Bank für Gemeinwirtschaft

Bank für Gemeinwirtschaft

Die Bank für Gemeinwirtschaft (BfG), hervorgegangen aus den deutschen Gemeinwirtschaftsbanken, war ein Kreditinstitut, das im Jahr 2000 in der SEB AG aufgegangen ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als Gemeinwirtschaftsbanken wurden in Deutschland die Banken bezeichnet, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Gewerkschaften in Verbindung mit der GEG, der Wirtschaftszentrale der Konsumgenossenschaftsbewegung, gegründet wurden. Sie setzten die Tradition der schon die in den Zwanzigern bestehenden kleineren Gewerkschaftsbanken und Bank-Einrichtungen der Konsumgenossenschaftsbewegung sowie der Bank der Deutschen Arbeit fort.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war von den Besatzungsmächte kein bundesweit agierendes Kreditinstitut erlaubt. Die Wirtschaftszentrale der Konsumgenossenschaften GEG und die Gewerkschaften (die GEG als Wirtschaftszentrale der Konsumgenossenschaften hielt mit 25,06 % eine Schachtelbeteiligung, ebenso der DGB mit 25,14 %. Die restlichen 49,8 % hielten Einzelgewerkschaften) gründeten zwischen 1949 und 1950 deshalb sechs regionale Kreditinstitute mit einem Anfangskapital von je einer Million DM:

Gründung Name Sitz
26. August 1949 Bank für Wirtschaft und Arbeit AG München
17. September 1949 Bank für Gemeinwirtschaft Nordrhein-Westfalen AG Düsseldorf
24. September 1949 Bank für Gemeinwirtschaft AG Hamburg
28. Januar 1950 Bank für Gemeinwirtschaft AG Frankfurt/Main Frankfurt am Main
15. Mai 1950 Niedersächsische Bank für Wirtschaft und Arbeit AG Hannover
22. August 1950 Bank für Wirtschaft und Arbeit AG Stuttgart
16. Oktober 1953 Bank für Wirtschaft und Arbeit AG Berlin.

Die Bank für Wirtschaft und Arbeit AG in Berlin wurde 1953 als Tochtergesellschaft der Gewerkschaften und der Gemeinwirtschaftsbanken (hauptsächlich der Münchener Bank) mit nur geringer Beteiligung der Konsumgenossenschaften gegründet.

Die Konsumgenossenschaften nahmen an den Kapitalerhöhungen aller Banken der Folgejahre nicht teil. Ihr Anteil sank dadurch stetig.

Wenige Jahre nach der Fusion war dadurch aus der BfG eine fast reine Gewerkschaftsbank geworden. Am 1. April 1965 war der DGB mit 21 %, die Einzelgewerkschaften mit 74,696 % (davon IG Metall mit 24,5 % und IG Bergbau und Energie mit 22 %) und die Konsumgenossenschaften mit nur noch 4,22 % beteiligt. Die fehlenden 0,084 % wurden von der BAWAG gehalten, mit der die BfG eine Überkreuzbeteiligung eingegangen war.

1963 wurde die Berliner "Bank für Wirtschaft und Arbeit" eine Niederlassung der BfG.

Am 2. Dezember 1958 schlossen sich nach dem Ende des Zentralisierungsverbotes der Besatzungsmächte die Banken im Bundesgebiet zur Bank für Gemeinwirtschaft mit Sitz in Frankfurt und einem Grundkapital von 60 Mio DM zusammen. Erster Vorstandsvorsitzender war Walter Hesselbach, der diese Funktion bis 1977 innehatte.

Die ersten Jahre waren durch ein starkes Wachstum geprägt. Neben dem Basiseffekt durch die Neugründung war vor allem die boomende Wirtschaft der Wirtschaftswunderjahre Grund des Wachstums.

Jahr Bilanzsummer Eigenkapital Einlagen Kredite Mitarbeiter
1950 133,1 Mio DM 5,9 Mio DM 116,6 Mio DM 59,7 Mio DM 1400
1958 2.102,8 Mio DM 58,5 Mio DM 1.456,7 Mio DM 1.019,1 Mio DM 2000
1964 4.379,6 Mio DM 120 Mio DM 2.945,9 Mio DM 2.337,7 Mio DM 3170

Die Bank wies zu dieser Zeit auch Gewinne aus und zahlte 1952 bis 1959 eine Dividende von 6 % und danach von 10 %.

Die Bank baute ein umfangreiches Geflecht an Tochtergesellschaften und Beteiligungen auf. So erwarb die Bank im Frühjahr 1964 17 % der Anteile der Badenia und beteiligte sich mit 12 % an der ADIG. 1963 wurden 50 % der Anteile an der holländischen Gewerkschaftsbank „N.V. Hollandsche Koopmansbank“ in Amsterdam und eine Beteiligung von 25 % an der „Internationalen Genossenschaftsbank“ in Basel als internationalen Verbund der Gewerkschaftsbanken erworben.

1974 wurde die Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft gegründet und avancierte zum Hauptaktionär.

1987 übernahm die Aachener und Münchener Beteiligungsgesellschaft die Aktienmehrheit.

1991 firmierte die Bank in BfG Bank AG um, wobei die drei Buchstaben nun keine Abkürzung mehr sind, sondern einfach einen Namen darstellen.

1993 übernahm der Crédit Lyonnais, Paris, die Aktienmehrheit.

2000 erwarb der schwedische Finanzkonzern Skandinaviska Enskilda Banken (SEB) 100% der Aktien.

2001 firmierte die BfG AG in SEB AG um und verlor damit ihren eigenständigen Marktauftritt.

Tochtergesellschaften

1965 gründete die BfG die Bank für Sparanlagen und Vermögensbildung AG (BSV) durch Umbenennung der Kreditbank Hagen GmbH. Diese Bank sollte als Spezialkreditinstitut den Arbeitnehmern die Anlage der damals neu eingeführten vermögenswirksamen Leistungen ermöglichen. Bereits 1969 wurde das Produktspektrum um Baudarlehen und 1975 auf Ratenkredite ausgeweitet. Die Bank arbeitete ohne Filialen und war damit die erste Direktbank in Deutschland. 1981 war die BfG mit 51 Prozent Mehrheitsgesellschafter der BSV, Frankfurt am Main. Nach dem Verkauf der Anteile durch BfG und DGAG firmierte die Bank mehrfach um und ist heute unter der Firma ING-DiBa am Markt tätig.

Geschäftspolitik

Gemeinwirtschaft

Die Geschäftspolitik der Bank für Gemeinwirtschaft wurde durch das Prinzip der Gemeinwirtschaft bestimmt. Die BfG sollte nicht nur die Hausbank der Gewerkschaften und der Konsumgenossenschaftsbewegung sein, sondern nachweisen, dass eine Bank auch ohne privates Gewinnstreben im Gemeinwohlinteresse erfolgreich betrieben werden konnte.

Die BfG galt lange Zeit als Bank für kleine Leute und wurde wegen der erzielten Gewinne bis in die 1980er Jahre als "Perle" der Gewerkschaftsunternehmen bezeichnet. Anfang der 1980er war sie kurz davor, die Commerzbank als drittgrößtes Kreditinstitut Deutschlands abzulösen. Sie litt danach unter Managementfehlern und nicht zuletzt unter dem Skandal um die Neue Heimat, der das Image aller Gewerkschaftsunternehmen beschädigte. Vor allem führte eine riskante Kreditpolitik (insbesondere Kredite an Staaten der dritten Welt und des ehemaligen Ostblocks) zu existenzbedrohenden Verlusten. Die Bank rutschte Mitte der 1980er Jahre in die negativen Zahlen, nur etwa ein Dutzend von rund 75 Filialen arbeiteten mit Gewinn.

So teilte die BfG das Schicksal der anderen gemeinwirtschaftlichen Unternehmen (z. B. Neue Heimat, co op AG, AHBR und zuletzt BAWAG in Österreich): Durch Misswirtschaft in die Krise geraten, kosteten diese Unternehmen die Gewerkschaften viel Geld und konnten nur als "normale", gewinnorientierte Unternehmen am Markt bestehen.

Allfinanz

Nachdem lange Zeit kein Käufer für eine Minderheitsbeteiligung gefunden wurde, musste eine Aktienmehrheit (50 % plus eine Aktie) an die Aachener und Münchener Beteiligungsgesellschaft abgegeben werden. In der Folge gab es Massenentlassungen, die Zahl der Mitarbeiter und Filialen wurde unter dem Vorstandsvorsitzenden Paul Wieandt um ein Viertel reduziert. Drei Viertel der Führungskräfte mussten das Haus verlassen. Der Abschied von der Idee der Gemeinwirtschaft war ein Kulturschock. Die neuen Unternehmensleitsätze begannen mit dem Satz "Wir sind ein gewinnorientiertes Unternehmen". Was für andere Unternehmen selbstverständlich war, war für die BfG ein Paradigmenwechsel.

Strategisches Ziel der AM war eine Allfinanz-Geschäftspolitik: der Vertrieb von Bankprodukten und Versicherungen unter einem Dach.

Trotz dieser drastischen Sparmaßnahmen gelang der Aachener und Münchener Beteiligungsgesellschaft eine Sanierung nicht. Die Geschäftspolitik wurde auf wohlhabendere Kunden ausgerichtet, doch das widersprach dem Image der Bank und diese Kundenkreise konnten nicht gewonnen werden. Auch der Versuch, in einer Bank Versicherungsprodukte zu verkaufen, blieb erfolglos. Die BfG wurde als deutsches Tochterunternehmen an Auslandsbanken verkauft. 1992 erwarb der Crédit Lyonnais die Aktienmehrheit. Strategisches Ziel war die Bildung einer paneuropäischen Bank. Der CL geriet jedoch zeitgleich in eine schwere Krise. Die Rettung des CL war nur mit Hilfe massiver Unterstützung des französischen Staates möglich. Diese staatliche Subvention wurde von der EU nur unter Auflagen genehmigt. Eine dieser Auflagen war der Verkauf von mindestens der Hälfte der Auslandstöchter. Da die BfG allein die Hälfte des Auslandsvermögens ausmachte, wurde sie 2000 an die Skandinaviska Enskilda Banken verkauft.

Die BfG (bzw. ihre Nachfolgerin SEB) gilt als eines der innovativsten Kreditinstitute. Sie entwickelte zahlreiche Produkte, die heute Standardangebot aller Banken sind. Dazu gehört der Sparbrief mit steigenden Zinsen im Laufe der Jahre, um den Kunden langfristig zu binden (Vorbild für den Bundesschatzbrief), das Konto inklusive aller Dienstleistungen zum monatlichen Einheitspreis und die Einführung des Kontos mit kostenloser Kreditkarte. Mit dem "Luxinvest Securarent" (heute "SEB Luxinvest ÖkoRent") brachte die BfG im Jahr 1989 den ersten deutschen "Öko"-Fonds auf den Markt.

Werbung und Marketing

In den 1980er Jahren warb die BfG in einer bekannten Kampagne unter dem Slogan "Der Mensch · Das Leben · Die Bank".

Hauptsitz

BfG-Hochhaus
Trianon

Die BfG schrieb in Frankfurt an der Hochhausgeschichte mit. Am 20. März 1964 eröffnete die Bank ihre neue Zentrale in der Mainzer Landstraße in Frankfurt. Ehrengast bei der Eröffnung war Willy Brandt. Der Gebäudekomplex sollte aber mit dem Wachstum der Bank nicht Schritt halten. 1977 wurde das BfG-Hochhaus (der heutige Eurotower, der Sitz der Europäischen Zentralbank) bezogen. Das Gebäude verfügte über eine eigene U-Bahn-Station im Keller sowie über eine öffentliche Ladenpassage im Erdgeschoss. Die Geschossfläche von 78.000 m² war den Wachstumshoffnungen der Bank angepasst. Jedoch erfüllten sich diese nicht und die Bank musste Teile des Gebäudes in den 80er Jahren untervermieten. Mit der zunehmenden Krise der Bank wurde sowohl das BfG-Hochhaus als auch die alte Hauptstelle an Investoren verkauft. Auf dem Gelände der alten Zentrale an der Mainzer Landstraße errichteten die Käufer das Hochhaus Trianon. 1993 zog die BfG als Mieter in dieses Hochhaus ein. Mit der Übernahme durch die SEB zog die Bank in ihre heutige wenig repräsentative Zentrale in der Ulmenstraße.

Ausländische Gemeinwirtschaftsbanken

Zu den Gemeinwirtschaftbanken zählten ebenfalls die BAWAG, Wien und die Genossenschaftliche Zentralbank, Basel.

Literatur

  • Wilhelm Fischer: 60 Jahre geg. 60 Jahre Dienst am Verbraucher. 1894 - 1954. Festschrift Hamburg 1954
  • Achim von Loesch: Die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen der deutschen Gewerkschaften. Köln 1979
  • Kurt Hirche: Die Wirtschaftsunternehmen der Gewerkschaften, 1966, Seite 103-177
  • Rolf W. Nagel: Die Transformation der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) als morphologisch-typologisches Problem: die Entstehung und Entwicklung eines Kreditinstituts; Band 32 von Schriften zum Genossenschaftswesen und zur öffentlichen Wirtschaft, 1992,ISBN 3428075390, Online

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