber eine Schamanin bis zur fünften Ebene. Bei manchen Stämmen dürfen Frauen keine Schamanen werden, weil sie während der Menstruation als unrein gelten. Es gab auch so genannte weiße und schwarze Schamanen, die unterschiedliche Heilkräfte hatten. Sie trugen entweder helle oder dunkle Manyaks. Schamanen wurden nach ihren Tod zum Körmöz (Geister mit Zauberkräften) [1].

Schamanenwerdung

Nach einer Sage hatte Erlik Khan die ersten Schamanentrommel gebaut und das erste Schamanenritual vollzogen. Das, was die Schamanen von anderen Menschen unterscheidet, ist, dass sie über die Seele eines verstorbenen anderen Schamanen verfügen. Diese (utha- / Körmös-)Seele begleitet den Schamanen und hilft ihm. In der Regel taucht die Seele eines alten Schamanen eines Tages plötzlich auf versetzt den Auserwählten in einen Zustand der Bewusstlosigkeit (Mediziner sprechen hierbei von einer Katalepsie, was manchmal sogar mehrere Tage andauerte). In diesem Zustand hat der Auserwählte eine Vision. In dieser Vision muss er sich entscheiden, ob er wirklich ein Schamane werden möchte. Die folgenden beiden Erzählungen sind die meist verbreiteten über diese Vision:

  • Der Auserwählte begegnet dem Totem-Tier des Stammes. Dieses Tier hat meist ein Zeichen auf seiner Stirn. Es führt ihn zu dem Baum, von dessen Rinde er den Rahmen seiner Trommels fertigen muss. Wenn er aus der Bewusstlosigkeit erwacht, geht der Auserwählte in den Wald, findet das Tier und den Baum aus seiner Vision und fertigt seine Trommel aus dem Fell des Tieres und der Rinde des Baumes.
  • Die Seele des Hilfsschamanen führt den Auserwählten in das Himmelsreich und zerlegt seinen Körper in Einzelteile. Diese Teile müssen wieder zusammengeflickt werden, damit er mit neuen Schamanen-Kräften auf die Erde zurückkehren kann. Wenn er sich weigert, ein Schamane zu werden, stirbt er in seiner Katalepsie und wacht nie wieder auf.

Ein anderer Schamane, der gerufen wird, um dem „Kranken“ zu helfen, erkennt sofort, dass dieser nicht wirklich krank ist, sondern zur Schamanenwerdung berufen wurde [1].

Aufgaben des Schamanen

  • Krankheiten heilen: Die Launen der Geister und der Seelen sind die Ursachen für Krankheiten.
  • Mit Geistern in Kontakt zu treten, um sie um Schutz und Glück zu bitten.
  • Regen-Ritual und Blitz-Ritual: Er muss die Energie der eingeschlagenen Blitze wieder in den Himmel schicken, um das Gleichgewicht in der Natur zu wahren, und in Trockenzeiten um Regen beten/bzw. zaubern.
  • Oba-Ritual: Kann mehrere Tage dauern und ist für das Wohl des ganzen Stammes von Bedeutung.
  • Wahrsagen: Er lädt einen Geist dazu ein, in seinen Körper zu dringen. Der Geist spricht dann aus dem Körper des Schamanen.

Der Schamane tanzt und singt während seiner Arbeit und spielt dabei auf seiner Trommel, und er gibt sich damit selbst den Rhythmus für seine Bewegungen. Seine Kutte und seine Onguns (Totems) beherbergen die Geister, die ihm bei seiner Arbeit helfen. Der Schamane hat auch oft einen kleinen runden Spiegel auf seiner Brust, der die Angriffe böser Geister abwehren soll, oder um sie zu blenden. Außerdem soll der Spiegel Energie aus dem Universum für den Schamanen einfangen. Schamanen haben auch oft einen langen Stock dabei, der das Pferd (oder ein anderes Tier) symbolisiert, auf dessen Rücken er in andere Welten reist. Manchmal haben Schamanen auch einen Fächer, um damit Geister abzuwehren. In seltenen Fällen haben Schamanen neben der Trommel noch andere Musikinstrumente oder Masken [1].

„..Der Höhepunkt der Schamanentätigkeit ist der Schamanenkampf zwischen einem guten / weißen und einem bösen / schwarzen Taltos (Name der Schamanen bei den frühen Ungaren), die beide in der Gestalt eines Stieres erscheinen. Der weiße Taltos erbittet in einer Furcht vor dem Kampf menschliche Hilfe. Sie wird ihm gegeben und besteht im Durchschneiden der Sehnen des Gegners. Hier zeigt sich eine Ausprägung des dunklen Weltaspektes. Der gute Taltos kämpft entweder gegen eine Krankheit, um eine Abwehr einer Naturkatastrophe oder für günstiges Wetter.“.[8]

Schamanentrommel und Halluzinogene

Wenn ein anderer Bewusstseinszustand vonnöten ist, hat der Schamane eine Vielzahl von Hilfsmitteln. Meistens benutzt er mehrere dieser Hilfsmittel gleichzeitig. Bei einem Ritual ist die Atmosphäre, die ihn umgibt, von großer Wichtigkeit. Viele Geister sind nachts viel stärker als tagsüber. Die ihn umgebenden Menschen können seine Gebetsformeln laut wiederholen und ihm damit helfen. Kreisförmige Gemeinschaftstänze können ebenfalls Energie herbeiholen oder den Schamanen in andere Welten befördern.

Das wichtigste Instrument für die Trance ist die Schamanentrommel. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass der sich immer wiederholende Rhythmus des Trommels in einer bestimmten Frequenz tatsächlich hypnotische Zustände auslösen kann. Die Trommel wird meist auf der Höhe des Kopfes oder des Oberkörpers gehalten, die Vibrationen des Trommels wirken somit stärker auf den Körper ein.

Schamanen verwenden auch oft alkoholische Getränke oder Tabak. Sie unterbrechen dann ihr Spiel auf der Trommel, um diese Dinge zu konsumieren. Auch der Rauch mancher Pflanzen wie z. B. der des Wacholders gelten als Halluzinogene, der dann ins Gesicht gepustet und eingeatmet wird. Der Rauch des Wacholder gilt sogar als heilig. Man glaubt, dass er das Windpferd stärkt und die Geister erfreut. Ein sehr altes und starkes Hilfsmittel ist der Fliegenpilz. Der Schamane isst die getrockneten Pilze während der kurzen Unterbrechungen in seinem Ritual.

Das Erklimmen des Weltenbaumes ist eines der mehreren Wege, die in die Ebenen des Himmels führen. Der Weltenbaum hat neun Äste. Der Schamane stimmt beim Erklimmen des Baumes einen Obertongesang an. Bei jedem Ast, den er erklommen hat, erhöht er die Fußnote seines Gesanges [1].

Tengrismus heute

Seit dem Zerfall der UdSSR wuchs das Interesse der Turkvölker Zentralasiens nach ihrer eigenen Vergangenheit und damit auch das Interesse am Tengrismus. Dies wurde in den 1990ern vor allem in Tatarstan und Russland und kurz danach auch in Kirgisistan deutlich. Zuerst war von Bizneng-Yul (tatar. Unser Weg) und später von Tengirchilik (Tengrismus) die Rede. Mit der Zeit wurde die Bewegung institutionalisiert und organisiert. So entstand 1997 die tengristische Gesellschaft in Bischkek, der nach offiziellen Angaben 500.000 Mitglieder angehören. Eine andere Organisation mit dem Namen Tengir-Ordo Foundation ist ein internationales Zentrum zur Erforschung des Tengrismus. Beide Organisationen werden von Dastan Sarygulov geleitet, der gleichzeitig auch ein Abgeordneter des kirgisischen Parlaments ist. Diese Bewegung trug mit einer Aufklärungskampagne dazu bei, dass auch in Kasachstan und anderen Turkrepubliken Interesse am Tengrismus erwachte. Die Ministerpräsidenten Kasachstans und Kirgisistans, Nursultan Nasarbajew und Askar Akajew, erwähnen seitdem den Tengrismus immer wieder als den natürlichen und nationalen Glauben aller Turkvölker[9].

In der Mongolei heißt die Organisation des Tengrismus Golomt Center for Shamanist Studies. Diese Organisation wendet sich mit ihrer Aufklärungsarbeit, in der Hoffnung den Tengrismus auch im Westen zu verbreiten, auch an die westliche Welt (u. a. mit der englischsprachigen Webseite tengerism.org[10]). Einige der antreibenden Kräfte dabei sind z. B. Dr. Sendenjaviin Dulam oder Prof. Dr. Schagdaryn, die in weltweiten Universitäten Vorträge über den Tengerismus halten, und sich für Interviews zur Verfügung stellen[11].

Die Verwendung von tengristischen Symbolen wie etwa die himmelblaue Farbe oder die Abbildungen von alten Totemtieren scheinen in Zentralasien als nationale oder panturkistische Symbole wieder an Popularität zu gewinnen.

Bei den Jakuten ist eine moderne Version des Tengrismus verbreitet, die sie Ayy nennen.

Und auch in der Türkei scheint sich die Gök Tanrı Dini (Himmelsgottreligion), Tanrıcılık oder Tengricilik vor allem in intellektuellen Kreisen immer weiter zu verbreiten.

Der Begriff für das Gewand der Schamanen, manyak, hat allerdings heute in der Türkei eine ganz andere Bedeutung: Er steht für 1. irre, wahnsinnig, 2. besessen, schrullig, 3. med. manisch, oder umgangssprachlich einfach nur für "blöd". (13)

Forschung

Die Erforschung des Tengrismus ist deshalb nicht einfach, weil die tengristischen Stämme aufgrund ihrer nomadischen Lebensweise immer in Bewegung waren, ständig fremden Einflüssen ausgesetzt waren und bis zum 6. Jahrhundert kaum schriftliche Zeugnisse auf lange haltbaren Stoffen hinterlassen haben. Ab dem 6. Jahrhundert sind zahlreiche alttürkische Inschriften auf Steintafeln erhalten, die darüber Aufschluss geben, was die alten Türken geglaubt haben. Aber die frühesten Erkenntnisse über diesen Glauben für die Zeit bis zum 6. Jahrhundert müssen aus den frühen Literaturen der Kulturen entnommen werden, die im Laufe ihrer Geschichte mit türkischen Völkern in Kontakt gekommen waren und dies schriftlich festgehalten haben. Dazu gehören chinesische, persische oder arabische Quellen. In den meisten dieser Quellen wird das Unverständnis der damaligen Menschen wiedergegeben, die sich keine große Mühe geben, diesen fremden Glauben zu verstehen. Die Tengristen werden zum Beispiel als ungeheuerliche Barbaren in Hundegestalt dargestellt, die seltsame, gotteslästernde Dinge tun [2].

Der türkische Gelehrte Kaşgarlş Mahmut verfasste im 11. Jahrhundert ein türkisches Wörterbuch (Divan Lügat-ü Türk), in dem er den Ursprung türkischer Wörter erklärte. Darin sind auch sehr viele wertvolle Informationen über den vorislamischen Glauben der Türken enthalten. Er empört sich zwar in seinen Formulierungen immer wieder über die Ungläubigen, wie er sie nennt, aber sein Werk gilt bis heute noch als eine der zuverlässigsten Quellen bei der Erforschung des Tengrismus.

Heute beschäftigen sich zwar viele Forscher mit dem Glauben der alten Türken, aber diese sind sich bezüglich mancher wichtiger Details nicht einig und es sind sogar vollkommen falsche Interpretationen in Fachkreisen im Umlauf.

Monotheismus-Theorie

Es gibt verschiedene Ansichten darüber, ob man beim Tengrismus von einer monotheistischen Religion sprechen kann oder nicht, da man nur schwer sagen kann, ob die alten Türken mit dem Wort Tengri Gott oder Himmel meinten, wenn sie es in Bezug auf andere heilig geglaubte Mächte verwendeten, als in Bezug auf den Himmelsgott selbst. Beide Erklärungen wären mit jeder Überlieferung vereinbar und würden einen Sinn ergeben.

Bezüglich der Religion der frühen Türken gibt es zwei konträre Auffassungen:

  1. Die Türken hatten weder einen Schamanismus noch einen Totemismus, sondern immer schon einen Monotheismus: Diese Auffassung wurde von der Verehrung Tengris abgeleitet und vor allem von türkischen Historikern vertreten.
  2. Die Türken hatten Schamanismus und Totemismus: In den früheren Inschriften kommt das Wort für Schamane nicht vor, es ist aber für spätere Jahrhunderte belegt und findet sich noch in einer Reihe von nordtürkischen rezenten Sprachen. Als Quelle für die Annahme, dass die frühen Türken Schamanisten waren, dienen unter anderem chinesische Quellen. Auch über den Totemismus der Türken ist wenig bekannt, aber verschiedene Indizien deuten darauf hin. Das wichtigste ist laut SCHARLIPP der türkische Abstammungsmythos: Nach diesem sollen die ersten Türken von einem Wolf und einer Wölfin gezeugt worden sein. Auch im militärischen Bereich kam der Wolf vor. An der Spitze der Standarten war ein goldener Wolfskopf angebracht und Böri (Wolf) war die Bezeichnung der militärischen Führer der frühen Türken. [12]

Jean Paul Roux scheint hier etwas mehr Aufklärung zu bringen, wenn er schreibt:

„In der alten Religion der Türken, die betont monotheistisch war, erscheint deutlich auch ein Polytheismus. Es ist zu vermuten, dass der Monotheismus besonders bei den großen Völkern den ersten Platz einnahm, das heißt, zu den Zeiten, wo die Türken große Reiche bildeten, und dass der Polytheismus mehr auf der populären Ebene herrschte oder in Zeiten von Auflösung und Anarchie. In der Tat steht Tengri, der Himmelsgott, in enger Beziehung zum Herrscher, seinem Stellvertreter auf Erden und sogar zu seinem Sohn. Obwohl er pantürkisch ist, erscheint er als nationaler und kaiserlicher Gott. Wie sich auf Erden jeder dem Khan als Universalherrscher unterwirft, so muss sich jeder dem Himmel, dem Gott des Universums, unterwerfen. Doch entdecken wir selbst mitten im Reich der T'ue-küe neben dem Himmelsgott zahlreiche übernatürliche Mächte, die entweder mit dem Wort Gott selbst (tengri) oder mit dem Wort geweiht (Iduq) bezeichnet werden. Sie sind männlich oder weiblich; letztere stehen vielleicht mehr in Beziehung zur Kaiserin, der qatun

Jean Paul Roux: Alttürkische Mythologie, Seite 213

Tangra?

Eine Theorie, die vor allem bei bulgarischen Forschern verbreitet ist, sieht Tangra als bulgarischen Namen für den altägyptischen Sonnengott Ra. Es soll die Religion der Thraker gewesen sein. Manche bulgarische Historiker behaupten, dass es die älteste monotheistische Religion der Menschheitsgeschichte sei, von dem alle anderen monotheistischen Religionen abstammten. Danach ist "Tangra" Kombination aus Tan (Universum), Nak (Mann) und Ra (Sonnengott).

2001 gaben bulgarische Forscher einem Gebirge in der Antarktis den Namen Tangra.

Siehe auch

Quellenhinweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v Julie Stewart - Mongolischer Schamanismus
  2. a b c Dr. Peter Laut: Vielfalt türkischer Religionen: Tänriismus, Universität Freiburg [1]
  3. Julie Stewart studierte die Kultur der Mongolen jahrelang, bevor sie den Schamaninnamen Sarangerel Odigan annahm und in Zusammenarbeit mit dem Golomt Center for Shamanist Studies mehrere Artikel und ein Buch mit dem Titel Riding Windhorses schrieb.
  4. Urreligion der Ungaren
  5. Wörterbuch der Mythologie, Band 2, Stuttgart 1973, Hsg. Norbert Reiter, S.249, darin: der Aufsatz von M. de Ferdinandy, Die Mythologie der Ungarn.
  6. Tangrist sanctuaries
  7. Wilhelm Radloff
  8. Wörterbuch der Mythologie, Band 2, Stuttgart 1973, Hsg. Norbert Reiter, S.212, darin: der Aufsatz von M. de Ferdinandy, Die Mythologie der Ungarn.
  9. Tengrismus:Auf der Suche nach den geistigen Wurzeln Zentralasiens/Marlene Laruelle
  10. tengerism.org - practicing tengerism
  11. www.eurasischesmagazin.de
  12. Religion der frühen Türken und Mongolen, in: Einführung in die Ethnologie Zentralasiens (Skript), Universität Wien, S.110 [2]
  • Julie Stewart: Mongolischer Schamanismus, Golomt Center for Shamanist Studies, Ulaanbaatar, Mongolia [5]
  • Dr. Peter Laut: Vielfalt türkischer Religionen: Tänriismus, Universität Freiburg [6]
  • Rafael Bezertinov: Tengrianizm:Religion of Turks and Mongols [7]
  • Käthe Uray-Kőhalmi, Jean-Paul Roux, Pertev N. Boratav, Edith Vertes: Götter und Mythen in Zentralasien und Nordeurasien. ISBN 3-12-909870-4 Daraus: Jean-Paul Roux: Die alttürkische Mythologie (Seite 173 - 278); Pertev N. Boratav: Die türkische Mythologie der Oghusen und Türken Anatoliens, Aserbaidschans und Turkmenistans (Seite 279-481)
  • Marion Linska, Andrea Handl, Gabriele Rasuly-Paleczek: Religion der frühen Türken und Mongolen, in: Einführung in die Ethnologie Zentralasiens (Skript), Universität Wien, S.109 [8]

Literatur

  • Christoph Elsas: Religionsgeschichte Europas, Religiöses Leben von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart. 2002 Primus Verlag ISBN 3-89678-425-0
  • Walther Heissig: The religions of Mongolia ISBN 0710306857

Weblinks


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