Terrestrisches Fernrohr

Terrestrisches Fernrohr
Fernrohr auf der Dachterrasse der Frankfurter Zeilgalerie

Ein Fernrohr ist ein optisches System, bei dessen Nutzung entfernte Objekte näher bzw. größer erscheinen. Dies wird durch eine Vergrößerung des Sehwinkels erreicht. Die Optik kann aus Linsen, Prismen und Spiegeln bestehen.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Funktionsweise

Aufbau und Funktionsweise am Beispiel eines keplerschen Fernrohres:

Strahlengang im keplerschen Fernrohr

Das Objektiv (1) erzeugt von einem weit entfernten Objekt (4) ein reelles, umgekehrtes Zwischenbild (5). Dieses wird durch das Okular (2), das wie eine Lupe wirkt, betrachtet. Dem Auge (3) erscheint daher ein vergrößertes, virtuelles Bild (6) in großer Entfernung (parallele gestrichelte Strahlen). (7) ist der Tubus des Fernrohrs, das röhrenförmige Gehäuse, das die Optik trägt

Konstruktion des Strahlengangs im keplerschen Fernrohr mit Umkehroptik (terrestrisches Fernrohr)

Da das Bild bei einem 2-Linsen-System (oben 6) umgekehrt ist (es steht auf dem Kopf), wird es bei terrestrischen Fernrohren mit Hilfe von Umkehrprismen oder einer Zwischenlinse zwischen Objektiv und Okular aufgerichtet. G ist das Urbild, B′ und B′′ die Zwischenbilder (oben 5). B ist das korrekt wieder aufrecht erscheinende, vergrößerte Bild von G. Fn ist in beiden Abbildungen jeweils die Brennweite der Linse Das Endbild ist virtuell.

Visuelle und fotografische Nutzung

Beide Fernrohrtypen, Linsenfernrohre und Spiegelteleskope, können visuell oder fotografisch genutzt werden.

Münzfernrohr auf der Nordseeinsel Juist
  • Bei der visuellen Nutzung des Fernrohrs dient das Auge als Empfänger. Dazu muss das optische System afokal sein, das heißt, das Fernrohr muss parallele Lichtstrahlen erzeugen, die vom entspannten Auge auf der Netzhaut empfangen werden können. Dies wird mit Hilfe eines Okulars erreicht.
    Schon weil Fernrohre (außer den Ferngläsern) meist nur ein Objektiv haben, kann damit kein stereoskopisches Bild erzeugt werden. Außerdem sind die Beobachtungsobjekte meist so weit entfernt, dass die Strahlengänge des Lichts nahezu parallel verlaufen. Es werden aber binokulare Ansätze für das beidäugige Sehen verwendet. Diese sollen ein entspannteres Sehen ermöglichen. Allerdings muss dafür der Strahlengang aufgespalten werden, was die Helligkeit des Bildes verringert.
    Bei Beobachtung entfernter Objekte sind die einfallenden Strahlen fast parallel. Das Fernrohr verwandelt in diesem Fall einfallende, fast parallele Strahlen in austretende Parallelstrahlen, verändert zuvor aber den Winkel und die Dichte dieser Strahlen. Die Veränderung des Winkels bewirkt die Vergrößerung. Die größere Dichte der Strahlen vergrößert die Helligkeit des Bildes. Bei flächenhaften Beobachtungsobjekten kann die Helligkeit des Bildes jedoch nicht größer sein als die Helligkeit des Objektes.
  • Bei der fotografischen Nutzung hat das Fernrohr die Funktion eines sehr langbrennweitigen Objektivs.

Wegen ihrer großen Brennweite und wegen ihres Gewichtes werden große Linsenfernrohre und Spiegelteleskope von Montierungen gehalten und bewegt.

Fernrohrarten

Terrestrische Fernrohre

Altes Militärfernrohr

Für terrestrische Beobachtungen (z. B. Militär, Ornithologie, Jagd, Tourismus) verwendet man

  • Ferngläser. Man versteht darunter kompakte Refraktoren (Linsenfernrohre) kürzerer Brennweite mit Prismen-Systemen, die ein aufrechtes und seitenrichtiges Bild liefern. Ein solches Fernglas hat meist für jedes Auge einen separaten Strahlengang (Objektiv, Prismensystem und Okular).
  • Spektive. Relativ kompakte und robuste Refraktoren zur einäugigen (monokularen) Beobachtung; Objektivdurchmesser bis 100 mm.
  • Stationäre Aussichtsfernrohre zur Natur- und Landschaftsbeobachtung, z. B. an markanten Aussichtspunkten.

Fernrohre zum Einsatz in der Astronomie

Reflektor 76/700 mm mit Sucher

Etwa ab dem 20. Jahrhundert sind alle größeren Fernrohre zum Einsatz in der Astronomie Reflektoren (Spiegelteleskope). Bis zu deren Siegeszug wurden in der Astronomie vielfach auch Refraktoren (Linsenfernrohre) benutzt. Bei diesen unterscheidet man zwischen keplerschen Fernrohren (auch astronomische Fernrohre genannt) und galileischen Fernrohren (auch holländische Fernrohre genannt). Der letztgenannte Typ wird in der professionellen Astronomie allerdings schon lange nicht mehr eingesetzt.

Vergrößerung

Die Vergrößerung eines Fernrohrs ist durch das Verhältnis der Brennweiten von Objektiv und Okular gegeben. Das heißt, ein Fernrohr mit auswechselbaren Okularen, wie es in der Astronomie üblich ist, hat keine feste Vergrößerung; je kürzer die Brennweite des verwendeten Okulars ist, desto stärker ist die resultierende Vergrößerung. Wegen verschiedener Faktoren (siehe Störgrößen) ist eine übertrieben starke Vergrößerung sinnlos.

Die Größe der Austrittspupille ergibt sich aus dem Objektivdurchmesser geteilt durch die Vergrößerung.

Störgrößen

Beugung

Wegen der Beugung des Lichtes ist das Auflösungsvermögen des Fernrohrs durch den Durchmesser des Objektivs begrenzt. Die Vergrößerung, die das Auflösungsvermögen des Fernrohrs der des menschlichen Auges optimal anpasst, wird als nützliche Vergrößerung bezeichnet. Diese ist zahlenmäßig etwa so groß wie die Apertur (Öffnung) des Fernrohrobjektivs in Millimetern. Bei einer stärkeren Vergrößerung erscheinen Sterne nicht als Punkte, sondern als Scheibchen, die von konzentrischen Kreisen (Beugungsringen) umgeben sind.

Luftunruhe

Vom Boden aufsteigende erwärmte Luft, aber auch ungenügend temperierte Sternwarten-Kuppeln verursachen störende Schlieren.

Vor allem im Winter und bei bestimmten Wetterlagen ist deutlich ein Szintillation genanntes Funkeln der Sterne zu sehen. Dieses wird durch in sich rotierende Konvektionszellen hervorgerufen, die durch den Wärmeübergang zwischen kälteren und wärmeren Luftschichten entstehen. Oft erscheinen die Sterne und Planeten in kleinen Fernrohren als „wabernde Flecken“; bei fotografischen Aufnahmen werden sie unscharf. Meist bessert sich die Lage mit fortschreitender Nacht.

Astronomen nennen diesen für sie wichtigen Faktor Seeing. Die Position eines Sterns kann durch ein schlechtes Seeing um 1" bis 3" schwanken. Ein gutes Fernrohr mit einem Auflösungsvermögen von 1", das etwa 150 mm Apertur haben muss, wird also mit seiner Qualität selten voll ausgenutzt. Bei der Beobachtung flächenhafter Objekte, wie Nebeln oder Kometen, ist das Seeing weniger von Bedeutung.

Im Weltall ist das Seeing ideal. Erst dort ist die durch Beugung bedingte Leistungsgrenze astronomischer Geräte erreichbar. Bei neuen großen erdgebundenen Teleskopen wird das Seeing durch adaptive Optik verbessert.

Stabilität der Fernrohraufstellung

Die Montierung, mit der das Fernrohr gehalten und bewegt wird, begrenzt ebenfalls eine sehr starke Vergrößerung. Jede zu starke Schwingung in der Montierung macht sich als Zittern des Beobachtungsobjektes im Gesichtsfeld des Okulars bemerkbar. Die Montierung sollte also möglichst steif und schwingungsarm sein. Bei oft nur mit der Hand gehaltenen Feldstechern, werden meist nur Okulare fest eingebaut, die geringere Vergrößerungen zulassen. Bei diesen Instrumenten wird ein größerer Wert auf die Lichtstärke gelegt. Ein festes Stativ ist aber auch hier von Vorteil .

Gesichtsfeld im Fernrohr

Das Blickfeld wird bei Benutzung eines Fernrohrs einerseits merklich eingeschränkt, andererseits deutlicher dargeboten. Es ist umso größer, je näher das Auge zum Okular rückt - was für Brillenträger einen Nachteil darstellt. Daher sollte man bei längerer Beobachtungszeit die Brille abnehmen oder zumindest ein gummibewehrtes Okular kaufen.

In der Astronomie stört das restliche, etwa ringförmige Gesichtsfeld um den Einblick in das Okular. Es kann durch eine Augenmuschel aus weichem Gummi abgedeckt werden, die gleichzeitig dem Auge die Entspannung erleichtert.

Wahres Gesichtsfeld nennt man das mit einem Fernrohr tatsächlich überschaubare Himmelsfeld. Bei üblichen Fernrohren ist es kleiner als 1 Grad, bei astronomischen etwa Mondgröße (halbes Grad). Feldstecher haben 5–10°, Aussichtsfernrohre einige Grad. Das wahre Gesichtsfeld hängt hauptsächlich von der Vergrößerung des Teleskops ab, doch auch von der Bauart des Okulars (v. a. von den Blenden, der augenseitigen Linse und der Länge des ganzen Linsensystems).

Scheinbares Gesichtsfeld heißt jener Raumbereich, den man im Okular überblickt. Zweilinsige Okulare haben 25 - 50°, teurere Weitwinkelokulare bis über 70°. Hat ein Okular z. B. 50° scheinbares Gesichtsfeld, dann hätte ein Fernrohr mit 50-facher Vergrößerung ein wahres von genau 1 Grad. Das scheinbare Gesichtsfeld eines Okulars kann jeder leicht mit einem Winkelmesser oder einem Kompass bestimmen: Man blickt durch das Okular, hält das zweite Auge offen und merkt sich, wo die Ränder des Gesichtskreises liegen. Dies sollte aber im Freien - oder zumindest in einem sehr großen Raum - geschehen.

Das wahre Gesichtsfeld folgt aus dem obigen mittels Division durch die Vergrößerung. Man kann aber auch die Sonne (nur mit Filter!) oder den Mond benutzen. Deren Scheiben sind mit rund ½° fast gleichgroß, variieren aber etwas mit der Jahreszeit und der Mondbahn (Sonne 31,5' bis 32,6' (0,525–0,544°), Mond etwa 29' bis 33').

Am genauesten wird eine Messung mittels Sternen: wir suchen einen äquatornahen Stern (z. B. im Süden in etwa 40° Höhe; genauer 90° minus Breite) und messen, wie lange er benötigt, um durch das Gesichtsfeld zu wandern. Die (dezimalen) Minuten sind durch 4 zu teilen. Dauert der Stern-Durchgang also 2,4 Minuten, hat das Teleskop ein Gesichtsfeld von Ø = 0,60°. Kennt man diesen Wert, lassen sich Entfernungen schätzen: Wenn z. B. eine stehende Person von 1,70 m unsere 0,60° gerade ausfüllt, ist sie 1,70 / sin(Ø) = 162 m von uns entfernt. Jäger, Seeleute und Militär verwenden dafür auch Fernrohre oder Feldstecher mit Skalen - doch gibt es nützliche Faustregeln. Wer daher das geschilderte Verfahren perfektionieren will, könnte es zunächst an einem Feldstecher erproben. Bessere Geräte geben die Grad (bzw. die Meter auf 1000 m Distanz) an.

Siehe auch: Sonnenbeobachtung, Fernrohr (Sternbild), Teleskop, Mikroskop

Anschluss eines Fotoapparats an ein Fernrohr

LM Digital Adapter mit Canon EOS 5D

Für den Anschluss einer Kamera ist eine mechanische und optische Anpassung notwendig. Ein Adapter verbindet die Kamera mit dem Fernrohr. Eine feste mechanische Verbindung ist besonders wichtig, da kleinste Bewegungen (Schwingungen) der Kamera die Bildqualität stark reduzieren. Des weiteren ist eine optische Anpassung des Strahlengangs notwendig, damit ein voll ausgeleuchtetes und scharfes Bild auf den Sensor der Kamera (CCD / CMOS) oder den Film projiziert wird.

Historisches

Das erste Fernrohr wurde im Jahre 1608 von Hans Lipperhey konstruiert. Das erste astronomische Fernrohr wurde 1611 von Johannes Kepler gebaut. Hans Lipperheys holländisches Fernrohr baute 1609 Galileo Galilei nach und entdeckte damit die vier größten Monde des Jupiters.

Wortherkunft

Das Wort Fernrohr ist eine wörtliche Eindeutschung des lateinischen Tubus telescopius („Fern-seh-Röhre“, zu tubus „Rohr, Schlauch“, altgriechisch tele- „fern“ und skopein „schauen, beobachten“). Maximilian Hell würdigt im Jahre 1789 Wilhelm Herschels Entdeckung des Uranus mit der Benennung zweier Sternbilder als Tubus Herschelii Maior und Tubus Herschelii Minor, Johann Elert Bode fasst diese dann zu einem Sternbild zusammen und spricht 1801 vom Telescopium Herschelii. Das deutsche Wort findet sich auch schon in dieser Zeit, die anfangs synonymen Wörter „Fernrohr“ und „Teleskop“ entwickeln sich jedoch auseinander. Heute ist Teleskop der Überbegriff, Fernrohr steht für „optisches Teleskop“ und Tubus bezeichnet den technischen Bauteil der Hülle, in die die Linsen- und Prismenkontruktion eingefasst ist.

Siehe auch


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