Technische Nothilfe

Technische Nothilfe
Handbuch der Technischen Nothilfe von 1925

Die Technische Nothilfe, kurz TN oder (inoffiziell) TeNo, war eine bis 1939 formell unabhängige, de facto aber vom Deutschen Reich unterhaltende Freiwilligenorganisation. Im ersten Jahrfünft ihres Bestehens vornehmlich zur Bekämpfung von Streiks in als lebenswichtig eingestuften Betrieben eingesetzt, verlagerte sich der Aufgabenschwerpunkt später auf den technischen Katastrophenschutz, den zivilen Luftschutz und den Freiwilligen Arbeitsdienst. Die TN war die Vorgängerorganisation des Technischen Hilfswerks (THW) der Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Weimarer Republik

Hervorgegangen ist die Technische Nothilfe aus der im Januar 1919 vom damaligen Pionierleutnant Otto Lummitzsch gegründeten militärischen „Technischen Abteilung“ (TA), eines technischen Freikorps im Verband der Garde-Kavallerie-Schützen-Division in Berlin. Zur Verstärkung der TA wurden im Frühjahr/Sommer 1919 sowohl in der Reichshauptstadt als auch anderen deutschen Städten technische Zeitfreiwilligenverbände aufgestellt, für die sich die Bezeichnung „Technische Nothilfen“ durchzusetzen begann. Dieser Begriff wurde auch für die am 30. September 1919 durch Reichswehrminister Gustav Noske ins Leben gerufene reichsweite Organisation übernommen. Aus politischen Gründen (unter anderem um zu vermeiden, dass die Helfer als Soldaten gezählt werden würden und damit die durch den Versailler Vertrag begrenzte Kampfstärke der Reichswehr weiter senken würde - wurde die TN zur Jahreswende 1919/20 in die Zuständigkeit des Reichsinnenministeriums überführt.

Hauptzweck der TN war zunächst die Verrichtung von Notstandsarbeiten in bestreikten, als lebenswichtig eingestuften Betrieben (Gaswerke, Wasserwerke, Elektrizitätswerke, Reichsbahn, Reichspost, Landwirtschaft, Nahrungsmittelerzeugung etc.), sofern diese nicht von deren eigenen Belegschaften selbst durchgeführt wurden. Die Einsätze der TN führten nicht selten zu heftigsten politischen Kontroversen zwischen ihren Befürwortern in Politik, Verwaltung, Unternehmerverbänden und weiten Teilen des Bürgertums und ihren Gegnern in den Freien Gewerkschaften, der SPD und besonders in der KPD. Letztere bekämpfte die TN während der gesamten Zeit der Weimarer Republik als Streikbrecher-Organisation. Nachdem die Zahl und Ausdehnung von Streiks ab 1925 einen Einsatz der TN immer seltener notwendig machte, verlagerte die Organisation ihre Aktivitäten auf die Gebiete Katastrophenschutz und Luftschutz, ab 1932 sogar auf den Freiwilligen Arbeitsdienst. So schrumpfte die Mitgliederzahl der TN zwischen 1924 und 1930 von fast einer halben Million auf knapp 186.000.

Nationalsozialismus

Helferwerbungsplakat der Technischen Nothilfe 1933
Schauübung der Technischen Nothilfe 1939

Während der Zeit des Nationalsozialismus konzentrierte sich die TN auf den Katastrophenschutz und den Luftschutz als Teil des Sicherheits- und Hilfsdienstes. Schrittweise wurde die TN ab 1936 zu einer technischen Hilfspolizeitruppe in der Zuständigkeit der Ordnungspolizei und damit als Amt Technische Nothilfe Teil des Machtapparats des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) unter Heinrich Himmler.

Organisatorisch stand an der Spitze das Reichsamt TN in Berlin-Steglitz, darunter folgten Landes-, Bezirks- und Ortsgruppen. Gründer Otto Lummitzsch musste 1934 seinen Posten als Leiter der Organisation räumen, weil er mit einer „Halbjüdin“ (vgl. Nürnberger Gesetze) verheiratet war. Einsatzleiter – schon während der Weimarer Republik – und später auch Chef des Reichsamtes Technische Nothilfe wurde Erich Hampe. Die Nachfolger von Lummitzsch als Amtsleiter waren jeweils SS-Dienstgrade im Generalsrang: April 1934 bis September 1943 Hans Weinreich, 15. Oktober 1943 bis Mai 1945 Willy Schmelcher. Im Zweiten Weltkrieg waren TN-Kommandos im Gefolge der Wehrmacht in vielen durch das Deutsche Reich besetzten Gebieten tätig. In einigen Ländern (zum Beispiel den Niederlanden, Norwegen) wurden sogar Filialorganisationen gebildet. Als der Ghettoaufstand im April/Mai 1943 in Warschau von der SS niedergeschlagen wurde, kam es auch zum Einsatz einer kleinen Einheit der Technischen Nothilfe [1].

Wesentliche Teile der TN wurden während des Zweiten Weltkriegs zur Technische Truppe unter Führung von Oberstleutnant (am Kriegsende Generalmajor der Technischen Truppen) Erich Hampe umorganisiert. Einsatztrupps der TN kamen als technische Hilfspolizei auch zum Kampfeinsatz gegen Widerständler, so bei der Sprengung von Kellern der Edelweiß-Piraten in Köln 1944/45.

1945 wurde die TN von den Alliierten durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 aufgelöst.

Dienstgrade in der TN

Stand: 1943[2]

  • Anwärter der TeNo (Schütze)
  • Unterwachtmeister der TeNo (Gefreiter)
  • Rottwachtmeister der TeNo (Obergefreiter)
  • Wachtmeister der TeNo (Unteroffizier)
  • Oberwachtmeister der TeNo (Unterfeldwebel)
  • Zugwachtmeister der TeNo (Feldwebel)
  • Bereitschaftsleiter der TeNo (Oberfeldwebel)
  • Hauptwachtmeister der TeNo (Oberfeldwebel)
  • Meister der TeNo (Stabsfeldwebel)
  • Zugführer der TeNo (Leutnant)
  • Oberzugführer der TeNo (Oberleutnant)
  • Bereitschaftsführer der TeNo (Hauptmann)
  • Abteilungsführer der TeNo (Major)
  • Oberabteilungsführer der TeNo (Oberstleutnant)

Nachfolgeorganisation

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland war es Otto Lummitzsch, der im Jahre 1950 das Technische Hilfswerk (THW) gründete. Das THW ist heute eine Bundesanstalt im Bundesministerium des Innern.

Quellen

  • Hampe, Erich: Der zivile Luftschutz im Zweiten Weltkrieg : Dokumentation und Erfahrungsberichte über Aufbau und Einsatz. Frankfurt a.M.: Bernard und Graefe 1963.
  • Hermanns: Die TN im Kriegseinsatz im Bereich des Befehlshabers der Ordnungspolizei Münster. In: Polizei im Einsatz während des Krieges 1939–1945 in Rheinland-Westfalen, bearb. von Heinrich Lankenau, o.O.: Selbstverlag, 148-154.
  • Lemke, Bernd: Luftschutz in Großbritannien und Deutschland 1923 bis 1939, Zivile Kriegsvorbereitungen als Ausdruck der staats- und gesellschaftspolitischen Grundlagen von Demokratie und Diktatur, München: Oldenbourg 2005.
  • Linhardt, Andreas: Die Technische Nothilfe in der Weimarer Republik. Diss. TU Braunschweig 2006. Norderstedt: Books on Demand 2006. ISBN 3-8334-4889-X

Weblinks

 Commons: Technische Nothilfe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. siehe Stroop-Bericht Blatt „Einsatzkräfte“
  2. http://ibiblio.org/hyperwar/Germany/HB/HB-3.html

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