Tangwald

Tangwald

Ein Kelpwald oder Algenwald ist ein weltweit auftretendes Ökosystem unterhalb des Meeresspiegels. Die namensgebende Art ist der Kelp. Das sind besonders groß wachsende mehrzellige Algen aus der Abteilung der Braunalgen, auch Tang genannt. Die im Kelpwald heimischen Algen sind überwiegend Braun- und Rotalgen.

Inhaltsverzeichnis

Struktur und Besonderheiten

Blick in die Tiefen des Kelpwalds

Die Kelpwälder gelten als submarines Gegenstücke der Regenwälder, weil sie ebenfalls eine große Artenvielfalt und eine ähnliche vertikale Struktur aufweisen. Der Molekularbiologe J. Craig Venter errechnete aus neu gefundenen Genen über 1000 unentdeckte Arten allein in der Sargassosee. Demzufolge könnten sich in Kelpwäldern weltweit noch mehrere Tausend bislang unbeschriebene Arten befinden. Darunter fallen vor allem viele Mikroorganismen des Phytoplanktons.

Die dominierende Art des Kelpwalds, der Riesentang Kelp, besteht aus drei wesentlichen Teilen: dem Haftorgan auf dem Boden, dem biegsamen Stängel und den blattähnlichen Wedeln. Diese Teile bilden gleichzeitig die auch für normale Wälder typische Schichtung in mehrere Lebensräume: Oben – teilweise sogar an der Wasseroberfläche – bilden die Wedel größeren Tangs die Baumkrone. Dazwischen liegt der Mittelbau der Stängel im schemenhaften Licht, in dem sich zahlreiche Fischarten tummeln. Darunter befindet sich der dunkle Meeresboden. Ähnlich den Korallenriffen ist der Kampf um das Licht, oder auch das Schattenwerfen, ein wichtiger Mechanismus im Wettbewerb zwischen verschiedenen Arten, aber auch verschiedenen Lebewesen gleicher Art.

Einzelne Tanggewächse erreichen eine große Höhe, der Riesenkelp Macrocystis kann maximal 70 Meter lang werden (üblich sind bis 40 m) und dabei ein Wachstum von 30 cm bis zu 50 cm pro Tag erreichen. Das schnelle Wachstum führt zu einer sehr wechselhaften Vegetation und einem häufigen Wandel des Waldes zwischen den Jahreszeiten. Stürme im Herbst und Winter reißen alte Wedel der Krone aus, sodass mehr Licht zum Boden gelangt. Dabei kann es auch dazu kommen, dass sich das Haftorgan vom Boden löst und der Kelp beginnt, frei herumzuschweben. Die Pflanze schwebt dann zur Oberfläche und wächst weiterhin, bis sie strandet oder zu warmes Wasser erreicht. Dabei kann sie einen Sammelpunkt vieler Meerestiere bilden.

Riesenkelp vor Kalifornien

Voraussetzungen für Kelpwälder

Eine wichtige Voraussetzung für die Kelpwälder sind die lokalen Eigenschaften des Meeres. Die meisten mehrzelligen Algenarten benötigen ruhiges Wasser, weil sie bei zu starker Strömung keinen Halt finden würden. Es muss reich an Nährstoffen und sehr klar sein, da Licht für die Photosynthese benötigt wird. Aus dem gleichen Grund befinden sich die Algenwälder in seichtem Wasser, das selten tiefer als 15 bis 40 m ist. Am besten ist ein felsiger Boden, auf dem die Pflanzen leicht Halt finden. Im Gegensatz zu den Korallen benötigen sie eine niedrige Wassertemperatur. Die größeren Wälder befinden sich in kalten Gewässern, 20 °C gilt als die Obergrenze.

Verbreitung

Generell sind die Kelpwälder über die ganze Welt verteilt. Sie sind dabei sowohl bis in arktische als auch antarktische Gewässer ausgedehnt. Das P.M. Magazin gibt Schätzungen an, denen zufolge sie insgesamt eine Fläche von der Größe Europas erreichen.

Sie wachsen an der gesamten Westküste Amerikas, von den Aleuten in Alaska bis zur Magellanstraße, allerdings wegen ihrer Abhängigkeit von einer eher ruhigen Strömung nie durchgängig. Besonders ausgeprägt sind die Kelpwälder vor Kalifornien, zwischen San Diego und Santa Cruz. Diese sind auch am besten erforscht, da unter anderem die Universitäten der beiden Städte dort Untersuchungen betreiben.

Im Atlantik sind sie vor der Küste von Argentinien und im bekannten Unterseeurwald der Sargassosee zu finden. Vor der Westküste Südafrikas, teilweise im Indischen Ozean, vor Australien, vor Neuseeland und teilweise vor der Antarktis sind weitere Unterwasserwälder.

Unterschiedliche Kelpwälder

Die Kelpwälder haben für gewöhnlich eine komplexe, räumliche Struktur mit vielen koexistierenden Gattungen, auf die der Begriff Wald am besten zutrifft. Im Ost- und Nordpazifik dominiert oft die einjährige Nereocystis luetkeana (Bullkelp), die auch stärkeren Strömungen trotzt. Kelp wie Macrocystis und Nereocystis hat Schwimmkörper, die ihre Wedel an der Wasseroberfläche halten, um effektiver Photosynthese zu betreiben. Dabei beginnen die Algen, weiter in die Breite zu wachsen. Es kann neben der durch die Wedel entstehenden Krone weitere ausgeprägte vertikale Schichten geben.

Vor Alaska kann es, wenn der Kelp von Seeigeln ungestört ist, dazu kommen, dass der perennierende Kelp Laminaria groenlandica Überhand gewinnt und anderen Arten das Licht nimmt.

Kelpwälder an der Atlantikküste von Nordamerika treten nicht mit einer so hohen Artenvielfalt auf, sind dafür aber üppig und unterstützen reiche Gemeinschaften von benthischen Wirbellosen. Sie reichen dort nach Süden bis Cape Cod und tauchen nur sporadisch am östlichen Ende von Long Island auf.

In der Sargassosee, im Atlantik, kommt kein Wald in der Form des Riesenkelps vor, sondern stattdessen frei im Wasser schwebende Braunalgen der Gattung Sargassum. Deshalb ist hier die allgemeine Bezeichnung „Algenwald“ oder auch „Sargassumwald“ zutreffender. Die Sargasso stellt einen besonderen Lebensraum für kleine Krabben, Würmer und andere Meerestiere dar. Darüber hinaus ist es ein wichtiger Lebensraum für Aale. Die Planktonproduktion ist nicht unerheblich. Es wird geschätzt, dass ein Drittel der Planktonproduktion des Atlantiks in der Sargassosee erfolgt.

Lebensraum Algenwald

Fischschwarm im Mittelbau des Kelpwalds

Für viele Lebewesen sind die Algen von existenzieller Wichtigkeit. Sie sind beispielsweise Vitaminlieferanten und darüber hinaus reich an Eiweiß und Spurenelementen. Tang ist gleichzeitig sowohl für Menschen (besonders in Japan) als auch für viele Tiere ein wichtiges Nahrungsmittel. Vor allem setzt abgestorbener Tang gelöste organische Feststoffe frei. Möglicherweise haben die Wälder durch die Photosynthese analog zu den tropischen Regenwäldern sogar einen Einfluss auf das Weltklima.

Unter den vom Kelpwald abhängigen Tieren befinden sich unter anderem Muscheln, Moostierchen, Vielborster, Schnecken und Krebse, von denen sich ihrerseits größere Tiere ernähren können. Es fallen vor der Küste von Südafrika besonders die Abalonen, große Meeresschnecken, auf. Ihr Gehäuse, auch Perlemoen genannt, kann die Größe einer Pampelmuse erreichen. Auch bei stärkerer Strömung halten ihre Saugnäpfe sie fest am Kelp.

Das für die Wälder vorteilhafte, langsame, träge Wasser sorgt für große Ansammlungen von Plankton und weiteren benthischen Wirbellosen und Mikroorganismen. Auf dem Kelp selbst, bevorzugt auf den großen Wedeln, leben häufig Epizoen, also Aufsitzertiere wie Seeanemonen und Moostierchen. Der Meeresboden ist gesäumt von Schwämmen und Moostierchen.

Im Mittelbau tummeln sich zahlreiche Fischarten aller Größen. Vor allem der Riesentang bietet Verstecke und Niststätten für viele Meeresbewohner. So suchen beispielsweise Jungfische und Fliegende Fische Zuflucht – auch inmitten frei driftenden Kelps. Unter anderem ernährt sich der zu den Riffbarschen gehörende „Blacksmith“ (Chromis punctipinnis) von Parasiten des Kelp. Hummer sind hier ebenfalls anzutreffen. Derartige Arten ziehen Jäger wie den Blauhai, die Gelbschwanzmakrele (Seriola lalandei) und den Mondfisch an. Delfine, wie der Weißstreifendelfin, hat man beim Spielen mit Stücken umhertreibenden Kelps beobachtet. Auch sie nutzen die Wälder als Verstecke. Es werden Wale, die sich vom Plankton ernähren, gesichtet, Rochen wie beispielsweise der Adlerrochen oder auch Zitterrochen, die zwischen dem Kelp nach Beute suchen.

Seeotter ernähren sich unter anderem vom Seeigel, der ein großer Feind des Kelps ist. Die reichlich vorhandenen Seesterne verspeisen gleichfalls Seeigel. Darüber hinaus jagen Seevögel wie Kormorane Fische in den Kelpwäldern.

Bedrohung der Kelpwälder

Das sensible Ökosystem der submarinen Wälder ist zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt. Verschmutztes Süßwasser aus den Flüssen trägt Pestizide, Herbizide und weitere Chemikalien ins Meer und in die Kelpwälder. Dadurch kann das natürliche Gleichgewicht durcheinander gebracht werden, die Artenvielfalt und letztendlich das gesamte Ökosystem sind bedroht. Diese zunehmenden Abwässer, die von Seeigeln als Nahrung verwendet werden können, führten besonders im Pazifik zu ihrem gehäuften Vorkommen. Auch kommt es zur Überfischung und der Bedrohung weiterer Räuber wie beispielsweise den Seeottern oder dem Kabeljau. Die natürlichen Feinde der Pflanzenfresser Seeigel und auch der Aasfresser wie Seewalzen und Schlangensterne treten dadurch seltener auf. Dies ist eine ernsthafte Bedrohung für den Kelpwald, weil dieser sich unter anderem von Sturmschäden bei den vielen Fressfeinden kaum wieder erholen kann.

Wegen des wachsenden Seetangmarktes besteht an manchen Orten die Gefahr des Raubbaus. Unter anderem vor Kalifornien und Tasmanien wird Kelp seit den 1950ern mit großen Schiffen geerntet, die mit Scheren die obersten Wedel abschneiden. Beim Ernten der Blätter der Kronen kann das Phänomen auftreten, dass die Braunalge Desmarestia ligulata verstärkt auftritt und unterhalb der Wasseroberfläche eine neue dichte Baumkrone bildet, die den Lichteinfall in die Tiefe behindert und so den Kelpwald schädigt. Das gezielte Anlegen von Seetang in einer Aquakultur schont die natürlichen Kelpwälder und ist zudem ökonomisch effizienter.

Auch der globalen Erwärmung wird eine wichtige Rolle nachgesagt, da der Kelp kühles Wasser benötigt. Vor Tasmanien werden Veränderungen der Meeresströmungen festgestellt, die ebenfalls einen Rückgang der Wälder nach sich ziehen.

Literatur

  • Ronald McPeak, Dale A. Glantz, Carole Shaw: Amber Forest the Beauty and Biology of California's Submarine Forest. Watersport, San Diego CA 1988. ISBN 0-922769-00-1
  • Jeannie Baker: The Hidden Forest. Greenwillow Books, New York 2000. ISBN 0688157602 (Roman)

Weblinks


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