Taucherglocke

Taucherglocke
Taucherglocke im Marinemuseum von Karlskrona

Die Taucherglocke ist ein Behälter, der mit Luft gefüllt ist und durch sein Gewicht – trotz der Luft im Inneren – im Wasser nicht aufschwimmt, sondern absinkt. Sie ermöglicht es, sich längere Zeit unter Wasser aufzuhalten und Arbeiten auszuführen.

Inhaltsverzeichnis

Konstruktionsprinzip

Grundsätzlich kann man Taucherglocken danach unterscheiden, ob sie offen oder geschlossen sind, sowie ob sie über eine Luftversorgung verfügen oder nicht.

Offene Taucherglocken ohne Luftversorgung

Eine frühe Taucherglocke aus dem 16. Jahrhundert

Ein unten offener Holz- oder Metallkasten hängt an einer Eisenkette oder einem Stahlseil. Beim Absenken des Kastens im Wasser wird die Luftblase im Inneren durch den Wasserdruck so weit zusammengepresst, bis der Wasserdruck und der Luftdruck in der Blase gleich sind. Es handelt sich hierbei um die älteste Bauweise, die bereits von Aristoteles beschrieben wurde. Sie diente beispielsweise Perlentauchern als Basis in der Tiefe, die es entbehrlich machten, dass die Taucher dadurch Zeit verloren, dass sie mit einem Atemzug zunächst von der Oberfläche nach unten und auch wieder nach oben gelangen mussten. Die Grundzeit war entsprechend gering. In einer Taucherglocke wurden die Taucher herabgelassen, holten Atem, stiegen aus, verrichteten ihre Arbeiten und kamen in die Glocke zurück. Dies konnten sie mehrfach wiederholen. Die Tauchgänge konnten so statt ca. 2 Minuten bis zu einer Viertelstunde dauern.

Offene Taucherglocken mit Luftversorgung

Taucherglocke in einer Darstellung des 19. Jahrhunderts
Rekonstruktion der Taucherglocke von Eugen von Ransonnet-Villez

Die Taucherglocke ohne Luftversorgung hatte den Nachteil, dass die Tauchzeit zwar länger war als bei Freitauchern, aber immer noch dadurch begrenzt, dass sich erstens die Luftreserve mit der Zeit mit dem Kohlendioxid der Ausatemluft anreicherte und zweitens die Luftblase zudem bereits beim Absenken zusammengedrückt und damit verringert wurde (Boyle-Mariotte'sches Gesetz). Dies änderte sich, als Edmund Halley (Namensgeber des gleichnamigen Kometen) am 7. Oktober 1691 eine Taucherglocke mit Luftversorgung vorstellte. Dabei wurden neben der Glocke Fässer mit Frischluft herabgelassen. Sobald diese tiefer als die Glocke lagen, konnte man die frische Luft hinein leiten. Dieses ermöglichte es, die Atemluft zu erneuern und auch die Luftblase nach und nach zu vergrößern. Halley selbst blieb mit dieser Vorrichtung 1,5 Stunden in 15 Metern Tiefe.

Ein Taucher, der durch einen Atemschlauch mit der Taucherglocke verbunden war, konnte nun die vorkomprimierte Luft besser einatmen.

Ab 1775 stattete man die so versorgten Glocken mit Ablasshähnen aus. So konnte man die verbrauchte Luft teilweise ablassen, ehe man die Frischluft aus den Fässern zuführte.

Mit der Entwicklung leistungsfähiger und zugleich hinreichend mobiler Kompressoren wurde es möglich, die Luft fortlaufend herabzupumpen und das Innere der Taucherglocke andauernd trocken zu halten. Die erste Glocke dieser Art wurde 1778 von dem britischen Wasserbauingenieur John Smeaton gebaut.

Der Senkkasten

Eine Weiterentwicklung der offenen Taucherglocke ist der Senkkasten (frz. Caisson = Kasten), der bei größeren Arbeiten auf dem Grund von Gewässern benutzt wird. Vor allem bei Arbeiten im Hafenbecken, im Tunnel- und Brückenbau ist dieses Gerät unabdingbar. Der erste Senkkasten wurde 1850 gebaut und eingesetzt. In deutschen Gewässern ist er seit Ende des 19. Jahrhunderts als Taucherschacht und später - mit eigenem Antrieb - als Taucherglockenschiff in Betrieb.

Auch hier wird die Luft mittels Kompressoren über Luftschläuche ständig in den Kasten gedrückt. Der Luftdruck ist dabei im Kasten etwas höher als der umgebende Wasserdruck. Der Einstieg erfolgt über eine Druckschleuse. Die Unterkante des Senkkastens liegt unmittelbar auf dem Grund auf oder drückt sich in weichen Untergrund. Dadurch ist es möglich, fast trocken zu arbeiten.

Die geschlossene Taucherglocke

Den vorläufigen Endpunkt der Entwicklung stellt die geschlossene Taucherglocke dar. Sie dient vorrangig als Tauchertransportmittel beim Sättigungstauchen, bei dem die Taucher bereits an der Oberfläche auf den Umgebungsdruck in der Arbeitstiefe gebracht werden und längere Zeit unter diesem Druck leben. Sie müssen unter Erhaltung des Drucks in die Tiefe gebracht werden. Hierzu dient die geschlossene Taucherglocke. Sie ist druckdicht abgedichtet und dockt an die Druckkammer, in der die Taucher sich an der Oberfläche aufhalten, an. Diese steigen ein, die Glocke wird verschlossen und ins Wasser gelassen. Auf Tiefe öffnen die Taucher sie von innen und können aussteigen. Die Versorgung geschieht dabei über die üblichen Versorgungsleitungen, eine Notfallgasversorgung an der Glocke dient zur Überbrückung eventueller Ausfälle. Bei Tieftauchgängen wird die Versorgung des Tauchers von der Glocke aus sichergestellt, ein zweiter Taucher dient der Sicherheit bzw. Kontrolle. Die Grenzen der Konstruktion werden durch Integration in Arbeits-U-Boot-Konstruktionen (z. B. Perry, PC-18), durch Nutzung als Beobachtungskapsel und Ausrüstung mit ferngesteuerten Greifern bzw. Propellern für seitliche Bewegungen erweitert.

Taucherglocken heute

Die offene Taucherglocke eignete sich für Tauchgänge im flachen Wasser. Moderne, geschlossene Taucherglocken sind hierbei leistungsfähiger und flexibler. Sie finden Anwendung als:

  • Senkkasten/Caisson/trockene Arbeitskammer
  • stationäre, offene Dekompressionshilfe/Dekostation und Kommunikationshilfe („Telefonzelle“) in verschiedenen Tiefen (in der Regel ohne Luftversorgung, die Taucher atmen aus ihren Tauchgeräten weiter)
  • Dekompressions- und Tauchertransportmittel für Sättigungstauchgänge, als Teil des Druckkammersystems.
  • Unterwasserstationen mit Umgebungsdruck (Leben, Arbeiten oder Urlaub unter Wasser)
  • als Teil eines Tauchertransport-U-Bootes
  • Taucherglockenschiff (z. B. TGS Carl Straat des Wasser- und Schifffahrtsamtes Duisburg-Rhein)
  • Taucherschacht "Kaiman" Bj. 1892, bis 2006 bei Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen im Einsatz - es wird ein Träger gesucht, sonst wird sie verschrottet. Denkmalgesellschaft Bingen am Rhein
  • Taucherschacht im Magdeburger Wissenschaftshafen

Zeittafel

  • um 320 v. Chr.: Aristoteles beschreibt das Prinzip der Taucherglocke. In der Folgezeit gerät es wieder in Vergessenheit.
  • 1538: In Toledo wird eine offene Taucherglocke ohne Luftversorgung vorgeführt.
  • um 1665: Der britische Kapitän William Phipps "erfindet erneut" die offene Taucherglocke ohne Luftversorgung, mit deren Hilfe es ihm gelingt, vor der Mündung des Río de la Plata große Mengen von Gold und Silber zu bergen.
  • 1691: Denis Papin experimentiert mit der Luftversorgung einer Taucherglocke vermittels Blasebälgen. Edmund Halley lässt sich eine Taucherglocke mit Luftversorgung durch Fässer patentieren.
  • 1778: John Smeaton baut die erste schlauchversorgte Taucherglocke.
  • 1850: Der Franzose Cavé setzt den ersten Senkkasten für Bauarbeiten im Nil ein.
  • 1892: Fa. Hanner u. Comp., Duisburg baut das Tauchglockenschiff Kaiman für Arbeitseinsätze auf dem Rhein. Quelle: 'Zeitschrift für Bauwesen' von 1896, S. 99

Literatur

  • Descovich, Emo, "Technik der Tiefe", 5. A., Frankh Stuttgart 1932
  • Günther, Hanns, "Die Eroberung der Tiefe", 1. A., Kosmos Stuttgart 1928
  • Film (2007): Schmetterling und Taucherglocke ("Le Scaphandre et le Papillon")

Weblinks

Geschichte


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