Temperaturgradient (Meteorologie)

Temperaturgradient (Meteorologie)
Durchschnittliche Temperatur und molare Masse der Atmosphärengase in Abhängigkeit von der Höhe mit Tropos-, Stratos-, Meso-, Thermo- und Exosphäre. Der wetterrelevante und hier betrachtete Abschnitt der Troposphäre macht nur die untersten rund 10 km aus und wirkt relativ unbedeutend.

In der Meteorologie ist mit dem Temperaturgradienten in der Regel die vertikale Änderung der Lufttemperatur in der Troposphäre gemeint, der untersten Schicht der Erdatmosphäre. Er ist allgemein negativ, die Lufttemperatur nimmt also mit der Höhe ab. Im Detail ist das Ausmaß dieses Temperaturabfalls jedoch sehr unterschiedlich und kann sich in Teilbereichen auch in einen Temperaturanstieg umkehren. Der eigentlich messbare und damit statische Umgebungsgradient wird dabei von zwei dynamischen Gradienten unterschieden. In ihrem Zusammenwirken sind sie für die Schichtungsstabilität der Erdatmosphäre verantwortlich. Der weitere Temperaturverlauf oberhalb der Tropopause hat nur noch eine geringe Bedeutung für das Wetter und wird hier daher nicht betrachtet, siehe hierfür die jeweiligen Artikel.

Der Temperaturgradient in der Horizontalen, also vor allem zwischen dem Äquator und den Polen, wird als meridionaler Temperaturgradient bezeichnet und spielt eine wichtige Rolle als Antriebsfaktor der Planetarischen Zirkulation bzw. im Energiehaushalt der Erde.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Theorie

Eng verbunden mit der Änderung der Temperatur in der Vertikalen sind einerseits die durch die Gravitation bedingte Änderung des Luftdrucks (siehe Barometrische Höhenformel) und andererseits Energietransportvorgänge über die fühlbare und latente Wärme, also letztlich ein Übergang thermischer in potentielle Energie. Es handelt sich also um ein Phänomen, das nur auf Basis der Thermodynamik und der kinetischen Gastheorie erklärt werden kann. Als theoretische Grundlage dienen folglich die verschiedenen Gasgesetze. Für einfache Prozesse kann man die allgemeine Gasgleichung als Zustandsgleichung heranziehen, jedoch nur, solange die Luft ein annähernd ideales Verhalten zeigt.

Die Kopplung zwischen Druck und Temperatur hängt von der Zustandsänderung ab. Eine Luftdrucksenkung entspricht dabei einer Höhenzunahme sowie umgekehrt eine Luftdruckerhöhung einer Höhenabnahme.

Für ein Luftpaket, das sich in der Atmosphäre vertikal nach oben oder unten bewegt, handelt es sich dabei um eine isentrope Zustandsänderung, ihm wird also keine Wärme von außen zugeführt oder entzogen und es tritt auch keine Mischung mit der Umgebungsluft ein. Dies ist eine vereinfachende Annahme, die bei dynamischen Gradienten vorausgesetzt werden muss und hier aufgrund der geringen Mischungsfähigkeit sowie der schlechten Wärmeleitungseigenschaften meist in guter Näherung gültig ist. In Bodennähe zeigen sich jedoch die erwärmenden Effekte der Ausstrahlung, hier kann man also generell keinen adiabatischen Prozess veranschlagen. Zu berücksichtigen sind ferner dynamische Prozesse, wie zum Beispiel das Aufgleiten von Warmluft auf Kaltluft, die ebenfalls durch die Annahme eines adiabatischen Prozesses nicht erfasst werden. In der Stratosphäre liegt aufgrund des dortigen Ozons kein adiabatischer Gradient vor. Dies gilt auch ganz allgemein für die höhere Atmosphäre, da das Strahlungsgleichgewicht hier generell dominiert.

Zum Vergleich von Temperaturwerten, die an unterschiedlichen Orten und Höhen gemessen wurden, bedient man sich der potenziellen Temperatur.

Veranschaulichung

Um zu verstehen, warum sich die Temperatur mit zunehmender Höhe ändert, hilft es, sich einen aufsteigenden Wetterballon vorzustellen. In diesem Gedankenexperiment ist es dann notwendig, den Ballon mit Luft zu füllen und etwas weniger realistisch anzunehmen, dass sich dessen Volumen beliebig ändern lässt, dessen Oberfläche also nicht starr ist und sich beliebig ausdehnen und zusammenziehen kann. Es handelt sich folglich um ein scharf begrenztes Luftpaket, das isoliert von seiner Umgebung langsam an Höhe gewinnt. Am Boden wirkt der Luftdruck auf die Ballonhülle und presst diese auf ein bestimmtes Volumen zusammen. Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck jedoch ab. Daraufhin dehnt sich der Ballon aus, bis sein Innendruck dem der Umgebung entspricht (nach dem Gesetz von Boyle-Mariotte ist das Produkt von Druck und Volumen konstant). Obwohl dem Ballon weder Energie zu- noch abgeführt wurde, er also noch denselben Energiegehalt hat, hat sich die Temperatur der Luft im Ballon jetzt verändert. Wie kommt das?

Betrachten wir dazu die physikalische Größe "Temperatur". Die Temperatur ist, neben dem individuellen Gefühl eines jeden Menschen dafür, nichts anderes als ein makroskopisches Maß für die mittlere Bewegungsenergie der Atome und Moleküle in einer Volumeneinheit. Aus ihr kann die thermische Energie der Luft berechnet werden, die der physikalisch-thermische Anteil der inneren Energie der Luft ist.

Mit der Ausdehnung des Ballons hat sich zugleich auch die Dichte der Luft in ihm verändert, es sind also weniger Teilchen pro Volumeneinheit im Ballon. Damit sinkt aber auch die Bewegungsenergie pro Volumeneinheit, das heißt die Temperatur der Luft im Ballon. Eine Änderung des Luftdrucks bewirkt daher auch immer eine Änderung der Temperatur.

Die Änderung von Temperatur und Druck können selbst wieder Auswirkungen auf die Gase haben, denn diese kommen nur unter bestimmten Bedingungen als Gase vor. Dies zeigt sich beim Wasserdampf, denn nur er kann unter atmosphärischen Bedingungen zu flüssigem Wasser kondensieren oder zu Eis resublimieren. Da die dabei freiwerdende Wärme einen Einfluss auf die Temperatur hat, unterscheidet man zwischen trocken- und feuchtadiabatischen Temperaturgradienten.

Trockenadiabatischer Temperaturgradient

Trockenadiabatischer Temperaturgradient

Der trockenadiabatische Temperaturgradient (Abkürzung DALR nach engl. dry adiabatic lapse rate) gilt für adiabatisch-reversible und damit isentrope Bedingungen, ohne dass es zu Änderungen des Aggregatzustands kommt. Er beträgt 9,81 Kelvin bzw. Grad Celsius je einem Kilometer Höhe und wird für Höhenänderungen eines Luftpaketes verwandt, solange die relative Luftfeuchtigkeit unter 100 % Prozent bleibt, also keine Unterschreitung des Taupunkts und folglich Kondensation erfolgt. Als Vereinfachung veranschlagt man meist einen Gradienten von einem Kelvin je hundert Meter. Von großer Bedeutung ist, dass dieser Wert abgesehen von kleinen Schwankungen durch Unterschiede in der Luftzusammensetzung konstant bleibt, die Ab- bzw. Zunahme der Temperatur also linear verläuft.

Die Herleitung des Gradienten basiert dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik (1.1.) sowie der Annahme eines idealen Gases mit einer hier zur Vereinfachung veranschlagten Stoffmenge von einem Mol. Dies bedingt, dass die innere Energie U als Funktion der Temperatur T bei konstantem Volumen V geschrieben werden kann (1.2.).

\mathrm dU = \mathrm dQ + \mathrm dW = \mathrm dQ - p \cdot \mathrm dV \qquad \qquad (1.1.)
\mathrm dU = C_V \cdot \mathrm d T \qquad \qquad (1.2.)

Dabei ist CV die spezifische Wärmekapazität der Luft bei konstantem Volumen. Daraufhin setzt man die beiden Beziehung gleich (2.1.). Lässt man die thermische Zustandsgleichung idealer Gase in differentieller Form einfließen (2.2.), so erhält man nach Umformung und Gleichsetzung den Ausdruck 2.3.

\mathrm dQ = p \cdot \mathrm d V + C_V \cdot \mathrm d T \qquad \qquad (2.1.)
p \cdot \mathrm d V + V \cdot \mathrm d p  = R \cdot \mathrm d T \qquad \qquad (2.2.)
\mathrm dQ =  - V \cdot \mathrm d p + C_p \mathrm d T \qquad \qquad (2.3)

Cp ist hier die molare Wärmekapazität der Luft bei konstantem Druck und mit CV über die Beziehung Cp = CV + R verknüpft. Durch die Elimination von V über die Beziehung V = R·T/p (allgemeine Gasgleichung) erhält man nun 2.4.

\mathrm dQ = - R \cdot T \cdot \frac{\mathrm d p}{p} + C_p \cdot \mathrm d T \qquad \qquad (2.4)

Für adiabatische Prozesse gilt dabei dQ=0, was die Gleichung weiter vereinfacht und mit einer kleinen Umstellung zu Gleichung 2.5. führt.

 \frac{\mathrm d p}{p} = \frac{C_p \cdot \mathrm d T}{R \cdot T} \qquad \qquad (2.5.)

Diese Gleichung kann nun mit der Barometrischen Höhenformel (3.1.) gleichgesetzt werden, wobei dh für die Höhenänderung steht. Durch Kürzen und Umformen entsteht Gleichung 3.2.

\frac{\mathrm{d}p}{p} = - \frac{g \cdot M}{R \cdot T} \, \mathrm{d}h \qquad \qquad (3.1)
C_p \cdot \mathrm d T  = - M \cdot g \cdot \mathrm{d}h \qquad \qquad (3.2.)

Löst man die Gleichung 3.2. nach dem Temperaturgradienten dT/dh auf und setzt für die molare Masse M der Luft 28,97 g/mol, für die spezifischen Wärmekapazität der Luft bei konstantem Druck Cp 28,97 J/(K·mol) und die Fallbeschleunigung g = 9,81 m/s² ein, so erhält man den trockenadiabatischen Temperaturgradienten mit -0,00981 K/m. Als Symbol für den negativen trockenadiabatischen Gradienten mit dadurch positivem Zahlenwert wird Γ verwendet.

Bei obigen Werten handelt es sich um jene der trockenen Luft, der recht variable Anteil des Wasserdampfs mit etwas anderen Stoffwerten wird also meist vernachlässigt. Bezieht man ihn in Form einer spezifischen Luftfeuchtigkeit von 0,01 mit ein, was ein recht typischer Wert ist, der als Durchschnitt gelten kann, so zeigt sich ein um 0,86 % niedrigerer Temperaturgradient. Unter der Voraussetzung, dass keine Kondensation auftritt, ist der Einfluss des Wasserdampfs also recht gering.

Feuchtadiabatischer Temperaturgradient

Feuchtadiabatischer Temperaturgradient

Für den feuchtadiabatischen Temperaturgradienten (Abkürzung MALR oder SALR nach engl. moist bzw. saturated adiabatic lapse rate) gelten zwar ebenfalls adiabatische Bedingungen, doch dabei ausdrücklich für den Fall, dass eine Kondensation von Wasserdampf auftritt. Die im gasförmigen Aggregatzustand enthaltene Kondensationswärme (latente Wärme) von 2257 kJ/kg wird dadurch frei und erhöht die fühlbare Wärmeenergie der Luft. Der trockenadiabatische Temperaturgradient wird durch diese zusätzliche Energiezufuhr abgeschwächt. Wie stark diese Abschwächung des DALR ist, hängt von der Temperatur ab, denn je höher diese ist, desto größer ist auch der Anstieg der Sättigungsdampfdruckkurve, und desto mehr Wasserdampf kondensiert folglich auch pro Kelvin Abkühlung, d. h. desto mehr fühlbare Wärmeenergie wird pro Kelvin Abkühlung frei. Bei hohen Temperaturen kann er daher unter 4 K/km betragen, bei einer Temperatur von -40 °C mit 9 K/km aber auch dem trockenadiabatischen Gradienten recht nahe kommen. In der rechten Abbildung ist ein idealisierter Temperaturverlauf mit einem konstanten Gradienten von 6,5 °C dargestellt, was dem mitteleuropäischen Durchschnitt entspricht.

Umgebungsgradient

Der Umgebungsgradient, meist als geometrischer Temperaturgradient bezeichnet, stellt den eigentlichen Temperaturverlauf der Atmosphäre dar, so wie er von Radiosonden gemessen werden kann. Durch eine Vielzahl diabatischer, advektiver und konvektiver Prozesse kann er erheblich von den Modellvorstellungen eines trocken- oder feuchtadiabatischen Gradienten abweichen und auch deutlich um seinen eigenen Mittelwert streuen. Einen Gradienten, der größer ist als der trockenadiabatische, bezeichnet man dabei als überadiabatisch sowie dementsprechend einen niedrigeren Gradienten als unteradiabatisch. Als Symbol für den negativen geometrischen Gradienten mit dadurch positivem Zahlenwert wird γ verwendet.

Betrachtet man die gesamte Troposphäre, herrschen in unterschiedlichen Höhen zudem oft völlig unterschiedliche Gradienten, wobei sich in der Regel eine für die jeweilige Wetterlage charakteristische Abfolge einstellt. Auch eine Umkehr das Gradienten in Form einer Inversion ist dabei möglich. Aus den Unterschieden, die sich zu einem Luftpaket ergeben, das adiabatisch über dynamische Gradienten erwärmt oder abgekühlt wird, leitet sich die Schichtungsstabilität der Erdatmosphäre ab.

Literatur

  • Roedel W. (2000): Physik unserer Umwelt: Die Atmosphäre. 3. Aufl. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York. ISBN 3-540-67180-3
  • Häckel H. (1999): Meteorologie. 4. Aufl. Ulmer Verlag, Stuttgart; UTB 1338; 448 S. ISBN 3825213382

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