Tempelschlaf

Tempelschlaf

Der Tempelschlaf (Inkubation in der Antike, Heilschlaf) ist eine in antiken Mysterienkulten (ägyptischer Isiskult, Asklepios-Ritual) praktizierte Heilmethode, wobei heilkundige Priester an geweihten Orten (Tempel, Höhlen, Grotten) Heilung suchende Menschen in hypnotische Trance versetzten.

Zuvor musste meist eine rituelle Reinigung des Menschen erfolgen. Dazu gehörten Essen bestimmter Speisen, Waschungen und Opfergaben, die von den Priestern den Gottheiten dargeboten wurden. Möglicherweise musste der Heilung Suchende durch ein Initiationsritual als Mitglied des Kultes aufgenommen worden sein.

Die schlafähnliche hypnotische Trance (daher kommt der Begriff "Tempelschlaf") wurde von den heilkundigen Priestern eingeleitet und durch Heil-Suggestionen begleitet. Inhalte von Suggestionen konnten sein, einer Gottheit oder dessen Abgesandten zu begegnen, Heilmittel oder Genesungsratschläge zu empfangen und Empfehlungen über sittliches (religionskonformes) Verhalten. So konnte man sich mit den Göttern versöhnen und Seele und Geist läutern. Dadurch wurde eine Heilung von geistigen und körperlichen Beschwerden möglich, als deren Ursachen damals dämonische Kräfte galten. Im Tempelschlaf wurden andererseits auch religiöse Hoffnungen auf Reinkarnation nach dem Tod oder ein gutes Leben im Jenseits geweckt und gefördert. Heilkundige stammten wie heute noch in vielen Naturvölkern (Medizinmann) aus der Kaste der Priester oder Eingeweihten mit engem Kontakt zu den Göttern. Sie hüteten die Geheimnisse ihrer Kunst und besaßen damit viel Macht sogar über die Herrschenden, die ihre Dienste benötigten. Man bezeichnet diese in Mysterien einweisende Priester als Mystagogen (von Mystagogie).

Tempelschlaf ist also spirituelle Hypnotherapie bei körperlichen, psychischen oder psychosomatischen Störungen (Psychosomatik) und auch Störungen eines Menschen im Umgang mit den Göttern. Einzelheiten des Rituals wurden wegen der großen Geheimhaltung kaum bekannt. Sicher finden sich in liturgischen Bräuchen vieler Religionen (im Mittelalter auch im Christentum) Relikte aus Tempelschlafritualen. Monotone rhythmische Rezitationen (Mantra oder Vocal meditation, Beten des Rosenkranzes), rhythmische Bewegungen (Trancetanz), Gebrauch das Bewusstsein beeinflussender Dämpfe (Weihrauch) oder Drogen sind ebenso wie Hypnose in vielen Kulturen verbreitet.

Hypnose ist die wohl älteste und weltweit verbreitete Psychotherapie-Methode. Auch im Schamanismus bedient man sich hypnoseähnlicher Trancetechniken.

„Moderner Tempelschlaf“ gehört heute auch zu den vielfältigen Angeboten aus der Esoterik-Szene, wo viele Menschen ihre spirituellen Bedürfnisse zu befriedigen versuchen.

Siehe auch

Quellen

  • Karl-Heinz Leven: Antike Medizin. Ein Lexikon. Beck-Verlag, München 2005

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